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"Das ist doch …!" Guy kann es kaum fassen, als er die geheimnisvolle "Lady Widow" erkennt. Die Frau mit der Maske, die an jedem Spieltisch gewinnt, ist Emily, seine eigene Gattin! Sein fast erloschenes Interesse an ihr ist neu erwacht - er macht sich daran, sie nach allen Regeln der Kunst zu verführen. Bis ihm ein Verdacht kommt: Veranstaltet Emily diese Maskerade etwa, um ihn mit dem gewonnenen Geld zu verlassen?


  • Erscheinungstag 18.11.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733754075
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Schottland, September 1816

Guy Keating straffte seinen Rücken und schaute sich in der Schmiedewerkstatt um, die vermutlich noch nie einen Schmied gesehen hatte. Die Worte des Priesters hallten durch den Raum wie Hammerschläge. „Sprechen Sie mir nach: ‚Ich, Guy Keating, nehme dich, Emily Duprey, zu meiner Frau …‘“

Kaum fähig, die Lippen zu bewegen, brachte der Bräutigam heraus: „Ich, Guy Keating, …“ Die Worte glichen einem Grabgesang. Was zum Teufel machte er eigentlich hier? Warum sagte er diese Worte? Beinahe blieb ihm der letzte Teil des Gelübdes im Halse stecken. „… bis dass der Tod uns scheidet.“

Nun wandte sich der Priester – nach Guys Ansicht weder ein Gottesmann noch ein Schmied – zu der jungen Frau, die in einem schlichten Reisekleid an seiner Seite vor dem mit Sicherheit noch nie benutzten Amboss stand. „Sprechen Sie mir nach: ‚Ich, Emily Duprey, …‘“

In sanftem, aber klarem Ton legte sie ihr Eheversprechen ab.

Guy versuchte, die Frau anzulächeln, deren Aussehen er ebenso wenig bemerkenswert fand wie ihre Persönlichkeit. Weder groß noch klein, weder dünn noch rundlich … Modische Löckchen umgaben ihr Gesicht, sie waren vom gleichen unscheinbaren Braun wie ihr Kleid. An ihre Augenfarbe erinnerte er sich nicht, doch es war keine, die ihre stets beherrschten Züge zu beleben vermochte.

Fragend, aber keineswegs besonders ausdrucksvoll, erwiderte sie seinen Blick. Eigentlich hätte man ihn verprügeln müssen, weil er sie fast vierhundert Meilen weit weg, nach Gretna Green, gebracht hatte und damit einen Skandal heraufbeschwören würde. Natürlich konnte er sich einreden, als seine Gemahlin sei sie besser dran als an der Seite ihres liederlichen Vaters, Baron Duprey, der ihr Vermögen verspielen würde. Auch die Lebemänner, die sie neuerdings umworben hatten, würden sie nur ins Verderben stürzen. Zweifellos wusste Guy ihr Geld besser zu nutzen. Bin ich deshalb nicht ganz so verwerflich wie die Gentlemen, die sie ausbeuten würden – wie der Baron, der dem Kartenspiel genauso verfallen ist wie mein eigener Vater? Daran musste er einfach glauben.

Am Ende der Zeremonie legte der Priester, wohl eher ein wohlhabender Geschäftsmann, die Hände des Paars ineinander. „Nun sind Sie Mann und Frau.“ Dann lachte er so heftig, dass sein runder Bauch wackelte. „Sir, Sie dürfen die Braut küssen.“

Verwirrt zuckte Guy zusammen. An diesen Teil der Zeremonie hatte er nicht gedacht. Beim Heiratsantrag hatte er Miss Duprey geküsst, nur ein einziges Mal, weil es ihm angemessen erschienen war, aber seither nie mehr.

Sie errötete und musterte ihn durch schüchtern gesenkte Wimpern. Nach kurzem Zögern neigte er sich hinab, und sein Mund berührte ihren. Schürzte sie erwartungsvoll die Lippen? Was versprach sie sich von dieser Verbindung? Gewiss würde sie etwas Besseres verdienen.

„Suchen wir dann jetzt den Gasthof auf?“, fragte der dubiose Priester und hob die Brauen. Sicher machte er auch mit diesem Etablissement Geschäfte.

Guy schluckte krampfhaft. Natürlich hatte er nicht vergessen, dass die Ehe vollzogen werden musste. Würde sich Miss Duprey in diesem Fall ähnlichen Hoffnungen hingeben wie beim Brautkuss? Erst ein romantisches Dinner und dann … Er bot ihr seinen Arm. „Gehen wir, meine Liebe?“ In Wirklichkeit wollte er sagen: Tut mir leid.

Fürsorglich geleitete er sie um die Pfützen herum, die der Regen am Nachmittag hinterlassen hatte. Das abendliche Sonnenlicht schwand ebenso wie der letzte Rest von Guys Selbstbewusstsein. Bis vor kurzem hatte er geglaubt, diese Heirat wäre der einzig richtige Ausweg. Und nun fühlte er sich wie der elendste aller Schurken.

Vor dem Eingang zu ihrer Unterkunft erstreckte sich eine riesige Wasserlache, die aussah, als sei sie so tief, dass Miss Duprey nicht mit trockenen Rocksäumen hinübergelangen würde. Da hob er sie hoch und trug sie über die Schwelle. Ihre Miene blieb unbewegt. Aber sie schmiegte sich vertrauensvoll an seine Brust. In diesem Moment legte er ein ernsthafteres Gelübde ab als vor dem Priester-Schmied. Er würde ein guter Ehemann sein. Niemals sollte sie den wahren Grund erfahren, warum er sie geheiratet hatte.

Sie nahmen das Abendessen in einem Privatsalon ein, und Guy bemühte sich um seine junge Braut, so gut er es vermochte. „Noch etwas Fisch, meine Liebe? … Vielleicht ein zweites Stück Torte? … Darf ich dir noch ein wenig Wein einschenken?“

Höflich antwortete sie, und es kam sogar zu einer stockenden Konversation, die sich hauptsächlich um die Speisen drehte. „Sind die Himbeeren nicht wunderbar?“, fragte sie.

„Köstlich“, stimmte er zu, obwohl er den Geschmack gar nicht wahrnahm. Dafür trank er viel mehr Whisky, als es seine Vernunft guthieß.

Nach der Mahlzeit blieb nichts mehr zu tun, als die Treppe zu ihrem Zimmer hinaufzusteigen, zu dem der Priester-Schmied-Gastwirt ihnen vorausging. Auf dem morschen Holz der Stufen dröhnten Guys Stiefel wie Trommelschläge, die zum heftigen Pochen seines Herzens passten. Er hatte mit nicht wenigen Frauen geschlafen, wie es im Regiment üblich war. Lauter flüchtige, aber ehrliche Begegnungen. Und jetzt? Wie konnte er das Bett mit Miss Duprey – seiner Gattin – teilen, obwohl er ihr die Wahrheit verschwieg? Dass er sie nur geheiratet hatte, um an ihr Vermögen zu kommen?

Der Wirt führte das Paar in einen Raum, in dem ein lebhaftes Feuer im Kamin brannte und ein Kerzenleuchter gedämpftes Licht spendete. Auf dem Nachttisch neben dem breiten, bereits aufgeschlagenen Bett standen eine Weinflasche und zwei Gläser.

Miss Duprey – seine Gattin – wanderte zum Fenster und spähte zwischen den Vorhängen hindurch, ihre Schute und die Handschuhe immer noch in den Händen, als hätte sie nicht die Absicht, hier zu bleiben.

„Nun lasse ich die Herrschaften allein.“ Der Wirt zwinkerte ihm anzüglich zu, entblößte grinsend eine Zahnlücke, die Guy bei der kurzen Zeremonie nicht aufgefallen war.

Dann fiel die Tür hinter ihm ins Schloss, und Guy versuchte, den Aufruhr seiner Gefühle zu meistern. Miss Duprey – verdammt, seine Frau, daran musste er endlich denken – wandte sich zu ihm, umklammerte den Hut mit der einen Hand und zerknüllte die Bänder mit der anderen, wirkte aber gefasst.

„Ein Glas Wein, meine Liebe?“, schlug er vor und zwang sich zu einem Lächeln.

„Bitte …“

Während er zwei Kelche füllte, fand sie endlich einen Platz, um ihre Kopfbedeckung und die Handschuhe abzulegen.

Die Hände wie ein Schulmädchen gefaltet, kam sie zum Nachttisch. Guy reichte ihr ein Glas und stieß mit ihr an. „Auf unsere Zukunft“, brachte er mühsam über die Lippen.

„Ja …“, wisperte sie.

Danach entstand ein beklemmendes Schweigen. Schließlich fragte er: „Soll ich dir eine Zofe schicken, die dir hilft? Ich könnte nach unten gehen, um dir ein bisschen Privatsphäre zu gönnen.“ Und wie viele Whiskys würde er trinken, während sie sich auf die Hochzeitsnacht vorbereitete?

Doch sie schüttelte den Kopf, und sein Unbehagen wuchs. Wenn es ihm misslang, die ehelichen Pflichten zu erfüllen, würde er ihr die Möglichkeit geben, die Verbindung annullieren zu lassen. Welch eine Ironie … An seiner Gemahlin gab es nichts auszusetzen. Warum empfand er nicht das geringste Verlangen? Zweifellos wegen meiner Schuldgefühle … Er hatte sie belogen und behauptet, ihr Vater sei nicht bereit, sie mit ihm zu verheiraten. In Wirklichkeit war Guy gar nicht an den Mann herangetreten. Stattdessen hatte er Emily Duprey zur Flucht nach Gretna Green überredet.

„Wir müssen die Nacht nicht gemeinsam verbringen, wenn es dir widerstrebt“, begann er bedrückt. „Niemand würde es erfahren.“

„Die Bettlaken“, warf sie tonlos ein.

Ah, die Bettlaken. Die würde ein Zimmermädchen am nächsten Morgen wechseln und den fehlenden Beweis entdecken. Würde es dann Schwierigkeiten geben? Was interessierte diese Leute der Ehevollzug? Sie wurden gut bezahlt. Zudem könnte Emily Duprey eine Witwe sein. Wie auch immer – nachdem er schon so weit gegangen war, durfte er nichts riskieren. „Ich könnte etwas arrangieren …“ Wie jeder Soldat wusste, war eine Verwundung leicht beigebracht. Nur ein kleiner Schnitt in seinen Arm, und das Laken wäre befleckt …

„Nein, ich wünsche eine richtige Hochzeit.“

Wie schaffte sie es nur, so ruhig und gefasst zu sprechen? Ohne eine Miene zu verziehen, öffnete sie ihren Spenzer, zog ihn aus und legte ihn über eine Truhe am Fußende des Betts. Dann griff sie hinter ihren Rücken und kämpfte mit den Knöpfen ihres braunen Reisekleides.

Nach einer Weile rang sich Guy dazu durch, ihr zu helfen, und streifte ihr das Kleid von den Schultern. Es fiel zu Boden, und sie trat heraus, hob es auf und legte es gleichfalls über die Truhe. Dann stand sie, einer Statue gleich, da, während er mit bebenden Fingern die Verschnürung ihres Korsetts löste und es beiseite legte.

Nur mit ihrem Hemd bekleidet, drehte sie sich zu ihm um, das Gesicht so ausdruckslos wie eh und je. Schweren Herzens beobachtete er, wie sie die Nadeln aus ihrem Haar zog. Sie verdiente einen Ehemann, der diesem Moment freudig entgegenfieberte, statt nur Pflichtgefühle zu verspüren. Warum rannte sie nicht davon? Sie müsste den habgierigen Priester-Schmied bestechen, damit er den Eintrag aus dem Register entfernte, und mit der nächsten Postkutsche nach Bath zurückfahren. Angesichts ihrer Fügsamkeit kam sich Guy umso erbärmlicher vor. Nach einem tiefen Atemzug setzte er sich auf das Bett und zog seine Stiefel aus.

Bei einer solchen Tätigkeit hatte Emily bisher nur ihrem Vater und ihrem Bruder zugeschaut. Und die beiden bewegten sich gewiss nicht mit der gleichen männlichen Geschmeidigkeit wie Guy Keating. Der intime Anblick beschleunigte ihren Puls, und sie dachte an die Trinkhalle von Bath, wo sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte.

Er hatte bei einem Gespräch mit zwei alten Damen – den Tanten seiner Mutter, wie sie inzwischen wusste – einen Schal so liebevoll um die Schultern der einen gelegt, dass Emily tief gerührt gewesen war. Ein paar Tage später hatte er ihren Bruder im Kursaal gebeten, ihn ihr vorzustellen. Ihr

Nun betrachtete sie sein dunkles, lockiges Haar, die blauen Augen, von langen schwarzen Wimpern überschattet, um die ihn jede Frau beneiden müsste. Warum dieser attraktive Mann um ihre Hand angehalten hatte, verstand sie noch immer nicht – nachdem in drei Londoner Saisons kein einziger Gentleman an ihr interessiert gewesen war.

Sie hatte befürchtet, er würde an einer Geisteskrankheit leiden oder ein grausames Spiel mit ihr treiben. Aber ihr Bruder Robert hatte versichert, Keating sei durchaus Herr seiner Sinne und seit dem Tod seines älteren Bruders, der sich wegen seiner Spielschulden erschossen habe, der reiche Erbe des Viscount-Titels.

Auf Emilys Frage, warum Guy Keating gerade ihr den Hof mache, erwiderte Robert: „Vermutlich wird er von seiner Mama und den alten Tanten bedrängt, eine Familie zu gründen. Ich glaube, er ist nur nach Bath gekommen, weil er auf Brautschau gehen will.“

Trotzdem – in Bath war er anderen heiratsfähigen jungen Damen begegnet. Warum ausgerechnet ich, überlegte Emily nach wie vor. Das erschien ihr genauso mysteriös wie der Entschluss ihres Vaters, den Heiratsantrag eines so respektablen Aristokraten abzulehnen.

Vielleicht wollte ihr Vater Rache üben, weil sie sich geweigert hatte, den reichen Bruder eines Marquess in die Ehefalle zu locken. Dann waren in Bath zwielichtige Herren mit absurden Komplimenten um sie herumscharwenzelt, gewiss auf Veranlassung ihres Vaters, der ihr klar machen wollte, welche Kandidaten für sie übrig bleiben würden, wenn sie sich seinen Plänen widersetzte. Der einzige ehrbare Bewerber war Keating gewesen. Wenn sie es nicht gewagt hätte, mit ihm nach Schottland durchzubrennen, hätte sich ihr wahrscheinlich nie mehr die Chance geboten, einen anständigen Gentleman zu heiraten.

Jetzt stand sie im Unterhemd neben dem aufgeschlagenen Bett. Verlegen beobachtete sie, wie ihr Gatte seinen Rock, die Weste und das Hemd ablegte. Dabei hoffte sie inständig, sie würde alles richtig machen, wenn sie auch nicht die leiseste Ahnung hatte, was auf sie zukam. Sie bemühte sich, seine breite, muskulöse Brust, die sie an griechische Statuen erinnerte, nicht anzustarren. Viel zu schnell pochte ihr Herz.

Müsste sie in diesem Moment irgendetwas tun? Sie empfand das erstaunliche Bedürfnis, seine nackte Haut zu berühren. Doch sie wollte nicht zu freizügig erscheinen. Als er wegschaute, nutzte sie die Gelegenheit, um seine Hose zu mustern. Wie mochte ein Mann aussehen? Nun wandte er sich wieder zu ihr und lächelte schwach. Ganz leicht strich er über ihre Wange. Und da strömte eine unerwartete Hitze durch ihre Adern. Plötzlich sehnte sie die weiteren Ereignisse voller Ungeduld herbei.

„Wollen wir uns … auf das Bett legen?“, fragte er heiser.

Sie nickte. Sollte sie fragen, warum er seine Hose anbehielt und sie nicht bat, sich vollends zu entkleiden? Nein, das wäre ungehörig.

Wortlos legte sie sich auf die Matratze. Durch den dünnen Musselin ihres Hemdes fühlte sich das Laken kühl an. Guy streckte sich neben ihr aus und breitete die Decke über sie beide. Darunter schlüpfte er aus seiner Hose. Irgendwie erleichtert, weil sie die männliche Anatomie vorerst nicht betrachten musste, folgte sie seinem Beispiel, zog ihre Strümpfe und das Hemd aus. Zum ersten Mal in ihrem Leben lag sie nackt in einem Bett.

Als sie ihre Unterwäsche auf den Boden warf, versteifte er sich sekundenlang, bevor er hastig aufstand und zum Kerzenleuchter eilte. „Ich habe vergessen, das Licht zu löschen.“

Atemlos schaute sie seiner wohlgeformten nackten Gestalt nach. Die Kaminflammen verbreiteten lediglich ein schwaches Licht. Und so sah sie bei seiner Rückkehr nur einen Schemen. Er kroch wieder unter die Decke. Im Dunkel erkannte sie sein attraktives Gesicht nur undeutlich. Würde er ihre Angst bemerken? Einerseits wollte sie nicht so schamlos wirken wie ihre Schwester, andererseits würde Guy sicher missfallen, wenn sie vor ihm zurückschreckte.

Er holte tief Luft, umarmte sie, und seine nackte Haut berührte ihre. An ihrem Schenkel spürte sie die Körperteile von ihm, die sie nicht anzuschauen gewagt hatte. Er streichelte ihren Rücken und weckte ein fremdartiges Entzücken in ihr, das nur von dem Gefühl ihres Busens an seiner kraftvollen Brust überboten wurde.

Behutsam erforschten seine Hände ihren Körper. Dann rückte er ein wenig von ihr ab, um ihre Brüste zu liebkosen, und erregte beängstigende Emotionen. Waren es solche Triebe gewesen, die ihre Schwester ins Verderben gestürzt hatten?

„Ich … möchte dir nicht wehtun“, gestand er stockend.

„Das musst du nicht befürchten.“ Dass sie beim ersten Mal Schmerzen empfinden würde, wusste sie. Weitere Kenntnisse besaß sie nicht, und es fiel ihr schwer, an irgendwelche Qualen zu denken, während sie sich so lebendig fühlte wie nie zuvor.

„Natürlich will ich es dir möglichst leicht machen“, beteuerte er pflichtbewusst.

Seine Hand wanderte über ihren Bauch, zwischen ihre Beine. Unwillkürlich presste sie die Schenkel zusammen, zwang sich aber sofort, sie wieder zu öffnen. Seine Finger erkundeten die intimste Stelle ihrer Weiblichkeit. War sein Verhalten lasterhaft? Ihre Kindermädchen und Gouvernanten hatten stets betont, dort dürfe sie sich nur berühren, wenn es unvermeidlich sei. Viel zu intensive Empfindungen erwachten.

Ohne Vorwarnung drang sein Finger in sie ein, und sie erstarrte. „Das muss ich tun“, erklärte Guy.

Zu Emilys Verblüffung hoben sich ihre Hüften wie aus eigenem Antrieb. Sie versuchte, reglos dazuliegen, voller Angst, sie würde ihren Mann schockieren. In einem solchen Augenblick mussten Jungfrauen schamhaft zaudern, nicht wahr? Doch sein Finger erzeugte einen viel zu starken Drang in ihrem Innern. Abrupt zog er ihn zurück.

„Ich werde mich jetzt mit dir vereinen“, kündigte er an. Vorsichtig drehte er sie auf den Rücken und bedeckte ihren Körper mit seinem. Auf seine Arme gestützt, um ihr sein Gewicht zu ersparen, schob er seine Hüften zwischen ihre Schenkel. Seine Männlichkeit erschien ihr hart und groß. Sicher zu groß für sie … Ganz langsam und sanft drang er in sie ein. Trotzdem konnte sie einen Schrei nicht unterdrücken, und er hielt sofort inne.

„Schon gut …“, hauchte Emily, weil er nicht glauben sollte, er hätte sie ernsthaft verletzt. Und der Schmerz wurde ohnehin von betörenden Gefühlen verdrängt. Schneller und schneller bewegte er sich in ihr, bis er stöhnend auf sie niedersank. Ihr Körper pulsierte immer noch mit einer Intensität, die sie zu überwältigen drohte.

Nun glitt er von ihr hinab. Da, wo er in sie eingedrungen war, verspürte sie nur einen vagen Schmerz. Viel heftiger war das Leid einer unerfüllten Sehnsucht, und sie wollte ihren Mann mit Vorwürfen überhäufen, ohne recht zu wissen, warum. Er hatte getan, was in einer Hochzeitsnacht geschehen musste. Durfte sie wünschen, er möge den Vollzug der Ehe wiederholen? Wohl kaum …

Längst hatten sich ihre Augen an das Dunkel gewöhnt, und sie sah Guys dunkle, geschwungene Brauen, die vollen Lippen. Ein markantes Gesicht – das Gesicht eines Fremden. Die Stirn gerunzelt, erwiderte er ihren Blick mit sorgenvollen blauen Augen. „Es tut mir so leid.“

Über ihre Wange rollte eine Träne.

2. KAPITEL

Auf den scheinbar endlosen Straßen nach Bath erschütterte jedes Schlagloch, über das der Wagen hinwegpolterte, Emilys ohnehin schon verwundetes Herz. Ihr Ehemann machte höflich Konversation, fragte ständig nach ihrem Befinden, entschuldigte sich für die beschwerliche Reise – und trieb sie fast zum Wahnsinn.

„Leider sind die Straßen fast unpassierbar.“

„Das ist kein Problem für mich, Guy.“ Nicht so sehr, wie du es bist …

In den Gasthöfen sorgte er für getrennte Schlafzimmer. „Für deine Bequemlichkeit, meine Liebe.“

Für ihre Bequemlichkeit, in der Tat! Damit verschaffte er sich nur einen Vorwand, um eine Wiederholung der Ereignisse in der Hochzeitsnacht zu vermeiden. Eigentlich müsste ein Mann den Liebesakt wünschen. Also hatte sie irgendetwas falsch gemacht, wenn es ihm dermaßen widerstrebte, ihr Bett zu teilen. Aber was? Natürlich wagte sie es nicht, das heikle Thema anzuschneiden.

Endlich sahen sie die Gebäude von Bath im goldenen Sonnenschein eines kühlen Herbsttages schimmern. Kurz darauf hielt die Kutsche vor einem schlichten Haus an der Thomas Street, das Guy Keating gemietet hatte. Nachdem er ein paar Worte mit dem Fahrer gewechselt hatte, trug er die Reisetaschen selbst hinein. Schweigend folgte Emily ihm in die Halle, wo er das Gepäck abstellte. Ein dünner alter Mann in einem fadenscheinigen Frack erschien. „Mylord …“ Würdevoll verneigte er sich, soweit es seine Arthritis zuließ, und ignorierte Emily, die halb verdeckt hinter dem Viscount stand.

„Bleasby, ich habe meine … äh … Frau mitgebracht“, erklärte Guy, trat beiseite und schob Emily ein wenig nach vorn. „Lady Keating.“ Ohne sie auch nur anzuschauen, stellte er sie vor. „Meine Liebe, das ist unser verdienstvoller Butler.“

Wie es seine hohe Position in der Dienstbotenhierarchie verlangte, ließ sich Bleasby die Überraschung nicht anmerken.

„Freut mich, Sie kennen zu lernen, Bleasby“, murmelte Emily.

Der alte Mann verbeugte sich erneut. „Mylady sind zu gütig.“ Dann bückte er sich und griff nach den Reisetaschen.

Aber der Viscount hinderte ihn daran. „Darum kümmere ich mich später. Ist meine Mutter da?“

„Im Salon, mit den Damen“, antwortete der Butler.

„Ah …“ Zu Emily gewandt, fügte Guy hinzu: „Meine Liebe, es wäre besser, wenn ich erst einmal allein mit meiner Mutter und meinen Großtanten spreche. Hoffentlich macht es dir nichts aus.“

Dass er sie dauernd „meine Liebe“ nannte, irritierte sie viel mehr. Als könnte er sich nicht an ihren Namen erinnern … „Gewiss hast du recht.“ Würde seine Mutter sie wegen der unschicklichen Heirat in Gretna Green verachten? Würde sie ihr die Schuld daran geben? Sie entsann sich nicht, die Dowager Viscountess jemals getroffen zu haben. Zumindest waren ihr die Tanten nicht furchterregend erschienen.

„Gleich bin ich wieder da … Bleasby, führen Sie bitte Lady Keating in … die Bibliothek, und sorgen Sie für Erfrischungen.“

Der Butler humpelte davon, und Emily verspürte das unpassende Bedürfnis, ihn zu stützen, während sie ihm folgte. Glücklicherweise lag die Bibliothek nicht weit entfernt. In dem kleinen Raum befanden sich Regale, aber keine nennenswerten Bücher, und der Kamin war kalt. Trotz seiner Gebrechlichkeit wahrte Bleasby seine Haltung, hinkte hinaus und schloss die Tür.

Immer noch in Mantel, Hut und Handschuhen, stand Emily mitten in dem Raum, kaum fähig zu einem klaren Gedanken. Tränen verschleierten ihren Blick.

Nein, ermahnte sie sich, sie wollte keine Heulsuse werden wie ihre Schwester Jessame, die bei jeder kleinen Unannehmlichkeit weinte. Bei ihrer Hochzeit am Ende ihrer ersten Saison war sie völlig aufgelöst gewesen. Falls ihr Vater gehofft hatte, an das Vermögen ihres ehrenwerten, wesentlich älteren Ehemanns heranzukommen, war er bitter enttäuscht worden. Der Gentleman hatte Jessame ihrer Familie entfremdet, und sie schrieb den Dupreys nur noch selten.

Emily nahm ein Taschentuch aus ihrem Retikül und betupfte ihre Augen. Wenn sie doch ihrer anderen Schwester Madeleine gliche, die der Vater verbannt und für tot erklärt hatte … Madeleine hatte mit einem Mann in Sünde gelebt, ein uneheliches Kind geboren und sich trotzdem gut verheiratet.

Eine Zeit lang hatte Emily gehofft, Devlin Steele würde sie zur Frau nehmen. Dieser Illusion war ein jähes Ende bereitet worden, denn sie hatte herausgefunden, dass ihre Schwester noch lebte und inzwischen seine Gemahlin war. Davor hatten die Eltern ihr drei Jahre lang weisgemacht, Madeleine sei gestorben. In Wirklichkeit hatten sie ihre jüngste Tochter mit Lord Farley verkuppelt, einem widerwärtigen alten Wüstling. Aber es war Madeleine gelungen, von ihm zu fliehen.

Nachdem Emily dies alles erfahren hatte – wie wäre es ihr möglich gewesen, weiterhin im Elternhaus zu bleiben? Wie hätte sie Lord Keatings Heiratsantrag widerstehen können?

In diesem Moment öffnete der Viscount mit grimmiger Miene die Tür. Offenbar war das Gespräch mit seinen Verwandten nicht allzu angenehm verlaufen. „Komm“, bat er.

Sie folgte ihm, aber bevor sie den Salon betraten, fragte sie: „Soll ich nicht besser ablegen?“

Immerhin besaß er genug Anstand, um sich verlegen zu räuspern: „Ja, gewiss.“ Zu ihrem Erstaunen half er ihr aus dem Mantel, und die Berührung seiner Hände auf ihren Schultern wirkte noch nach, nachdem sie die Schwelle des Salons bereits überquert hatte.

Hier brannte ein einladendes Feuer im Kamin. Nicht ganz so einladend wirkten die Mienen der drei Damen, die Emily erwarteten. Vielmehr erweckten sie den Eindruck, die Ankunft eines Drachens zu fürchten.

Zuerst führte Guy sie zu einer majestätischen Frau mit dunklem, von Silberfäden durchzogenem Haar und den gleichen leuchtend blauen Augen wie seine. „Mutter, darf ich dir meine Braut vorstellen, ehedem Emily Duprey – meine Liebe, die Dowager Viscountess, Lady Verna Keating.“

Erfolglos suchte Emily in den Zügen Ihrer Ladyschaft nach einem Anflug menschlicher Wärme. „Freut mich, Sie kennen zu lernen, Ma’am“, sagte sie leise.

Die Witwe schwieg, ergriff aber immerhin Emilys Hand.

Nun wandte sich Guy zu den älteren Damen an der Seite seiner Mutter. Die eine schien nur aus Haut und Knochen zu bestehen. Schwerfällig stützte sie sich auf ihren Stock. Die andere wirkte etwas robuster, erweckte aber den Eindruck, sie würde unter ihrem gebeugten Rücken leiden. „Meine Großtanten. Lady Pipham und Miss Nuthall.“

Die krumme Miss Nuthall starrte Emily abweisend an, während Lady Pipham ihr ein scheues Lächeln schenkte. Höflich reichte Emily den beiden ihre Hand. „Ich fühle mich geehrt.“

Nun erschien der arthritische Butler mit einem Teetablett, auf dem die Tassen klapperten. Guy nahm es ihm ab, stellte es auf den Tisch, und Bleasby entfernte sich wieder.

„Setzen wir uns“, entschied Lady Verna. Anmutig sank sie in einen Sessel mit Satinbezug. Etwas mühsamer nahmen die alten Tanten Platz. „Sicher brauchen Sie nach Ihrer langen Reise eine Erfrischung, Miss Duprey“, bemerkte Guys Mutter sarkastisch.

„Danke, Sie sind sehr freundlich“, erwiderte Emily. Zu ihrer Erleichterung ließ sich Guy neben ihr auf dem Kanapee nieder. Immerhin versuchte er, ihr beizustehen.

Die Dowager Viscountess füllte die Tassen. „Sicher werden Sie verstehen, dass uns die Neuigkeit von Ihrer … Flucht schockiert hat. Zu solchen Dummheiten wurde Guy nicht erzogen. Mit keinem Wort hat er uns über seine Pläne informiert.“

„Wenn Sie sich gekränkt fühlen, bedaure ich das zutiefst“, beteuerte Emily. „Das lag nicht in meiner und Guys Absicht.“

„Nie zuvor gab es in unserer Familie eine Gretna-Green-Hochzeit“, betonte Miss Nuthall.

„Nun, da war Cousine Letitia“, murmelte Lady Pipham.

„Auf die kommt es nicht an“, fiel Miss Nuthall ihr ins Wort.

Lady Verna reichte Emily eine gefüllte Tasse. „Soeben richtet die Haushälterin das Zimmer neben Guys Schlafgemach für Sie.“

Hatte Guy das angeordnet? Emily wusste nicht, ob sie aufatmen oder enttäuscht sein sollte. „Hoffentlich bereite ich Ihnen keine Schwierigkeiten …“

„Nun, meine Tochter wird auf einen eigenen Raum verzichten müssen.“ Seufzend faltete die Dowager Viscountess ihre Hände im Schoß.

„Oh, das tut mir leid!“, rief Emily.

„Nicht nötig“, mischte sich Guy hastig ein. „Cecily befindet sich im Internat. Also braucht sie hier kein Zimmer – wie du sehr wohl weißt, Mutter.“

Von Guys Schwester hörte Emily zum ersten Mal. Das wollte sie erwähnen, hielt sich aber gerade noch rechtzeitig zurück. Sicher würde es die angespannte Atmosphäre nicht lockern, wenn sie zugab, wie wenig sie über ihren Ehemann wusste. Mit wachsendem Unbehagen nippte sie an ihrem Tee.

„Oh, die liebe Cessy“, murmelte Lady Pipham.

„Sagen Sie doch, Miss Duprey …“, begann Lady Keating, und ihr Sohn unterbrach sie.

„Mutter, sie ist meine Frau.“

„Ach ja.“ Freudlos lächelte Lady Verna.

„Vielleicht sollten Sie mich Emily nennen, wenn Ihnen das besser gefällt“, schlug Emily mitfühlend vor. Der Dowager Viscountess musste es schwer fallen, ihren Titel und ihren Status ohne jede Vorwarnung an eine Fremde zu verlieren.

„Also gut … Emily.“ Mit schneidender Stimme sprach ihre Schwiegermutter den Namen aus. „Wissen dann Ihre Eltern Bescheid über diese … Eskapade?“

„Nein, Ma’am“, gestand Emily errötend.

„Ihre Mutter kenne ich nur flüchtig, Emily“, berichtete die Witwe missbilligend. „Und gelegentlich sprach mein Mann von Ihrem Vater.“

Offenbar waren der verrufene Baron Duprey und seine Gemahlin keine wünschenswerte Bekanntschaft. Doch das war Emily nicht neu.

Guy stand auf. „Nun werde ich sehen, wie weit die Haushälterin ist, meine Liebe.“

Eine halbe Stunde später führte er seine Gattin in den Raum, den er für sie hatte herrichten lassen. Entsetzt über das schlechte Benehmen seiner Mutter, brachte er kaum ein Wort hervor. Sogar Tante Dorrie Nuthall war furchtbar unhöflich gewesen. Ärgerlich kehrte er in den Salon zurück. Lady Verna blickte von einer Zeitschrift auf. „Fühlt sich deine Frau in Cessys Zimmer wohl?“

„Meiner Frau steht jeder Raum zu, den ich für sie aussuche“, fauchte er.

„Dann sollte sie vielleicht alle diese Gemächer übernehmen, und wir stehen auf der Straße.“ Beinahe erstickte ein Schluchzen ihre Stimme. „Wie konntest du uns das antun, Guy? In eine solche Familie einzuheiraten und einen unglaublichen Skandal heraufzubeschwören! Die Dupreys gehören nicht zur guten Gesellschaft. Wie du weißt, ist der Baron ein unverbesserlicher Spieler – und die Baroness angeblich dem Alkohol verfallen.“

„Aber die Tochter hat sehr nette Manieren“, wandte Lady Pipham ein.

Guy ging zu seiner gebrechlichen Großtante und drückte einen Kuss auf das Häubchen, das ihr schütteres weißes Haar bedeckte. „Danke, Tante Pip.“

Nachdenklich musterte er die drei Frauen, die seine Schwester Cessy und ihn stets vergöttert hatten. Voller Hoffnung, dass er eine gute Partie machte, hatte seine Mutter ihn stets gedrängt, junge Damen zu hofieren, deren Väter ihm tunlichst aus dem Weg gegangen waren. Was die beklagenswerten Finanzen der Familie Keating betraf, hatte sich jeder ein Bild machen können, der den glücklosen Lord Keating und dessen älteren Sohn zu Lebzeiten der beiden gekannt hatte.

Also war Emily Duprey ein Gottesgeschenk gewesen – wenn Guy auch bezweifelte, dass der Allmächtige die Methode, die junge Dame zu erobern, billigen würde.

„Emily ist ein respektables Mädchen“, betonte er nun. „An ihren Namen knüpft sich kein Skandal. Und ich wette, du wirst dich nicht beklagen, wenn sie mit ihrem Geld unsere Rechnungen bezahlt, Mutter.“

„Geld? Ha! Soviel ich gehört habe, ist ihre Familie reif für das Armenhaus.“

„Vielleicht ihre Familie. Aber Emily ist eine Erbin. Und durch unsere Heirat wird ihr Vater daran gehindert, ihr Vermögen am Spieltisch zu verschleudern.“

Entsetzt starrte Dorrie ihn an. „Also bist du wegen ihres Reichtums mit ihr durchgebrannt? Das ist doch wahrlich der Gipfel!“

„Warum ich Emily geheiratet habe, geht euch nichts an“, erwiderte er kühl. „Und ich wäre euch sehr verbunden, wenn ihr sie in diesem Haus höflich behandeln würdet.“

„Haben wir eine Wahl?“, flüsterte seine Mutter.

„Nein. Übrigens, ich habe Kirby gebeten, ihr zur Hand zu gehen.“

„Was?“ Empört richtete sich Lady Verna in ihrem Sessel auf. „Du überlässt diesem Mädchen meine Zofe?“

Er musste die Zähne zusammenbeißen, um ruhig zu bleiben. „Ich habe sie mir ausgeliehen. Und es hätte dir wohl angestanden, meiner Gemahlin Kirbys Unterstützung selbst anzubieten. Bedauerlicherweise muss ich deine Gastfreundschaft bemängeln.“

Seine Mutter zeigte nicht einmal so viel Anstand, beschämt den Kopf zu senken. Doch sie war schon immer unrealistisch gewesen. Nun, wenn sie weiterhin in höheren Regionen schweben wollte, so wie zu Lebzeiten ihres Mannes und ihres älteren Sohnes, war das nicht Guys Problem. Rupert, ein Taugenichts vom selben Kaliber wie der Vater, hatte die bedingungslose Liebe seiner Mutter genossen. Beim Anblick seiner blutunterlaufenen Augen und der fahlen Wangen hatte sie geglaubt, die Sonne würde aufgehen. Andererseits musste Guy zugeben, dass sie von keinem ihrer Kinder jemals schlecht gedacht oder ihnen irgendwelche Herzenswünsche versagt hatte. Jetzt bestand sie darauf, Cessy in dieses sündhaft teure Internat zu schicken. Bis zu seiner Heirat hatte sich Guy Tag und Nacht den Kopf darüber zerbrochen, wie er das bezahlen sollte.

In diesem Moment wurden seine Gedanken unterbrochen, denn Emily kehrte in den Salon zurück. „Vielen Dank für die Dienste Ihrer Zofe, Ma’am, sie war sehr hilfsbereit.“

Die Dowager Viscountess schaute kaum auf. „Keine Ursache.“

Zu Guy gewandt, fragte Emily: „Darf ich dich kurz sprechen?“ Sie sah erschöpft aus. Offenbar forderte die Atmosphäre in diesem Haushalt bereits einen gewissen Tribut.

„Natürlich.“ Er folgte ihr in den Flur hinaus. „Was gibt es, meine Liebe?“

„Ich … ich glaube, ich sollte meine Eltern besuchen“, begann sie unsicher. „Noch ist nicht Abendessenszeit, und ich müsste sie daheim antreffen. Ich fühle mich verpflichtet, sie über meine … meine Heirat zu informieren.“

Guy nickte. „Gut, ich begleite dich.“ Noch eine Unannehmlichkeit an diesem Tag, die er ertragen musste. Am besten brachte er die Tortur möglichst schnell hinter sich.

Überrascht hob sie die Brauen. „Willst du wirklich mitkommen?“

„Zweifellos wäre es ungehörig, dich allein in dein Elternhaus zu schicken.“

Emily lächelte scheu. „Danke, ich mache mich nur rasch ausgehfertig.“ Während sie in ihr Zimmer zurückeilte, zog Guy seinen Mantel an und setzte den Biberhut auf.

Ein paar Minuten später gingen sie die Straße entlang. Emilys Eltern wohnten in der Nähe, in einem etwas komfortableren Haus. Auf dem Weg durch den herbstlichen Nachmittag wusste Guy nichts Besonderes zu sagen, und so warnte er sie nur vor dem unebenen Pflaster.

Vor dem Eingang angekommen, zögerte Emily. Aufmunternd drückte Guy ihren Arm, und sie schaute ihn dankbar an. Dann betätigte er den Türklopfer. Ein Lakai öffnete ihnen. Als sie die Halle betraten, erschien ein distinguierter Butler. „Miss Duprey …“, grüßte er mit monotoner Stimme.

„Guten Tag, Sutton“, erwiderte sie. „Sind meine Eltern da?“

„In der Tat.“ Sutton gönnte Guy kaum einen Blick. „Wenn Sie sich in den hinteren Salon bemühen, werden Sie Ihre Mutter antreffen, Miss.“

„Würden Sie meinen Vater bitten, sich ebenfalls dort einzufinden?“

Der Butler wandte sich zu dem Lakaien um, der neugierig gaffte, und schnippte mit den Fingern. Der Mann machte eine kurze Verbeugung, dann rannte er davon, und Sutton verschwand im Korridor.

Nach einem tiefen Atemzug räusperte sich Emily und führte Guy zu dem kleinen Empfangszimmer. Bevor sie eintrat, klopfte sie an die Tür. Lady Duprey ruhte auf einem Sofa und rückte den kostbaren Schal zurecht, der von ihrer Schulter geglitten war. „Ah, Emily, du bist es. Ich dachte schon, jemand macht mir die Aufwartung.“ Erst jetzt entdeckte sie Guy, richtete sich auf und strich über ihre Locken, die noch immer nicht ergraut waren. Obwohl sie an die fünfzig war, sah sie immer noch attraktiv aus. „Also doch ein Besuch.“ Interessiert reichte sie ihm ihre Hand.

Emily trat etwas näher. „Darf ich dir Viscount Keating vorstellen, Mama …“

Autor

Diane Gaston
<p>Schon immer war Diane Gaston eine große Romantikerin. Als kleines Mädchen lernte sie die Texte der beliebtesten Lovesongs auswendig. Ihr Puppen ließ sie tragische Liebesaffären mit populären TV- und Filmstars spielen. Damals war es für sie keine Frage, dass sich alle Menschen vor dem Schlafengehen Geschichten ausdachten. In ihrer Kindheit...
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