Im Bett mit dem Herzensdieb

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Dieser Typ ist hinreißend und absolut heiß - und leider ein berühmter Juwelen-Räuber! "Einmal Dieb, immer Dieb - lass die Finger von ihm", ermahnt sich Sicherheits-Expertin Marie O’Hara. Sie braucht Gianni Coretti zwar, damit er eine kostbare Kette wiederbeschafft, die unter ihrer Aufsicht abhanden kam. Doch davon, dass Gianni auch ihr Herz stehlen sollte, war nie die Rede! Marie wird niemals in seinem Bett landen - obwohl sie vor Sehnsucht fast verrückt wird! Einem Gauner wie ihm darf sie nicht trauen - auch wenn er schwört, dass er sich geändert hat ...


  • Erscheinungstag 28.07.2015
  • Bandnummer 1882
  • ISBN / Artikelnummer 9783733721282
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Papà steckt hinter dem Van-Court-Juwelendiebstahl von letzter Woche, nicht wahr?“ Gianni Coretti sprach leise, als er über den Tisch hinweg seinen Bruder Paulo ansah.

Paulo zuckte mit den Schultern, trank einen Schluck von seinem Scotch und lächelte vage. „Du kennst Papà.“

Gianni zog ein finsteres Gesicht. Mit dieser unbefriedigenden Antwort hätte er rechnen können. Natürlich stellte sich Paulo auf die Seite ihres Vaters. Frustriert schaute Gianni aus dem Fenster und ließ seinen Blick über die gepflegten Grünflächen von Vinley Hall gleiten. Das Luxushotel, im Herzen von Hampshire an der Südküste Englands gelegen, war das Stammhotel der Coretti-Familie – nicht nur wegen der ihm eigenen Eleganz, sondern auch wegen der Nähe zum Blackthorn-Privatflugplatz.

Die Corettis flogen nie mit Linienmaschinen.

Gerade waren Gianni und sein Bruder auf dem Weg nach Blackthorn. Von dort wollte Paulo zurück nach Paris fliegen, wo er lebte. Aber auf dem Weg hatten sie wie immer einen Stopp für einen Drink in Vinley Hall eingelegt.

Paulo war drei Tage zu Besuch bei ihm in London gewesen, und ehrlich gesagt waren Gianni diese drei Tage wie drei Jahre vorgekommen. Er hatte nicht gern Besuch, nicht einmal von seiner Familie. Und gerade Paulo strapazierte seine Geduld wie kein anderer.

Eine Kellnerin in schwarzem Rock und schicker weißer Bluse eilte durch die elegante Bar, die frühere Bibliothek von Vinley Hall. Damit sie ihn und seinen Bruder nicht belauschen konnte, wechselte Gianni von Englisch auf Italienisch.

„Du und Papà, ihr denkt hoffentlich daran, dass es gerade erst ein Jahr her ist, dass ich mit Interpol einen Deal ausgehandelt habe. Einen Deal, der besagt, dass wir wegen früherer Diebstähle nicht mehr belangt werden können.“

Paulo erschauerte sichtlich und trank noch einen Schluck Scotch, bevor er auf Italienisch antwortete: „Was bist du so eng mit der Polizei? Ich weiß nicht, wie du das geschafft hast – und warum du es überhaupt getan hast.“ Er stellte das schwere Kristallglas wieder ab, fuhr mit dem Finger über den Rand und schaute Gianni dann nachdenklich an. „Wir haben dich nicht darum gebeten.“

Richtig, das hatten sie nicht getan. Gianni hatte ihnen diese Sicherheit trotzdem verschafft. Leider wusste seine Familie es überhaupt nicht zu schätzen. Ganz im Gegenteil, sie war sogar entsetzt über die Vorstellung gewesen, das „Familienunternehmen“ aufgeben zu müssen.

Seit Jahrhunderten waren die Corettis Juwelendiebe. Geschick und Fertigkeiten wurden von Generation zu Generation weitergegeben. Die Kinder lernten früh die Geheimnisse und Tricks des Gewerbes kennen und wuchsen zu Erwachsenen heran, die mit flinken Fingern und wachem Verstand die Fähigkeit besaßen, in verschlossene Räume hinein- und wieder hinauszuschlüpfen, ohne Spuren zu hinterlassen.

Polizisten auf der ganzen Welt hätten alles für das kleinste Beweisstück gegen die Corettis gegeben. Aber bisher war die Familie nicht nur gut gewesen, sie hatte auch Glück gehabt. Doch Gianni war davon überzeugt, dass das Glück sie früher oder später verlassen würde.

Leider war er der einzige Coretti, der das glaubte.

„Dir ist es ernst damit, oder?“, fragte Paulo.

„Womit?“ Giannis Stimme klang gereizt.

Paulo schnaubte verächtlich. „Mit diesem neuen Leben in Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit, natürlich.“

Giannis Ärger wuchs. „Bei dir klingt das, als wollte ich ein …“ Er dachte kurz nach, wie er es am besten ausdrücken sollte. „Als wollte ich ein Heiliger werden.“

Paulo lachte. „Und, willst du es nicht?“

Seit einem Jahr diskutierten sie mittlerweile über dieses Thema, und noch immer konnten sein Bruder und sein Vater Giannis Entscheidung nicht verstehen. Doch das überraschte ihn nicht. Aus einem Meisterdieb wurde nicht plötzlich ein gesetzestreuer Bürger. Gianni allerdings hatte vor mehr als einem Jahr eine Art Erleuchtung gehabt.

Seine Schwester Teresa verstand ihn glücklicherweise. Sie hatte sich schon vor Jahren entschieden, mit der Familientradition zu brechen. Aber da war sie die Einzige – außer ihm.

„Du hast jetzt einen Job, Gianni.“ Paulo schauderte bei dem bloßen Gedanken, bei irgendjemandem angestellt zu sein. „Die Corettis haben keine Jobs. Wir erledigen Jobs. Das ist ein Unterschied.“

Im Kamin auf der anderen Seite des Raumes brannte ein Feuer. Es warf ein flackerndes Licht auf die holzvertäfelten Wände. Draußen rauschte der Wind in den Blättern der stattlichen Bäume. Es herrschte eine angenehme Atmosphäre in Vinley Hall, die Gianni genossen hätte, wenn er nicht mit seinem sturen Bruder hätte reden müssen.

„Und dieser Unterschied könnte meine Familie ins Gefängnis bringen“, erklärte er ernst.

„Was bisher aber nicht passiert ist.“ Paulo lächelte süffisant.

Nein, bisher nicht. Aber Dominick Coretti – Giannis Vater – wurde älter. Und selbst bei den Besten ließ die Geschicklichkeit im Alter nach. Natürlich würde ein Nick Coretti das niemals zugeben. Aus diesem Grund hatte Gianni Vorkehrungen für dessen Sicherheit getroffen, denn eine Gefängnisstrafe würde sein Papà nicht überleben.

Natürlich hatte Gianni nicht nur aus diesem Grund „sein Erbe verraten“, wie sein Vater es ausdrückte. Es hatte zwar Vorzüge, ein weltberühmter Dieb zu sein, aber auch Nachteile. Zum Beispiel musste man ständig auf der Hut vor der Polizei sein.

Gianni wollte etwas anderes mit seinem Leben anfangen.

Doch wenn sein Vater und sein Bruder weiterhin Mist bauten, dann war auch seine Zukunft in Gefahr. Trotz des Deals, den er mit bestimmten Agenten bei Interpol ausgehandelt hatte, zweifelte er nicht daran, dass seine neuen „Freunde“ die Abmachung sofort brechen und ihn mit seiner Familie in einen Topf werfen würden, wenn sie beweisen könnten, dass der Coretti-Clan es immer noch auf die Juwelen Europas abgesehen hatte.

„Du machst dir zu viele Sorgen, Gianni“, sagte Paulo. „Wir sind Corettis.“

„Ich weiß, wer wir sind, Paulo.“

„Wirklich?“ Sein Bruder neigte leicht den Kopf und betrachtete ihn eingehend. „Ich glaube, du hast es vergessen“, sagte er dann. „Wenn du dich irgendwann wieder daran erinnerst, dann wirst du dieses neue Leben aufgeben – mit Freuden.“

Gianni leerte sein Glas, dann starrte er seinen Bruder an. „Ich weiß genau, wer ich bin. Wer wir alle sind. Ich habe mein Wort gegeben und dafür den Schutz vor Strafverfolgung bekommen, Paulo.“

Paulo schnaubte wieder. „Der Polizei hast du dein Wort gegeben.“

Als spielte das keine Rolle.

„Es ist mein Wort“, knurrte Gianni. „Und der Deal, den ich mit Interpol ausgehandelt habe, beinhaltet nur vergangene Verbrechen. Wenn du oder Papà jetzt erwischt werdet …“

„Du machst dir schon wieder Sorgen.“ Paulo schüttelte den Kopf. „Wir werden nicht erwischt. Niemals. Außerdem kennst du doch Papà. Das Stehlen gehört für ihn zum Leben wie das Atmen.“

„Ich weiß.“ Gianni wünschte, er könnte noch einen Scotch bestellen. Doch sobald Paulo im Flieger nach Paris saß, würde er sich zurück nach Mayfair in sein Haus aufmachen. Und er konnte nicht riskieren, angehalten zu werden, weil er Schlangenlinien fuhr.

„Du kannst Papà nicht ändern, Gianni. Und Lady Van Court hat praktisch darum gebettelt, dass jemand diese Steine nimmt.“

Gianni seufzte. „Wenn du Papà siehst, dann sag ihm, dass er sich bedeckt halten soll. Zumindest so lange, bis die Presse ein anderes Thema als diesen Diebstahl gefunden hat. Wenn es sein muss, schließ ihn bei dir ein.“

Paulo lachte, trank seinen Scotch aus und stellte das Glas auf den Tisch. Dann stand er auf. „Dazu sage ich nichts, denn wir wissen beide, dass es mehr braucht als eine verschlossene Tür, um unseren Vater zurückzuhalten, wenn er etwas unbedingt tun will.“

„Stimmt“, murmelte Gianni, bezahlte und ging mit seinem Bruder zum Wagen. Der Flughafen lag nicht weit vom Hotel entfernt, und so standen die Brüder schon kurz darauf auf der Rollbahn im eisigen Wind.

„Pass auf dich auf da draußen in der anständigen und achtbaren Welt“, sagte Paulo.

„Und pass du auf dich auf.“ Gianni umarmte seinen Bruder kurz. „Und auf Papà.“

„Immer“, versicherte Paulo ihm. Dann nahm er seine Tasche, drehte sich um und ging zu dem Privatjet, der schon auf ihn wartete.

Gianni blieb nicht, bis der Flieger in der Luft war. Er kehrte zu seinem Wagen zurück und fuhr nach Hause in sein neues Leben.

„Aha“, flüsterte Marie O’Hara in die dunkle Stille hinein. „Kriminalität bringt offenbar viel ein.“

Sie musste es wissen, denn sie schlich im Moment durch das private Versteck eines der berühmt-berüchtigsten Juwelendiebe der Welt. Vor Nervosität war ihr flau im Magen, und sie bekam kaum Luft. Ihr ganzes Leben lang hatte sie die Regeln befolgt, immer völlig gesetzeskonform. Heute Abend jedoch setzte sie alles aufs Spiel – wegen der Möglichkeit, Gerechtigkeit zu erlangen. Leider half dieses Wissen ihr nicht dabei, sich zu beruhigen. Aber sie war jetzt hier und entschlossen, die Wohnung schnell und gründlich zu durchsuchen.

Nachdem sie Gianni Coretti wochenlang gefolgt war und seine Gewohnheiten studiert hatte, war sie jetzt sicher, dass er einige Stunden fortbleiben würde. Dennoch, es hatte keinen Sinn, ein Risiko einzugehen.

Marie schaltete kein Licht ein, obwohl es keine Nachbarn gab, die bemerken könnten, dass sich jemand durch das Apartment schlich. Gianni Corettis Luxuswohnung, ein Penthouse in der zehnten Etage, bot einen atemberaubenden Blick über London. Die Fensterseite ließ genug Mondlicht herein, mehr brauchte Marie nicht.

„Es ist hübsch, ähnelt aber eher einem zeitgenössischen Museum als einem Zuhause“, murmelte sie vor sich hin, als sie über den glänzenden weißen Marmorboden huschte. Die ganze Wohnung war in Weiß gehalten. Kopfschüttelnd ließ sie das sterile, obgleich schöne Wohnzimmer hinter sich und durchquerte eine lange Diele. Das gesamte Apartment war mit dem weißen Marmor ausgelegt, und ihre Absätze klickten bei jedem Schritt. Das Geräusch zerrte an ihren Nerven, es war, als würde sie lautstark ihre Anwesenheit verkünden.

Ihr kurzer schwarzer Rock, die High Heels und das rote Seidenshirt waren für diese geheime Mission nicht unbedingt geeignet. Doch um am Concierge vorbeizukommen, hatte sie sich wie eine von Corettis vielen Damenbekanntschaften gekleidet. Der Erfolg hatte ihr recht gegeben.

Die Küche wirkte so nüchtern und abschreckend wie der Rest der Wohnung. Sie sah aus, als wäre sie nie benutzt worden – trotz Restaurantherd und Sub-Zero-Kühlgerät. Direkt an die Küche schloss sich ein Esszimmer an mit – Überraschung – Glastisch und sechs transparenten Stühlen.

Die falschen Leute haben das ganze Geld, dachte Marie kopfschüttelnd und ging weiter. Vorbei an zwei Gästezimmern, direkt in Richtung Schlafzimmer. Je näher sie dem Raum kam, desto nervöser wurde sie. Ganz offensichtlich taugte sie nicht zur Einbrecherin. Im Gegensatz zu dem Mann, dem dieser Palast aus weißem Marmor, Glas und Chrom gehörte.

„Mal ehrlich, würde es ihn umbringen, wenn hier etwas Gemütlichkeit herrschte?“ Ihre Stimme hallte durch das leere Apartment. Es war irgendwie gruselig.

Marie schüttelte den Kopf über ihre abschweifenden Gedanken und konzentrierte sich wieder auf den Grund ihres kleinen Vorhabens. Sie war in diese Wohnung eingedrungen, um etwas zu finden, was sie gegen Gianni Coretti verwenden konnte.

Natürlich, dachte sie sarkastisch. Kein Problem. Die Polizei auf der ganzen Welt hatte jahrelang versucht, Beweismaterial gegen den Coretti-Clan zu finden … und war gescheitert. Sie aber hatte etwas sehr Interessantes erfahren, etwas, was sie für ihre Sache nutzen konnte. Es war schlicht und einfach Glück gewesen …

Aber manchmal reichte das aus.

Sie wollte nur noch ein bisschen … mehr. Mehr war besser, zumal sie etwas plante, das die meisten Menschen als verrückt erachten würden.

„Es ist aber nicht verrückt“, versicherte sie sich selbst laut. Gruselig oder nicht, der Klang ihrer eigenen Stimme in diesem ultramodernen, weißen Palast war besser als die Stille.

Das Schlafzimmer hatte ebenfalls eine verglaste Wand, stellte Marie fest und genoss kurz den Blick auf die Dachterrasse und auf das atemberaubende Lichtermeer von London bei Nacht. Natürlich war auch dieses Zimmer ganz in Weiß gehalten.

Das überdimensionierte Bett stand an einer Innenwand, gegenüber hing ein riesiger Flachbildfernseher über einem Kamin. Es gab Einbauschränke und einen begehbaren Schrank, neben dem Schlafzimmer entdeckte Marie das weiß gekachelte Bad. Die Badewanne sah aus wie ein gigantisches weißes Kanu, und als Inspiration für die Dusche hatte wohl ein Wasserfall gedient.

Marie gefiel vielleicht das sterile Weiß nicht, aber sie wusste Luxus zu schätzen, auch wenn sie einen anderen Stil gewählt hätte. „Du bist nicht als Dekorateurin hier“, ermahnte sie sich.

Sie öffnete den Schrank und sah alles schnell durch, ohne Unordnung zu machen. Coretti sollte nicht merken, dass jemand hier gewesen war. Sie prüfte die Taschen von Mänteln, Jacken und Hosen. Zumindest bei der Kleidung bewies der Mann Geschmack. Sie durchwühlte Schubladen und versuchte zu ignorieren, dass der fragliche Dieb schwarze Seidenboxershorts bevorzugte.

Das interessiert hier nicht.

Als sie nichts fand, ging sie auf die Knie und warf einen Blick unters Bett. Jeder versteckte doch etwas unterm Bett, oder? Sie entdeckte eine flache, lange Box und grinste.

„Geheimnisse, Coretti?“, flüsterte sie, legte sich auf den Boden und streckte den Arm nach dem Behältnis aus. Ihre Fingernägel verfehlten knapp die Seite der Holzbox. Sie machte ein finsteres Gesicht, rutschte vor und zwängte sich weiter unters Bett.

Plötzlich erstarrte sie.

War da ein Geräusch?

Marie hielt den Atem an und wartete eine Sekunde. Zwei. Vermutlich hatten ihr nur ihre Nerven einen Streich gespielt. Alles war in Ordnung. Sie war allein in diesem kalten Palast. Und in ein paar Sekunden würde sie entdecken, was Gianni Coretti glaubte, verstecken zu müssen.

Noch etwas weiter und … hab es!

Sie zog die Box zu sich heran und flüsterte: „Was werde ich darin wohl finden?“

„Die Frage ist wohl eher …“, sagte eine tiefe Stimme hinter ihr, „… was ich hier gefunden habe.“

Marie stieß einen Schreckensschrei aus, dann griffen schon zwei starke Hände nach ihren Knöcheln und zogen sie unter dem Bett hervor.

Gianni hatte beim Betreten seiner Wohnung sofort gewusst, dass er nicht allein war. Vielleicht war es sein sechster Sinn. Vielleicht auch ein tief verwurzelter Überlebensinstinkt. Er hatte sofort gespürt, dass irgendetwas anders war, und er hatte sich mühelos an die Fähigkeiten erinnert, die in seinem früheren Leben überlebensnotwendig gewesen waren.

Offensichtlich vergaß man nicht, was man einmal gelernt hatte. Geräuschlos bewegte er sich durch das Apartment, geschmeidig wie eine Katze an Möbeln und Wänden entlang, immer im Schatten. Der Mond schien in die Räume, tauchte Wände und Böden in cremefarbenes Licht. Gianni lauschte, nahm auch die kleinsten Geräusche wahr. Ein Rascheln von Kleidung. Einen unachtsamen Seufzer. Ein leises Scharren …

Er schlich sich durch die vertrauten Räume und verspürte dieses prickelnde Gefühl von Adrenalin, wie feine Champagnerperlen. Er konzentrierte sich und verließ sich auf seinen Instinkt.

In der Diele blieb er kurz stehen, um einen Blick in die Gästezimmer und Bäder zu werfen. Aber er wusste auch ohne diese schnelle Überprüfung, dass der Eindringling nicht dort war. Er konnte nicht erklären, warum er es wusste, er spürte es einfach in den Knochen. Instinkt, Intuition, was auch immer es sein mochte, es zog ihn zum Schlafzimmer.

Er hörte sie, bevor er sie entdeckte. Sie führte im Flüsterton Selbstgespräche. Die Stimme klang tief, heiser und faszinierte ihn, bevor er sah, wem sie gehörte. Gianni blieb auf der Schwelle stehen und blickte auf die Frau, die auf dem Fußboden lag, einen Arm unters Bett gestreckt.

Keine Polizistin.

Keine von den Polizistinnen, deren Bekanntschaft er gemacht hatte, war so gebaut.

Beifällig musterte er sie. Rote Seidenbluse, kurzer, enger schwarzer Rock, wohlgeformte Beine, zarte Füße in schwarzen High Heels.

Das war mit Sicherheit keine Polizistin.

Sein Körper reagierte mit gespannter Erwartung. Er wollte ihr Gesicht sehen. Nicht nur, um herauszufinden, wer sie war, sondern auch um festzustellen, ob ihr Gesicht so schön war wie der Rest von ihr.

Er bückte sich, griff nach ihren Knöcheln und zog. Ihr überraschter Aufschrei klang wie Musik. Er hatte die Einbrecherin nicht nur gefasst, ihr Rock rutschte jetzt auch höher und entblößte ihre schlanken Schenkel.

In dem Moment drehte sie sich jedoch schon um und entriss sich seinem Griff. Gleichzeitig zog sie den Rock herunter und trat mit ihren mörderisch spitzen Absätzen nach ihm.

„Heh!“ Gianni sprang rechtzeitig zurück und verhinderte so, dass er aufgespießt wurde.

Ihre grünen Augen weit aufgerissen, krabbelte sie von ihm weg, die roten Locken fielen ihr wild in die Stirn, bis sie sie energisch zurückschob. Sie sprang auf und machte sich bereit für einen Kampf. Er musste bei der Vorstellung fast lachen.

„Ich werde nicht mit Ihnen kämpfen“, sagte er.

Die Frau lachte und schüttelte den Kopf. „Ihr Fehler.“

Sie machte eine schnelle Bewegung auf ihn zu und holte mit einer Hand aus. Wenn er nur ein bisschen unaufmerksamer gewesen wäre, dann hätte sie ihn vielleicht überrumpelt. So aber griff Gianni nach ihrer Hand, wirbelte sie herum und versetzte ihr einen Stoß, der sie rückwärts aufs Bett warf.

Bevor sie überhaupt daran denken konnte, sich zu bewegen, saß Gianni rittlings auf ihr und drückte sie in die Matratze.

„Gehen Sie von mir runter!“ Ihre Stimme war laut und befehlend und eindeutig amerikanisch.

Ihre grünen Augen funkelten, und ihr Tonfall hätte vielleicht bei jemandem Erfolg gehabt, der weniger geschult war. Doch Gianni gab keinen Millimeter nach. Nicht, solange er keine Antworten hatte.

„Ich lasse Sie nicht los. Jetzt zumindest noch nicht“, sagte er und hielt ihre Schultern fest, als sie anfing, sich wild unter ihm zu winden. Gleichzeitig hob sie ein Knie und rammte es ihm in den Rücken.

„Es reicht.“

„Halten sie mich doch auf“, forderte sie ihn heraus und versuchte, seine Hände auf ihren Schultern abzuschütteln.

„Ich denke, das werde ich nicht tun.“ Er senkte die Stimme zu einem tiefen Raunen. „Ehrlich gesagt genieße ich es, wie Sie sich unter mir winden.“

Als hätte er einen Eimer eiskaltes Wasser über sie ausgeschüttet, blieb sie plötzlich ganz still liegen. Gott sei Dank, sagte er sich, denn er war schon hart und wurde immer härter. Es passierte nicht jeden Tag, dass eine wunderschöne Fremde unter ihm lag, und sein Körper zeigte ihm gerade nur zu deutlich, wie sehr er den Moment genoss.

Ihre Augen funkelten wütend. Ihre vollen Brüste hoben und senkten sich aufreizend bei jedem schnellen Atemzug. Ein Anblick, dem seine gesamte Aufmerksamkeit galt. Ihm fiel auf, dass die winzigen Elfenbeinknöpfe ihrer roten Seidenbluse den Stoff kaum mehr zusammenhalten konnten. Sehr verführerisch, dachte er, zwang sich dann aber, seine Aufmerksamkeit der Frau – der Einbrecherin – und nicht ihrem herrlichen Körper zu widmen.

„Okay“, sagte er. „Jetzt, wo Sie nicht mehr so rumzappeln, können Sie mir sicher erklären, was Sie hier suchen.“

„Gehen Sie von mir runter, dann rede ich“, zischte sie durch zusammengepresste Zähne.

Gianni lachte. „Halten Sie mich wirklich für so dumm?“ Kopfschüttelnd fragte er noch einmal: „Was machen Sie hier?“

Sie schnaubte, dachte einen Moment nach und gab sich dann sexy. „Ich habe auf Sie gewartet. Ich dachte, wir könnten … feiern.“

Amüsiert und fasziniert zugleich betrachtete Gianni ihr Gesicht. Er konnte die Berechnung in ihren Augen sehen. „Dachten Sie das?“

Es dauerte eine Sekunde oder auch zwei, bevor sie etwas Unverständliches murmelte und dann einräumte: „Also gut. Nein, dachte ich nicht.“

Schade eigentlich, fand Gianni. Eine Frau unter seinem Bett zu finden, war fast so verführerisch wie eine in seinem Bett zu finden. Vor allem wenn sie aussah wie diese hier. Doch Lust beiseite, er musste wissen, wie sie in seine Wohnung gekommen war, und noch wichtiger, was zum Teufel sie hier wollte.

„Wenn Sie nicht meinetwegen hier sind, weshalb dann? Wonach suchen Sie?“

Sie sprach nicht, sondern starrte ihn nur an, was sie vermutlich unterlassen würde, wenn sie wüsste, wie sehr ihn das wütende Funkeln in ihren grünen Augen anmachte. Es war lange her, dass ihm allein beim Anblick einer Frau das Blut in die Lenden geschossen war. Aber diese hatte etwas ganz Besonderes an sich. Vielleicht war es der kämpferische Ausdruck in ihrem Gesicht. Vielleicht hatte er auch einfach zu lange keine Frau mehr gehabt.

„Es hat Ihnen die Sprache verschlagen? Dann versuche ich es mit einer Erklärung. Sie sind eine Diebin. Eine wunderschöne zwar …“, er ließ seinen Blick über die vollen Brüste gleiten, bevor er fortfuhr, „… aber gleichwohl eine Diebin. Und wenn Sie meinen, dass ich eine Frau, die bei mit einbricht, einfach gehen lasse, dann täuschen Sie sich.“

„Ich bin nicht einge…“

Er schnitt ihr das Wort ab, da er spürte, dass sie ihm sowieso nicht die Wahrheit sagen würde. „Mich interessiert, wie Sie es geschafft haben, in meine Wohnung zu kommen, und was Sie finden wollten. Und seien Sie versichert, ich finde die Antworten heraus, bevor Sie irgendwohin gehen, Sie kleine Diebin.“

Sie lachte kurz auf. „Der einzige Dieb in diesem Zimmer sind Sie, Coretti.“

„Aha“, sagte er, jetzt noch interessierter als zuvor. „Sie kennen mich. Dann ist dies kein beliebiger Einbruch.“

„Es ist kein …“

„Sie sind definitiv die am besten angezogene Einbrecherin, die ich je gesehen habe“, stellte er anerkennend fest und ließ seinen Blick erneut über ihren Körper wandern.

Sie biss die Zähne zusammen. „Ich bin keine Einbrecherin.“

„Dann sind Sie eine Kleinkriminelle, die von mir lernen will? Wenn Sie mich und meine Familie kennen, dann müssten Sie wissen, dass wir niemanden ausbilden, und selbst wenn wir es täten, so wäre dies ganz sicherlich nicht der richtige Weg, meinen Respekt zu verdienen.“ Seine Stimme klang jetzt alles andere als amüsiert. „Wer sind Sie, und weshalb sind Sie hier?“

„Ich bin die Frau, die genug Beweismaterial gesammelt hat, um Ihren Vater ins Gefängnis zu schicken.“

Jetzt hatte sie seine Aufmerksamkeit.

2. KAPITEL

Das amüsierte Glitzern in Gianni Corettis dunkelbraunen Augen verschwand blitzartig. Marie holte tief Luft und versuchte, ihren Herzschlag zu beruhigen. Nicht leicht, jetzt, nachdem ihr Plan hin war. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er so früh nach Hause kommen und sie beim Herumschnüffeln erwischen würde. Auch nicht damit, dass er sie auf sein Bett werfen und sich dann rittlings auf sie setzen würde.

Leider musste sie sich eingestehen, dass es ein wunderbares Gefühl war, von seinem harten, muskulösen Körper auf die Matratze gedrückt zu werden.

Er war größer, als sie angenommen hatte, und er roch wahnsinnig gut – eine dezente Mischung aus Aftershave und männlichem Körpergeruch. Am liebsten hätte sie den Duft tief eingeatmet, um ihn für später zu bewahren. Aber sie war nicht hier, um sich verführen zu lassen oder ihren Hormonen zu gestatten, verrückt zu spielen.

Denn, so rief sie sich in Erinnerung, diesen Fehler hatte sie bereits einmal gemacht. Sie hatte sich von einem Dieb aus dem Konzept bringen lassen – und das würde ihr nicht noch einmal passieren.

Verdammt. Warum war diese Sache schiefgelaufen?

Der Plan war gewesen, ihn mit den Beweisstücken zu konfrontieren, aber zu einem Zeitpunkt und an einem Ort ihrer Wahl. Jetzt war sie ihm ausgeliefert. Und seinem harten Blick nach zu urteilen, kannte er keine Gnade.

Also tat Marie, was sie immer tat, wenn sie die Unterlegene war. Sie ging in die Offensive. „Gehen Sie von mir runter, und dann reden wir.“

„Umgekehrt wird ein Schuh draus. Sie reden erst, dann gehe ich von Ihnen runter“, konterte er.

So viel dazu. Der Mond schien durch die Fenster und fiel auf Gianni Corettis harte Gesichtszüge. Was eigentlich sanft und romantisch aussehen müsste, wirkte jedoch irgendwie bedrohlich.

Marie bereitete sich auf die Konfrontation vor, auf die sie monatelang hingearbeitet hatte. Ihr sorgfältig ausgearbeiteter Plan war wie ein Kartenhaus zusammengefallen, nur weil er zu früh nach Hause gekommen war. Vermutlich das erste Mal in seinem Leben. Wenn sie es sich recht überlegte, war all dies eigentlich sein Fehler.

„Ich bekomme kaum Luft, wenn Sie auf mir sitzen.“

Er rührte sich nicht. „Dann sollten Sie schnell reden. Welchen Beweis haben Sie gegen meinen Vater?“

Okay, diese Runde hatte sie verloren.

„Ein Foto.“

Gianni Coretti schnaubte. „Ein Foto? Ich bitte Sie, Miss Wer-auch-immer-Sie-sein-mögen. Da muss aber mehr kommen. Jeder weiß, dass Fotos heutzutage viel zu leicht digital retuschiert werden können, um etwas zu bedeuten.“

„Dieses ist nicht bearbeitet“, versicherte sie ihm. Es war nicht nötig gewesen. „Es ist vielleicht etwas dunkel, aber Sie können Ihren Vater deutlich erkennen.“

Seine Gesichtszüge wurden zu Stein, und er wirkte noch kälter und distanzierter als zuvor. Und sah noch besser aus, wenn das überhaupt möglich war. „Und ich soll Ihnen glauben? Ich kenne nicht einmal Ihren Namen.“

„Marie. Marie O’Hara.“

Er hob seinen Körper etwas an, damit sie einmal tief durchatmen konnte, was Marie zu schätzen wusste.

„Das ist doch schon mal ein Anfang“, sagte er. „Reden Sie weiter. Woher kennen Sie mich? Meine Familie?“

Autor

Maureen Child
<p>Da Maureen Child Zeit ihres Lebens in Südkalifornien gelebt hat, fällt es ihr schwer zu glauben, dass es tatsächlich Herbst und Winter gibt. Seit dem Erscheinen ihres ersten Buches hat sie 40 weitere Liebesromane veröffentlicht und findet das Schreiben jeder neuen Romance genauso aufregend wie beim ersten Mal. Ihre liebste...
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