Julia Royal Band 22

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  • Erscheinungstag 13.01.2024
  • Bandnummer 22
  • ISBN / Artikelnummer 9783751525299
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Robyn Donald, Leanne Banks, Margaret Way

JULIA ROYAL BAND 22

1. KAPITEL

Sichtlich gestresst stürmte die Veranstaltungsmanagerin des Hotels in den Umkleideraum des weiblichen Personals und stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, als sie die junge Frau erblickte. „Alexa, dem Himmel sei Dank, dass du es noch rechtzeitig geschafft hast!“, rief sie theatralisch. „Unter unseren Servierkräften wütet diese verflixte Grippe. Und leider sind vor allem die als unbedenklich eingestuften erkrankt.“

„Hi, Carole“, sagte Alexa Mytton fröhlich, während sie die schwarze Seidenstrumpfhose über die langen Beine zog. „Was meinst du mit ‚unbedenklich‘?“

„Nun ja“, Caroles Miene verriet leichtes Unbehagen, „im Vorfeld dieser Konferenz der weltweit finanzkräftigsten Bankiers, unter denen sich auch der Fürst von Venosina befindet, hat die Hotelleitung unser gesamtes Personal einschließlich der Aushilfskräfte sicherheitsdienstlich überprüfen lassen. Auch dich.“ Carole lächelte. „Keine Sorge, du hast eine blütenreine Weste.“

„Wie beruhigend“, meinte Alexa trocken. „Weiß man, dass ich seit Kurzem als Fotografin arbeite?“

„Das habe ich lieber nicht erwähnt, da diese Leute geradezu unter Verfolgungswahn leiden.“ Carole verzog das perfekt geschminkte Gesicht. „Bestimmt hätte ich den misstrauischen Sicherheitschef des Fürsten nicht davon überzeugen können, dass du eine aufstrebende Studiofotografin bist und kein verkleideter Paparazzo.“

Die beiden Frauen kannten sich bereits seit fünf Jahren. Damals hatte Carole eines der besten Feinschmeckerrestaurants Aucklands geleitet und Alexa als Teilzeitkraft eingestellt. Die junge Studentin im ersten Semester war ihr dafür sehr dankbar gewesen und hatte ihr auch später immer wieder ausgeholfen, wenn Not am Mann war.

„Ich hatte schon befürchtet, du würdest keine Aushilfsjobs mehr annehmen.“

Alexa strich den langen schwarzen Rock über den schlanken Hüften glatt und schlüpfte dann in eine klassisch geschnittene weiße Bluse. „Solange ich das Geld für meine Reise nach Italien nicht beisammenhabe, verdiene ich mir gern noch etwas nebenbei.“

„Du willst also tatsächlich in Italien nach deinem Großvater suchen?“ Carole begutachtete Alexa mit geschultem Blick von Kopf bis Fuß. „Gib mir rechtzeitig Bescheid, bevor du fliegst.“

„Es wird noch einige Monate dauern“, versicherte Alexa und lachte. „Aber selbst wenn ich den Flug schon gebucht hätte, würde ich mir die einmalige Gelegenheit nicht entgehen lassen, den Prinzen von Venosina und umschwärmten Liebling der Regenbogenpresse aus nächster Nähe zu bewundern.“ Sie verlieh ihren eisgrauen Augen einen verzückten Ausdruck und klimperte mit den dichten langen Wimpern. „Welch große Ehre für uns alle, dass er Neuseeland eines Besuches für würdig erachtet.“

Carole lehnte sich vor und senkte die Stimme. „Spotte nur, aber er sieht wirklich fantastisch aus.“

„Hoffentlich bin ich von seinem Anblick nicht so sehr überwältigt, dass ich vor lauter Aufregung das Tablett mit den Hummerpastetchen fallen lasse.“

Ach, wäre ich doch ebenfalls noch einmal dreiundzwanzig, dachte Carole ein wenig wehmütig, wenngleich sie nie eine so strahlende Schönheit wie Alexa gewesen war. In dem düsteren Umkleideraum wirkte das junge Mädchen mit dem kupferroten Haar und der goldbraunen Haut wie eine exotische Blume.

„Hummerpasteten sind aus der Mode“, klärte Carole sie auf. „Neuerdings servieren wir bei solchen Anlässen Austern. Hast du übrigens von dieser italienischen Universität Näheres über deinen Großvater erfahren?“

Alexa schüttelte den Kopf. „Bisher hat man mir nicht geantwortet.“ Mit geübten Fingern begann sie, ihr dichtes, langes Haar zu einem französischen Zopf zu flechten. „Entweder will man mir keine Auskunft geben, oder mein Italienisch ist so schlecht, dass man aus meinem Brief nicht schlau geworden ist.“

„Schade.“ Damit war Caroles Mitgefühl auch schon wieder erschöpft. Sie warf einen kurzen Blick auf das Klemmbrett in ihren Händen. „Übrigens, der dem alten Fürstengeschlecht der Bagatons entstammende Luka ist als Nachfolger seines vor einem Jahr verstorbenen Vaters nicht mehr Prinz, sondern Fürst von Venosina.“

„Meinen Segen hat er“, entgegnete Alexa flapsig und suchte in ihrer Tasche nach dem Lipgloss. „Wie muss ich ihn ansprechen, wenn er etwas zu mir sagt?“

„Er hat angeordnet, dass wir ihn einfach nur ‚Sir‘ nennen sollen.“ Carole seufzte. „Es ist wirklich ungerecht, wie sehr manche Menschen vom Schicksal begünstigt sind! Der Mann hat Macht, Geld, sieht unverschämt gut aus und ist auch noch intelligent.“

„Intelligent?“, wiederholte Alexa und lachte. „Er ist nichts weiter als ein Playboy, der jede Woche mit einer anderen Schönen des internationalen Jet-Sets die Titelbilder der einschlägigen Magazine ziert.“

„Ohne Verstand hätte er es kaum zum Chef einer der größten Banken der Welt gebracht.“

„Vermutlich hat es eher damit zu tun, dass sein Daddy die Bank gegründet hat“, entgegnete Alexa ironisch.

Carole lächelte. „Wart nur ab, bis du ihn persönlich kennenlernst. Er ist einfach umwerfend.“

„Nach den Fotos zu urteilen, sieht er tatsächlich nicht schlecht aus – falls man große dunkelhaarige Männer mit plattem Charme mag.“

„Er ist nicht platt. Was immer man unter Charisma versteht, er hat es im Überfluss. Sicher mit ein Grund, weshalb die Presseleute so hinter ihm her sind.“ Caroles versonnener Gesichtsausdruck machte jäher Ernüchterung Platz. „Etliche Fotografen aus Übersee haben bereits einige unserer Angestellten mit Geld zu bestechen versucht.“

„Wieso habe ich nur keine Minikamera eingesteckt, wie die Agentinnen in James-Bond-Filmen sie immer bei sich tragen“, scherzte Alexa. „Wahrscheinlich könnte ich mit einem einzigen heimlich gemachten Foto von der Cocktailparty meine ganze Italienreise finanzieren.“ Sie begann sich die Lippen nachzuziehen.

„Du bist viel zu anständig, um so etwas zu tun. Abgesehen davon rate ich dir nicht, zu versuchen, Fürst Luka zu täuschen.“

Alexa setzte den Lippenstift ab, ihr Blick begegnete im Spiegel Caroles. „Dann ist er also doch nicht so nett, wie du mir weiszumachen versuchst?“

„Ganz im Gegenteil. Jeder im Hotel, der bisher mit ihm zu tun hatte, findet ihn außerordentlich sympathisch.“

„Aber?“ Alexa schloss den Lippenstift, musterte sich im Spiegel und drehte sich dann zu Carole um. „Du brauchst nicht zu antworten. Tut mir leid, dass ich überhaupt gefragt habe. Ich weiß, in deinem Beruf ist Diskretion oberstes Gebot.“

„Er ist schwer zu beschreiben“, sagte Carole nachdenklich. „Was mich an ihm fasziniert, ist nicht nur sein Äußeres, sondern das, was er ausstrahlt. Er ist liebenswürdig und charmant, strahlt aber auch irgendwie eine ungeheure innere Kraft und Energie aus.“

„Allmählich werde ich richtig neugierig auf ihn.“

„Leider bist du da nicht die Einzige. Falls dich jemand über ihn auszufragen versucht, sag bitte sofort dem Sicherheitsdienst Bescheid.“

„Mach ich“, versprach Alexa und verstaute den Lippenstift in ihrer Tasche.

„Und danke, dass du eingesprungen bist.“ Carole warf einen Blick auf ihre Uhr. „Ich muss los. Falls es Probleme gibt, dann lächle einfach. Deinem hinreißenden Lächeln kann niemand widerstehen.“

„Es wird mir wenig helfen, wenn ich jemandem die teuren Designerklamotten bekleckere“, meinte Alexa trocken. „Aber ich habe schon den ganzen Nachmittag geübt, um einen ernsten, respektvollen Gesichtsausdruck aufsetzen zu können. Zum Glück handelt es sich nur um einen Cocktailempfang und kein Bankett mit mehreren Gängen.“

„Erinnere mich nicht an das Bankett!“, rief Carole theatralisch. „Nur mit Mühe habe ich dafür das Bedienungspersonal zusammenbekommen. Hoffentlich fällt nicht noch jemand in letzter Minute aus. Und nun komm, ich bringe dich nach unten. Vielleicht kannst du sogar deine Sprachkenntnisse nutzen.“ Sie öffnete die Tür zum Flur. „Auf Venosina wird Italienisch gesprochen.“

Alexa hatte schon während der Schulzeit als zweite Fremdsprache Italienisch gewählt. Später hatte sie ihre Sprachstudien an der Universität fortgesetzt, da sie plante, irgendwann nach Italien zu reisen und dort nach dem Grab ihres Großvaters zu suchen – vielleicht sogar noch Verwandte ausfindig zu machen.

Natürlich musste sie damit rechnen, dass man an einer Enkelin, deren Vater unehelich geboren worden war, kein Interesse hatte. Aber wenigstens würde sie sich mit der Gewissheit, noch lebende Verwandte zu haben, nicht mehr so völlig verloren in der Welt fühlen.

In den letzten hektischen Minuten trainierte Alexa nochmals übermütig mit zwei Kolleginnen, respektvoll und zurückhaltend zu lächeln, und hob dann eines der Silbertabletts hoch, auf denen sich in exquisiten Porzellanschälchen angerichtete Austern befanden.

Mit professioneller Geschicklichkeit balancierte sie das Tablett auf einer Hand und betrat den Raum, in dem sich die derzeit einflussreichsten und mächtigsten Männer der internationalen Finanzwelt mit einigen einheimischen Politikern und Wirtschaftsfachleuten samt Begleiterinnen vor dem Dinner zu einem Aperitif versammelt hatten.

Sie versagte sich neugierige Blicke auf die Garderoben der Damen, doch noch ehe sie der ihr am nächsten stehenden Gruppe etwas anbieten konnte, hörte sie eine befehlsgewohnte Frauenstimme rufen: „Kellnerin, hierher bitte!“

Blöde Ziege! dachte Alexa, lächelte jedoch liebenswürdig, als sie sich mit ihrem Tablett einen Weg zu der elegant gekleideten Blondine bahnte.

„Wir möchten die Austern probieren“, sagte die Frau.

„Ja, Madam.“ Alexa präsentierte ihr Tablett.

Lächelnd wandte die Blondine sich an den Mann neben ihr und sagte in völlig verändertem, einschmeichelndem Ton: „Versuchen Sie unsere Austern, Sir. Sie sind eine neuseeländische Spezialität und die besten der Welt.“

„Eine kühne Behauptung.“ Die tiefe Männerstimme klang kühl und selbstbewusst.

Verstohlen ließ Alexa den Blick über schmale Hüften und breite Schultern – bekleidet mit einem erstklassig geschnittenen Smoking – nach oben gleiten. Das also war der angeblich so charismatische, viel fotografierte Fürst Luka Bagaton von Venosina. Er war mindest einen Meter neunzig groß und sah noch attraktiver aus als auf den Fotos. Seine Gesichtszüge waren wie aus Stein gemeißelt, mit einem wohlgeformten Mund, der nicht nur sinnlich war, sondern auch auf einen starken Charakter und Selbstbeherrschung schließen ließ.

Unversehens begegneten sich ihre Blicke. Er hatte ungewöhnliche bernsteinfarbene Augen, mit denen er Alexa eingehend musterte. Sie hatte das Gefühl, als würde sie geprüft, bewertet und – begehrt. Ihre Hände begannen zu zittern. Carole hat recht, dachte sie, ein faszinierender Mann – aber gefährlich!

Mit klopfendem Herzen bemühte sie sich, das Tablett ruhig zu halten, als er sich bediente. Seine Finger waren schlank und gepflegt.

„Danke.“ Mehr sagte er nicht.

Schon wollte Alexa weitergehen, hob dann jedoch wie unter Zwang noch einmal den Blick und bemerkte, dass der Fürst sie noch immer ansah. In seinen Augen war ein Anflug von Spott zu lesen. Dann blitzte für einen kurzen Moment unverhülltes Verlangen in ihnen auf. Gleich darauf veränderte sich sein Gesichtsausdruck jedoch und wurde hart.

„Danke, das ist alles, was wir benötigen.“ Die Stimme der Blondine klang äußerst frostig.

Alexa rang sich ein nichtssagendes Lächeln ab und steuerte mit ihrem Tablett auf die nächste Gruppe zu. Man hätte mich warnen sollen, wie bedrohlich eine charismatische Ausstrahlung sein kann, ging es ihr durch den Kopf, während sie versuchte, ihre Gefühle wieder unter Kontrolle zu bekommen. Es war verrückt, aber sie hatte den Blick des Fürsten wie eine Berührung empfunden, als hätte er von ihr Besitz ergriffen und ihr seinen Stempel aufgedrückt.

Nun dreh nicht gleich durch, ermahnte sie sich. Er hatte sie angesehen und sie ihn. Und da sie von Berufs wegen für visuelle Reize besonders empfänglich war, hatte sie der Anblick eines so umwerfend attraktiven Mannes natürlich überwältigt.

Sorgsam vermied sie es, noch einmal in seine Nähe zu kommen, und atmete erleichtert auf, als sich schließlich alle Gäste wie auf ein geheimes Zeichen hin in den Bankettsaal begaben.

Sehr viel später, nachdem ihre Schicht vorüber war und sie sich umgezogen hatte, traf sie auf dem Weg zum Aufzug eine nun wesentlich entspannter wirkende Carole. „Das Bankett ist reibungslos verlaufen“, berichtete die Veranstaltungsmanagerin gut gelaunt. „Na, wie hat dir der Fürst gefallen?“

„Er ist einfach fürstlich!“ So ganz gelang Alexa der beabsichtigte scherzhafte Ton nicht. „Wer war seine Begleiterin?“

„Die elegante Blondine? Das ist Sandra Beauchamp, Staatssekretärin im Außenministerium und anscheinend eine alte Flamme von ihm.“

Alexa verspürte ein primitives Gefühl von … nein, mit Eifersucht hatte das absolut nichts zu tun. „Alt? Das würde sie bestimmt nicht gern hören.“

Carole lächelte ihr vertraulich zu, sozusagen von Frau zu Frau. „Hat sie dich weggeekelt? Man kann es ihr nicht verdenken, wenn sie die erneute Chance nutzen möchte, ihn sich doch noch zu angeln. Aber nun verrat mir, welchen Eindruck er auf dich gemacht hat?“

„Er ist ein faszinierender Mann“, räumte Alexa ein und versuchte, ihre Verwirrung mit einem, wie sie hoffte, ironischen Lächeln zu überspielen. „Ich könnte ihn mir gut als Superhelden in einem kitschigen Hollywoodfilm vorstellen – oder als Bösewicht.“

„Jedenfalls hat er eine hervorragende Tischrede gehalten. Witzig, bewegend, intelligent und kurz!“

„Hoffentlich hat er den Schreiber dafür gut bezahlt!“

„Entdecke ich da eine Spur von Sarkasmus in deiner Stimme?“, fragte Carole, während sie beide zum Personalaufzug gingen. „Bist du etwa eine Gegnerin der Monarchie?“

Alexa konnte ihr schlecht erzählen, dass der Fürst sie völlig in seinen Bann gezogen hatte. Das hätte geklungen, als hätte sie sich auf den ersten Blick in ihn verliebt. Betont gleichmütig zuckte sie die Schultern. „Als Institution ist sie wahrscheinlich überholt, aber die Menschen von Venosina wissen sicher am besten, welche Regierungsform sie bevorzugen. Offenbar mögen sie ihren Fürsten, und durch seine Bank ist Venosina zu einem internationalen Finanzplatz geworden.“

„Er hat sogar die Kronjuwelen als Sicherheitsgarantie für die Bank eingesetzt“, sagte Carole fast ehrfürchtig und blieb vor dem Aufzug stehen.

Alexa spürte plötzlich, wie müde sie war. „Die Kronjuwelen?“ Sie unterdrückte ein Gähnen. „Ach ja, ich erinnere mich, irgendwo etwas von herrlichen Smaragden gelesen zu haben.“

„Es handelt sich nicht nur um Smaragde, sondern um Schätze von unermesslichem Wert.“ Der Aufzug kam, und Carole betrat ihn. „Bist du mit dem Auto hier?“

„Das ist leider zur Reparatur.“

„Dann nimm dir ein Taxi und schick uns die Quittung.“

„Mach ich, danke. Gute Nacht.“

Der Aufzug fuhr mit Carole nach oben. Alexa nahm den nächsten nach unten ins Erdgeschoss, beschloss jedoch nach einem Blick auf die zum Ausgang strebende Menschenmenge im Foyer, ein Stockwerk tiefer zu fahren. Bestimmt würde sie schneller einen Wagen bekommen, wenn sie zu dem nur wenige Hundert Meter entfernt liegenden Taxistand ging. Da die Ausfahrt der Hoteltiefgarage auf dieselbe Straße mündete, würden genügend Autos unterwegs sein, sodass sie sich sicher fühlen könnte.

Sie streifte den Gurt ihrer Tasche über die Schulter und trat auf die Straße. Es war deutlich kühler geworden, und Alexa fröstelte. Offenbar hatte es geregnet, während sie den Reichen und Mächtigen erlesene Leckerbissen serviert hatte.

Luka stand in einem abgegrenzten Bereich der Tiefgarage neben dem Leihwagen, den ihm einer seiner Leute besorgt hatte, und hörte seinem Sicherheitschef höflich zu.

„Lass mich dir wenigstens hinterherfahren“, drängte Dion. „Mir gefällt die ganze Sache nicht. Warum wollen sie sich unbedingt mit dir allein treffen?“

„Diese Menschen kennen seit zwanzig Jahren keinen Frieden in ihrem Land“, erwiderte Luka ruhig. „Vermutlich trauen sie niemandem mehr.“ Er konnte das Verhalten gut verstehen, da auch sein Leben von einem Mangel an Vertrauen geprägt war.

„Ein Grund mehr, dich nicht in ihre Gewalt zu begeben. Luka, bitte, überleg doch!“, beschwor Dion ihn. „Dein Vater hätte nicht erlaubt, dass du ein solches Risiko eingehst.“

„Mein Vater hat Risiken anders eingeschätzt als du.“

„Dein Vater hätte für Venosina alles riskiert, aber hier geht es nicht um Venosina“, widersprach Dion verärgert. „Diese Leute haben nichts mit dir zu tun. Ihre Insel liegt im Pazifik, Tausende Kilometer von Venosina entfernt. Wenn sie sich gegenseitig umbringen wollen, ist das allein ihre Sache.“

„Ich denke nicht, dass es so einfach ist.“ Lukas Stimme klang schroff. „Neben meiner zweifellosen Neutralität muss es noch einen anderen Grund geben, weshalb sie ausgerechnet mich gebeten haben, zwischen ihnen und ihren Gegnern zu vermitteln.“

„Und welcher Grund wäre das?“

„Das will ich eben herausfinden. Bei diesen Leuten handelt es sich um keine Rebellen, sondern um die gewählte Regierung von Sant’Rosa. Sie werden mir nichts tun. Und abgesehen von den humanitären Aspekten, sollten wir nicht vergessen, dass sie die größte Kupfermine in der pazifischen Region besitzen. Falls es gelingt, die Insel zu befrieden, könnte dort außerdem ein tropisches Ferienparadies entstehen, das lukrative Investitionsmöglichkeiten für unsere Bank bietet.“

„Aber warum wollen Sie dich allein und mitten in der Nacht treffen?“, fragte Dion, der genau wusste, dass es Luka weniger um Geschäftsinteressen als um humanitäre Hilfe ging.

„Vermutlich soll vorerst niemand davon erfahren. Falls das Treffen heute Abend zu weiteren Diskussionen zwischen den verfeindeten Parteien führt und ich sie am Ende dazu bringe, einen Friedensvertrag zu unterzeichnen, wäre das doch auch ein Gewinn für unser Land.“ Und nach einer kleinen Pause fügte Luka kühl hinzu: „Jedenfalls hätte mein Vater sich eine solche Chance nicht entgehen lassen.“

Dion runzelte die Stirn. „Dann lass mich dich wenigstens beschatten“, beharrte er. „Niemand wird etwas merken.“

„Nein. Ich habe versprochen, allein zu kommen, und daran werde ich mich halten.“ Eindringlich blickte Luka den Mann an, der seit vielen Jahren sein Freund war. „Gib mir dein Wort, dass du nichts unternimmst, was dieses Treffen gefährden könnte“, verlangte er.

In Dions Augen war leichte Verzweiflung zu erkennen. „Du hast mein Wort“, sagte er steif, trat zurück und hielt seinem Landesherrn die Wagentür auf.

Geschmeidig glitt Luka hinter das Steuer und ließ den Motor an. Er war eine Stunde zu früh dran. Da er jedoch fremd in Auckland war, hatte er im Zeitplan einkalkuliert, dass er sich in der Dunkelheit das eine oder andere Mal verfahren würde.

Er lenkte den Wagen langsam zur Ausfahrt, schob die Karte in den Automaten und wartete, bis die Schranke sich öffnete. Der dort postierte Sicherheitsmann musterte ihn scharf und grüßte mit respektvollem Nicken.

Die nasse Straße wirkte verlassen, doch dann entdeckte Luka in einiger Entfernung auf dem Bürgersteig eine schnell gehende Frau und nicht weit hinter ihr zwei wenig vertrauenerweckende Gestalten, die sich an sie heranschlichen. Jäger, die ihr Opfer anvisierten.

Luka drückte auf die Hupe und gab gleichzeitig Gas. Die Frau wirbelte herum und öffnete den Mund zu einem durchdringenden Schrei, den er trotz quietschender Reifen und aufheulendem Motor hören konnte. Als er den Wagen zwischen ihr und ihren Verfolgern auf dem Bürgersteig zum Stehen brachte, stand sie mit dem Rücken zu einer Wand und hielt die Hände in klassischer Verteidigungspose vor den Körper.

Nicht professionell, aber eine gute Reaktion, dachte Luka, der in verschiedenen Kampfsportarten ausgebildet war, anerkennend. Als er mit einem Satz aus dem Auto sprang, hatten die beiden Männer bereits die Flucht ergriffen, und er verfolgte sie nicht weiter.

„Sind Sie in Ordnung?“, fragte er die Frau.

Im Schein der Straßenlampe erkannte er sie. Ihr Gesicht spukte ihm ja im Kopf herum, seit sie auf der Cocktailparty mit dem Tablett vor ihm gestanden hatte. Ausgerechnet Austern hatte sie angeboten, die als sexuell stimulierend galten, und er war darüber amüsiert gewesen. Er hatte in ihre Augen geblickt, die eisgrau wie ein Wintersturm und von langen dunklen Wimpern umrahmt waren, und plötzlich ein wildes Verlangen gespürt, das ihn erschreckt und irritiert hatte.

„Ich bin … okay, dank Ihnen“, erwiderte sie stockend.

Obwohl sie blass war, bebte ihr weicher, schön geschwungener Mund nicht. Luka musste zugeben, dass sie sich bewundernswert in der Gewalt hatte. Unwillkürlich stellte er sich vor, wie sie aussehen würde, wenn sie die Kontrolle über sich verlieren würde: die eisgrauen Augen von sinnlicher Lust erfüllt, das kupferrote Haar zerzaust, die zarte Haut gerötet und die Lippen erwartungsvoll geöffnet.

Du führst dich wie der letzte Macho auf, ermahnte er sich und sagte ruhig: „Sie sind in Sicherheit und können die Arme herunternehmen.“

Sie ließ sie sinken, brachte sogar ein kleines Lächeln zustande. „Danke.“

„Wofür?“

„Dass Sie sich eingemischt haben. Viele hätten es nicht getan.“ Sie atmete tief durch.

Luka musste sich zwingen, nicht auf ihre sich hebenden und senkenden Brüste zu starren, weshalb seine Stimme unbeabsichtigt schroff klang, als er fragte: „Wie heißen Sie, und was machen Sie um diese Zeit allein auf dieser unbelebten Seitenstraße?“

„Mein Name ist Alexa Mytton“, trotzig hob sie das Kinn, „und ich bin auf dem Weg zum Taxistand um die Ecke.“

„Warum haben Sie nicht den Portier gebeten, Ihnen ein Taxi zu besorgen?“

Er hatte sie also wieder erkannt. Ein warmes Gefühl durchflutete Alexa. Sie fühlte sich in ihrer Weiblichkeit angenehm bestätigt, befürchtete aber einen Zusammenbruch, wenn sie sich zu sehr entspannte. Sie straffte die Schultern und sagte schnell: „Ich bin kein Hotelgast. Nochmals vielen Dank für Ihre Hilfe. Ich … ich gehe jetzt und besorge mir ein Taxi.“

„Ich komme mit.“ Der Klang seiner Stimme verriet, dass er sich nicht würde abweisen lassen.

Ein Schauer überlief Alexa, Nachwirkung des soeben erlittenen Schreckens. „Ihr Wagen blockiert den Weg“, wandte sie schwach ein. „Sie können ihn nicht einfach so stehen lassen.“

„Darf ich Ihnen dann anbieten, Sie bis zum Taxistand mitzunehmen? In Ihrer jetzigen Verfassung sollten Sie nicht allein gehen.“

Alexa glaubte, in seinem Ton eine Spur von Ungeduld wahrzunehmen. Sie wusste, dass sie ablehnen und schnell das Weite suchen sollte. Unschlüssig sah sie ihn an. Seine Miene zeigte keine Regung, und sie wandte den Blick wieder von ihm ab. Zugegeben, der Mann war gefährlich, es ging jedoch keine kriminelle Bedrohung von ihm aus. Die Gefahr lag in seiner starken, sinnlichen Ausstrahlung. „Danke“, sagte sie kurz angebunden.

Höflich, aber offenbar in Eile, half der Fürst ihr beim Einsteigen und fuhr die wenigen Meter um die Ecke.

Leider war der Taxistand leer – genauso wie die Straße. Bis auf einen Mann, der von einem Lampenpfosten zum anderen torkelte. Alexa unterdrückte einen Seufzer.

„Wenn Sie mir verraten, wo Sie wohnen, bringe ich Sie nach Hause“, sagte er und hielt am leeren Taxistandplatz.

„Danke, aber das ist nicht nötig“, wehrte sie ab, und da er zögerte, fügte sie schnell hinzu: „Vielleicht könnten Sie mich stattdessen zum nächsten Polizeirevier fahren, falls es Ihnen nicht zu viel Mühe macht.“

„Selbstverständlich nicht.“ Er legte den Gang ein und wartete, dass sie ihm erklärte, in welche Richtung er zu fahren hatte. „Versprechen Sie mir, dass Sie künftig nicht mehr nachts allein durch finstere Straßen wandeln.“

„Normalerweise tue ich das nicht“, verteidigte sie sich. „Wahrscheinlich dachten die beiden, sie könnten mir meine Tasche wegnehmen und sich aus dem Staub machen, ehe jemand kommt.“

„Möglich. Aber vielleicht hatten sie es gar nicht auf Ihr Geld abgesehen.“

„Sie meinen, sie wollten mich …“ Jäh verstummte sie, und ein eiskalter Schauder lief ihr über den Rücken. Sie hatte nur einen flüchtigen Blick auf die Männer werfen können, doch deren Gesichter hatten sich ihr eingeprägt. „Die beiden haben doch wohl nicht geglaubt, sie könnten mitten auf der öffentlichen Straße über mich … herfallen? Jeden Augenblick hätte jemand kommen und …“

„Sie vergessen den Wagen“, unterbrach er sie. „Hat Ihre Mutter Sie nicht gewarnt, dass schöne Frauen besonders gefährdet sind?“

„Welchen Wagen?“ Obwohl sie über seine Worte erschrak, erregte sie es, dass er sie schön fand.

„Die beiden hatten ihr Auto etwas weiter unten an einem kleinen Seitenweg geparkt. Haben Sie sie nicht wegfahren hören?“

„Nein.“ Ihre Aufmerksamkeit hatte ja ausschließlich ihm gegolten. Erst jetzt wurde ihr klar, in welcher Gefahr sie geschwebt hatte. Sie begann zu zittern und flüsterte: „Es war einfach Pech.“

„Und Leichtsinn.“ Prüfend blickte er sie von der Seite an, schaltete den Motor aus und begann dann, seine Jacke auszuziehen, die genauso perfekt gesessen hatte wie das Dinnerjacket, das er während des Cocktailempfangs getragen hatte. Noch ehe Alexa protestieren konnte, hatte er ihr das Kleidungsstück auf den Schoß geworfen. „Hängen sie sich die Jacke um. Sie haben einen Schock und frieren.“

„Nein, ich bin in Ordnung.“

„Sie zittern am ganzen Körper“, stellte er fest, und da sie sich nicht rührte, sich nicht zu bewegen vermochte, befahl er: „Beugen Sie sich vor.“

Unwillkürlich reagierte sie auf seinen autoritären Ton und gehorchte. Er legte ihr die Jacke um die Schultern und zog ihr die Seitenteile über die Arme.

Augenblicklich löste sich ihre innere Verkrampfung und machte ganz anderen Gefühlen Platz. Seine Jacke war noch warm von seinem Körper, und Alexa empfand seine Nähe plötzlich ungemein erregend und fühlte sich von seinem frischen Duft wie berauscht.

„Besser?“, fragte der Fürst und runzelte die Stirn. Er legte seine Hände auf ihre und drückte sie sanft. „Sie haben eine schlimme Erfahrung gemacht, aber jetzt sind Sie in Sicherheit.“

„Dank Ihnen“, sagte Alexa. In Sicherheit? Wie denn, wenn sie sich wie magisch von diesem Mann angezogen fühlte?

Er murmelte etwas auf Italienisch, zog seine Hände zurück und ließ den Motor an. „In welche Richtung muss ich fahren?“, fragte er in Englisch.

Noch völlig durcheinander, gab sie ihm die gewünschte Auskunft. Hatte er sie wirklich soeben in seiner Muttersprache „gefährlich schön“ genannt? Nein, sie musste es missverstanden haben.

Aber immerhin fand er sie attraktiv.

Na und? Anscheinend hat der Schreck dein Denkvermögen getrübt, schalt sie sich. Fürst Luka Bagaton mochte mutig sein, ja sogar freundlich, und vielleicht fand er sie tatsächlich ganz hübsch – aber ihn und sie trennten Welten. Und eine kurze Affäre mit einem zu Besuch in Neuseeland weilenden Fürsten war nicht ihr Stil.

Alexa setzte sich gerade auf und straffte die Schultern. Als der Wagen vor dem Polizeirevier hielt, legte sie die Hand auf den Türöffner und sagte in formellem Ton: „Nochmals vielen Dank für Ihre Hilfe. Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Aufenthalt in Neuseeland.“

Er warf einen Blick auf seine Uhr. „Ich komme mit.“

„Ich möchte Sie nicht länger aufhalten. Sicher werden Sie bereits woanders erwartet.“ Vielleicht in Sandra Beauchamps Bett?

„Da ich die beiden Männer ebenfalls gesehen habe, kann ich vielleicht helfen, sie zu identifizieren.“

„Ich …“ Alexa zögerte und platzte dann heraus: „Sie wollen in diese Sache doch gar nicht hineingezogen werden.“

„Stimmt“, gab er ihr höflich recht, „aber es ist meine Pflicht.“

2. KAPITEL

Eine halbe Stunde später, nachdem sie getrennt voneinander vernommen worden waren, war die Polizistin voll des Lobes für sie. „Ich wünschte, alle unsere Zeugen hätten eine so gute Beobachtungsgabe wie Sie beide.“ Sie sah zu Alexa. „Falls nötig, setzen wir uns nochmals mit Ihnen in Verbindung.“

Alexa nickte. Man hatte ihr eine Tasse Tee in das kleine Zimmer gebracht, in dem sie ihre Aussage gemacht und in dem man Zeichnungen der Täter angefertigt hatte, und ihr professionellen Beistand geleistet. Das hatte ihr zwar geholfen, doch ihr inneres Gleichgewicht hatte sie noch nicht wieder gefunden, und sie fühlte sich seltsam schwach und den Tränen nahe.

Luka umfasste ihren Ellbogen und führte sie zu seinem Wagen. „Sie werden mich zu Ihrer Adresse lotsen müssen“, sagte er nach einem forschenden Blick in ihr Gesicht.

Mit monotoner Stimme dirigierte ihn Alexa zu ihrer in der Nähe des Hafens gelegenen Wohnung. Er war ein ausgezeichneter Fahrer, allerdings musste sie ihn öfter auf die neuseeländischen Verkehrsregeln hinweisen.

Schließlich hielt er vor dem im viktorianischen Stil erbauten ehemaligen Handelsgebäude, dessen Büros in Apartments umgewandelt worden waren. „Ich kann Ihnen nicht genug danken für alles, was Sie für mich getan haben“, sagte Alexa, erntete jedoch für ihre aufrichtig gemeinten Worte nur einen kühlen, ironischen Blick. Sie schluckte und sprach tapfer weiter: „Ich wage mir nicht vorzustellen, was passiert wäre, wenn Sie nicht eingegriffen hätten.“

„Nicht der Rede wert“, tat er ihren Dank ab. „Wenn nicht ich, hätte ein anderer auf ihr Schreien reagiert.“ Er stieg aus, ging um den Wagen herum und öffnete die Beifahrertür. „Ich möchte Sie nur um eines bitten.“

Alexa blieb sitzen, um ihm nicht zu nahe zu kommen, doch da trat er auch schon zurück. Mit zittrigen Knien stieg sie aus. „Worum?“, fragte sie und erkannte ihre sonderbar heiser klingende Stimme kaum wieder.

Er lächelte. Sexy, wissend und unnachsichtig. „Versprechen Sie mir, sich künftig vom Portier ein Taxi besorgen zu lassen, wenn Sie das Hotel verlassen.“

„Ab morgen werde ich wieder mit meinem eigenen Auto fahren“, entgegnete sie und holte die Schlüssel aus der Tasche. „Aber ich verspreche, nachts nicht mehr allein herumzulaufen.“ Sie bemühte sich, sein Lächeln höflich und unpersönlich zu erwidern, aber gleichzeitig war sie sich seiner starken männlichen Ausstrahlung nur allzu bewusst. „Und im Übrigen bin ich nicht im Hotel angestellt.“

Er zog die Brauen zusammen. „Aber Sie haben doch beim Cocktailempfang …“

„Snacks herumgereicht“, bestätigte sie. „Ich gehöre zu den Aushilfskräften. Ein Teil des Personals ist an Grippe erkrankt, deshalb bin ich kurzfristig eingesprungen.“ Wieso erzählst du ihm das alles! schalt sich Alexa. Je schneller sie ihn loswurde, desto besser.

Sorgfältig darauf bedacht, ihn ja nicht zu berühren, ging sie an ihm vorbei zum Haus. Sie schloss die Tür auf, drehte sich um und wich unwillkürlich vor der großen dunklen Gestalt zurück, die dicht hinter ihr stand und das Licht der Lampe verdeckte.

„Tut mir leid, ich wollte Sie nicht erschrecken“, entschuldigte sich der Fürst und hielt sie an den Armen fest. Seine Hände waren warm und stark und gaben ihr Halt. Er musterte sie stirnrunzelnd. „Sie leiden noch immer unter den Nachwirkungen des Schocks und sollten jemanden haben, der sich um Sie kümmert.“ Sanft zog er sie an sich und legte die Arme um sie.

Alexa konnte der Versuchung nicht widerstehen, sich wenigstens für einen Augenblick an ihn zu lehnen und den Schutz zu genießen, den er ihr bot.

„Sie waren bewundernswert mutig“, sagte er unerwartet freundlich. „Ich habe gesehen, wie Sie blitzschnell Ihre Möglichkeiten abgewogen und sich entschieden haben, zu schreien und zu kämpfen und Ihre Haut so teuer wie möglich zu verkaufen. Haben Sie einen Selbstverteidigungskurs mitgemacht?“

„Leider nein. Ich hatte es mir zwar immer vorgenommen, dafür aber nie Zeit gefunden.“ Jäh bremste sie sich in ihrem Redefluss. Es war gefährlich, sich so gehen zu lassen. Sie löste sich aus seiner Umarmung und war gleichzeitig erleichtert und enttäuscht, dass er sie sofort losließ. „Tut mir leid, dass ich Sie so lange aufgehalten habe.“

„Das ist unwichtig.“ Er sah auf sie hinunter. Das schwache Licht ließ die Konturen seines Gesichts noch stärker hervortreten. „Soll ich jemanden für Sie anrufen?“

„Nein, das ist wirklich nicht nötig. Ich bin nur ein wenig wackelig auf den Beinen und brauche einige Stunden Schlaf, mehr nicht.“ Plötzlich wurde Alexa bewusst, dass sie noch immer seine Jacke trug. „Oh, Ihr Jackett!“ Sie stellte ihre Tasche ab. Als sie die Jacke von ihrer Schulter nahm, rutschte ihr T-Shirt nach oben und enthüllte über dem Rockbund einen schmalen Streifen nackte Haut.

Der Fürst langte nach ihrer Taille und zuckte zurück, als hätte er sich verbrannt. Mit angehaltenem Atem blickte Alexa ihn an. Seine Augen funkelten begehrlich, doch sein Gesichtsausdruck war abweisend und hart.

Einige Herzschläge lang bewegte sich keiner von ihnen, bis schließlich Alexa einen Schritt zurücktrat und ihm die Jacke reichte. „Hier.“ Beide achteten sorgfältig darauf, dass ihre Finger sich nicht berührten. „Und sagen Sie nicht wieder, es sei nicht der Rede wert.“

„Ich lüge nicht“, entgegnete er barsch. „Und nun gehen Sie rein.“

Erregt von einem Verlangen, dem sie nicht nachgeben durfte, öffnete Alexa die Tür und trat ins Haus. „Gute Nacht.“

Er neigte den Kopf. „Gute Nacht, Alexa Mytton.“

Etwas in seiner Stimme ließ Alexa aufhorchen, er hatte seltsam verlassen geklungen. Spürte er auch diese Einsamkeit, die sie so oft empfand? Forschend sah sie ihn an, doch er erwiderte kühl ihren Blick.

Mit lautem Knall warf Alexa die Tür zu. Sie wartete, bis sie ihn wegfahren hörte, und ging dann zu ihrem Apartment.

Wie konnte ich nur annehmen, ein Mann wie er würde sich jemals einsam fühlen, dachte sie. Aber er entsprach auch nicht dem Bild des Playboys und oberflächlichen Charmeurs, das sie sich von ihm gemacht hatte. Ohne zu zögern, hatte er eingegriffen, als sie in Gefahr geschwebt hatte, und sich dann unerwartet vom kampfbereiten Verteidiger in einen einfühlsamen Beschützer verwandelt.

Zweifellos war Luka Bagaton ein interessanter Mann – und sehr, sehr sexy!

Wieder zurück in ihren eigenen vier Wänden, betrachtete sie ihr Gesicht im Spiegel. Wie verändert sie aussah! Ihre Augen hatten einen seltsamen Glanz, und die Wangen waren gerötet.

Verständlicherweise war sie nach dem, was sie erlebt hatte, noch viel zu aufgewühlt, um sofort schlafen zu können. Zur Beruhigung machte sie sich erst einmal eine Tasse heiße Schokolade und setzte sich dann an ihren Laptop. Bestimmt würde sie per Internet mehr Informationen über Luka Bagaton bekommen.

Nach einer Stunde hatte Alexa über die jüngere Geschichte Venosinas einiges in Erfahrung gebracht. Sie stand vom Schreibtisch auf und streckte sich. „Kein Wunder, dass Luka Bagaton so unnahbar ist“, sagte sie laut.

Als sein Vater mit achtzehn Jahren den Thron übernommen hatte, stand das kleine Fürstentum Venosina kurz vor einer Besetzung durch den damals von einem Diktator regierten Nachbarstaat. Doch es kam zu keiner Invasion, denn zur Überraschung aller heiratete der venosinaische Fürst die einzige Tochter des Diktators und konnte damit seinem Land die Unabhängigkeit bewahren. Ein Jahr später wurde Luka, der keine weiteren Geschwister hatte, geboren.

Eine Heirat aus Gründen der Staatsräson! dachte Alexa entsetzt. Falls sich zwischen den beiden nicht doch noch Liebe entwickelt hatte, musste ihre Ehe die Hölle gewesen sein.

Kurz bevor Alexa am nächsten Morgen zum Studio aufbrechen wollte, klingelte es. Verwundert ging sie zur Tür und öffnete. Draußen stand ein junger Mann mit einem Blumenstrauß in der Hand. Es waren peruanische Lilien mit zarten kupferfarbenen Blüten.

„Miss Alexa Mytton?“, fragte der Bote und hielt ihr, als sie nickte, den Strauß hin.

Alexa nahm ihn entgegen und warf einen Blick auf den beigefügten Umschlag, auf dem in einer ausgeprägten, energischen Handschrift ihr Name stand. Ihr Pulsschlag beschleunigte sich. „Danke“, sagte sie zu dem Boten.

Wenig später tat sie die Blumen in eine Vase und stellte sie ans Fenster. Die zarten Blüten schimmerten seidig in der Morgensonne. Hat er sie passend zu meiner Haarfarbe ausgesucht? fragte sich Alexa. Aus einem unerklärlichen Grund musste sie erst einen inneren Widerstand überwinden, ehe sie das Kuvert öffnete.

Ich hoffe, Sie fühlen sich heute Morgen wieder besser. Hatte der Fürst geschrieben und mit einem arrogant anmutenden „L“ unterzeichnet.

Eine seltsame Erregung erfasste sie. Die Blumen waren zauberhaft. Vorsichtig ließ sie einen Finger über eine der Lilien gleiten.

Schön, es war eine nette Geste von ihm, aber wahrscheinlich hatte er jemanden vom Personal beauftragt, die Blumen auszusuchen und an ihre Adresse zu schicken. Es würde nicht leicht sein, die Transparenz der Blüten fotografisch einzufangen. Doch dafür blieb jetzt keine Zeit, da sie dringend ins Studio musste.

Als sie am späten Nachmittag in ihre Wohnung zurückkehrte, hatte sie neben anderen Terminen eine nervenaufreibende Fotositzung mit einer Schauspielerin hinter sich, die mit ihren beiden leicht psychopathisch anmutenden Dobermännern hatte fotografiert werden wollen und jedes Mal einen Lachkrampf bekam, wenn sich die Hunde auf Alexas teure Studioausrüstung stürzten.

Erschöpft sank Alexa auf einen Stuhl, fühlte sich jedoch gleich wieder belebt, als sie die peruanischen Lilien am Fenster sah, deren Blütenköpfe wie Tüll schimmerten.

Da Carole sie heute angerufen und ihr mitgeteilt hatte, dass der Personalengpass behoben war, würde sie Fürst Luka nicht wieder sehen, aber seine Freundlichkeit und die Blumen würden ihr in Erinnerung bleiben. Sie hatte ihm einige Zeilen des Dankes geschrieben und wollte das Schreiben gleich nachher an der Hotelrezeption abgeben.

Das Läuten der Türglocke riss sie aus ihren Gedanken. Sicher eine Freundin, die auf eine Tasse Kaffee vorbeikam.

Doch vor der Tür stand ein Fremder. Allerdings schien sie sein Gesicht schon irgendwo gesehen zu haben. „Miss Mytton?“, fragte er.

Sein leichter Akzent kam ihr bekannt vor, und ihr Herz begann, schneller zu schlagen. „Ja?“

„Der Fürst möchte Sie sehen“, erklärte der Mann. Seine Stimme klang unpersönlich und er musterte Alexa mit durchdringendem Blick. „Tut mir leid, dass es so kurzfristig ist, aber würden Sie bitte gleich mitkommen?“

Da sie zögerte, fügte er hinzu: „Oh, entschuldigen Sie.“ Er zog eine Visitenkarte aus der Tasche und reichte sie ihr mit einer leichten Verbeugung.

Laut Karte hieß er Dion, dann folgte ein langer, italienisch anmutender Name. Alexa drehte die Karte um und erkannte Fürst Lukas Schrift. Bitte, begleiten Sie Dion. Unterzeichnet war die Nachricht mit dem Alexa bereits bekannten „L“.

Es mochte ja sein, dass sie nach dem Vorfall vom vergangenen Abend etwas paranoid war, aber sie hatte nicht vor, zu einem ihr völlig fremden Mann ins Auto zu steigen. „Ich wollte sowieso in wenigen Minuten zum Hotel fahren und werde mich dann bei Fürst Luka melden.“

Eine solche Antwort schien der Fremde nicht erwartet zu haben, er sagte jedoch höflich. „Ja, selbstverständlich. Ich werde dort an den Aufzügen im dritten Stock auf Sie warten.“

Alexa war froh, dass sie sich noch nicht umgezogen hatte. Ihr schwarzer Hosenanzug wirkte in der Kombination mit dem kupferfarbenen Seidentop halbwegs elegant, und sie legte nur noch etwas Lipgloss auf, schnappte sich die Autoschlüssel und verließ dann die Wohnung.

Während der Fahrt zum Hotel grübelte sie darüber nach, weshalb Fürst Luka sie sehen wollte, kam aber zu keinem Ergebnis. Sie parkte den Wagen in der Tiefgarage und trat nicht nur neugierig, sondern auch mit einem seltsam beklemmenden Gefühl in den Aufzug.

In der dritten Etage wurde sie bereits von Dion erwartet, dem Mann mit dem ellenlangen Familiennamen. Obwohl er sie höflich grüßte, spürte sie bei ihm eine gewisse Reserviertheit. Er öffnete mit einem Schlüssel einen anderen Aufzug, und sie fuhren weiter nach oben. Um ihn nicht merken zu lassen, wie aufgeregt sie war, blickte Alexa starr auf eine Wand. Schließlich hielt der Lift im obersten Stockwerk. Ein Sicherheitsbeamter öffnete von außen die Tür und ging ihr voraus in die Eingangshalle.

„Bitte, Madam“, sagte er, öffnete eine weitere Tür und trat dann beiseite.

Alexa ging hinein und blieb stehen, als sie hörte, wie hinter ihr die Tür geschlossen wurde. Sie verschwendete keinen Blick an das große, stilvoll möblierte Zimmer, sondern sah zu dem Mann, der am Fenster den Sonnenuntergang beobachtet hatte und sich nun zu ihr umdrehte. Seine bernsteinfarbenen Augen glitzerten gefährlich.

Sie erinnerte sich, irgendwo gelesen zu haben, dass man im Umgang mit Monarchen abzuwarten hatte, bis man angesprochen wurde. Deshalb schwieg sie und ertrug es zähneknirschend, dass er sie mit grimmiger Miene von Kopf bis Fuß musterte.

„Haben Sie heute schon die Zeitung gelesen?“, fragte er mit seiner tiefen, diesmal sehr frostig klingenden Stimme.

Alexa runzelte die Stirn. Ohne sich weiter an etwaige protokollarische Vorschriften zu halten, sagte sie: „Nein, wieso?“

„Dann sollte Sie es jetzt tun.“ Er wies auf die auf einem kleinen Tisch liegende Zeitung. „Seite drei, rechts unten.“

Verblüfft sah ihn Alexa an, ging zum Tisch und griff nach der Zeitung. Der Bericht über die Konferenz stand auf dem Titelblatt, während sich auf Seite drei nur die Gesellschaftsnachrichten befanden. Dann fiel ihr Blick auf die Klatschkolumne und einige mit schwarzem Filzstift umrandete Zeilen. Ungläubig las sie:

Der Fürst von Venosina, einer der begehrtesten Junggesellen des europäischen Hochadels, scheint sich bei seinem Aufenthalt in Neuseeland nicht nur für unsere Landschaft und unseren Wein zu begeistern. Man hat uns berichtet, dass er gestern Abend eine von Aucklands talentiertesten jungen Fotografinnen nach Hause gefahren hat. Und sie trug sein Jackett. Was dürfen wir daraus schließen?

„Waren Sie die Informantin?“, fragte er schroff.

„Natürlich nicht!“ Alexa konnte sich nicht erklären, weshalb sein Misstrauen sie so sehr kränkte. Sie kannte den Mann ja kaum.

„Wie haben die Presseleute dann davon erfahren?“

„Das weiß ich nicht.“ Sie musste all ihren Mut zusammennehmen, um sich von der kalten Wut in seinen Augen und dem eisigen Ton nicht einschüchtern zu lassen. „Ich nehme an, jemand hat uns im Auto zusammen gesehen.“

„Und wahrscheinlich wird im nächsten Beitrag dann Ihr Name auftauchen“, sagte er sarkastisch.

Sie schluckte und zwang sich, seinem Blick standzuhalten. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass noch ein Bericht folgt.“

„Wer immer die Klatschkolumnistin informiert hat, wird es auch weiterhin tun.“

„Das alles ist sicher sehr ärgerlich“, gab sie zu, „aber deshalb geht doch nicht gleich die Welt unter. Leute vergessen so etwas schnell.“

„Ich nicht.“ Er ließ den Blick über ihr im Licht der untergehenden Sonne leuchtendes Haar gleiten und fügte mit trügerisch sanfter Stimme hinzu: „Ich lasse mich nicht gern benutzen, Miss Mytton.“

Angesichts solcher Überheblichkeit fiel es Alexa schwer, höflich zu bleiben. „Weshalb sollte ich Sie benutzen wollen?“, fragte sie ungnädig.

„Gewöhnlich geht es um Geld“, erklärte er zynisch und verscherzte sich mit seinen folgenden Worten auch noch den letzten Funken ihrer Sympathie. „Oft genügt es schon, mit mir in Verbindung gebracht zu werden. In Ihrem Beruf ist das sicher recht hilfreich. Ich hoffe, Sie haben gestern Abend nicht heimlich Fotos von mir gemacht.“

In Alexas hellgrauen Augen blitzte Zorn auf. Unwillkürlich entsann sie sich ihrer scherzhaften Bemerkung gegenüber Carole, keine Minikamera eingesteckt zu haben. Sie wurde rot – und er sah es. „Kein einziges“, entgegnete sie brüsk. „Und ich gebe auch keine Informationen an die Presse. Solcher Schwachsinn“, sie deutete auf die Zeitung, „ist Ihr Metier, nicht meines. Ihr Verdacht entbehrt jeder Grundlage.“

„Wirklich?“ Er war mit zwei Schritten bei ihr und packte sie an den Schultern.

Hatte Alexa sich vergangene Nacht von seinen starken Händen beschützt gefühlt, so empfand sie seine Berührung jetzt, da er sie so gekränkt hatte, nur noch als bedrohlich.

„Ich wünschte, ich könnte Ihnen glauben.“ Seine Augen funkelten spöttisch. „Aber ich bin Realist.“ Und dann neigte er den Kopf und küsste sie.

Hinterher versuchte sie sich einzureden, dass sie auf diesen Kuss nicht gefasst gewesen sei und nur deshalb stillgehalten habe. Aber sie machte sich etwas vor. Schon vom ersten Moment ihrer Begegnung an hatte sie sich von Lukas starker männlicher Ausstrahlung angezogen gefühlt. Und trotz seiner eisernen Selbstkontrolle hatte er ebenfalls auf sie reagiert. Jedes Mal, wenn ihre Blicke sich begegneten, schienen sie geheime Botschaften auszutauschen und eine erotische Spannung aufzubauen, gegen die sie machtlos war.

Dieser Mann weckte in ihr ein primitives Verlangen, das nicht mit dem Verstand zu steuern war. In seinen Armen fühlte sie sich so weiblich und sexy, und als er nun die Lippen auf ihre presste, wurde ihr Körper weich und nachgiebig.

Doch schon nach einem kurzen, harten Kuss, der eindeutig als Strafe gedacht war und auf sie wie ein Schlag ins Gesicht wirkte, hob Luka den Kopf. Die Begierde war aus seinen Augen verschwunden. Er musterte Alexa kalt.

Es kostete sie all ihre Willenskraft, sich nicht anmerken zu lassen, wie verletzt sie war. „Zufrieden?“, fragte sie mit zuckersüßer Stimme.

Er lächelte sarkastisch. „Leider nicht“, erwiderte er rau, und als er sie nun erneut küsste, tat er es so leidenschaftlich und hingebungsvoll, als hätte er sich seit Jahren nach ihr verzehrt oder als wären sie Liebende, die nach diesem letzten Kuss durch ein grausames Schicksal für immer voneinander getrennt werden würden.

Alexa versuchte, unbeteiligt zu bleiben, aber sie wurde von dem unbezähmbaren Sturm ihrer Gefühle mitgerissen. Eine heiße Woge der Lust durchzuckte sie und ließ sie alle guten Vorsätze vergessen. Sie war wie besessen von Luka, klammerte sich an ihn und atmete begierig seinen Duft ein.

Nicht das laute Klopfen an der Tür riss sie schließlich aus ihrer sinnlichen Verzückung, sondern sie spürte Lukas heftige Erregung. Mit dem ihr noch verbliebenen Rest an Vernunft wurde ihr plötzlich klar, dass sie in den Armen eines Mannes lag, der die Nacht wahrscheinlich mit einer anderen Frau verbracht hatte.

Abwehrend stemmte sie die Hände gegen seine Brust. Er hob den Kopf, ließ sie unvermittelt los und trat zurück. Als sie einen Blick in seine bernsteinfarbenen Augen riskierte, erschrak sie vor deren hartem Glanz. Oh ja, er konnte nicht verbergen, dass er sie, Alexa, begehrte, aber sie war für ihn nur ein Sexobjekt.

Es hätte sie nicht verletzen dürfen, und doch mischte sich in ihre Wut auch Schmerz, als sie kühl fragte: „Was wollten Sie damit beweisen, außer dass Sie stärker sind als ich?“

Er musterte sie mit spöttischer Belustigung und verzog den Mund, der ihr nun schon so vertraut war, zu einem kaum wahrnehmbaren Lächeln. „Es hat mir bestätigt, dass Sie mich genauso wollen wie ich Sie“, entgegnete er in höflichem Plauderton, der Alexa noch mehr in Rage brachte.

Frostig erwiderte sie sein Lächeln. „Das hat nichts zu bedeuten“, sagte sie und stellte mit Genugtuung fest, dass ihre Antwort ihm nicht zu gefallen schien.

„Eine bewundernswert liberale Einstellung.“

Der Abscheu in seiner Stimme war nicht zu überhören und trieb Alexa das Blut in die Wangen. In ihrer Wut vergaß sie jegliches Taktgefühl und auch die Tatsache, dass sie den regierenden Fürsten eines fremden Landes vor sich hatte. „Mag sein, aber ich bin nicht so liberal, dass ich mit jedem gut aussehenden Mann ins Bett springe, der im Licht der Öffentlichkeit steht!“

„Nein“, entgegnete er eisig, „Sie befriedigen lieber die lüsterne Neugierde von Menschen, die solchen Kitsch lesen wollen.“

Verärgert gestand Alexa sich ein, dass sie zu weit gegangen war. „Tut mir leid, das hätte ich nicht sagen dürfen“, entschuldigte sie sich. „Aber zum letzten Mal: Ich habe keine Informationen an die Presse gegeben.“

Er maß sie mit einem warnenden Blick. „Falls etwas über diese Küsse in der Zeitung steht, weiß ich, wie viel Ihr Wort wert ist.“

„Genauso viel wie Ihres“, erwiderte sie steif. „Wie schrecklich, so voller Misstrauen zu sein wie Sie!“

„Ich habe es mit der Muttermilch eingesogen“, erklärte er sarkastisch. „Im wahrsten Sinn des Wortes.“

Es klang so schockierend ehrlich, dass Alexa darauf keine Antwort wusste und stattdessen sagte: „Jemand hat an die Tür geklopft.“

„Er kann warten.“

Wahrscheinlich ist es sein Personal gewohnt, zu warten, wenn er eine Frau bei sich hat! ging es ihr durch den Kopf. Seltsamerweise fühlte sie sich nun, da die Fronten klar und sie Gegner waren, bedeutend sicherer. „Nicht nötig. Ich wollte sowieso gehen.“ Sie wandte sich zur Tür.

„Vielleicht sollten Sie sich vorher noch kämmen“, schlug er spöttisch vor. „Sie sehen ein wenig … zerzaust aus.“

Wütend drehte sie sich zu ihm um und strich sich die kupferroten, langen Haare aus dem erhitzten Gesicht. Als sie sah, dass sein Blick auf ihren bebenden Fingern ruhte, verkniff sie sich die beabsichtigte bissige Bemerkung und verabschiedete sich mit einem knappen „Guten Tag.“ An der Tür drehte sie sich jedoch noch einmal um. „Ach ja, danke für die Blumen.“

„Sie werden sie doch hoffentlich nicht wegwerfen, nur weil sie von mir sind.“ Er klang nicht so, als würde es ihm etwas ausmachen.

„Dafür können die Blumen nichts“, entgegnete sie schnippisch und konnte der Versuchung nicht widerstehen hinzuzufügen: „Sicher haben Sie einen Ihrer Lakaien beauftragt, sie an mich zu schicken.“

„Lakaien stehen uns Fürsten heutzutage leider nicht mehr zur Verfügung“, korrigierte er sie mit charmantem Lächeln. „Haben Sie Ihr Auto wieder?“

„Ja“, sagte sie schroff und stürmte in hilflosem Zorn aus dem Zimmer und an dem vor der Tür wartenden Dion vorbei.

Schweigend sah Luka seinen Sicherheitschef an. Dieser nickte und folgte Alexa, um sie zu ihrem Wagen zu bringen.

Sobald er allein war, ging Luka zum Fenster und blickte gedankenverloren auf die zu seiner Suite gehörende Terrasse mit Swimmingpool hinaus. Er erinnerte sich, wie er kurz nach seinem siebten Geburtstag all seinen Mut zusammengenommen hatte und durch einen Wasserfall zu einem dahinter verborgenen See geschwommen war. Das glitzernde Dunkel hinter den herabstürzenden Wassermassen war ihm damals wie das Tor zu einer anderen Welt erschienen, die gefährlich schön und nur unter Einsatz des Lebens zu erreichen war.

Ähnliches empfand er jetzt, da er mit seiner ganzen Willenskraft gegen ein unerwünschtes Verlangen ankämpfte. Natürlich hatte er wie jeder normale Mann sexuelle Bedürfnisse, die er diskret auslebte. Aber er hatte schon früh gelernt, seine Gefühle stets unter Kontrolle zu halten.

Doch Alexa Myttons Lächeln war ihm unter die Haut gegangen, und das Versprechen in ihren klaren eisgrauen Augen hatte ihn an den Rand seiner Selbstbeherrschung getrieben. Er hätte sie erst gar nicht küssen und ganz sicher dem überwältigenden Verlangen nach einem weiteren Kuss nicht nachgeben dürfen.

Vergeblich versuchte er, seinen Ärger über sie neu zu beleben. Noch beherrschten ihn jedoch ganz andere Gefühle für sie. Dabei hatte er im Moment wirklich schon genügend Probleme am Hals.

Ein Klopfen an der Tür verriet ihm, dass Dion zurück war. „Komm herein“, rief Luka, und als sein Sicherheitschef eintrat, fragte er ihn: „Hast du sie bis zu ihrem Wagen begleitet?“

„Ja“, bestätigte Dion kurz. „Luka, Guy ist verschwunden. Wir haben kein Lebenszeichen mehr von ihm, seit er vor einer Woche an Bord eines Schiffes gegangen ist, das Medikamente nach Sant’Rosa bringen sollte. Ich habe Nachforschungen angestellt, aber niemand scheint zu wissen, wo er abgeblieben ist.“

Luka fluchte leise, was die Besorgnis seines Sicherheitschefs nur noch verstärkte. „Du solltest mir besser erzählen, was los ist“, sagte Dion.

„Man hat Guy als Geisel genommen“, teilte Luka ihm ruhig mit. Nur der stählerne Ton seiner Stimme verriet, wie tief die Entführung seines Cousins und engen Freundes ihn getroffen hatte.

Bei dem Treffen am vergangenen Abend war man ihm zuerst mit Argwohn begegnet. Schon hatte er geglaubt, die Männer von Sant’Rosa von seiner strikten Neutralität als Vermittler überzeugt zu haben, da hatten sie bei der nachfolgenden Diskussion plötzlich ihr Ass aus dem Ärmel gezogen und ihm berichtet, dass sich Guy in ihrer Gewalt befinde.

„Er ist in Sant’Rosa!“, sagte Dion. „Ich könnte ihn mit einigen meiner Männer befreien.“

„Das ist mir zu riskant.“ Luka schüttelte den Kopf. „Guys Leben ist nicht in Gefahr. Die Regierung möchte den Bürgerkrieg endlich beenden, und auch die Rebellen scheinen des Kämpfens müde zu sein. Doch Letztere trauen keinem – nicht einmal jemandem wie mir, dessen Land Tausende Meilen von ihrem entfernt liegt. Mit Guys Entführung wollten die Rebellen sich dagegen absichern, dass ich sie hintergehe. Der oberste Rebellenführer hat sich jedoch dafür verbürgt, dass meinem Cousin nichts geschehen wird.“

„Und du glaubst ihm?“

„Bis jetzt ja“, bestätigte Luka, „aber mir ist auch klar, dass Guy in ernsthafte Schwierigkeiten gerät, wenn die Medien zu früh von dieser Friedensinitiative Wind bekommen.“

Dion runzelte die Stirn. „Wieso?“

„Weil es sonst unter den Rebellen zu einem Machtkampf kommen könnte. Einige wollen keinen Frieden, und wenn sie von den geheimen Verhandlungen erfahren, würden sie sie zu torpedieren versuchen. Und dann wäre Guys Leben keinen Pfifferling mehr wert.“

Diesmal war es Dion, der fluchte. „Und wie wollen wir nun weiter vorgehen?“

„Ich habe Verbindung zu einigen sich hier in Neuseeland aufhaltenden Flüchtlingen aus Sant’Rosa aufgenommen, die anscheinend gute Kontakte zu den Rebellen besitzen.“ Luka sah seinen sichtlich frustrierten Sicherheitschef, der ein Mann der Tat war und nicht länger abwarten wollte, eindringlich an. „Kümmere dich darum, dass unser Flugzeug startbereit ist, Dion. Möglicherweise müssen wir die Verhandlungsführer der Rebellen hierher nach Auckland fliegen. Wir werden sie im Strandhaus einquartieren. Aber in Bezug auf Guy wirst du nichts unternehmen, verstanden? Und ich“, fügte Luka selbstironisch lächelnd hinzu, „werde jetzt erst einmal einige Bahnen schwimmen, ehe ich mich an die Ausarbeitung eines für beide Parteien befriedigenden Friedensplans mache.“ Er musste sich körperlich abreagieren, um sich von dieser Frau abzulenken und wieder klar denken zu können.

„Vielleicht vermag Guy sich ja sogar selbst zu befreien“, meinte Dion. „Er ist ein zäher Bursche.“

„Ich weiß.“ Lukas Lächeln wirkte nicht ganz echt. „Da ist noch etwas, Dion. Bitte, sorg dafür, dass Miss Mytton für die Dauer der Konferenz hier im Hotel keinen Zutritt mehr bekommt.“

Alexa war an diesem Abend nicht ganz bei der Sache, als sie sich etwas zu essen zubereitete, denn in Gedanken ließ sie immer wieder das, was geschehen war, Revue passieren. Man brauchte kein Psychologe zu sein, um zu erklären, weshalb sie Luka Bagatons Küssen keinen Widerstand entgegengesetzt hatte. Sie hatte seine starke körperliche Anziehungskraft und sinnliche Ausstrahlung schlichtweg unterschätzt. Woher hätte sie auch wissen sollen, wie leicht entflammbar und zu welch leidenschaftlicher Reaktion sie fähig war? Bisher hatte sie so etwas noch nie erlebt.

Eigentlich hätte sie sich von einem Mann, der ein so primitives Verlangen in ihr weckte, abgestoßen fühlen müssen, und das war sie ja auch, oder? Warum fand sie Luka Bagaton trotzdem aufregend und elektrisierend? Er hatte sie wie ein Eroberer geküsst, und sie hatte es nicht nur geduldet, sondern sogar genossen, weil sie gespürt hatte, dass auch sie bei ihm unsichtbare Barrieren eingerannt hatte. Und war seine Anspielung auf Frauen, die aus der Bekanntschaft mit ihm Geld zu machen versuchten, nicht auch ein Hinweis auf seine Verletzbarkeit gewesen?

Vielleicht sollte ich weitere Nachforschungen über ihn anstellen? überlegte Alexa, rief sich dann aber mit einem lauten „Nein!“, zur Räson. Es war sinnlos, noch länger über einen Mann nachzugrübeln, der den einschlägigen Frauenzeitschriften zufolge zu den begehrtesten Junggesellen der Welt gehörte.

Unvermittelt klingelte das Telefon. Sie nahm ab.

„Alexa“, meldete sich Carole, und ihre Stimme klang bestürzt, „ich muss dir etwas sehr Unangenehmes mitteilen.“

3. KAPITEL

„Ich habe soeben mit Mike, unserem Hotelmanager, gesprochen“, fuhr Carole fort, ohne in ihren gewohnt theatralischen Ton zu verfallen, „und er hat erklärt … angeordnet …“ Sie zögerte und platzte dann heraus: „Er möchte nicht, dass du ins Hotel kommst, solange hier die Konferenz stattfindet.“

„Wie bitte?“ Alexa konnte nicht glauben, was sie da hörte. „Das kann er doch nicht machen!“ Wahrscheinlich doch, wenn jemand mit genügend Macht und Einfluss es von ihm verlangte.

„Ich fürchte, er kann, und ich muss dich leider bitten, gar nicht erst zu versuchen, dir gewaltsam Zutritt zu verschaffen“, erklärte Carole ernst.

„So etwas würde ich schon mit Rücksicht auf dich niemals tun. Ich verstehe nur nicht, weshalb Mike so etwas angeordnet hat. Hat er dir einen Grund genannt?“

„Er hat erfahren, dass du Fotografin bist“, erklärte Carole, „und Fotografen sind im Hotel momentan unerwünscht. Selbstverständlich habe ich mich für deine Integrität verbürgt und darauf hingewiesen, dass du vom Sicherheitsdienst als unbedenklich eingestuft worden bist. Mike weiß das ja auch, aber offenbar blieb ihm keine andere Wahl. Er meinte, das alles sei ja nur vorübergehend, und du solltest es nicht als persönlichen Affront auffassen.“

Als was denn sonst? fragte sich Alexa empört, erwiderte jedoch: „Schon gut, Carole. Im Moment hätte ich sowieso keine Zeit, bei euch auszuhelfen, da ich im Studio sehr viel zu tun habe.“

Carole seufzte hörbar auf. „Danke, dass du so verständnisvoll bist, Alexa. Gestern versuchte eine hübsche, junge Journalistin, sich Zugang zur Suite des Fürsten von Venosina zu verschaffen, und es wäre ihr beinahe geglückt. Als dann jemand sagte, du seist Fotografin, genügte es, um dich ebenfalls zur Persona non grata zu erklären.“

Wer dafür verantwortlich war, wusste Alexa nur zu gut. Ein Mann wie Luka Bagaton hatte wenig Skrupel, seine Wünsche durchzusetzen. „Keine Angst, Carole, ich werde mich vom Hotel fernhalten“, antwortete sie fröhlich. „Ich hoffe, du hast meinetwegen keine Schwierigkeiten.“

„Ich? Oh nein, Mike weiß, dass er mir vertrauen kann“, versicherte Carole. „Er steht nur momentan unter großem Druck. Alexa, ich habe viel zu tun und muss Schluss machen. Nochmals vielen Dank für dein Verständnis.“

Nachdem sie aufgelegt hatte, stürmte Alexa wutentbrannt zum Fenster und riss es auf. Die salzige Meeresluft roch nach Benzin, und tosender Verkehrslärm erfüllte das Zimmer, was Alexas schlechte Laune noch verstärkte. Nur zu gern hätte sie dem Fürsten von Venosina gesagt, dass man das, was er getan hatte, als Machtmissbrauch bezeichnete. Zugegeben, er hatte sie an jenem Abend aus einer unangenehmen Situation befreit, aber das gab ihm noch lange nicht das Recht, sich wie ein Herrscher aus dem Mittelalter aufzuführen!

Eine Woche später saß Alexa beim Frühstück und betrachtete mit grimmiger Miene das Titelbild der Zeitung. Zum Abschluss ihrer Konferenz hatten die Banker auf der Eingangstreppe des Museums für ein Gruppenfoto posiert, und der Fürst von Venosina überragte nicht nur alle durch seine Größe, sondern war auch von allen Teilnehmern der weitaus jüngste und attraktivste. Sein gutes Aussehen ist sicher von Vorteil, wenn es gilt, das Vermögen reicher Erbinnen für seine Bank an Land zu ziehen, überlegte Alexa gehässig.

Sie hatte nichts mehr von ihm gehört, obwohl einen Tag nach dem Gespräch im Hotel eine weitere Notiz in der Klatschspalte erschienen war.

Bahnt sich zwischen dem umschwärmten Fürsten von Venosina und der bereits erwähnten schönen Fotografin eine Romanze an? Aus zuverlässiger Quelle wissen wir, dass die junge Dame gestern mit zerzaustem Haar und geröteten Wangen aus dem Privataufzug des Fürsten kam. Wir werden weiter berichten.

Bestimmt hatte ihn das in seiner Meinung bestärkt, dass sie mit der Presse zusammenarbeitete. Soll er doch denken, was er will, versuchte sie sich einzureden, wusste jedoch, dass sie sich etwas vormachte.

Nach einem Blick durchs Fenster besserte sich ihre Stimmung. Das sonnige Herbstwetter lud zum Verreisen ein, und Alexa hatte vor, die folgenden beiden Wochen in dem auf einer Insel vierzig Kilometer nördlich von Auckland gelegenen Strandhaus der Eltern ihrer Freundin Sally Thornton zu verbringen. Alle Vorbereitungen waren getroffen, und Alexa freute sich auf stille Tage in völliger Abgeschiedenheit, während der sie sich ganz der Suche nach dem perfekten Foto widmen konnte, das sie für einen Wettbewerb benötigte.

Wirklich ein herrliches Fleckchen Erde, dachte sie drei Stunden später, als sie im alten Jeep der Thorntons auf der schmalen, gewundenen Straße fuhr, die von Deep Harbour zur anderen Seite der Insel führte. Der ideale Ort, um au...

Autor

Robyn Donald
Die Neuseeländerin Robyn Donald ist überzeugt, dass Schreiben und Gärtnern viel gemeinsam haben: Beide Tätigkeiten sind mit Fantasie, Gefühlen, Visionen, viel Arbeit und Rückenschmerzen verbunden - und machen, wenn sie erfolgreich abgeschlossen sind, sehr glücklich. Schon als Kind erzählte Robyn ihren vier jüngeren Schwestern und ihrem Bruder sehr gern haarsträubende...
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Leanne Banks
<p>Mit mehr als 20 geschriebenen Romanen, ist Leanne dafür geschätzt Geschichten mit starken Emotionen, Charakteren mit denen sich jeder identifizieren kann, einem Schuss heißer Sinnlichkeit und einem Happy End, welches nach dem Lesen noch nachklingt zu erzählen. Sie ist die Abnehmerin der Romantic Times Magazine’s Awards in Serie. Sinnlichkeit, Liebe...
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Margaret Way
<p>Mit mehr als 110 Romanen, die weltweit über elf Millionen Mal verkauft wurden, ist Margaret Way eine der erfolgreichsten Liebesroman-Autorinnen überhaupt. Bevor sie 1970 ihren ersten Roman verfasste, verdiente sie ihren Unterhalt unter anderem als Konzertpianistin und Gesangslehrerin. Erst mit der Geburt ihres Sohnes kehrte Ruhe in ihr hektisches Leben...
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