Julia Collection Band 71

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JUWEL MEINES HERZENS von DONALD, ROBYN
Sara hat den kostbaren Familienschmuck gestohlen! Das muss sich Gabriel Considine, Großherzog von Illyria, immer wieder sagen, sonst erläge er auf seiner prächtigen Burg erneut Saras zauberhaftem Charme. Aber wie könnte er eine Frau lieben, die ihm so etwas angetan hat?

IM KÖNIGREICH DER LIEBE von DONALD, ROBYN
Er liebt nur sie - und keine andere! Wie kann die hübsche Melissa, Prinzessin von Illyria, nach ihrem gemeinsamen Traumurlaub auf Neuseeland nur an den Beteuerungen des Millionärs Hawke Kennedy zweifeln? Glaubt sie etwa den Gerüchten über seine Affäre mit Jacoba?

MEIN GEHEIMNISVOLLER MÄRCHENPRINZ von DONALD, ROBYN
Nie wieder Illyria! Die Warnung ihrer Mutter hat sich dem Supermodel Jacoba tief eingebrannt. Umso entsetzter ist sie, als sie sich auf einem glanzvollen Ball unsterblich in den ausnehmend gutaussehenden Marco verliebt. Schließlich ist Marco der Prinz von Illyria …


  • Erscheinungstag 15.08.2014
  • Bandnummer 71
  • ISBN / Artikelnummer 9783733703288
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Robyn Donald

JULIA COLLECTION BAND 71

Das Königshaus von Illyria

MINISERIE VON ROBYN DONALD

Juwel meines Herzens

Erneut flammt verzehrende Leidenschaft in Sara auf, als sie ihren Exverlobten Gabriel Considine, Großherzog von Illyria, wiedertrifft. Aber hat er sie vielleicht nur auf seine prächtige Burg gelockt, weil er sie für die Diebin des kostbaren Familienschmucks hält? Ein solcher Mann hätte ihre Liebe nicht verdient! Und doch zieht Gabriel sie wieder magisch an …

Im Königreich der Liebe

In den Armen des umschwärmten Millionärs Hawke Kennedy vergisst die hübsche Melissa, Prinzessin von Illyria, jede höfische Etikette. Nur zu gern lässt sie sich von ihrem Traumprinzen ins Königreich der Leidenschaft entführen! Doch kaum glaubt sie an das große Glück, erscheint überraschend die schöne Jacoba, mit der Hawke eine stürmische Affäre haben soll …

Mein geheimnisvoller Märchenprinz

Als der attraktive Marco auf einem glanzvollen Ball das Supermodel Jacoba Sinclair trifft, erwacht in ihm unmittelbar Verlangen! Auch sie scheint die Magie dieses Augenblicks zu spüren. Doch als Marco ihr verrät, dass er der Prinz von Illyria ist, zieht Jacoba sich erschrocken zurück. Was hat sie in der Vergangenheit nur so Schreckliches in Illyria erlebt?

1. KAPITEL

Gabriel Considine sah vom Schreibtisch auf und blickte seinen jüngeren Bruder durchdringend an.

„Tu dir keinen Zwang an“, forderte er ihn auf, „sag mir ruhig, wenn du mich für verrückt hältst.“

„Also gut, ich halte dich für verrückt.“ Marco lachte gutmütig.

Gabriel stand auf, ging zum Fenster und schaute hinaus. Die Wehrmauern, die das Schloss uneinnehmbar machten, waren nach über tausend Jahren immer noch bestens im Stand. Sie hatten Generationen seiner Vorfahren überdauert, die hier, in Wolf’s Lair, gelebt und den Pass bewacht hatten, über den ein wichtiger Handelsweg zur Mittelmeerküste führte. Er war die einzige Verbindung des kleinen Gebirgsstaates mit dem restlichen Europa. Gabriels Großeltern, der Großherzog und die Großherzogin von Illyria, waren die Letzten in einer ununterbrochenen Kette von Ahnen gewesen. Vor vierzig Jahren waren sie vor einem Diktator in die Berge geflohen, um von dort aus den Widerstand zu organisieren. Doch er hatte sie in eine Falle gelockt, und sie hatten im Kugelhagel ihr Leben lassen müssen.

Wie seine Geschwister war auch Gabriel im Exil geboren worden. Marco wusste jedoch, wie sehr gerade sein Bruder sich dem Volk verpflichtet fühlte. Er wollte mit allen Mitteln den Menschen helfen, die so lange unter der Tyrannei gelitten und auf die Rückkehr des rechtmäßigen Herrschers gewartet hatten.

„Was würdest du denn an meiner Stelle tun?“, erkundigte sich Gabriel, ohne dass der Blick seiner stahlblauen Augen oder seine sonore Stimme etwas über seine Gefühle verraten hätten.

„Warum versuchst du nicht, sie einzuschüchtern? Sag ihr, dass du ihre Karriere zerstörst und ihre Mutter ins Armenhaus bringst, wenn sie den Schmuck nicht sofort zurückgibt.“

„Ihre Mutter ist bereits tot, und Drohungen wirken nur, wenn es keine Fluchtmöglichkeit gibt. Das solltest du eigentlich wissen, Marco.“

„Du willst sie also hier gefangen halten.“

Gabriel zuckte die Schultern. „Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte der Burg.“

„Doch, denn Frauen wurden nicht eingekerkert, sondern lediglich als Geiseln genommen.“

Obwohl die drei Geschwister, Gabriel, Marco und Melissa, im Exil geboren und aufgewachsen waren, hatten sie die Geschichten und Legenden Illyrias von klein auf begleitet. Beide Brüder wussten, dass mindestens eine weibliche Geisel die Seiten gewechselt und den Herrn von Wolf’s Lair geheiratet hatte.

„Und wenn Sara nun abstreitet, das Halsband gestohlen zu haben?“ Marco runzelte die Stirn.

„Dann werde ich Mittel und Wege finden, ihr die Wahrheit zu entlocken. Queen’s Blood gehört den Considines, das war so und wird immer so bleiben.“

Wie stets, wenn er den Namen des berühmten Colliers hörte, befiel Marco ein beklemmendes Gefühl. Wie konnte man die prächtigen und auf der Welt einmaligen Rubine nur mit dem Blut einer Königin vergleichen?

„Wie sich eine Frau ein Geschmeide mit einem derart schaurigen Namen um den Hals legen und auch noch stolz darauf sein kann, wird mir ewig ein Rätsel bleiben“, meinte er und schüttelte den Kopf.

Gabriel lächelte sarkastisch. „So sind die Frauen eben. Hauptsache, der Schmuck ist echt, was für Leid er schon verursacht hat, interessiert sie nicht. Und Queen’s Blood ist ein besonders ausgefallenes Stück. Es ist einzigartig, und sein Wert lässt sich nicht ermessen, da Rubine von dieser Größe und Reinheit heutzutage nicht mehr vorkommen. Und dann ist da ja auch das Geheimnis, das dieses Juwel umwittert! Wie sind die Steine von Burma nach Illyria gelangt? Welcher Meister hat sie so kunstvoll in Gold gefasst? Handelt es sich vielleicht um das einzige Zeugnis einer längst vergessenen Kultur?“

„Jetzt hör auf!“ Marco schnaufte verächtlich. „Glaubst du etwa den Unsinn, es stamme von der sagenumwobenen Insel Atlantis?“

„Das bestimmt nicht. Doch dass der ursprüngliche Besitzer des Halsbands in der Nähe von Wolf’s Lair von einem Räuber bestohlen und erdolcht wurde, macht mich schon betroffen. Fast empfinde ich sogar Sympathie für den Täter.“

Marcus verstand die Bitterkeit seines Bruders nur zu gut. Einer Frau seine Liebe und Hochachtung zu schenken und dann von ihr bestohlen zu werden musste jeden Mann zutiefst treffen. Für einen verschlossenen, hochintelligenten und erfolgsgewohnten Menschen wie Gabriel jedoch musste es eine unvorstellbare Schmach gewesen sein.

Seine Beziehung zu Sara Milton hatte selbst die Regenbogenpresse überrascht. War Gabriel bis dahin für seine ausgesprochen diskret begonnenen und beendeten Affären bekannt gewesen, so hatte er für Sara all seine Prinzipien aufgegeben. Kaum hatte er sie erblickt, hatte er seine Gefühle offen gezeigt und leidenschaftlich und ohne an sein Image zu denken um sie geworben.

Begeistert hatten die Medien davon berichtet, handelte es sich doch offensichtlich um ein modernes Märchen: Der reiche Spross einer uralten Adelsfamilie, dem eine glänzende Zukunft bevorstand, hatte sich in eine gesellschaftlich gänzlich unbedeutende und mittellose Innenarchitektin verliebt.

Für Freunde und Familie gleichermaßen überraschend, hatte Gabriel sich offiziell mit Sara verlobt. Keine zwei Wochen später hatte er ihr in Südfrankreich eigenhändig den kostbaren Familienschmuck umgelegt, wo sie zu einer Adelshochzeit eingeladen waren.

Die Feier und die darauffolgenden Ereignisse würde Marco nie vergessen. Sara hatte mit den riesigen Rubinen einfach atemberaubend ausgesehen. Die geheimnisvolle Farbe der Steine harmonierte perfekt mit ihrem mahagonifarbenen Haar und den graugrünen Augen und bildete einen dramatischen Kontrast zu ihrem hellen makellosen Teint.

Gegen Morgen war das Geschmeide dann verschwunden – gestohlen aus dem Safe des Châteaus, dessen Zahlenkombination Sara selbst gewählt hatte.

Marco konnte Sara den Versuch, die Dienerin des Diebstahls zu bezichtigen, immer noch nicht verzeihen. Auch Gabriel hatte Saras Darlegungen keinerlei Glauben geschenkt. Über den Diebstahl selbst drang nichts an die Öffentlichkeit, drei Tage nach der Hochzeitsfeier gab Gabriel jedoch eine kurze Presseerklärung ab. Er informierte die Öffentlichkeit darüber, dass sein Verlöbnis mit Sara Milton gelöst sei. Die Medien bezeichneten das als Skandal des Jahrhunderts.

Trotz allem bemühte Marco sich um Fairness. „Woher willst du wissen, ob Sara wirklich die Täterin ist? Weder gibt es Beweise noch hat sie versucht, die Steine zu Geld zu machen, das weißt du von unseren Verbindungsmännern.“

„Sie hat das Halsband gestohlen“, antwortete Gabriel mit einer Überzeugung, die jede weitere Diskussion erübrigte. „Die Steine zu verkaufen wagt sie nicht, weil sie Angst hat. Ich werde Sara davon überzeugen, dass ihr nur eine Möglichkeit bleibt, nämlich mir das Diebesgut wieder auszuhändigen.“

Das würde Gabriel gelingen, dessen war sich Marco sicher, zumal sein Tonfall nichts Gutes verhieß. Seine aristokratische Abstammung war Gabriel auf den ersten Blick anzusehen. Nicht nur seine athletische Gestalt und seine markanten Gesichtszüge verrieten sein adliges Blut, sondern vor allem die Aura von Macht, die ihn umgab. Wenn jemand Sara ihr Geheimnis abzuringen vermochte, dann Gabriel.

„Ihr wolltet heiraten, Gabriel“, gab Marco dennoch zu bedenken, weil sein Gewissen ihn dazu trieb. „Warum hätte Sara den Schmuck stehlen sollen, wenn er ihr als deiner Ehefrau sowieso gehört hätte?“

„Weil sie sich anders entschieden hatte.“

Außer dem Fotografen und Gabriels Sicherheitsbeauftragtem wusste nur Marco von dem verfänglichen Bild. Es war ein Schnappschuss, aufgenommen mit einem Zoomobjektiv aus dem Baum vor Saras Gästezimmer im Château. Er zeigte, wie Sara und der Schlossbesitzer Hawke Kennedy am Fenster standen und sich innig umarmten – beide unbekleidet.

In der Nacht nach dem Fest war der Safe ausgeraubt worden, bereits einige Stunden später hatte Gabriel das Bild per E-Mail erhalten.

„Hat dein Sicherheitsbeauftragter den Fotografen ermitteln können?“

„Ja.“

„Und du hast ihm das Original abgekauft?“

„Ich habe dafür gesorgt, dass es niemals veröffentlicht wird.“ Gabriel lächelte kalt.

„Warum hast du dich erpressen lassen, Gabriel? Das sieht dir überhaupt nicht ähnlich. Was wäre schon passiert, wenn das Bild in die Presse gelangt wäre?“

„Mein Stolz wäre in den Dreck getreten worden“, antwortete Gabriel eisig. „Jeder hätte erfahren, was für einen Narren ich aus mir gemacht habe, weil ich mich von einer schönen Betrügerin zu einem Eheversprechen habe hinreißen lassen. Ich hätte bekennen müssen, dass im Fall Sara Milton meine Hormone stärker waren als mein berühmter Verstand.“

Als Marco darauf nichts antwortete, redete Gabriel im selben leidenschaftslosen Ton weiter. „Zudem hatte mich Alex kurz vor meiner Abreise nach Südfrankreich darum gebeten, nach Illyria zurückzukehren, um mich in den Stand eines Großherzogs der nördlichen Provinzen zu erheben. In der Situation hätte die Veröffentlichung des Bildes zusätzlichen Sprengstoff bedeutet.“ Gabriel strich sich über die Stirn.

„Die Bevölkerung von Illyria ist konservativ eingestellt. Besonders die Bergbewohner haben genaue Rollenvorstellungen und wünschen sich eine starke Führungspersönlichkeit ohne jeden Makel. Die geplatzte Verlobung hat meinem Image schon genug geschadet. Hätten die Menschen hier erfahren, dass ich auf eine Frau hereingefallen bin, die unersetzlichen Familienschmuck stiehlt und sich anschließend in den Armen eines anderen Mannes vergnügt, hätten sie jegliche Achtung vor mir verloren.“

„Nicht, dass ich sie dafür tadeln würde.“ Gabriel lachte humorlos. „Doch ich kann nur etwas für unser Land tun, wenn ich den Respekt der Bürger besitze.“

„Du willst Alex die Bitte also erfüllen?“ Marco war überrascht.

Alex, ein entfernter Cousin von ihnen, war vor einigen Jahren von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung zum Prinzen von Illyria bestimmt worden. Jetzt setzte er all seine persönlichen Mittel, seine Beziehungen und sein Wissen als Wirtschaftsexperte für das kleine verarmte Land ein. Er wollte die Wunden heilen, die das Land unter der langen Diktatur erlitten hatte.

„In zwei Wochen wird Alex es offiziell verkünden“, bestätigte Gabriel.

Marco pfiff leise durch seine Zähne. „So hat Sara Milton wohl die Chance verpasst, Großherzogin von Illyria zu werden!“

„Traurig, findest du nicht auch?“, spottete Gabriel.

„Warum hast du dich von Alex überreden lassen, Gabriel? Du gehörst auch so zu den mächtigsten Männern der Welt, und der Titel hat nur sentimentalen Wert für dich. Geld brauchst du auch nicht – wobei es fraglich ist, ob die nördlichen Provinzen in den nächsten Jahren überhaupt einen Überschuss erwirtschaften werden. Wahrscheinlich wirst du auf absehbare Zeit nur investieren müssen.“

Doch auch das würde Gabriel finanziell nicht weiter belasten, denn, genau wie Marco, hatte er sich ein riesiges Wirtschaftsimperium aufgebaut, das selbst derartige Ausgaben verkraften konnte. Und für den Norden musste viel getan werden, das stand fest. Von der Luft aus hatte Marco am Morgen den Eindruck gehabt, die Gebirgsregion sei im Mittelalter stehen geblieben. Außer der Militärstraße, die der Diktator über den Pass gebaut hatte, erinnerte nichts an die moderne Welt.

Gabriel warf einen letzten Blick auf die herrliche Landschaft, die einen die Armut, die hier herrschte, leicht vergessen ließ. „Jeder einzelne Bauer hier im Tal musste während der Diktatur schrecklich dafür leiden, dass er bei dem Putsch auf der Seite unserer Großeltern stand. Ich stehe tief in der Schuld dieser mutigen Menschen.“

Er drehte sich zu Marco um und sah ihm in die Augen. „Während des letzten Jahres bin ich sehr oft hier gewesen, um mit den Leuten zu reden und herauszufinden, was sie von mir erwarten. Selbst die jüngere Generation möchte mich als Großherzog, genau wie man damals Alex als Prinzen wollte. Das Foto meiner nackten Verlobten in den Armen ihres neuesten Liebhabers würde nicht nur den Titel beschmutzen, sondern auch all die harte Arbeit infrage stellen, die Alex hier geleistet hat.“

Marco, der ohne gründliche Menschenkenntnis in seinem Beruf niemals derartige Erfolge hätte erzielen können, hatte Sara von Anfang an gemocht. Er fand es immer noch schwierig, in ihr eine moralisch zweifelhafte Frau oder gar eine Betrügerin zu sehen. Es wollte ihm einfach nicht gelingen, sich sie als Bettgespielin von Hawke Kennedy vorzustellen. Er machte einen letzten zaghaften Versuch, seinem Bruder von dem Plan abzuraten.

„Wenn du dein irrwitziges Vorhaben in die Praxis umsetzen willst, bietest du deinen Feinden nur eine weitere Angriffsfläche. Eine Entführung ist auch nach illyrianischem Recht ein Verbrechen, und wenn Sara Anklage gegen dich erhebt, wird dich selbst Alex vor einer Strafe nicht retten können.“

Er sah, wie das markante Gesicht seines Bruders einen entschlossenen Ausdruck annahm. Gabriels Ausstrahlung glich ganz der seiner Ahnen, deren Porträts an den Wänden hingen. Es waren offenbar ausnahmslos entschlossene und beherzte Männer und Frauen gewesen. Von Wolf’s Lair aus hatten sie taktisch geschickt und politisch klug den strategisch wichtigen Gebirgspass gegen die Außenwelt verteidigt und waren ihrem Prinzen treu bis in den Tod geblieben.

Gabriel würde diese Tradition in idealer Weise fortführen, daran zweifelte Marco nicht. Alex, der Illyrias Macht und Einfluss wiederherstellen wollte, konnte sich keinen besseren Verbündeten wünschen. Nur was Sara betraf, hatte er seinem Bruder gegenüber gewisse Vorbehalte.

Er wollte ihm keine krankhafte Obsession unterstellen, dennoch hätte er sich von Gabriel eine etwas offenere und auf Ausgleich bedachte Haltung seiner ehemaligen Verlobten gegenüber gewünscht.

„Sara kommt freiwillig“, erklärte Gabriel in einem Ton, der nichts über seine Gefühle verriet.

„Ja, weil du zu einer List gegriffen hast. Sie weiß überhaupt nicht, wem das Schloss in Wirklichkeit gehört.“

„Ich möchte lediglich mein Eigentum zurück.“ Gabriel musterte die besorgte Miene seines Bruders. „Keine Angst, Marco, ich werde ihr kein Haar krümmen. Sobald sie mir das Versteck des Halsbands nennt, ist sie eine freie Frau. Und an die Öffentlichkeit wird sie mit der Geschichte nicht gehen, verlass dich drauf, nicht nach ihren Erfahrungen mit den Medien.“

„Mach dir keine Sorgen, alter Junge.“ Aufmunternd klopfte er Marco auf die Schulter. „Fertig zum Abflug?“, fragte er dann.

„Ja. Soll ich Alex etwas von dir ausrichten?“

Gabriels Gesichtszüge entspannten sich. „Gib dem Baby einen Kuss von mir.“

Marco lächelte breit. „Natürlich. Wer hätte je gedacht, was für einen wunderbaren Patenonkel du einmal abgeben würdest?“, hänselte er seinen Bruder, wurde jedoch gleich wieder ernst. „Gabriel, mir gefällt dein Vorgehen überhaupt nicht. Ich weiß, ich kann dir deinen Plan nicht ausreden, aber versprich mir bitte, dich zu keiner unüberlegten Handlung hinreißen zu lassen.“

Gabriel zuckte die Schultern. „Dazu liegt keine Veranlassung vor, denn diesmal bin ich Herr der Lage. Als ich die Nachricht von dem Diebstahl erhielt, konnte ich nichts unternehmen, weil ich bereits im Flugzeug nach Amerika saß und Sara meinem Einfluss entzogen war.“

Gabriel begleitete seinen Bruder nach draußen. Der Hubschrauber war schon hinter den Gipfeln verschwunden, da blickte Gabriel immer noch gedankenverloren zum Himmel empor. Marco war zu leichtgläubig, denn er ließ sich von einer hübschen Larve und einem unschuldigen Lächeln täuschen.

Doch sollte er ihn dafür kritisieren? Auch er, der weltgewandte Gabriel Considine, war auf die liebreizende Betrügerin hereingefallen, er, der sich zugutegehalten hatte, jeden Trick einer heiratswütigen Frau zu kennen. Sein kometenhafter Aufstieg in der Finanzwelt hatte ihn sehr schnell gelehrt, dass Frauen zu allem bereit waren, nur um sich einen Millionär zu angeln.

Er presste die Lippen zusammen. Sara hatte ihn zum Narren gemacht. Über ihren wunderbaren Augen, ihrem sinnlichen Mund, ihrer Leidenschaft und Hingabe hatte er den Verstand verloren und seine Prinzipien aufgegeben. Er hatte ihr einen kostbaren Verlobungsring mit einem Rubin gekauft, der wunderbar zu dem antiken Geschmeide passte, und sie auf Knien gebeten, seine Frau zu werden.

Wie unverzeihlich naiv er gewesen war!

Er wollte sich gerade umdrehen und gehen, als er das dumpfe Dröhnen eines nahenden Hubschraubers vernahm. Kurz darauf sah er auch schon dessen Positionslichter in der hereinbrechenden Dämmerung. Reglos blieb er stehen und beobachtete, wie der Helikopter landete und die Rotoren zum Stillstand kamen.

Erleichtert registrierte Gabriel, dass er nur von einem Gefühl beherrscht wurde: der eisernen Entschlossenheit, wieder in den Besitz des Familienerbstücks zu kommen. Sobald er wusste, wo es war, würde er Sara nach Hause schicken und froh sein, sie nie wiedersehen zu müssen.

2. KAPITEL

Zutiefst erschrocken hielt Sara den Atem an. Die Burgmauern, die sie aus dem Hubschrauber erblickte, schienen mit Blut übergossen zu sein. Erst bei näherem Hinsehen erkannte sie, dass es sich lediglich um die Blätter von üppig wucherndem wilden Wein handelte, die sich jetzt, im Herbst, tiefrot verfärbt hatten.

„Reiß dich zusammen, Sara!“, ermahnte sie sich und versuchte, das ungute Gefühl abzuschütteln, das sie wie aus heiterem Himmel überfallen hatte. Wahrscheinlich hatte die Szenerie Erinnerungen an all die gruseligen Vampirgeschichten geweckt, die sie als Teenager gelesen hatte.

Das war ausgesprochen lächerlich. Seit Prinz Alex nach Illyria zurückgekehrt war, hatte das Land seine Grenzen geöffnet und war auf dem besten Weg, ein europäischer Staat wie jeder andere zu werden. Und lebten Vampire nicht nur in Rumänien?

Sara musste über sich lächeln. Sie war auf einer abgeschiedenen polynesischen Insel mitten im Pazifik groß geworden. Was auf der Welt vor sich ging, hatte sie nur durch die Bücher erfahren, die sie sich vom Arbeitgeber ihrer Mutter geborgt hatte.

Wenn sie sich hier nicht wohlfühlte, war das auch nicht weiter schlimm, denn sie würde nicht lange auf dem Schloss bleiben. Sie hatte lediglich den Auftrag, Entwürfe für die Neugestaltung von drei Gästezimmern mit den dazugehörigen Bädern anzufertigen. Die Räume sollten mit modernen Annehmlichkeiten ausgestattet werden, gleichzeitig jedoch den mittelalterlichen Charakter der Burg bewahren.

Sara setzte ihre ganze Hoffnung in diesen Auftrag, den sie von einer bekannten amerikanischen Erbin erhalten hatte. Der Skandal im letzten Jahr hatte ihre Karriere als Innenarchitektin abrupt beendet, und ihre Bemühungen, wieder an ihre einstigen beruflichen Erfolge anzuknüpfen, waren bisher vergeblich gewesen.

Sara bemühte sich, optimistisch in die Zukunft zu blicken, denn eine geplatzte Verlobung bedeutete schließlich nicht das Ende des Lebens. Trotz aller guten Vorsätze legten sich jedoch die Erinnerungen wie ein dunkler Schleier über ihr Gemüt, und sie verspürte jenen dumpfen Schmerz, den sie inzwischen nur allzu gut kannte. Blicklos starrte sie hinunter auf den gepflegten Rasen innerhalb der Burgmauern.

Erst als der Hubschrauber etwas unsanft aufsetzte, kehrte sie wieder in die Wirklichkeit zurück. Erstaunt bemerkte sie, dass keines der vielen Fenster des Schlosses beleuchtet war. Der Eigentümer hielt sich zurzeit nicht auf der Burg auf, das hatte man ihr gesagt, doch mit dieser absoluten Verlassenheit hatte sie nicht gerechnet.

Sara war es mittlerweile regelrecht unheimlich zumute, und sie schauderte. Wieder rief sie sich zur Ordnung. Deine Nerven sind überreizt, deshalb neigst du dazu, deine Situation zu dramatisieren, sagte sie sich. Du brauchst jetzt nur noch auf den Butler zu warten, der dich abholen soll, und dann ist auch dieser schreckliche Tag zu Ende.

Als sei das sein Stichwort gewesen, öffnete ein Mann die Tür. „Miss Milton?“, fragte er über den ohrenbetäubenden Lärm der Rotoren hinweg.

Glücklicherweise erinnerte nichts an ihm an ein Faktotum aus einem Horrorfilm. Ganz im Gegenteil, er sah aus wie der Inbegriff eines diskreten Dieners aus herrschaftlichem Haus, und erleichtert öffnete Sara ihren Gurt, um auszusteigen. Der Butler bedeutete ihr, ihm zu folgen, und geduckt verließen sie den Gefahrenbereich der Rotorblätter.

„Mein Name ist übrigens Webster.“ Er verbeugte sich steif. „Ihr Gepäck wird direkt auf Ihr Zimmer gebracht“, erklärte er, als Sara zögernd zurückblickte, und streckte die Hand nach ihrer großen Schultertasche aus. Nur ungern überließ Sara sie ihm. Es gefiel ihr nicht, sich von ihren Unterlagen und ihrem Laptop trennen zu müssen.

Webster, der zu ihrer Erleichterung ein akzentfreies Englisch sprach, ging voraus. Er führte sie durch eine Tür in der Mauer in einen weiteren Innenhof, der anscheinend als Garten angelegt war, denn in der Dämmerung sah Sara riesige Blumenkübel. Bis hierher waren die Abgase des Hubschraubers nicht gedrungen, und Sara genoss die klare würzige Herbstluft. Nachdem sie einige Male tief durchgeatmet hatte, fiel endlich alle Anspannung von ihr ab. Sie richtete sich gerade auf und folgte dem Diener. Sie würde ihr Bestes geben und aus diesem Auftrag einen Erfolg machen, das schwor sie sich.

Doch als sie vor dem trutzigen eisenbeschlagenen Schlosstor stand, stellten sich die dunklen Ahnungen wieder ein. Ohne Schlüssel schien ein Durchlass unmöglich – sowohl für einen Eroberer als auch für einen Gefangenen.

Sara schüttelte den Kopf. Ihre Fantasie musste ihr einen Streich spielen. Mrs Armitage, die Besitzerin dieser Burg, war eine charmante kultivierte Amerikanerin mit ausgeprägtem Stilgefühl, die drei Gästezimmer geschmackvoll renoviert haben wollte. Ihre, Saras, Befürchtungen, es handele sich um ein Spukschloss, waren einfach kindisch.

Das bestätigte sich, als sie die beeindruckend große und hohe Halle betrat. Um die kostbaren Antiquitäten zu schonen, war die Raumtemperatur zwar relativ niedrig gehalten, doch die einzelnen Stücke befanden sich in tadellosem Zustand und waren mit viel Geschmack und Kunstsinn zusammengestellt. Keine Spinnweben an den Decken, keine Skelette in den Ecken …

Der Butler führte Sara durch eine weitere Tür, auch diese aus dickem Eichenholz und mit Eisen beschlagen. An den Wänden des langen Korridors standen kunstvoll geschmiedete Rüstungen, und von der Empore am Ende des Ganges hing ein verblichenes Banner mit einem stilisierten Wolf in der Mitte.

„Das Wappen der Besitzer“, erklärte Webster. „Deshalb heißt die Burg im Volksmund auch Wolf’s Lair, Wolfshöhle.“

Sara biss sich auf die Lippe. Was tat sie hier? Sie war Expertin für die Ausgestaltung von Luxuswohnungen in London und von Ferienhäusern in Südfrankreich. Eine Burg wie Wolf’s Lair, die ganz offensichtlich eine kriegerische Vergangenheit hatte, war ihr fremd und bereitete ihr Unbehagen. Doch sie hatte keine Wahl und musste bleiben, denn sie brauchte diesen Auftrag, um wieder ins Geschäft zu kommen.

Webster öffnete die nächste Tür, die auf einen weiteren Korridor führte, wo zu Saras großer Überraschung keine Ritterrüstungen standen, sondern sich ein Fahrstuhl befand. Sie lächelte amüsiert und folgte dem Diener in die Kabine. Hoffentlich war der Aufzug nicht das einzige Zugeständnis, das man im Schloss an das einundzwanzigste Jahrhundert gemacht hatte.

Einige Stockwerke höher ließ Webster sie aussteigen und führte sie in ihr Zimmer. In der Mitte des Raumes stand ein breites Himmelbett, dessen zierliche Schnitzereien von dem Pomp der übrigen Einrichtung erdrückt wurden. Die dunkelrot überstrichene Wandverkleidung, die mit dicken Kordeln gerafften und mit goldenen Tressen verzierten Samtvorhänge und die Bilder an den Wänden waren nur als Kitsch zu bezeichnen.

Sara verstand jetzt, weshalb Mrs Armitage das Zimmer unbedingt neu gestalten wollte. Einzig und allein das Bett passte hierher, es war ein Meisterstück alter Handwerkskunst, alles andere dagegen war nachgemacht und geschmacklos.

Eigentlich fehlt hier nur noch ein ausgestopfter Wolf in der Ecke, dachte Sara und schüttelte sich.

„Und dort ist das Badezimmer.“ Webster wies auf eine in der Vertäfelung kaum wahrnehmbare Tür. „Wenn Sie sich jetzt etwas ausruhen möchten, werde ich Sie in einer Stunde wieder abholen, dann wird im Salon ein Drink gereicht.“

Überrascht sah Sara ihn an. „Ich dachte schon, außer dem Personal sei niemand hier!“

„Oh doch.“ Mit ausdrucksloser Miene legte er die Umhängetasche aufs Bett, verbeugte sich und verschwand.

Sara seufzte. Wenigstens musste sie also nicht allein in diesem schrecklichen Zimmer essen – obwohl das vielleicht gar nicht so schlecht gewesen wäre. Schließlich war sie hier, um zu arbeiten, und nicht, um sich zu amüsieren. Es musste ihr einfach gelingen, Mrs Armitage einen Entwurf vorzulegen, an dem es nichts zu verbessern gab.

Sie ging zum Fenster, dessen Flügel weit geöffnet waren, und blickte in die Dämmerung. Selbst jetzt, da sie schon seit zehn Jahren nicht mehr auf Fala’isi lebte, konnte sie sich an dem langsam verlöschenden Licht und den immer länger werdenden Schatten nicht sattsehen. Auf der kleinen Pazifikinsel pflegte die Dunkelheit urplötzlich hereinzubrechen.

Da ihr Zimmer oberhalb der Zinnen lag, konnte sie weit ins Tal blicken. Auf den Bergen ringsum deuteten vereinzelte Lichter darauf hin, dass selbst in dieser Höhe noch Bauern siedelten.

Als sie sich weiter vorbeugte, sah sie, wie vor einigen beleuchteten Fenstern im großen Wehrturm die Vorhänge zugezogen wurden. Schwarz und drohend ragten die Konturen der Burg in den Nachthimmel, dessen Sterne ihr fremd waren. Auf Fala’isi hatte sie jeden Stern gekannt, fast jede Palme und alle Menschen, die dort wohnten. Hier fühlte sie sich ausgestoßen und fremd.

Tapfer kämpfte sie gegen ihr Heimweh an. Sie konnte nicht zurück, denn die winzige polynesische Insel hatte ihr nichts mehr zu bieten. Ihre Aufgabe war es jetzt, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um an die alten Erfolge wieder anzuknüpfen.

Bis vor einem Jahr war ihre Karriere einfach traumhaft verlaufen, doch dann hatte Gabriel alles zerstört. Davon jedenfalls war sie überzeugt, beweisen konnte sie es nicht. Obwohl nichts von dem Diebstahl der weltberühmten Juwelen an die Öffentlichkeit gedrungen war, musste Gabriel seinen Einfluss geltend gemacht haben. Ihr war nämlich gekündigt worden, kaum dass er die Verlobung durch eine offizielle Anzeige in der Presse gelöst hatte.

Der antike Halsschmuck mit den blutroten Rubinen, seit über tausend Jahren im Besitz der Familie Considine, schien mit einem Fluch behaftet zu sein. Mit einem einzigen grausamen Schlag hatte er ihr berufliches und privates Glück zerstört.

Sie hatte die Steine nur einmal getragen, und schon als Gabriel sie ihr umgelegt hatte, war ihr ein kalter Schauer über den Rücken gejagt. Selbst Gabriels Hände, die zärtlich auf ihren Schultern ruhten, schienen keine Wärme auszustrahlen.

„Woher stammt das Halsband? Für wen wurde es angefertigt?“, fragte sie bedrückt.

„Das weiß man nicht. Einige Wissenschaftler meinen, es sei skythischen Ursprungs. Die Skythen waren ein Nomadenvolk, das während der Antike in den Steppen Vorderasiens lebte und für seine Grausamkeit und seine prächtigen Goldschmiedearbeiten berühmt war. Bewiesen ist nur, dass die Steine aus Burma stammen. Auf alle Fälle kann der Wert nicht richtig geschätzt werden, weshalb es sich auch nicht versichern lässt.“

Von der Schönheit des Geschmeides in Bann geschlagen, sah Sara staunend in den Spiegel. Trotz seiner blutigen Vergangenheit übte das schwere Halsband eine Faszination auf den Betrachter aus, die sich durch den Wert des Materials allein nicht erklären ließ.

Das war wohl auch der Grund, weshalb Gabriel ihren ehrlichen Beteuerungen, es nicht gestohlen zu haben, keinen Glauben geschenkt und sie zutiefst gedemütigt hatte. Seine Entscheidung, die Verlobung zu lösen, hatte sie lediglich durch die offizielle Pressemitteilung erfahren.

Selbst ein Jahr danach wurde ihr noch übel, wenn sie an den Medienrummel, die Spekulationen, die Witze, die darüber gemacht wurden, und die Verleumdungen dachte, alle durch die Erklärung verursacht. Drei Monate lang hatte sie sich verzweifelt um einen neuen Job bemühen müssen, während ihre Ersparnisse dahinschwanden.

Am schlimmsten jedoch war die Erfahrung, wie der Mann, dem ihr Herz gehörte und der sie so leidenschaftlich und so unsagbar zärtlich geliebt hatte, jetzt rücksichtslos ihr Leben zerstörte.

Sie hatte sich Gabriel mit Leib und Seele geschenkt und sich, dumm wie sie war, eingebildet, er würde ihre Gefühle erwidern. Doch schon bei der ersten Belastungsprobe ihrer Beziehung hatte sich das als Illusion erwiesen. Nur ihr Stolz hatte es Sara ermöglicht, an dieser persönlichen Katastrophe nicht zu zerbrechen.

Natürlich hatten ihr auch ihr Können und ihr ausgezeichneter Ruf als Innenarchitektin geholfen. Denn trotz des Skandals hatte sich schließlich der Chef einer bekannten Firma doch bereitgefunden, sie einzustellen. Bisher hatte er jede ihrer Arbeiten genauestens kontrolliert. Jetzt, endlich, schien er von ihrem Talent überzeugt zu sein, denn sonst hätte er ihr bei diesem wichtigen Auftrag nicht freie Hand gelassen.

Das Klopfen an der Tür brachte sie jäh in die Wirklichkeit zurück. Es war Webster, der ihren Koffer brachte und ihn auf das dafür vorgesehene Gestell neben der Tür legte.

„Wenn Sie etwas wünschen, Madame, betätigen Sie bitte den Klingelzug“, meinte er, verbeugte sich steif und verschwand dann lautlos.

Als Sara ihren Koffer öffnete und dabei zufällig einen Blick in den Spiegel warf, bekam sie einen Schreck. Ihre Garderobe war nach der langen Reise zerknittert, ihr Blick wirkte schwermütig, und ihre Gesichtszüge waren angespannt.

Ihrem verlorenen Glück nachzutrauern half ihr auch nicht weiter. Sie würde daher erst einmal ausgiebig duschen und sich umziehen, dann sah die Welt bestimmt wieder anders aus.

Das Bad war ebenso kitschig eingerichtet wie das Schlafzimmer. Die Armaturen waren vergoldet, und die Wanne bestand aus schwarzem Marmor. Das Unangenehmste jedoch war das nur spärlich rinnende und gerade handwarme Wasser. Hier würden mehr als nur Verschönerungsarbeiten erforderlich sein.

Als Sara ihr Zimmer wieder betrat, waren Koffer und Gestell verschwunden und ihre Sachen ordentlich im Schrank verstaut. Sie konnte nur hoffen, dass ein Hausmädchen und nicht Webster es getan hatte.

Was sie nach Ansicht des unbekannten dienstbaren Geistes anziehen sollte, lag bereits auf dem Bett ausgebreitet: ihr knöchellanger, hochgeschlitzter schwarzer Rock, das Seidentop und das ebenfalls schwarze langärmelige Oberteil aus mit Silberfäden durchwirktem Chiffon.

Sara war für die Hilfestellung dankbar. Von sich aus hätte sie sich zum Essen nicht derart elegant gekleidet und damit gegen die Regeln verstoßen, die hier auf dem Schloss anscheinend üblich waren.

Schnell kleidete sie sich an und trat vor den Spiegel. Sie war zufrieden mit ihrem Aussehen, denn sie hatte genau jene zurückhaltende Eleganz erzielt, die sie für eine Frau in ihrer Position als passend empfand. Sie trug lediglich einen Hauch von Make-up auf, bürstete ihr mahagonibraunes Haar, bis es glänzte, und fasste es im Nacken zu einem klassischen Knoten zusammen.

Als es an der Tür klopfte, befiel sie eine unerklärliche Nervosität, und sie musste mehrmals tief durchatmen, um sich wieder zu beruhigen. Reiß dich zusammen, es geht um deine berufliche Zukunft! ermahnte sie sich. Äußerlich kühl und gelassen, folgte sie Webster zum Fahrstuhl.

Als sich die Kabinentüren wieder öffneten, betrat Sara einen Flur, den sie noch nicht kannte. Interessiert betrachtete sie die Porträts der einstigen Besitzer von Wolf’s Lair, die Mrs Armitage anscheinend mit der Burg übernommen hatte. Das Gemälde einer schönen Frau fiel ihr besonders auf, denn ihre Kopfhaltung und das stolze Lächeln wirkten irgendwie vertraut.

„Hier entlang, bitte.“ Webster öffnete eine Tür. „Miss Milton, Sir“, verkündete er, um sich gleich darauf diskret zurückzuziehen.

Mit einem Schlag wurde der Albtraum, der Sara schon das ganze Jahr verfolgte, grausame Wirklichkeit.

Traf sie schon die schlichte Eleganz der Bibliothek nach dem überladenen Kitsch der Gästezimmer wie ein Schock, so brachte sie der Anblick des Mannes, der am Sims des gotischen Marmorkamins lehnte, einer Ohnmacht nahe.

Wie kam er hierher? Gabriel Considine, der Mann, den sie liebte und der sie hatte heiraten wollen! Groß, schlank, muskulös und im formellen schwarzen Anzug, die markanten Gesichtszüge und hohen Wangenknochen wie aus Stein gemeißelt, war er der Inbegriff von Macht und Reichtum.

Obwohl sich nichts in seiner Miene regte, glaubte Sara, ein triumphierendes Lächeln in seinen Augen zu erkennen.

„Willkommen im Schloss meiner Ahnen, Sara.“

Obwohl das Gefühl, in der Falle zu sitzen, sie in Panik versetzte, richtete Sara sich stolz auf. „Leider ist mir die Einladung alles andere als eine Ehre“, antwortete sie gespielt kühl.

„Das war zu erwarten.“ Er lächelte spöttisch.

Der Blick seiner stahlblauen Augen, mit dem er sie eingehend von oben bis unten musterte, war so anzüglich, dass es Sara die Röte ins Gesicht trieb.

Sie hat ihren Auftritt genau geplant und sich mit äußerster Raffinesse gekleidet, dachte er. Obwohl schlicht und zurückhaltend, betonte die schwarze Garderobe all ihre Reize. Das Oberteil mit dem kleinen Ausschnitt ließ ihre Nackenlinie besonders zart und verführerisch erscheinen, und das Flimmern der Silberfäden in dem hauchzarten Chiffon lenkte die Aufmerksamkeit diskret auf das Heben und Senken ihrer Brüste. Und der Rock wirkte nur brav, solange Sara stand, sobald sie jedoch einen Schritt machte, ließ er mehr als nötig von ihren langen schlanken Beinen sehen.

Gabriel wurde von brennender Eifersucht gepeinigt. Die Leute von der Detektei, durch die er Sara überwachen ließ, hatten ihm versichert, dass Sara während des vergangenen Jahres keinen Freund gehabt hatte. Doch mit dem Geld, das ihr derzeit zur Verfügung stand, konnte sie sich eine derart anspruchsvolle Garderobe nicht leisten. Oder kaufte Sara in Secondhandboutiquen? Wahrscheinlich – doch weshalb zerbrach er sich den Kopf darüber?

Auch die strenge Frisur war ein geschickter Schachzug, weil sie ihre klassisch schönen Züge ins rechte Licht setzte. Saras Gesicht wirkte kühl und glatt wie das einer Statue, nur die vollen sinnlichen Lippen wollten nicht so recht dazu passen, obwohl sie frei von roter Schminke waren.

Sara trug weder Schmuck noch hatte sie sich herausgeputzt, dennoch machte sie den Eindruck einer Frau, die sich ihrer Wirkung durchaus bewusst war.

Erinnerungen, die er lieber vergessen hätte, überfielen Gabriel mit aller Macht. Als würde er sie leidenschaftlich umarmen, glaubte er, sie unter sich zu spüren, so weich, warm und unbeschreiblich zart. Er bildete sich ein, ihren Duft einzuatmen, und wartete auf ihre kleinen kehligen Schreie. Er liebte es, wie sich Saras herrliches Haar auf dem Kissen ausbreitete, wie ihre Stimme bei seinen Zärtlichkeiten den energischen Ton verlor und rauchig wurde, wie glücklich sie lachen konnte …

Mit eisernem Willen kämpfte Gabriel gegen seine Erregung an.

„Gut siehst du aus“, bemerkte er beiläufig. „Gepflegt und elegant, ganz die erfolgreiche Geschäftsfrau. Doch dafür, den schönen Schein zu wahren, wirst du schließlich bezahlt.“

Er beobachtete, wie ihr Teint, der ihn schon immer an die zarten Blütenblätter einer Magnolie erinnert hatte, an Farbe verlor. Sie hat noch nicht einmal Rouge benutzt, stellte er fest.

„Mein Talent besteht hoffentlich in etwas mehr“, antwortete sie, als hätten seine verletzenden Worte nicht ihr, sondern ihrem Beruf gegolten. „Für mich ist mit Inneneinrichtung mehr verbunden, als nur einen hübschen Rahmen zu schaffen.“ Sie blickte sich um. „Hier, in der Bibliothek, fühlt man sich völlig anders als in den Gästezimmern – das spürst du auch, sonst hättest du mich bestimmt nicht hierher bestellt.“

Sara hatte geschickt reagiert, das musste er zugeben. Aber eine Frau, die andere um ihr Hab und Gut bringen wollte, durfte auch nicht auf den Kopf gefallen sein.

„Ich habe dich in diesen Raum bestellen lassen, weil ich das gesamte Schloss in dieser Art renovieren lassen möchte“, antwortete er glatt. „‚Authentisch‘ oder ‚unverfälscht‘ sind wohl die Worte, die meine Vorstellungen am besten ausdrücken. Möchtest du einen Drink?“

Zu seiner Überraschung nahm sie das Angebot an, blickte jedoch erstaunt auf, als er eine Flasche Champagner öffnete. Gut so, stellte er zufrieden fest, denn er wollte sie mit allen Mitteln verunsichern.

Er reichte ihr eins der langstieligen Gläser. „Auf unsere Versöhnung.“ Er prostete ihr zu.

Sie senkte langsam die Lider, und das Blut pulsierte wie Feuer in seinen Adern. Sara war die einzige Frau der Welt, die ihn mit einem kurzen Seitenblick zum Sklaven seines eigenen Verlangens machen konnte.

Sie trank einen kleinen Schluck, setzte ihr Glas auf einem Tisch ab und ging zum Kamin, um ins Feuer zu sehen. Das Spiel der Flammen ließ ihr Haar schimmern wie poliertes Mahagoni und ihren Teint so hell und durchscheinend erscheinen wie erlesenes Porzellan.

„Warum hast du mich hierher holen lassen?“, fragte sie ausdruckslos. Als er nicht sofort antwortete, drehte sie sich zu ihm um.

Sie hat abgenommen, erkannte er betroffen. „Weil ich die Zeit für reif hielt. Ich meine, nach einem Jahr sollten wir in der Lage sein, ruhig und vernünftig miteinander zu reden“, erklärte er.

Er hatte also bereits vergessen, was sie einmal verbunden hatte – nach zwölf Monaten? Ein kurzer Blick auf sein ausdrucksloses Gesicht bestätigte ihre Vermutung. Gabriel liebte sie nicht mehr – wenn er sie je geliebt hatte …

Ihre kurze heftige Affäre war für ihn nicht mehr als eine Spielerei gewesen. Was konnte auch ein Mann wie er, Spross eines uralten Adelsgeschlechts, der in der Oberschicht zu Hause war, der Macht und Reichtum als Selbstverständlichkeit empfand, mit einer Frau wie ihr schon gemeinsam haben? Mit ihr, Sara Milton – einem gesellschaftlichen Nichts –, die noch nicht einmal den Namen des Vaters kannte.

Sie versuchte, ihren Schmerz mit einem weiteren Schluck Champagner zu betäuben. Trotz allem, was vorgefallen war, hätte Gabriel freundlicher zu ihr sein können – nein, das war zu viel verlangt. Sara lächelte bitter. Für ihn war sie die Frau, die ihn um unersetzlichen Familienschmuck gebracht hatte, und der Medienrummel nach der Lösung der Verlobung musste ihn in seinem Stolz zutiefst verletzt haben.

„Ich weiß nicht, was du dir von diesem Handstreich versprichst“, antwortete sie gespielt gleichmütig. „Ich kann dir auch jetzt nur das über den Verbleib des Halsbands berichten, was du ohnehin schon weißt. Hätte ich geahnt, dich auf der Burg anzutreffen, wäre ich nie gekommen.“

Spöttisch zog er die Brauen hoch. „Und das soll ich dir glauben? Wie ich aus Erfahrung weiß, holst du stets Erkundigungen über deine Auftraggeber ein. Und ausgerechnet in diesem Fall willst du es nicht getan haben? Willst du mir etwa weismachen, meine engen Beziehungen zu Illyria seien dir nicht bekannt gewesen?“

„Du bist ein Cousin des Prinzen, das war für mich natürlich kein Geheimnis – dass du hier eine Burg besitzt, ist mir jedoch neu. Und selbstverständlich habe ich mich informiert. Auf deiner Homepage steht, du würdest an der Sonderkonferenz der UNO in Südamerika teilnehmen, wie es auch schon in den Medien angekündigt worden war. Warum hast du das verbreiten lassen?“

„Weil ich dich hier treffen wollte.“

3. KAPITEL

Gabriel ging auf Sara zu. Sie musste sich beherrschen, um nicht zurückzuweichen, denn die eiskalte Entschlossenheit, die aus seinem Blick sprach, jagte ihr Angst ein. Seine kraftvollen und geschmeidigen Bewegungen machten ihr deutlich, wie schwach und hilflos sie in Wirklichkeit war. Anscheinend hatten Gabriels Ahnen nicht umsonst den Wolf zum Wappentier gewählt.

Doch weshalb sollte sie sich fürchten? Sie hatte nichts Unrechtes getan, und einschüchtern ließ sie sich auch nicht. Stolz hob sie den Kopf und sah Gabriel in die Augen.

„Ich werde deine Gastfreundschaft nicht länger in Anspruch nehmen“, erklärte sie kühl.

„Du wirst so lange bleiben, bis ich dich wieder gehen lasse.“

„Das kannst du nicht tun!“

„Weshalb nicht?“ Er zuckte die Schultern. „Ich kann mir dir tun, was ich möchte, denn niemand weiß, wo du bist.“

„Mein Arbeitgeber …“

Gabriels Lächeln ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. „Er wird dir nicht helfen, Sara. Er ist mein Mittelsmann, dessen Aufgabe es war, dich hierher zu bringen.“

Entgeistert blickte sie ihn an. Mit einem Schlag hatte er das, was ihr in den letzten Monaten Halt gegeben und ihr neue Hoffnung geschenkt hatte, als Illusion entlarvt. Die Erkenntnis, die Anstellung nicht wegen ihres Könnens bekommen zu haben, sondern aufgrund einer raffinierten Intrige, raubte ihr den Glauben an sich selbst.

Sie fühlte sich aufs Tiefste gedemütigt. Doch hätte sie nicht wissen müssen, dass Gabriel Considine sie unnachsichtig verfolgen würde? Er war ein Mann, dem Fairness über alles ging und der keine Gnade zeigte, wenn jemand die Spielregeln verletzte. Und Gabriel war anscheinend der unerschütterlichen Überzeugung, sie habe ihn aufs Gemeinste getäuscht und hintergangen.

Gabriel besaß die Macht und die Mittel, um sie gesellschaftlich ein für alle Mal zu vernichten – sie war ihm schutzlos ausgeliefert.

Sara versuchte, nicht die Nerven zu verlieren. Sie musste einen klaren Kopf behalten. Vielleicht fand sie ja doch Mittel und Wege, ihn von ihrer Unschuld zu überzeugen. Betteln oder flehen würde sie jedoch nicht, denn dadurch würde sie ihn in seiner Selbstherrlichkeit nur noch bestätigen.

„Meinen Arbeitsvertrag habe ich also dir zu verdanken!“ Sie lächelte bitter. „Oder ist er hiermit hinfällig geworden?“

„Das hängt allein von dir ab, Sara. Sag mir, wo Queen’s Blood ist, und dein Leben gehört wieder dir.“

Wäre es nicht zum Weinen gewesen, Sara hätte über diese Worte lachen können. Ihr Leben würde ihr nie wieder gehören. Gabriel mochte in der Lage sein, sie durch einen einfachen Willensakt aus dem Gedächtnis zu streichen, ihr würde so etwas nie gelingen.

Ihr Herz ließ sich nichts befehlen. Es schlug sehnsuchtsvoll, sobald sie Gabriel nur ansah, und das Glück, das sie in seinen Armen einst gespürt hatte, würde alles, was danach kam, nur schal erscheinen lassen. Obwohl das, was sie für wahre Liebe gehalten hatte, nur Wunschdenken gewesen war.

Wenn Gabriels Gefühle echt gewesen wären, hätte er ihr nach dem Verschwinden des Halsbands zumindest die Gelegenheit zu dem persönlichen Gespräch geben müssen, um das sie gebeten hatte. Das aber hatte er abgelehnt. Lieber hatte er den Worten der ehemaligen Zofe seiner Großmutter geglaubt. Ihr dagegen, seiner zukünftigen Ehefrau, hatte er eine Aussprache verweigert.

Aus welcher Perspektive sie es auch betrachtete, ihre Lage war aussichtslos. „Bitte, glaub es mir doch, Gabriel, wenn ich wüsste, wo die Rubine sind, hätte ich es dir längst gesagt“, versuchte sie noch einmal, ihn von der Wahrheit zu überzeugen.

„Du kannst mir wirklich vertrauen, Sara. Meiner Meinung nach hast du dich auf etwas eingelassen, das dir über den Kopf gewachsen ist. Du wirst die Geister nicht mehr los, die du gerufen hast. Deshalb habe ich dich hierher bringen lassen. Auf der Burg brauchst du keine Angst zu haben, hier bist du in Sicherheit.“

„Nicht vor dir!“

„Ich bin kein Barbar, Sara!“

„Es ist keine Minute her, da hast du mich bedroht.“ Unerschrocken erwiderte sie seinen feindseligen Blick, dabei war ihr nicht bewusst, wie gefährlich und faszinierend ihre Augen dabei glitzerten.

Gabriel zuckte lässig die Schultern, und Sara wurde heiß. Wie konnte ein Mann nur derart attraktiv aussehen! Man sah seinem Gesicht mit den etwas hochmütigen Zügen die edle Abstammung an, und sein rabenschwarzes Haar und die bronzefarbene Haut verrieten seine südländische Abstammung, außerdem hatte die Natur ihm Augen geschenkt, deren Farbe an den bläulichen Stahl einer Damaszenerklinge erinnerte.

„Ich weiß, wozu du fähig bist“, erklärte er unbewegt. „Doch mit einem Trick unersetzliche und weltberühmte Juwelen zu stehlen ist eine Sache – sie zu verkaufen eine ganz andere. Das geht nur über eiskalte Hehler, die vor keinem Verbrechen zurückschrecken. Leg deine Karten offen auf den Tisch, Sara. Sobald ich weiß, wo Queen’s Blood ist, kannst du mir den Rest überlassen und in Frieden leben. Ich werde dich nicht gerichtlich belangen.“

Saras letzte Hoffnung schwand. Wie konnte Gabriel mit all seiner Menschenkenntnis nur so borniert sein? Mit keinem Argument der Welt würde sie ihn von ihrer Unschuld überzeugen können. Erneut stieg Panik in ihr auf.

Gabriel registrierte es amüsiert. „Deine überhitzte Fantasie spielt dir einen Streich, Sara. Ich habe wirklich nicht vor, meine Drohungen wahr zu machen.“

„Und woher soll ich das wissen?“ Kaum waren die Worte heraus, ärgerte sie sich auch schon darüber. Seine Glaubwürdigkeit anzuzweifeln war wohl kaum die geeignete Methode, Gabriel zur Aufgabe seines irrwitzigen Plans zu bewegen. „Du vertraust mir ja auch nicht“, fügte sie mit etwas festerer Stimme hinzu.

„Bin ich auch nur ein einziges Mal grob zu dir gewesen?“

„Nein“, musste sie zugeben. Gabriel war trotz aller Leidenschaft ein unbeschreiblich sensibler Liebhaber gewesen. Ihr Herz klopfte schneller, als sie an die Stunden voller Romantik und Zärtlichkeit dachte, die sie in seinen Armen genossen hatte.

„Also hör auf, die bedrängte Unschuld zu spielen, Sara, und lass uns zur Sache kommen. Solltest du hier Angst um deine Sicherheit haben, sind deine Sorgen unnötig. Seit die Burg vor über tausend Jahren errichtet wurde, ist es noch niemandem gelungen, sie zu stürmen.“

Sara biss sich auf die Lippe und blieb stumm. Was sie auch erwiderte, es würde alles nur schlimmer machen.

Gabriel betrachtete sie schweigend. „Erzähl mir, wie und mit wem du den Diebstahl bewerkstelligt hast, und du bist eine freie Frau, das schwöre ich“, meinte er schließlich.

Hatte er ihr nicht auch Liebe und Treue geschworen?

„Ich kann mich nur wiederholen, Gabriel. Ich wünschte, ich hätte Queen’s Blood nie gesehen, und habe nicht die geringste Ahnung, was aus dem Halsband geworden ist“, antwortete sie resigniert. „Vor dem Abschminken habe ich es abgenommen und Marya gegeben, damit sie es in den Safe bringt. Soweit ich weiß, hat sie das auch getan.“

„Bis dahin stimmt deine Geschichte“, antwortete er zu ihrem größten Erstaunen. „Doch eine Stunde später fiel Marya plötzlich ein, dass sie den Verlobungsring nicht mit eingeschlossen hatte. So stand sie noch einmal auf, um ihr Versäumnis nachzuholen – und fand einen leeren Safe vor. Da sich keine Spuren von Gewaltanwendung finden ließen, musste der Täter die Zahlenkombination des Schlosses gekannt haben. Und die kanntest nur du, weil du sie dir selbst ausgedacht hattest.“

„Marya wusste sie auch.“

Gabriel hielt ihrem Blick stand. Aus seinen Augen sprach eiskalte Verachtung. „Marya ist absolut vertrauenswürdig.“

„Bist du dir da so sicher?“, fragte sie auf die Gefahr hin, ihn nur noch mehr zu reizen. Doch da sie die Rubine nicht gestohlen hatte, musste Marya es getan haben, eine andere Lösung gab es nicht.

„Aus bestimmten Gründen scheidet Marya als Täterin aus“, antwortete er, ohne zu zögern. „Und da Queen’s Blood bisher am Markt nicht aufgetaucht ist …“

„Woher willst du das wissen?“, unterbrach sie ihn.

Er sah sie an, als wollte er sie hypnotisieren. Wenn er das nur könnte, dachte sie verzweifelt, dann würde er meine Unschuld endlich erkennen.

„Der Markt für Schmuck dieser Art ist klein und wird durch meine Leute überwacht. Ist der materielle Wert des Halsbands schon unvorstellbar hoch, ist der künstlerische und historische Wert in Geld gar nicht zu beziffern. Ein Sammler, der es erwerben möchte, muss nicht nur ungeheuer viel Geld besitzen, sondern auch ungeheuer wenig Verstand.“

„Wieso?“

„Wenn überhaupt, könnte das Stück erst Generationen später gezeigt oder getragen werden, da es sich um ein weltberühmtes Unikat handelt. Sowie es in der Öffentlichkeit auftauchte, würden entweder ich, meine Erben oder der Staat Illyria Besitzansprüche geltend machen.“ Er schwieg einen Moment. „Aber Queen’s Blood ist ja auch noch nicht verkauft worden, Sara.“

Kalt sah er sie an. Natürlich, er hielt sie ja auch für eine gerissene Betrügerin. Vom Schmerz überwältigt, schloss sie kurz die Augen. Zwölf Monate hatten nicht gereicht, sich Gabriel aus dem Herzen zu reißen. Sie liebte ihn so sehr …

„Als der Diktator die Macht an sich riss“, fuhr er fort, „brachte mein Großvater Queen’s Blood zu einer vertrauenswürdigen Person, die es versteckte. Nachdem der Diktator dann einem Anschlag zum Opfer gefallen war, kam diese Person zu mir und händigte es mir aus. Ich habe jeden einzelnen Stein vermessen und registrieren lassen. Allein schon der Farbe wegen würde ich innerhalb weniger Stunden erfahren, wenn einer der Rubine den Besitzer wechselte. Es ist bisher nicht passiert.“

„Weil Marya das Halsband behalten und nicht verkaufen will“, beharrte Sara.

„Kannst du mir einen einzigen vernünftigen Grund nennen, weshalb ausgerechnet Marya, die einstige Zofe meiner Großmutter, eine solche Tat begehen sollte?“

Über diese Frage hatte Sara sich ein ganzes Jahr lang den Kopf zerbrochen und schließlich auch eine Erklärung gefunden: Marya hatte es getan, um den Erben eines von ihr vergötterten Adelsgeschlechts vor der Ehe mit einer unstandesgemäßen Frau zu bewahren.

Sara lächelte bitter. Vielleicht hatte Marya genau das Richtige getan.

Plötzlich brachen die Scheite im Kamin knisternd in sich zusammen, die Flammen loderten hell auf, und ein feiner Duft breitete sich aus. Wahrscheinlich wurde der Herbstschnitt der Apfelbäume, die sie vorhin aus dem Hubschrauber erblickt hatte, verbrannt. Ein harmonisierender Duft in einem Raum, dessen Atmosphäre von Misstrauen und Zwietracht vergiftet war.

„Ich weiß nur eins, Gabriel, ich habe mit dem Diebstahl nichts zu tun“, antwortete sie ohne Hoffnung, ihn von der Wahrheit überzeugen zu können.

Er trank einen Schluck und setzte das Glas dann so heftig auf die Tischplatte, dass der Champagner über den Rand spritzte.

„Ich habe einen überzeugenden Grund, an Maryas Unschuld zu glauben, Sara. Sie war es nämlich, die das Halsband all die Jahre versteckt hielt und es unter größten persönlichen Opfern vor dem Zugriff des Diktators schützte.“

Sara kannte die Geschichte. Gabriels Großeltern hatten bei Nacht und Nebel das Schloss verlassen, um in den Bergen an der Seite der Partisanen zu kämpfen. Der putschende General und spätere Diktator hatte nämlich verkünden lassen, falls die Burg verteidigt würde, müssten das die Bauern im Tal mit dem Leben bezahlen. Der Großherzog und die Großherzogin hatten dem Tyrannen an der Seite ihrer Leute erbitterten Widerstand geleistet, bis sie in einen Hinterhalt gerieten und im Kugelhagel ihr Leben ließen.

„Hast du Marya deshalb zu meiner persönlichen Dienerin bestimmt?“, fragte sie leise.

„Unter anderem. Gleich nach der Bekanntgabe unserer Verlobung bat mich Marya, für dich sorgen zu dürfen. Für mich war es eine schöne und beruhigende Vorstellung, dich und deine Garderobe einer erfahrenen Dienerin anzuvertrauen, die zudem Zofe meiner Großmutter gewesen war.“

Sara biss sich auf die Lippe.

„Ja, Sara, leider wolltest du die falsche Person zum Sündenbock machen. Marya würde nie das Halsband stehlen, das sie vierzig Jahre lang unter unvorstellbar hohem Einsatz beschützt hat. Marya ist unserer Familie treu ergeben und weiß um den hohen symbolischen Wert von Queen’s Blood.“

Jetzt verstand Sara wenigstens, weshalb Gabriel Marya nicht verdächtigte. Das machte allerdings die Lage für sie nicht einfacher, sondern eher noch schwieriger, was Gabriels nächste Worte sofort bewiesen.

„An Maryas Loyalität bestehen keine Zweifel. Du dagegen hast mich belogen und verraten.“

Sara erblasste. „Ich habe keins von beidem getan, das schwöre ich“, brachte sie mühsam über die Lippen.

Ungerührt zuckte Gabriel die Schultern. „Ich will nur eins von dir, Sara, und das ist Queen’s Blood. Sobald du mir verraten hast, wo es sich befindet, bist du eine freie Frau.“

Damit waren sie wieder da, wo sie begonnen hatten. Statt sich im Gespräch angenähert zu haben, waren ihre Positionen sogar unvereinbarer denn je. Sara konnte darüber noch nicht einmal weinen. Das prächtige sagenumwobene Schmuckstück hatte ihr das Herz zerrissen und ihr Glück zerstört. Gabriel bedeuteten die Rubine mehr als sie. Die Liebe, die er ihr versprochen hatte, war schon bei der ersten Belastungsprobe zerbrochen.

Was auch immer Gabriel einmal für sie gefühlt haben mochte, jetzt hatte er nur noch Verachtung für sie übrig.

„Ich bin auch bereit, dafür zu zahlen“, sprach er weiter, als ginge es um eine geschäftliche Transaktion, und nannte eine Summe, die Sara schwindeln ließ. Zutiefst erniedrigt, schloss sie die Augen. Für wen hielt er sie? Wie weit wollte er die Angelegenheit noch treiben?

„Das Angebot gilt“, betonte er. „Überleg es dir gut, denn so viel wirst du nicht bekommen, wenn du die Steine zersägen lässt und unter der Hand anbietest. Jeder Sammler wird den Preis drücken, weil er genau weiß, dass du nicht mit rechten Dingen an Queen’s Blood gekommen bist.“ Er griff wieder zu seinem Glas.

Unwillkürlich blieb Saras Blick an seinen Händen hängen. Wie unendlich zärtlich und erregend Gabriel sie einmal gestreichelt hatte! Wie wohlgeformt sein Körper war! Welches Glück und welche Ekstase sie in seinen Armen erlebt hatte!

Ihr wurde heiß, und erschrocken erkannte sie, in welche Gefahr sie diese Gedanken brachten. Gabriel war nicht mehr ihr Geliebter, sondern ihr Feind, der sie für eine verabscheuungswürdige Betrügerin hielt.

So wie er sich nach dem Diebstahl des Schmucks ihr gegenüber verhalten hatte, konnte er niemals Liebe und Respekt für sie empfunden haben. So märchenhaft schön ihre kurze und leidenschaftliche Beziehung gewesen war, so tief war die Verzweiflung, die sie jetzt verspürte. Nie wieder würde sie einem Mann ihr Herz öffnen können.

„Da ich dir doch nicht helfen kann, lasse ich dich jetzt besser allein“, sagte sie mit dem letzten Rest Beherrschung, der ihr geblieben war.

„Du bleibst hier!“

„Du kannst mich hier nicht gefangen halten, Gabriel, das weißt du ganz genau!“

„Ich habe dir meine Meinung dazu bereits gesagt: Du bleibst hier, bis ich weiß, was aus Queen’s Blood geworden ist.“

Sara suchte krampfhaft nach neuen Argumenten, um Gabriel von seinem Plan abzubringen. „Dein Cousin wird es bestimmt nicht einfach hinnehmen, wenn du dich als Kidnapper betätigst“, meinte sie schließlich.

Gabriel zögerte zwar den Bruchteil einer Sekunde mit seiner Antwort, ließ sonst jedoch keine Reaktion erkennen. „Zu gegebener Zeit werde ich Alex selbstverständlich ins Vertrauen ziehen.“

„Du bist einfach größenwahnsinnig.“ Sara legte ihre ganze Verachtung in die Stimme. „So lasse ich mich nicht behandeln! Deine Vorfahren mögen jeden, der ihnen nicht passte, in den Kerker geworfen haben, heute herrschen jedoch andere Verhältnisse – glücklicherweise.“ Sie ließ ihn stehen und ging mit hoch erhobenem Kopf zur Tür.

Doch schon nach zwei Schritten hatte Gabriel sie eingeholt, hielt sie am Arm fest und zwang sie, ihn anzusehen. Sara spürte die Wärme seines Körpers und erbebte. Wie vertraut sein Aftershave duftete! Ihr Puls raste, und ihr Atem beschleunigte sich vor Erregung. Was war nur los mit ihr? Wie konnte sie nach allem, was er ihr angetan hatte, so auf ihn reagieren?

„Sei vernünftig, Gabriel“, flehte sie. „Tu es bitte nicht!“

„Wer sollte mich daran hindern? Du etwa?“

Bevor sie sich’s versah, hatte er sie schon an sich gezogen, um sie zu küssen. Obwohl von einer süßen und nur zu gut bekannten Schwäche ergriffen, zwang sie sich, abwehrend die Hände gegen seine Brust zu stemmen. Doch Gabriel durchschaute die Halbherzigkeit ihrer Geste sofort und nutzte Saras Schwäche rücksichtslos aus.

Als er sie noch enger umarmte, spürte sie, wie erregt er war. Mochte er sie auch für eine Betrügerin und eiskalte Lügnerin halten, so immun gegen sie, wie er es sie glauben machen wollte, war er nicht. Sein Kuss wurde fordernder und brach schließlich ihren Widerstand.

Sara seufzte und schmiegte sich zärtlich an ihn. Und wenn es das letzte Mal war, sie wollte es voll auskosten, dieses Gefühl, das sie in seinen Armen von Anfang an gespürt hatte, diese Empfindung, dass sie in seinen Armen sicher und geborgen war, dass nur Gabriel ihr den Halt bieten konnte, nach dem sie sich sehnte.

Er küsste sie mit verzehrender Leidenschaft, und sie schloss die Augen, um das erotische Spiel seiner Lippen noch intensiver auszukosten. Umso stärker traf sie der Schock, als Gabriel sie unvermittelt von sich stieß und einen Schritt zurücktrat.

Seine Haut hatte sich gerötet, und seine stahlblauen Augen blitzten gefährlich. Als er auf Illyrianisch einen Fluch ausstieß, verstand Sara ihn, auch ohne die Sprache zu beherrschen.

„Du sprichst mir aus dem Herzen“, erwiderte sie, bemüht, ihrer Stimme Festigkeit zu verleihen. Obwohl ihr die Lippen von seinen Küssen schmerzten und ihr das Blut in den Ohren rauschte, sah sie ihm unerschrocken in die Augen. „Was wolltest du dir mit diesem Kuss beweisen, Gabriel?“

„Sieh dich vor, Sara“, erwiderte er rau. „Du bist mir hier hilflos ausgeliefert.“

Sie zuckte nur die Schultern und wich in Richtung Tür zurück. Dabei übersah sie einen Stuhl und stolperte. Sofort war Gabriel bei ihr und stützte sie.

„Alles in Ordnung?“, fragte er. Als sie schwieg, schüttelte er sie. „Antworte mir, Sara!“

Sie jammerte leise, als wäre sein Griff schmerzhaft. Sofort lockerte Gabriel die Finger etwas, ließ Sara jedoch nicht los. Wut und Verzweiflung gaben ihr neue Kraft, und sie spannte sich. Sollte sie das Knie anziehen und es ihm in den Leib rammen oder ihm lieber das Gesicht zerkratzen?

Als Gabriel die Augen zusammenkniff, wusste sie, dass er ihre Absicht erraten hatte. „Versuch es doch, Sara“, forderte er sie gefährlich leise auf.

Wie hypnotisiert blickte sie ihn an. Geschick und Wendigkeit würden ihr nicht viel nützen, denn Gabriel war ihr körperlich eindeutig überlegen. Und er würde diesen Vorteil ausnutzen, das war ihm anzusehen. Zwischen ihnen knisterte es vor unterschwelliger Erotik.

Sie musste etwas tun, um die Situation zu entschärfen. „Lass mich gehen. Alles, was ich sage, ist ohnehin überflüssig, weil du mir überhaupt nicht zuhörst. Dein Urteil über mich war bereits gefällt, ehe ich auch nur ein einziges Wort zu meiner Verteidigung gesagt hatte.“

„Lügen stoßen bei mir auf taube Ohren. Versuch es doch einmal mit der Wahrheit.“

Entmutigt schüttelte sie den Kopf. „Die Wahrheit könnte an der Wand geschrieben stehen, und du würdest es nicht lesen können. Außerdem musst du mich früher oder später sowieso gehen lassen.“

„Weshalb? Wer würde dich vermissen?“

„Meine Freunde zum Beispiel.“ Sie streckte sich. „Sei doch nicht so naiv, Gabriel! Was willst du hier auf der Burg schon mit mir anfangen?“

„Ich dachte, das hätte ich dir gerade gezeigt. Mir gefällt die Vorstellung, dich in meiner Nähe zu haben – willig und bereit.“

Diese Unverschämtheit verschlug ihr den Atem. Verzweifelt klammerte sie sich an die Hoffnung, dass Gabriel sie lediglich aus der Fassung bringen und einschüchtern wollte.

„Dann wirst du mich irgendwann umbringen müssen“, hielt sie ihm entgegen. „Und wenn die Polizei hier nichts unternimmt, weil man in Illyria froh ist, seinen Wolf zurückzuhaben, werde ich mich an Interpol wenden – und an die Presse.“

„Wer würde dir glauben?“ Kalt und mitleidslos blickte er ihr in die Augen. „Niemand weiß, weshalb ich die Verlobung in Wahrheit gelöst habe. Selbst wenn von deinem Aufenthalt in Wolf’s Lair etwas an die Öffentlichkeit dringt, wird das lediglich Begeisterung hervorrufen. Alle werden glauben, wir bemühten uns um eine Versöhnung. Die Leute sind versessen auf moderne Aschenputtelgeschichten – und nach dem romantischen Auftakt unserer Beziehung wünscht sich jeder ein Happy End.“

Er führte sie zurück an den Platz vor dem Kamin, schenkte Champagner nach und reichte ihr das Glas. Sara umklammerte den Stiel, als wäre er ihr letzter Rettungsanker. „Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert, Gabriel. Du bist kein mittelalterlicher Despot, der Menschen, die ihm nicht passen, einfach aus dem Weg räumen lässt.“

„Ich will dich nicht aus dem Weg räumen lassen, Sara, glaub mir das doch endlich.“ Er sprach betont langsam und deutlich, als hätte er ein begriffsstutziges Kind vor sich. „Ich will dich lediglich davon überzeugen, dass es für alle Beteiligten das Beste ist, wenn du mich über den Verbleib des Halsbands aufklärst. Anschließend kannst du sofort gehen.“ Er lächelte grimmig. „Du wirst dann so viel Geld besitzen, dass du an deine Zukunft keinen Gedanken mehr zu verschwenden brauchst.“

Grenzenlose Wut flammte in ihr auf und verdrängte den Schmerz. „Nichts lieber als das!“, schleuderte sie ihm entgegen. „Leider weiß ich nur nicht, wo sich das vermaledeite Ding befindet!“

Ohne auf diesen Ausbruch einzugehen, musterte er Sara kühl. „Wenn dich Geld nicht reizt, muss ich mir eben etwas anderes einfallen lassen“, bemerkte er schließlich.

Etwas anderes? Erschrocken blickte sie ihn an. Das begehrliche Glitzern seiner Augen verriet ihr sofort, woran er dabei dachte. Davon, dass sie ihn immer noch begehrte, hatte er sich ja bereits überzeugt.

Er will mich verführen, und ich kann ihm nichts entgegensetzen, erkannte sie voller Panik. Er wird mich küssen und streicheln, obwohl er mich hasst, nur weil er den verschwundenen Rubinen auf die Spur kommen will!

Ohne zu wissen, was sie tat, kippte sie ihm den Inhalt ihres Glases ins Gesicht. Über sich selbst erschrocken, beobachtete sie, wie er sein Taschentuch hervorzog und sein Gesicht trocknete.

Automatisch stellte sie das Glas auf den Tisch zurück. „Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist“, entschuldigte sie sich mit brüchiger Stimme. „Es tut mir leid.“

Gabriel knüllte das Tuch zusammen und warf es in den Kamin. Ausdruckslos beobachtete er dann, wie die Flammen das feine Leinen verzehrten.

„Ich finde dich ausgesprochen amüsant.“ Er lächelte. „Der Kontrast zwischen deinem kühlen eleganten Äußeren und deinen sinnlichen Lippen hat mich schon immer gereizt. Das Wissen, die unnahbare Schöne in eine liebestolle Wildkatze verwandeln zu können, hat mir schon immer einen besonderen Kick gegeben.“

Konnte ein Mann eine Frau schlimmer beleidigen?

Gabriel und Sara standen einander gegenüber, ohne dass einer den Blick vom anderen zu lösen vermochte. Selbst als Gabriel langsam auf sie zukam, war Sara unfähig, sich zu bewegen. Als es ihr endlich gelang, den Bann abzuschütteln, war es zu spät.

Leidenschaftlich riss er sie an sich, um sie seine Erregung spüren zu lassen. Sara schwindelte und wäre zu Boden gesunken, hätte Gabriel sie nicht gestützt. Sie war überwältigt von ihrem eigenen sexuellen Verlangen.

„Du hast immer noch Macht über mich, du Hexe“, sagte er dicht an ihrem Ohr, bevor er sie küsste.

Sara wehrte sich wie wild – doch nicht lange, dann musste sie vor seinem raffinierten Liebesspiel kapitulieren. Gabriel verlangte bedingungslose Hingabe, und Sara brannte darauf, sie ihm zu schenken.

Sein Kuss wurde zärtlicher, und er spielte mit ihrem Haar. Sara genoss das sanfte Streicheln und seufzte vor Wonne. Sie spürte ihr schweres Haar auf den Schultern und merkte, dass Gabriel die Nadeln aus dem Knoten entfernt hatte.

Doch erst als er ihre Hüften umfasste und sie noch enger an sich zog, meldete sich ihr Verstand wieder. Mit unmenschlicher Anstrengung gelang es ihr, seinem Kuss auszuweichen, indem sie den Kopf zur Seite drehte.

So durfte es nicht weitergehen! Jeder weitere Kuss, jede kleine Zärtlichkeit würde Gabriel nur weiter in seiner Selbstherrlichkeit bestätigen. Durch ihr Verhalten bestärkte sie ihn nur in der Annahme, sie sei nichts als Wachs in seinen Händen.

„Nein!“, rief sie atemlos. „Nein!“

4. KAPITEL

Sofort schob Gabriel Sara auf Armeslänge von sich. Sie legte den Kopf zurück und sah Gabriel ins Gesicht. Er wirkte wie ausgewechselt. Sein Blick, der eben noch leidenschaftliches Verlangen verraten hatte, war ausdruckslos. Die Mühelosigkeit, mit der er die Rolle des leidenschaftlichen Liebhabers spielen und auch wieder beenden konnte, verletzte sie tief.

Gabriel hatte sie lediglich auf die Probe stellen wollen, mit seinen wahren Gefühlen für sie hatten die Küsse nichts zu tun gehabt.

„Du hast dich umsonst angestrengt, Gabriel.“ Sie war entsetzt, wie brüchig und enttäuscht ihre Stimme klang. „Da ich dir nichts zu verraten habe, was du nicht ohnehin schon weißt, war das Theater überflüssig.“

„Ich weiß nicht, weshalb du dich beklagst – offensichtlich hat es dir gut gefallen“, antwortete er verächtlich. Er ließ sie so abrupt los, als hätte ihre heißblütige Reaktion ihn abgestoßen, was Sara ihm sogar nachempfinden konnte.

Sie verachtete sich nämlich selbst dafür. „Mir reicht es. Ich gehe jetzt“, sagte sie ausdruckslos und versuchte, ihre bebenden Hände zu verbergen.

„Ohne meine Einwilligung machst du keinen einzigen Schritt!“

Was für Sara die Situation so gefährlich machte, war die Tatsache, dass Gabriel sie immer noch begehrte – und sie ihn. Er hielt sie für eine gerissene Betrügerin, dennoch wollte er sie besitzen, und sie besaß nicht die innere Stärke, um sich dagegen zu wehren, das machte sie angreifbar.

Von Liebe konnte natürlich keine Rede sein, dazu hatte Gabriel sie viel zu tief verletzt. Doch der sexuellen Anziehungskraft, die er immer noch auf sie ausübte, zu widerstehen, war eine ganz andere Sache.

„Wenn ich wirklich nur auf dein Geld aus gewesen wäre, hätte ich den unglaublich hohen Betrag, den du gerade genannt hast, genommen und wäre verschwunden“, hielt sie ihm entgegen.

„Wahrscheinlich hast du es auf mehr abgesehen.“ Er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Wenn ich dir geglaubt und Marya für die Schuldige gehalten hätte, hättest du die Rubine verkaufen und deine Verlobung retten können. Als meine Frau hättest du dann Zugang zu meinen Bankkonten gehabt und dich nach Belieben bereichern können. Leider ist deine Rechnung nicht aufgegangen.“

„Gegen deinen Zynismus bin ich machtlos.“ Sie atmete tief durch, um nicht in Tränen ohnmächtiger Wut auszubrechen. „Lass es dir doch gesagt sein, Gabriel, mich hier gefangen zu halten bringt dir gar nichts, weil ich nichts über den Diebstahl weiß. Auch all deine Verführungskünste werden deshalb erfolglos sein. Dich wie ein selbstherrlicher Despot aufzuführen mag deine Rachsucht befriedigen, Queen’s Blood erhältst du dadurch nicht zurück.“

„An Rache liegt mir nichts.“ Er nahm die Champagnerflasche und betrachtete sie gedankenverloren. Erst nach einer geraumen Weile besann er sich und füllte Saras Glas.

Sein Stimmungsumschwung erfüllte sie mit neuer Zuversicht. War er jetzt vielleicht doch bereit, sein Urteil über sie infrage zu stellen? Gab ihm ihre Weigerung, auf sein enorm großzügiges Angebot einzugehen, zu denken?

Gabriels Verhalten irritierte sie. Obwohl er für seine Risikobereitschaft als Unternehmer bekannt war, genoss er den Ruf eines klugen und geschickten Taktikers. Methoden wie Drohungen und Kidnapping passten überhaupt nicht in dieses Bild.

„Lass mich einfach gehen“, bat sie, obwohl ihr der Gedanke, ihn für den Rest des Lebens nur noch in den Medien zu sehen, das Herz zerriss. „Ich werde niemandem verraten, was hier geschehen ist.“

„Es ist ja auch nichts passiert, Sara. Es gibt für dich keinen Grund, mich wie ein zu Tode erschrockenes Reh aus angstgeweiteten Augen anzusehen. Ich werde dich weder quälen noch für den Rest deines Lebens in einen feuchten Kerker sperren.“

„Sondern?“

Er reichte ihr das Glas. „Ich möchte eine Abmachung mit dir treffen. Selbst wenn du nichts mit dem Raub von Queen’s Blood zu tun haben solltest, könntest du etwas wissen, das mir weiterhilft. Vielleicht gibt es ja irgendeine Kleinigkeit, die dir unbedeutend erscheint, die mich aber auf die Spur der Diebe führen könnte. Wir werden bis ins letzte Detail besprechen, was in jener Nacht alles vorgefallen ist. Wenn wir bis zum Ende der Woche zu keinem Ergebnis gekommen sind, darfst du gehen.“

Sara ließ sich ihren Unwillen nicht anmerken. Was bildete Gabriel sich ein, derart selbstverständlich über sie, ihre Zeit und ihre Freiheit zu verfügen? Auf der anderen Seite zeugte das Angebot von einer gewissen Kompromissbereitschaft.

Durfte sie Gabriel vertrauen? Sie betrachtete sein männlich schönes und faszinierendes Gesicht. Nein, sie durfte es nicht. Andererseits wäre es ihr eine Genugtuung, wenn er sich nach Ablauf der Zeit bei ihr für seine ungerechtfertigten Verdächtigungen entschuldigen müsste.

„Habe ich überhaupt eine Wahl?“, fragte sie herausfordernd.

„Nein.“

„Dann ziehe ich es vor, deine Gefangene zu bleiben. Vorzugeben, ich sei deine Partnerin, wenn du mich für die Täterin hältst, empfinde ich als Hohn.“ Sie streckte sich. „Da es jedoch der einzige Weg ist, dich von meiner Unschuld zu überzeugen, erkläre ich mich bereit, dir über den unbedeutendsten Vorgang in jener Nacht Rechenschaft abzulegen. Außerdem werde ich natürlich das tun, weshalb ich gekommen bin, und mich um die Renovierung der Gästezimmer kümmern.“ Unerschrocken sah sie ihn an. „Und was passiert, wenn du nach Ablauf der Zeit einsehen musst, dass ich dir nicht weiterhelfen kann?“

„Dann fliegst du zurück, und alles bleibt beim Alten.“

Weiter für einen Chef arbeiten, der sie nur eingestellt hatte, weil er bestochen worden war? Niemals! Doch das brauchte Gabriel nicht zu wissen.

„Abgemacht.“ Sie hob ihr Glas. „Trinken wir auf die Wahrheit.“

„Auf die Wahrheit!“, stimmte er zu, lächelte jedoch spöttisch. „Wie hässlich sie auch aussieht.“

Gabriel war also nach wie vor von ihrer Schuld überzeugt! Der Champagner schmeckte plötzlich schal, und sie setzte ihr Glas abrupt ab. „Wenn du mich jetzt bitte entschuldigst. Ich möchte jetzt lieber auf mein Zimmer gehen. Die Reise war sehr lang, und ich bin müde und abgespannt.“

Erstaunt zog er die Brauen hoch. „Es wäre doch schade um das schöne Kleid, das jetzt überhaupt nicht zur Geltung kommt! Außerdem ist das Essen nebenan bereits serviert, und ich werde dich bestimmt nicht lange aufhalten.“

Was sollte sie darauf antworten? Sie hatte keine andere Wahl, als sich seinem Wunsch zu fügen. Sobald sie seiner Gesellschaft entflohen war, würde sie per Handy ihre Flucht organisieren. Bis dahin war es das Klügste, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, um keinen Verdacht zu erregen.

Wie die Bibliothek war auch der Salon mit Pinienholz getäfelt, das im Lauf der Jahrhunderte einen warmen honigfarbenen Ton angenommen hatte. Sofort zog ein großflächiges Landschaftsgemälde an der Stirnwand Saras Blick auf sich. Obwohl sie keine Kunsthistorikerin war, erkannte sie sofort, dass es von einem großen Meister und aus der Zeit der Renaissance stammte. An der Wand gegenüber hing ein Ahnenbild, für das Gabriel Modell gestanden haben könnte: die gleichen Augen, der gleiche Mund, der gleiche unbeugsame stolze Blick.

In einer reich geschnitzten Vitrine aus dem achtzehnten Jahrhundert waren silberne Tafelaufsätze zur Schau gestellt. Zu jeder anderen Zeit hätte die erlesene Sammlung Saras Herz höher schlagen lassen, heute jedoch beachtete sie die kostbaren Stücke kaum.

„Was für ein schöner Raum“, bemerkte sie, nachdem Webster die Vorspeise serviert hatte. Sie war entschlossen, ruhig und souverän zu bleiben. „Trotz der beeindruckenden Größe wirkt er warm und wohnlich.“

„Die Bibliothek und dieser Salon sind wieder in den Zustand wie zu Lebzeiten meiner Großeltern versetzt worden. Das eigentliche Speisezimmer dient in erster Linie der Repräsentation und ist weitaus prunkvoller. Ich dachte, du würdest dich hier wohler fühlen – die Atmosphäre ist einfach intimer.“

Sie tat, als hätte sie den anzüglichen Unterton seiner Worte nicht gehört, und nickte zustimmend. „Glücklicherweise scheint das Schloss während der Diktatur nicht allzu sehr gelitten zu haben“, stellte sie fest.“

Gabriels Blick wurde hart. „Von den abscheulichen Modernisierungsversuchen abgesehen, stimmt das. Der Diktator hat die Burg nur deshalb nicht dem Erdboden gleich gemacht, weil sie ihm als vornehme Herberge für die Gäste seiner berüchtigten Jagden diente.“

Sara runzelte die Stirn. „Du hast mir gegenüber noch nie seinen Namen erwähnt.“

Er lachte bitter. „Er hieß nicht anders als ich – Considine.“

„Was für ein Zufall!“ Sie wusste, wie unangemessen das klang, eine klügere Antwort war ihr jedoch nicht eingefallen.

Autor

Robyn Donald
Die Neuseeländerin Robyn Donald ist überzeugt, dass Schreiben und Gärtnern viel gemeinsam haben: Beide Tätigkeiten sind mit Fantasie, Gefühlen, Visionen, viel Arbeit und Rückenschmerzen verbunden - und machen, wenn sie erfolgreich abgeschlossen sind, sehr glücklich. Schon als Kind erzählte Robyn ihren vier jüngeren Schwestern und ihrem Bruder sehr gern haarsträubende...
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