Julia Royal Band 30

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DER PLAYBOY-PRINZ von SANDRA MARTON

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  • Erscheinungstag 24.08.2024
  • Bandnummer 30
  • ISBN / Artikelnummer 9783751525367
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Sandra Marton, Kat Cantrell, Robyn Donald

JULIA ROYAL BAND 30

1. KAPITEL

Nick Karrier beehrte den Wohltätigkeitsball erst seit einer halben Stunde mit seiner Anwesenheit, war aber mehr als bereit, sich schon wieder zu verabschieden.

Derartige Events waren absolut qualvoll und schrecklich vorhersehbar. Schaler Champagner, undefinierbares Essen, zu viele blitzende Klunker und noch mehr Frauen, die um seine Aufmerksamkeit wetteiferten.

Prinz Nicolas von Karas bewegten die gleichen Gefühle, was kein Wunder war, da es sich bei Nick, dem Milliardär, und Nicolas, dem zukünftigen König von Karas, um denselben Mann handelte.

Ein streng gehütetes Geheimnis, in das nur sein Vater und der Ministerrat eingeweiht waren.

Die letzten sechs Monate hatte Nicolas in New York gelebt und seine Freiheit in vollen Zügen genossen. Doch bereits in zwei Wochen würde er in seine Heimat zurückkehren, um sich auf seine zukünftigen Aufgaben und Verpflichtungen als Monarch vorzubereiten.

Seine Heimat – Karas – war ein Inselkönigreich im Mittelmeer. Kleiner als das ehemalige Adamas – inzwischen zweigeteilt in die Nachbar-Königreiche Aristo und Calista – aber dank seiner ertragreichen Goldminen außerordentlich wohlhabend.

Nicolas Vater und der Ministerrat befürchteten allerdings, dass Karas von einem der beiden um die Macht kämpfenden Nachbarn geschluckt werden könnte, wenn nicht eine neue, starke Führung das Zepter übernahm. Und deshalb wurde beschlossen, dass der alte König zugunsten seines Sohnes abdanken sollte.

Nicolas war sich der Schwere und Verantwortung dieser Berufung sehr wohl bewusst und hatte trotzdem zugestimmt. Allerdings unter einer Voraussetzung: ein halbes Jahr Freiheit – in der Anonymität –, weit weg von Karas.

„Ein König darf seine eigenen Bedürfnisse nicht in den Vordergrund stellen“, hielt ihm sein Vater vor, doch Nicolas bestand auf der Auszeit.

„Ich bin noch kein König, Vater“, argumentierte er voller Entschlossenheit. „Ich bin nur ein Prinz, und damit frei in meinen Entscheidungen. Deshalb betrachte meine Bitte als reine Information für dich und den Ministerrat.“

Daraufhin hatte sich die harte Miene des alten Königs sichtlich entspannt. „Du besitzt wirklich den Kampfgeist und das Durchsetzungsvermögen, das unser Volk in nächster Zukunft dringend braucht, mein Sohn. Doch bis zum sechzigsten Geburtstag deiner Tante, Königin Tia von Aristo, solltest du mich auf dem Thron abgelöst haben. Ihr Ehrentag ist als internationaler Event geplant, bei dem die ganze Welt zuschaut, und du wirst als neuer König von Karas daran teilnehmen.“

So wurde aus Nicolas vorübergehend Nick, der in ein sündhaft teures Penthouse mitten in Manhattan umsiedelte, und dort ein Luxusleben führte, bei dem sein attraktives Äußeres und das dicke Bankkonto absolut nicht im Weg waren.

In der feinen Gesellschaft war er schnell akzeptiert, und niemanden interessierte, woher er so plötzlich aufgetaucht war.

Ein weiteres Plus: Schon als Junge wurde Nicolas von den gleichen fähigen Leuten vor der Presse beschützt, die später ebenso erfolgreich seine Privatsphäre als Mann vor der Öffentlichkeit abschotteten.

Außerdem, dies war New York, eine Stadt, in der moderne Märchen an der Tagesordnung waren …

Doch all das würde in zwei Wochen der Vergangenheit angehören. Und gerade heute Abend stellte Nick fest, dass er sich offenbar jetzt schon dafür bereit fühlte. Möglicherweise war das Sprichwort, dass man des Guten auch zu viel haben konnte, gar nicht so abwegig.

Nicolas hob sein Glas, doch als ihm der süßliche Geruch des billigen Champagners in die Nase stieg, besann er sich anders und schaute verstohlen auf die Uhr an seinem Handgelenk. Das Motto des heutigen Abends – rettet die Pelikane, rettet die Pinguine, rettet sonst wen – mochte ja sehr ehrenwert sein, wenn nur das ganze Drum und Dran nicht so quälend gewesen wäre.

Am liebsten hätte er nach dem Mikrofon gegriffen und in die Menge gefragt, ob es jemandem schon mal in den Sinn gekommen sei, einfach zu Hause zu bleiben und stattdessen einen Scheck zu schicken. Oder, noch besser, sich als freiwilliger Helfer zu melden.

Er selbst hatte vor Jahren mitgeholfen, in einer unterprivilegierten Gegend von Karas Häuser für die Ärmsten der Armen zu bauen und jede einzelne schweißtreibende und muskelaufbauende Sekunde genossen.

Ein Kellner schlängelte sich an ihm vorbei, und Nick nutzte die Gelegenheit, seine Champagnerflöte gegen etwas auszutauschen, das sich als Apple Martini entpuppte. Schaudernd entledigte er sich des klebrigen Cocktails und beschloss, dass es endgültig Zeit war zu gehen. Vielleicht sollte er sogar New York und die USA früher als geplant verlassen und nach Karas zurückkehren.

Ein paar wenige Dinge gab es allerdings, die er dort vermissen würde.

Anonymität. Zurückgezogenheit. Das Recht, mit einer Frau zusammen zu sein, nur weil sie ihn als Privatperson begehrte – obwohl man in dem Punkt, angesichts seines Vermögens, auch nie ganz sicher sein konnte. Die New Yorkerinnen hatten ihn regelrecht belagert, und hätten sie von seinem Titel gewusst, wäre es wahrscheinlich noch viel schlimmer gewesen.

Nie hatte Nick Karrier sich vorstellen können, einmal genug davon zu haben, von schönen, charmanten Frauen umringt zu sein, die sich darin überboten, ihm zu gefallen. Doch so war es.

Von jetzt an musste er sich allerdings keine Gedanken mehr über ihre wahren Motive machen. Die richtige Frau für ihn zu finden, war schließlich Aufgabe des Ministerrates.

Seine Zukünftige würde von königlichem Geblüt sein und aus dem gleichen Kulturkreis wie er. Aus Karas oder Aristo, nur nicht aus Calista!

Karas pflegte zwar einen höflichen Umgang mit Calista, aber um sich wirklich zu verstehen, hatte es in der Vergangenheit zu viel böses Blut zwischen den ehemaligen Schwester-Inseln gegeben.

Prinz Nicolas bestand außerdem darauf, dass die zukünftige Königin attraktiv war, mehr hatte er ohnehin nicht mitzureden. Denn Ehen dieser Art basierten ansonsten eher auf Pflicht, denn auf Neigung. Was so viel bedeutete wie: keine Liebe, keine Leidenschaft, kein heißer Sex und keine Herausforderung …

Zur Hölle! Je eher er nach Karas zurückkehrte, umso besser.

Sonst brachte er sich hier in New York noch auf den letzten Metern in Schwierigkeiten! Andererseits widerstrebte es ihm, seine Freiheit enttäuscht und gänzlich desillusioniert aufzugeben, anstatt mit einem erotischen Paukenschlag. Vielleicht fiel ihm ja doch noch etwas ein, wie er …

„Haben Sie schon Lotterielose gekauft, Sir?“, fragte eine weibliche Stimme so sachlich und kühl, dass Nicolas sich unwillkürlich an die frostige Gouvernante aus seiner frühesten Kindheit erinnert fühlte. Deshalb schaute er auch nicht auf, während er nach seiner Brieftasche tastete.

„Was kosten die?“

„Tausend Dollar pro Stück.“

„Okay, ich nehme fünf.“

„Fünf?“ Ihr Ton war eindeutig missbilligend. „Das wundert mich, angesichts Ihres Rufes, das Geld mit beiden Händen aus dem Fenster zu werfen.“

Das ließ ihn doch aufschauen, und zu seiner großen Überraschung sah die zur Stimme gehörige Frau kein bisschen wie eine Gouvernante aus. Dagegen sprachen nicht nur ihre aufregende, gertenschlanke Figur und die Fülle goldener Locken, die bis auf ihren Rücken herunterreichten, sondern mindestens genauso das edel geschnittene Gesicht mit den großen kaffeebraunen Augen.

In denen stand allerdings ein Ausdruck, der an Verachtung grenzte.

Trotzdem war sie umwerfend attraktiv, und, wenn sie nicht auch noch eine Meisterin der Verstellung war, schien sie kein bisschen beeindruckt von ihm zu sein.

Dieses Prachtweib in sein Bett zu bekommen wäre wahrhaftig der perfekte Schlusspfiff. Ein furioses Feuerwerk, um seiner Freiheit Adieu zu sagen!

2. KAPITEL

Chloe sah spontanes Interesse in Nick Karriers Augen aufblitzen und hätte ihr vorlautes Statement am liebsten zurückgenommen, doch dafür war es zu spät.

Warum hatte sie nur so etwas Dummes gesagt? Mit einem Mann wie ihm legte man sich nicht leichtfertig an, es sei denn, man war auf Krieg aus. Und sie wollte doch nur endlich diese albernen Lose verkaufen und nach Hause gehen.

Glaubten die Reichen denn wirklich, wenn sie Geld lockermachten, wäre es das Gleiche, als kümmerten sie sich persönlich um die Lösung der anstehenden Probleme?

Sie kannte die Antwort! Denn seit Chloe selbst für ihren Lebensunterhalt arbeitete, wusste sie, was es bedeutete, sich allein durchbringen zu müssen.

Früher war das anders gewesen, bis ihr Vater, ein Scheich aus Calista, fast sein gesamtes Vermögen am Spieltisch verlor. Beides war inzwischen ihr bestgehütetes Geheimnis – anders als bei ihrem ersten Aufenthalt in Paris …

„Ein echter Scheich?“, hatten die anderen Models gekreischt und sie mit albernen Fragen über Kamele, Zelte und Wüsten gequält.

O ja, sie wusste sehr gut, wie die Reichen tickten, wie nutzlos und arrogant sie sein konnten. Und damit war Chloe auch ausreichend informiert über Nick Karrier. Sie hatte Paris erst vor wenigen Tagen verlassen, aber auch dort tuschelte man über den reichen Playboy, der so ungemein gut aussehend und sexy sein sollte.

Musste man noch mehr über ihn wissen? Wohl kaum!

Der ganze Ballsaal war heute Abend voller Nick Karriers. Okay, vielleicht waren die meisten seiner Konkurrenten nicht so umwerfend attraktiv, aber mindestens so überflüssig. Trotzdem bot Chloe allen, die auf ihrer Liste standen, ihre Ware höflich an. Waren sie in Begleitung ihrer Ehefrauen oder Geliebten, bemühten sie sich, so zu tun, als seien sie ausschließlich an den Losen interessiert. Wobei es zweien von ihnen trotzdem gelungen war, ihr mit den Scheinen auch eine Visitenkarte zukommen zu lassen. Andere Männer, die allein gekommen waren, verhielten sich lange nicht so subtil.

„Ich nehme ein halbes Dutzend“, hatte ein besonders widerlicher Typ ihr ins Ohr gesäuselt. „Aber dafür verlange ich auch eine kleine Belohnung …“

Obwohl Chloe vor Wut schäumte, zog sie sich einfach mit einem professionellen Lächeln zurück. Warum also verlor sie ihre Contenance ausgerechnet bei Nick Karrier?

Der ließ seinen Blick langsam an ihr herabgleiten, bis zu den silbernen High Heels, die sie laut ihrer Agentur, zusammen mit dem sexy Seidenkleid tragen sollte. Sosehr sie derartige Auftritte auch verabscheute, konnte sie sich als aufstrebendes Model schlecht die Chance entgehen lassen, sich auf einem derart exklusiven Event zu präsentieren. Zumal New York eine wichtige Stufe auf ihrer Karriereleiter war.

Chloe fühlte heiße Röte in ihre Wangen steigen, was sie ärgerte und überraschte. Sie war es schließlich gewohnt, von Männern angeschaut zu werden, das gehörte zu ihrem Job. Außerdem hatte sie sich, auf Geheiß ihres Vaters, bereits am Tag ihres achtzehnten Geburtstages vor einer Gruppe geeigneter Kandidaten, wie er sie nannte, präsentieren müssen.

„Es ist das Recht eines Vaters, den Ehemann seiner Tochter auszuwählen!“, hatte er sie angeherrscht, als sie sich weigern wollte. Und eingedenk der strengen Traditionen in Calista musste sie ihm gehorchen. So war ihre Mutter verheiratet worden, ihre Großmutter und alle anderen Frauen der Familie Sharif.

Wollte denn niemand einsehen, dass es absolut barbarisch war, seinem eignen Kind so etwas anzutun? Zumal Chloe wusste, dass ihr Vater nur auf das stattliche Vermögen ihres zukünftigen Gatten aus war, in der Hoffnung, sich damit zu sanieren oder wenigstens noch eine Weile über Wasser halten zu können.

Vor zwei Jahren war sie ihm einfach davongerannt.

Sie floh nach Paris, wo sich ihre romantischen Jungmädchenträume schnell in knallharte Realität verwandelten. Chloe beherrschte sechs Sprachen, konnte riesige Dinner-Partys von bis zu sechshundert Personen arrangieren und … fand keine Arbeit. Schließlich nutzte sie ihr einziges Talent, womit offensichtlich auch andere etwas anfangen konnten.

Sie wurde Model, doch sie war nicht glücklich dabei. In ihren Augen war es ein frivoler Job, weshalb Chloe auch ständig nach einer anderen Beschäftigung Ausschau hielt. Außerdem war ihr klar, dass sie ihren Vater mit ihrer eigenmächtigen Entscheidung verletzt hatte. Abgesehen davon wurde er nicht jünger. Es war ihre Lieblingstante, die sie gerade erst letzte Woche an diese Tatsache erinnert hatte.

Und so kam Chloe schließlich zu einer Entscheidung.

Sie war jetzt entschlossen, sich ihrer Pflicht zu stellen, was bedeutete, dass sie eine Ehe mit dem Mann eingehen würde, der die Billigung ihres Vaters fand.

Demnächst würde im benachbarten Aristo ein großes Fest zum sechzigsten Geburtstag der Königin stattfinden. Angesichts des gespannten Verhältnisses zwischen Calista und Aristo, und speziell zwischen Calista und Karas, ein bedeutungsvolles Ereignis. Sie und ihr Vater waren zu diesem Event eingeladen.

Chloe hatte ihm geschrieben, sie würde rechtzeitig zur Teilnahme am Fest eintreffen. Und, dass sie inzwischen auch bereit war, sich seinem Willen zu beugen. Was bedeutete, dass sie demnächst an jemand gefesselt sein könnte, der ebenso reich wie alt und abstoßend war.

Unwillkürlich schauderte sie.

„Wollen Sie diese Lose nun verkaufen oder nicht?“

Chloe blinzelte. Nick Karrier beobachtete sie immer noch. Wie es aussah, mit einer Mischung aus Amüsement und Langeweile. Sofort riss sie sich zusammen.

„Verzeihung …“, murmelte sie in einem Ton, der genau das Gegenteil besagte. „Wie viele Lose darf ich Ihnen jetzt …?“

„Ich wollte fünf. Dann haben Sie mir vorgeworfen, ich würde mein Geld zum Fenster rausschmeißen, und nun frage ich mich, woher Sie das wissen können?“

Ja, woher? Ihm zu verraten, dass ihre Kolleginnen sich in epischer Breite über sein Penthouse, seine rasanten Sportflitzer und die wilden Partys ausgelassen hatten, kam nicht infrage.

„Ich wollte nur sagen, dass es sinnvoll ist, sein Geld für eine lohnenswerte Sache auszugeben“, erklärte sie etwas lahm.

„Pelikane zu retten, halten Sie also für lohnenswert?“

Chloe konnte nicht anders, sie musste lachen.

„Sie haben eine umwerfende Lache, Miss …?“ Er lächelte, und ihre Knie wurden weich.

„Sutton“, sagte sie brüsk, und präsentierte ihm damit den Namen, den sie benutzte, seit sie Calista verlassen hatte. „Wie viele Lose möchten Sie denn nun?“

„Wie viele wollen Sie verkaufen?“

„Alle, natürlich“, kam es prompt zurück. „Aber das wird mir kaum gelingen, wenn ich noch weiter meine Zeit verschwende, indem ich …“

„Ah, wenigstens sind Sie ehrlich. Mit mir zu reden, ist für Sie also nichts als Zeitverschwendung?“

Lieber Himmel! Musste sie sich denn immer noch tiefer reinreiten?

„Das wollte ich damit nicht sagen.“

„Ich nehme sie alle.“

„Ich glaube, Sie verstehen nicht, Mr. Karrier. Dies sind … mindestens noch fünfzig Lose.“

„Fein“, sagte er zufrieden und zückte sein Scheckbuch.

„Sie wollen wirklich alle haben? Für tausend Dollar das Stück?“

Nick Karrier bedachte sie erneut mit diesem Lächeln, das sie so schwach machte, schrieb einen Scheck aus und hielt ihn ihr entgegen. Okay, vielleicht hatte sie ihn ja verkannt …

„Aber dafür erwarte ich eine Gegenleistung“, sagte er gedehnt, und Chloe zog ihre Hand ruckartig zurück.

Also hatte sie sich doch nicht getäuscht!

„Ja, das hätte ich mir denken können“, sagte sie kalt. „Stecken Sie sich Ihre Gegenleistung …“

„Ah, Chloe …!“, flötete die Schirmherrin des Abends dicht neben ihr. „Sie haben ja immer noch Lose übrig.“ Ihr Lächeln ähnelte dem Zähnefletschen eines Barrakudas.

„Falsch.“ Nick nahm Chloe die Lose ab und drückte der älteren Frau, die vor Überraschung aufkeuchte, den bereits ausgestellten Scheck in die Hand.

„Sie haben alle gekauft? Wie wundervoll!“

„Chloe hat versprochen, mir beim Dinner Gesellschaft zu leisten, wenn ich es tue“, log er dreist, allerdings mit einem umwerfend charmanten Lächeln.

Chloe öffnete den Mund, doch es kam kein Wort heraus. Sie saß in der Falle.

3. KAPITEL

Eine lange schwarze Limousine wartete am Straßenrand. Keine Überraschung, dachte Chloe kalt.

Männern wie Nick Karrier machte es nichts aus, ihre Bediensteten die halbe Nacht warten zu lassen, während sie sich amüsierten. O ja, sie kannte diesen Typ!

Aber Männer wie er gaben ihrem Chauffeur normalerweise kein Zeichen, im Wagen zu bleiben, während sie selbst die Türen öffneten, oder? Karrier schon. Na und? Warten lassen hatte er den armen Kerl trotzdem die halbe Nacht und …

„Ist das Flugzeug mit Ihrer Schwester pünktlich gestartet?“

Chloe runzelte irritiert die Stirn und wandte den Kopf zur Seite, in der Annahme Nick Karrier spreche mit ihr, doch er schaute nach vorn zum Fahrer, der die schwere Limousine geschickt in den fließenden Verkehr einfädelte.

„Absolut nach Plan.“

„Gut. Ich habe es mir bereits gedacht, als ich Sie schon hier draußen stehen sah.“

Chloe schluckte. Okay, vielleicht war er ja doch nicht so leicht zu beurteilen wie die anderen Männer aus seinen Kreisen. Aber das machte ihn noch lange nicht zu einem netten Kerl. Und als er sie jetzt wieder mit diesem herzerweichenden Lächeln bedachte, war sie sich dessen sogar ganz sicher! Dafür war es einfach viel zu routiniert!

„Mögen Sie italienisches Essen?“

„Wollen Sie mir jetzt vielleicht weismachen, dass Ihr Koch ausgerechnet heute zufällig ein frisch zubereitetes Sugo im Kühlschrank deponiert hat?“, fragte sie zuckersüß.

„Ich habe zwar eine Haushälterin, aber leider keinen Koch“, erwiderte er gelassen. „Und würde die mir ein Sugo im Kühlschrank hinterlassen, wüsste ich gar nicht, was ich damit anfangen sollte.“

Wie schaffte er es nur, dass sie sich ihm gegenüber ständig wie der letzte Trottel fühlte? Das musste augenblicklich aufhören! Immerhin war sie eine erwachsene Frau, gut erzogen und einigermaßen weltgewandt. Und sie durchschaute ihn.

„Ich habe leider absolut keinen Appetit“, teilte sie ihm diesmal extrem frostig mit.

Sein Seufzer hörte sich ziemlich melodramatisch an und war ebenso unaufrichtig wie ihre Antwort. In Wahrheit starb Chloe fast vor Hunger, da ihr Mittagessen nur aus einer Flasche Mineralwasser und einer Handvoll Mandeln bestanden hatte. Sie steckte mitten in einer Diät, mit der sie schnellstmöglich fünf Pfund abnehmen wollte.

Und die italienische Küche war ihr absoluter Favorit!

„Zu Giovanni’s“, befahl Nick seinem Chauffeur. Wieder dieses Lächeln! „Sie können mir ja wenigstens Gesellschaft leisten, während ich esse. Denn ich bin, ehrlich gesagt, halb verhungert.“

„Zu beschäftigt gewesen, sich zu vergnügen, um sich zwischendurch am Buffet zu bedienen?“, fragte Chloe spitz.

„Zu schlau, irgendetwas zu mir zu nehmen, was so aussieht wie das Essen auf dem Buffet“, konterte er gelassen. „Ich hasse es, das sagen zu müssen, aber am heutigen Abend war rein gar nichts Vergnügliches.“

Vielleicht ist es das Beste, einfach den Mund zu halten, dachte Chloe frustriert. Sie würde dieses Giovanni’s schon überleben, das sich unter Garantie als erste Adresse der New Yorker High Society erweisen würde – super elegant, völlig überzogene Preise und viel zu viel Personal.

Wieder falsch! Das Giovanni’s lag mitten in Little Italy, und der Besitzer begrüßte Nick wie einen lange vermissten Freund. Noch mehr überraschte Chloe, dass der muntere Small Talk zwischen den beiden auf Italienisch stattfand.

Da sie ebenfalls dieser Sprache mächtig war, verstand sie jedes Wort, bemühte sich aber um eine ausdruckslose Miene. Die behielt sie auch bei, als sie in den Garten und zu ihrem Tisch geführt wurden, auf dem gläserne Windlichter standen. In den Bäumen hingen unsichtbare Windspiele, die im lauen Abendhauch leise klimperten.

Nick Karrier zog galant ihren Stuhl zurück. Als sie sich setzte, berührten seine Hände ihre Schultern, was zur Folge hatte, dass ihr Blut plötzlich viel schneller durch die Adern rann. Was war heute Abend nur mit ihr los?

„Nettes Plätzchen, nicht? Man vergisst völlig, dass man in der Stadt ist.“

Genau das hatte sie auch gerade gedacht, aber sagen würde sie es ihm natürlich nicht. Chloe saß steif wie ein Stock da, während Nick bestellte. In kürzester Zeit stand eine Flasche Chianti auf dem Tisch, daneben ein Korb mit knusprigem Brot und eine große Platte verschiedener Antipasti.

„Ganz sicher, dass Sie nichts essen wollen?“, fragte Nick höflich.

„Danke, nein.“ Chloe schaute bedeutungsvoll auf ihre Uhr und dann zu Nick, der zwei Gläser Rotwein einschenkte. „Ich sagte doch schon, dass ich nicht …“

„Dass Sie keinen Hunger haben, ich weiß. Aber vielleicht Durst?“ Er nahm einen Schluck aus seinem Glas. „Ein wirklich netter Tropfen. Nicht wie dieses ungenießbare Zeug, das sie immer auf diesen Rettet-was-weiß-ich-nicht-Events servieren.“

„Hört sich nicht an, als hätten Sie viel für Wohltätigkeitsbälle über.“

„Da rettet niemand irgendetwas. Jeder sorgt nur dafür, dass es ihm selbst gutgeht.“ Ungerührt biss er in ein Stück Brot und schloss genüsslich die Augen. „Unglaublich! Giovannis Frau backt das ganze Brot selbst.“

Im nächsten Moment tauchte Giovanni selbst mit der Karte in der Hand auf. Chloe lächelte entschuldigend und schüttelte den Kopf. „Nein danke, für mich bitte nichts.“

Der Restaurantbesitzer presste sich mit einer theatralischen Geste die Hand aufs Herz. „Die Signorina will nicht die Küche meiner Celeste probieren?“

„Das ist es nicht. Ich … schon gut. Vielleicht ein bisschen.“

Und dabei würde es bleiben. Einmal wegen ihrer Diät, zum anderen nervte sie die ungeheure Arroganz ihres Gegenübers, der offenbar glaubte, er könne sie dazu zwingen, den Abend zu genießen.

Doch das Essen war unglaublich köstlich. Und Nick Karrier war …, nun, auf jeden Fall nicht ganz das, was sie erwartet hatte. Er verhielt sich natürlich, war entspannt, charmant und … witzig. Wie hätte sie nicht über seine albernen Anekdoten von anderen Charity-Partys lachen können?

Und er war fürsorglich. Stellte intelligente Fragen über ihre Arbeit und lachte voller Mitgefühl, als sie ihm erzählte, wie sie den Laufsteg in hochhackigen Schuhen entlangstolzieren musste, die ihr mindestens zwei Nummern zu klein waren.

Und dann dieses verstörende Gefühl, als sie ihre Hand nach irgendetwas ausstreckte, und er dasselbe tat, und sich ihre Finger versehentlich berührten …

Und plötzlich ertönte in dem lauschigen Garten dezente Musik. Keine schmalzige Variante von ’O sole mio, sondern die verführerisch raue Jazz-Stimme von Norah Jones, die eine verlorene Liebe beklagte.

„Giovanni weiß, dass Norah Jones eine meiner Lieblingssängerinnen ist“, sagte Nick mit einem leichten Lächeln, und in dem Moment war sich Chloe ganz sicher, dass sie diesen Mann völlig falsch beurteilt hatte. Er stand auf und hielt ihr die Hand entgegen. „Möchten Sie tanzen?“

Sie wusste, die richtige Antwort wäre ein Nein, aber vielleicht gab es heute Nacht gar keine richtigen Antworten. Also nahm sie seine Hand, ließ sich in seine Arme ziehen, und als sie an seiner Brust lag, fühlte sie, wie ihr Herz aufgeregt flatterte.

Seine Lippen lagen auf ihrer Schläfe, ihre an seinem Hals. Nach einer Weile tanzten sie nicht mehr, sondern wiegten sich in ihrem ganz eigenen Rhythmus. Und als Chloe zu Nicolas aufschaute, konnte er nicht anders, als sie zu küssen.

4. KAPITEL

Was war aus dem oberflächlichen Flirt geworden?

Er hatte Chloe bewusst herausgefordert, doch plötzlich ging es um etwas ganz anderes. Was jetzt zählte, waren ihre weichen Lippen unter seinen. Ihr süßer Atem, der seine Lungen füllte. Allein das war seine Realität.

„Nick …“, murmelte sie mit bebender Stimme. „Nick, ich kann nicht …“

Er umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen, eroberte erneut ihren wundervollen Mund mit einem Hunger, dem sie nur kurz widerstand, um sich gleich darauf mit einem leisen Seufzer zu ergeben.

Ihren aufregenden, nachgiebigen Körper so dicht an seinem zu spüren, machte ihn völlig schwach.

„Chloe …“, raunte er heiser und zog sie noch dichter an sich heran, eine Hand in ihrem seidigen Haar vergraben, die andere lag unten auf ihrem Rücken. Als sie sich auf die Zehenspitzen stellte und die Arme um seinen Hals legte, ließ er beide Hände tiefer wandern, umfasste ihren runden Po und hob sie zu sich hoch.

Sobald sie seine erwachte Männlichkeit spürte, keuchte Chloe unterdrückt auf, und Nick stellte mit Genugtuung fest, dass sie sexuell ebenso erregt war wie er. Ihr Duft war berauschend, und als sie sich bewegte und er ihren schlanken, warmen Körper so dicht an seinem spürte, entrang sich ihm ein dumpfes Stöhnen. Er war nahe daran, seine Selbstkontrolle zu verlieren, und so etwas war ihm, trotz all seiner Erfahrung mit dem anderen Geschlecht, noch nie zuvor passiert.

Und das war gefährlich, denn er hatte viel zu verlieren …

Doch die Begierde, diese Frau ganz sein werden zu lassen, war einfach übermächtig. Fiebrig flüsterte er ihren Namen, und seine Küsse wurden immer heißer und verlangender. Sie waren zwar allein in dem kleinen Garten. Doch jede Sekunde konnte sie jemand überraschen.

Das Irritierende war, dass es ihn nicht im Mindesten störte. Nick wurde nur noch von einem Gedanken beherrscht … wann würde diese schöne Fremde namens Chloe endlich ihm gehören?

Ohne voneinander zu lassen, bewegten sie sich immer weiter in den dunklen Baumschatten.

Nicolas wollte mehr, viel mehr. Er wollte sie nackt unter sich haben, ihre schlanken Beine um seine Hüften spüren, ihren geschmeidigen Körper zu sich aufheben und sich ganz tief fallen lassen … tiefer und tiefer …

Ihre Hände waren unter seiner Jacke, seinem Hemd. Nicolas stöhnte wollüstig auf, küsste ihre zarte Kehle, den Ansatz ihrer Brust. Dann umschloss er durch die dünne Seide ihres Kleides eine steil aufgerichtete Brustspitze mit den Lippen, und als er ihre atemlosen kleinen Seufzer hörte, hob er Chloes Kleid an … höher und höher, bis über ihren Kopf, umfasste ihre Hüften und drängte sich verlangend an sie.

Jetzt! dachte er, jetzt … endlich!

Eine plötzlich aufkommende kühle Brise ließ die Windspiele so stark läuten, dass sogar die dezente Hintergrundmusik übertönt wurde. Chloe zuckte in seinen Armen zusammen, als hätte sie das Geräusch aus einem tiefen Traum geweckt.

„Nein!“, stieß sie voller Panik hervor, und als er ihr Gesicht umfasste, um sie erneut zu küssen, trommelte sie mit den Fäusten gegen seine Brust. „Nein!“, sagte sie noch einmal heiser, und Nick gab auf. Mit einem tiefen Atemzug lehnte er seine Stirn gegen ihre.

„Verzeih“, murmelte er rau. „Ich hätte das nicht …“

„Es ist nicht dein Fehler“, unterbrach sie ihn hastig. „Ich hätte gar nicht erst mitkommen dürfen.“ Ihre Stimme zitterte ebenso heftig wie ihr ganzer Körper. „Ich hätte das nicht zulassen dürfen, Nick.“

„Nicolas, nenn mich Nicolas.“ Plötzlich war es ungeheuer wichtig, seinen richtigen Namen von ihren Lippen zu hören.

„Nicolas, wir können nicht … wir dürfen nicht …“

„Sag das bitte nicht“, bat er und küsste sie fest auf den Mund.

„Aber es ist die Wahrheit. Wir …“

„Glaubst du an Schicksal, Chloe?“

„Ich glaube daran, dass Dinge richtig oder falsch sind.“ Sie schluckte heftig. „Und dies hier … ist falsch.“

„Ach, zur Hölle!“, explodierte er unerwartet. „Ich will mit dir schlafen. Und du willst es auch. Nein, schüttele jetzt nicht den Kopf, denn damit belügst du mich und dich selbst.“ Er beugte sich so weit herab, dass er ihr direkt in die Augen schauen konnte. „All dieses Getue auf dem Ball, und später in der Limousine … wir haben das Unvermeidliche doch nur aufgeschoben.“

Chloe zitterte so heftig, dass er stützend ihre Oberarme umfasste. „Lieber Himmel!“, flüsterte sie. „Was tue ich hier …?“

Nick hätte darauf ein Dutzend Antworten parat gehabt, all die Lügen, die clevere Liebhaber für ihre potenziellen Gespielinnen bereithielten, doch irgendetwas sagte ihm, dass diese Frau die Wahrheit verdiente.

„Wenn ich nur selbst wüsste, was wir beide hier tun!“, sagte er mit einem kleinen Lachen. „Allerdings bin ich mir sicher, dass ich gerade jetzt nirgendwo anders auf der Welt sein möchte.“

Chloe starrte ihn an und fuhr selbstvergessen mit der Zungenspitze über die volle Unterlippe. „Daraus kann nichts entstehen, Nicolas, das ist dir doch klar?“

„Ja, ich weiß.“ Er hob ihr Gesicht an und wischte mit dem Daumen zärtlich ein paar Tränen von ihren Wangen. „Aber ich weiß auch, dass ich dich heute Nacht nicht gehen lassen kann.“

Das wollte Chloe auch gar nicht, wenn sie sich gegenüber ehrlich war. Aber was war der richtige Weg? Wie sollte sie sich verhalten? Nicolas Karrier war ein Fremder. Sie würde ihn nach heute nie wiedersehen … weil sie zurück nach Hause fahren musste, um den Mann zu heiraten, den ihr Vater für sie ausgewählt hatte. Der Brief, in dem sie ihm ihre Zustimmung signalisierte, war bereits unterwegs.

„Nein“, sagte sie traurig. „Du verstehst nicht. Ich … ich habe Verpflichtungen …“

„Genau wie ich“, erwiderte er dumpf. „Vielleicht ist deshalb diese Nacht so wichtig, weil es das Einzige ist, was uns voneinander bleiben wird.“

Chloe legte zärtlich einen Finger auf seinen wundervoll geschnittenen Mund und dachte an das, was vor ihr lag – ein Leben voller Pflichten und Verantwortung. Ein ganzes Leben voller Nächte ohne Leidenschaft …

„Chloe …“, raunte er sehnsüchtig gegen ihre rosa Fingerspitze. „Chloe, komm mit zu mir nach Hause.“ Und dann küsste er sie mit einer Inbrunst, die alle Zweifel in ihrem Innern auslöschte. Als sich ihre Lippen voneinander lösten, legte Nicolas den Arm um Chloe und führte sie hinaus aus dem Garten.

5. KAPITEL

Nicolas Wagen wartete auf sie.

„Nach Hause“, befahl er dem Chauffeur, dann drückte er einen Knopf und zwischen der Fahrerkabine und dem Fond erhob sich lautlos eine dunkle Rauchglasscheibe, die ihnen etwas mehr Privatsphäre gab.

Nicolas sah erneut einen Hauch von Zweifel in Chloes wundervollen Augen aufblitzen. Es gab nur einen Weg, ihre Vorbehalte auszulöschen. Behutsam zog er sie zunächst in seine Arme, dann auf seinen Schoß. Er küsste ihre Augenlider, die Schläfen … den Mund und schwor sich insgeheim, nicht weiter zu gehen, bis sie im Penthouse und in seinem Bett waren.

Aber wie sollte er sich davon abhalten, einen dünnen Spaghettiträger zur Seite zu schieben und die zarte Haut darunter mit den Lippen zu berühren? Wie schaffte er es, seine Hand nicht unter ihr Kleid gleiten zu lassen? Die Haut oberhalb des winzigen Slips fühlte sich so heiß und seidig an, und das Gefühl, wenn sie erbebte und leise gegen seinen Mund seufzte, war einfach nicht zu beschreiben.

Auch er fühlte die wohligen, sanften Schauer auf seinem ganzen Körper.

Um diese Stunde war kaum Verkehr auf der Straße, sodass sie ihr Ziel glücklicherweise schnell erreichten. Dafür erschien Nicolas die Fahrt im Aufzug schier endlos. Nimm sie auf der Stelle, verlangte sein siedendes Blut, doch ein kleiner, noch funktionierender Teil seines Hirns erinnerte ihn daran, dass ihnen noch die ganze Nacht gehörte. Und dass diese Frau seine ganz besondere Aufmerksamkeit verdiente.

So hielt er sich zurück und begnügte sich mit leidenschaftlichen Küssen und bedachten Streicheleinheiten. Er wisperte ihr ins Ohr, wie atemberaubend schön und sexy sie sei, und was er alles mit ihr anstellen wollte, wenn sie endlich in seinem Penthouse waren.

Sanftes Mondlicht schien durch die verglaste Wand des riesigen Wohnzimmers, und ließ Chloes fein geschnittenes Gesicht wie das einer blonden Madonna aussehen. Nicolas legte die Hände auf ihre Schultern, strich zärtlich über die nackten Arme. „Du bist wunderschön“, sagte er sanft.

Chloe zitterte am ganzen Körper wie Espenlaub. Nie zuvor hatte sie derart heftig empfunden. Es war, als stünde die Zeit still, als habe die Welt aufgehört, sich zu drehen und alles warte darauf, was als Nächstes passierte.

„Nicolas …“ Ihre Stimme schwankte verdächtig. „Ich bin normalerweise nicht …“

„Du musst mir gar nichts sagen, Sweetheart. Ich weiß, dass du so etwas sonst nicht tust. Einfach einem Mann zu folgen, den du gar nicht kennst.“

„Ja, aber da ist noch mehr. Du solltest wissen …“

„Ich weiß, ich weiß …“, murmelte er ungeduldig, verschloss ihren Mund mit seinen Lippen, schwang Chloe auf seine Arme und trug sie ins Schlafzimmer hinüber.

Und ab diesem Moment zählte nichts anderes mehr …

Als Nicolas sie vor dem Bett absetzte, hielt er Chloe so fest an sich gepresst, dass ihr kein Muskel und keine Wölbung seines durchtrainierten Körpers verborgen blieben. Was für ein berauschendes Gefühl, seine maskulinen Formen so dicht an ihren zu spüren.

Lust und Begehren schlugen wie mächtige Meereswogen über ihr zusammen.

Es war gut und richtig, dass sie hier war, in einem Kokon außerhalb von Raum und Zeit. Und die Erinnerung an diese magische Nacht würde sie für immer in ihrem Herzen bewahren.

Nicolas entledigte sich mit ungeduldigen Bewegungen zuerst seines Jacketts, dann der Krawatte und ließ alles auf den Boden fallen, ohne Chloe auch nur für eine Sekunde aus den Augen zu lassen.

War der nächste Schritt ihrer?

Chloe atmete einmal tief durch, hob die Arme, um den Reißverschluss ihres Kleides zu öffnen, doch Nicolas stoppte sie.

„Warte, ich möchte dich ausziehen.“

Seine Stimme klang rau, dunkel und unglaublich sexy. Er trat hinter sie, und als Chloe seine Finger auf ihrer Haut spürte, neigte sie den Kopf und hob die langen blonden Locken an. Nicolas stöhnte auf und küsste verlangend ihren Nacken.

„Chloe …“, sagte er. Nur das, aber nie zuvor hatte sie jemand ihren Namen in dieser Art aussprechen hören.

Langsam zog er den Reißverschluss herunter. Die glatte Seide war wie ein kühler Hauch auf ihrer brennenden Haut, als sie lautlos zu Boden glitt. Alles, was sie jetzt noch trug, waren die sexy Dessous, die ihre Agentur speziell zu diesem Kleid ausgesucht hatte. Ein blassblauer Spitzen-BH, ein gleichfarbiger Tanga und hauchzarte, halterlose Strümpfe. Und immer noch die mörderisch hohen Stilettos.

Langsam drehte Nicolas sie zu sich herum, und der Ausdruck auf seinem Gesicht ließ ihren Atem stocken.

„Nicolas“, flüsterte sie unsicher, doch als er sie in seine Arme schloss und sie küsste, wusste Chloe, dass es das war, worauf sie ihr Leben lang gewartet hatte. Dieser Moment, und dieser Mann.

Ganz behutsam entkleidete er sie und umschloss mit seinen warmen Händen, besitzergreifend und beschützend zugleich, ihre runden Brüste. Als er die rosa Knospen mit seinen Daumen reizte, stieß sie einen kleinen Schrei der Überraschung aus.

„Du bist so bezaubernd, Sweetheart“, murmelte er heiser. „So unbeschreiblich schön.“ Sanft bettete er sie in die weichen Kissen und legte sich daneben. Chloe war jetzt ganz nackt, und er noch immer angezogen. Der Kontrast war geradezu schockierend erotisch. Mit Bedacht erforschte er jeden Zentimeter ihres atemberaubenden Körpers und beobachtete ihr Mienenspiel, während ihre schlanke, biegsame Gestalt unter seinen geschickten Händen zum Leben erwachte.

Chloe schloss die Augen, ihr Kopf fiel in die Kissen zurück, und ihr lustvolles Stöhnen kostete Nicolas fast seine mühsam aufrechterhaltene Selbstbeherrschung.

„Was …?“, fragte er heiser. „Was ist? Willst du mehr?“

Wieder reizten seine Finger verborgene Stellen, von denen Chloe bisher gar nichts gewusst hatte. Mit einem unterdrückten Laut wölbte sie sich ihm entgegen.

„Sag es!“, drängte er.

„Dich, Nicolas …“, seufzte sie. „Ich will nur dich.“

Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, sich auch seiner Kleidung zu entledigen, was Nicolas voller Ungeduld tat und sich gerade so viel Zeit nahm, ein Kondom überzustreifen. Chloe hieß ihn mit weit geöffneten Armen willkommen, und als sie ihn mit ihren langen Beinen umschlang, entrang sich ihm ein unartikulierter Laut.

Und dann eroberte er voller Hunger und Leidenschaft zunächst ihren süßen Mund und dann den willigen Körper. Ihre leisen Seufzer feuerten ihn an und ließen ihn jegliche Zurückhaltung vergessen. Mit aller Gewalt konnte er sich nicht länger beherrschen.

Doch als Chloes heiserer Schrei an sein Ohr drang, eine Mischung aus Schmerz und Lust, gefror sein Körper zu Eis.

„Chloe!“, stöhnte er entsetzt.

„Nicolas …“, flüsterte sie und bäumte sich ihm entgegen.

Damit war es endgültig um ihn geschehen. Es gab kein Zurück mehr. Für sie beide nicht. So akzeptierte Nicolas ihr Geschenk und nahm an, was er noch nie von einer Frau bekommen hatte … ihre Jungfräulichkeit.

6. KAPITEL

„Warum hast du es mir nicht gesagt?“ Nicolas’ Stimme war tief und rau.

Ihre Blicke trafen sich. Chloe fühlte heiße Röte in ihre Wangen steigen und wollte sich wegdrehen, doch das ließ Nicolas nicht zu, sondern zog sie noch dichter an sich heran.

„Du hättest es mir sagen müssen“, warf er ihr sanft vor. „Dann hätte ich alles in meiner Macht Stehende getan, dir keinen Schmerz zuzufügen.“

„Du hast mir nicht wehgetan. Was da passiert ist … was wir getan haben, war einfach wundervoll.“

Sein Lächeln war das eines Mannes, der unendlich befriedigt war. „Ja, das stimmt. Du hast mir damit eine große Ehre erwiesen, Sweetheart.“

Ihre weichen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, als er sie küsste. „Es freut mich, dass du so denkst.“ Der Kuss wurde leidenschaftlicher, und Chloes Atem beschleunigte sich. Sanft nahm Nicolas ihre Hände in seine, führte sie über ihren Kopf und beugte sich herab.

„Nicolas …“, seufzte Chloe glücklich, dann war keine Zeit mehr für Worte.

Und dieses Mal war ihr Liebesspiel unendlich viel bedachter und noch genussvoller, obwohl beide das nicht für möglich gehalten hatten.

Die ganze Nacht über schlief sie glücklich und entspannt in seinen Armen.

Zweimal waren sie zwischendurch wach geworden und hatten ihre ebenfalls wieder erwachte Leidenschaft gestillt. Doch als Chloe am Morgen die Augen aufschlug, war sie allein.

Was nun? Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, ob es eine Art „Der-Morgen-danach-Protokoll“ gab.

Alles, woran sie denken konnte, war, wie sie am schnellsten und unauffälligsten hier wegkommen würde. Wenn sie Glück hatte, blieb es ihr vielleicht sogar erspart, dem Fremden, mit dem sie die ungewöhnlichste Nacht ihres Lebens verbracht hatte, noch einmal von Angesicht zu Angesicht zu begegnen. Nicht, dass sie prüde war oder ihre Jungfernschaft gehütet hätte wie einen Schatz. Obwohl es früher ein ehernes Gesetz in Calista war, dass Frauen unberührt in die Ehe gehen mussten. Doch auch in ihrer Heimat, wie im Rest der Welt, hatte sich in dieser Hinsicht einiges geändert.

Trotzdem war Chloe mit einem Teil ihres Verstandes und ihres Herzens immer noch der Überzeugung, dass Sex – und nichts anderes hatte sie heute Nacht mit Nicolas Karrier verbunden – auch etwas mit Liebe zu tun haben sollte.

Immer noch konnte sie nicht verstehen, wie alles so schnell gekommen war.

An die Zahl der Männer – gut aussehende, charmante Männer – die jegliche Anstrengung unternommen hatten, sie in ihr Bett zu locken, konnte sie sich kaum erinnern. Sie durchweg abzuweisen, war für Chloe schon fast zu einer Art Sport geworden.

Kein Einziger von ihnen hatte echtes Interesse in ihr wecken können.

Und dann tauchte Nicolas Karrier auf und behielt auch noch recht mit dem, was er sagte – diese sexuelle Spannung zwischen ihnen, das heiße Begehren … es war von der ersten Sekunde an dagewesen. Die Erkenntnis war verstörend, wenig hilfreich, und unsinnige Selbstanalysen waren schon gar nicht angebracht, weil er jeden Moment wieder auftauchen konnte.

Mit einem leisen Seufzer verließ Chloe das Bett. Ihre Kleidung war zerknittert, doch sie versuchte, nicht daran zu denken, wie das zustande gekommen war. Rasch zog sie den Tanga an, ließ die Strümpfe weg und schlüpfte in ihre High Heels.

„Guten Morgen.“

Chloe fuhr herum und kreuzte unwillkürlich die Arme vor der Brust. Nicolas lehnte in gleicher Haltung im offenen Türrahmen. Ihr Herz pochte wie verrückt. Nicolas sah einfach umwerfend aus. Das dunkle Haar noch feucht vom Duschen, und zu engen, verblichenen Jeans trug er einen schwarzen, langärmeligen Pullover.

„Hast du gut geschlafen?“

„Ich … ja, danke.“

„Ich hatte Angst, dich aufzuwecken.“

„Hast du nicht.“ Sie zwang sich ein Lächeln ab. „Ich … ich habe es nicht einmal mitbekommen, als du aufgestanden bist.“

Er stieß sich am Türrahmen ab und kam, geschmeidig wie eine gefährliche Raubkatze auf sie zu. Dicht vor ihr blieb er stehen und ließ seinen Blick genüsslich über ihren schlanken Körper wandern.

„Was ich meinte, war, dass ich nicht anders gekonnt hätte, als dich zu wecken, wenn ich auch nur eine Minute länger im Bett geblieben wäre, Sweetheart.“

„Nicolas! Ich denke … ich glaube nicht …“

Sanft umfasste er ihre Hände und zog sie zur Seite, sodass sich ihm ihre perfekt geformten Brüste wie kleine Kostbarkeiten darboten. Das Seidenkleid entglitt Chloes kraftlosen Fingern und fiel wie ein welkes Blatt zu Boden.

„Du bist wunderschön“, sagte er sanft.

„Nicht!“

„Nicht was?“, fragte er leise und suchte ihren Blick. „Soll ich dir nicht die Wahrheit sagen?“

„Nein, ich meine …“ Chloe befeuchtete ihre trockenen Lippen mit der Zungenspitze „… ich kann mit derartigen Situationen nicht umgehen. Ich weiß, wie dumm sich das anhören muss, aber …“

Wortlos zog Nicolas sie an sich und küsste sie zärtlich und verlangend auf den Mund. Zunächst blieb Chloe zurückhaltend, dann schmolz sie förmlich in seinen Armen und erwiderte den Kuss voller Leidenschaft.

„Was ich dir in der letzten Nacht gesagt habe, meinte ich wirklich so, agapi mou. Ich betrachte deine Unschuld als kostbares Geschenk. Dafür musst du dich nicht entschuldigen.“

Chloe blinzelte. „Wie hast du mich gerade genannt?“

Nicolas versteifte sich, und auf seiner dunklen Wange begann ein Muskel zu zucken. „Das ist nur eine Art von Liebkosung.“

„Ja, ich weiß, aber … sprichst du Griechisch, Nicolas?“

Nach einem kaum merklichen Zögern zuckte er achtlos die Schultern. „Ja.“

Fast hätte Chloe ihm gesagt, dass sie ebenfalls diese Sprache beherrschte, doch das hätte vielleicht Fragen provoziert, die sie nicht bereit war zu beantworten. Auf keinen Fall wollte sie hier und jetzt auch noch Geheimnisse über ihr Leben preisgeben. Ihr wahres Leben! Das würde sie ohnehin sehr bald einholen!

„Hey …“, murmelte Nicolas und strich ihr nachlässig mit einem Finger über die Wange. „Wo ist dein bezauberndes Lächeln geblieben?“

Sofort zwang Chloe es auf ihre Lippen zurück. „Ich … war nur kurz abgelenkt. Aber jetzt muss ich mich endlich anziehen.“

„Warum?“

„Warum?“ Sie lachte verlegen. „Na, ich bin …“

„Nackt?“ Seine Stimme war sehr tief und rau. „Oder zumindest halbnackt … und einfach unwiderstehlich …“

Unter seinem begehrlichen Blick schien sich ihr Blut in flüssige Lava zu verwandeln, doch das durfte sie nicht zulassen. Schlimm genug, dass sie sich in der letzten Nacht von ihren Sehnsüchten hatte treiben lassen. Der Garten … der Mond … die leise Musik …

Jetzt war es etwas anderes. Es war Tag, und mit einem klaren Kopf war jeder Gedanke an Sex völlig abwegig.

Doch als Nicolas sie erneut küsste, zögerte sie nicht, seinen Kuss zu erwidern und lustvoll zu vertiefen. Ohne sich von ihren Lippen zu lösen, nahm er sie auf die Arme und trug sie hinüber zum Bett …

7. KAPITEL

Sie liebten sich … und sie schliefen eng aneinandergeschmiegt. Sie wurden wach, liebten sich erneut, doch als Chloe sich diesmal zufrieden an ihn kuschelte, lachte Nicolas nur leise, küsste sie aufs Ohrläppchen und sagte, es sei Zeit aufzustehen.

„Mmm …“, machte Chloe schlaftrunken und gähnte.

Nicolas grinste. „Okay, du lässt mir keine Wahl.“ Mit einem Satz war er aus dem Bett, beugte sich über sie und hob sie auf die Arme.

„Hey, was soll das?“, protestierte sie lautstark und versuchte vergeblich freizukommen.

Was Nicolas mit ihr vorhatte, wusste sie in dem Moment, als er aufs Bad zusteuerte. Aber alles Flehen und Schimpfen half nichts. Ohne zu zögern, betrat er die verglaste Duschkabine und drehte das Wasser an.

„Nicolas! Das ist … eiskalt!“, japste Chloe entsetzt.

„Aber effektiv!“

„Das werde ich dir heimzahlen!“

Er lachte kehlig. „Ich nehme das als Versprechen, Sweetheart.“

Jetzt lachte auch Chloe und schmiegte sich eng an seine Brust. Das Wasser wurde langsam warm und fühlte sich ganz wundervoll auf der Haut an. Aber nicht so wundervoll wie Nicolas’ starke Arme. Chloe schloss die Augen und reckte ihr Gesicht mit einem zufriedenen Seufzer dem sanften Duschstrahl entgegen.

„Mmm, einfach fantastisch …“

„Absolut fantastisch“, murmelte er heiser.

Sie lächelte. Natürlich meinte er damit nicht das warme Wasser … und sie ebenso wenig …

Es dauerte eine ganze Weile, bis sie die Duschkabine wieder verließen. Nicolas als Erster, nach einem letzten, zärtlichen Kuss. Er würde für sie etwas auf dem Bett hinterlassen, ehe er Kaffee für sie beide holte, raunte er Chloe ins Ohr.

Anstatt sich darüber zu freuen, fühlte sie sich schlagartig ernüchtert.

Sexuell gesehen mochte sie ja ein Spätzünder sein, deshalb war sie noch lange keine Idiotin. Darüber, dass hier bereits etliche seiner Geliebten übernachtet hatten, machte sie sich gar keine Illusionen, aber der Gedanke, etwas von ihren Hinterlassenschaften tragen zu sollen, brachte Chloe ziemlich abrupt aus dem siebten Himmel auf den Boden der Realität zurück.

Falsch!

Was sie auf dem Bett vorfand, nachdem sie das Bad nur zögernd verlassen hatte, war ein riesiger weicher Frottee-Bademantel. Erleichtert kuschelte sie sich hinein und schnupperte beglückt, als ihr ein Duft in die Nase stieg, der sie an Nicolas erinnerte. Mit beiden Händen lockerte sie ihr feuchtes Haar auf, das sich ohne den Einfluss von Conditioner und Gel bereits wild zu locken begann.

Dann folgte sie ihrer Nase in Richtung der Küche, wo Nicolas an einer dampfenden Espressomaschine stand. Als sie eintrat, lächelte er ihr zu.

„Ich überlege gerade …“

„Was?“

„Wie deine Pläne für heute aussehen mögen.“

„Oh.“ Eine sehr höfliche Umschreibung für den Hinweis, dass es langsam an der Zeit war, zu gehen. Natürlich! Das typische Am-Morgen-danach-Ding! „Tja, ich habe auf jeden Fall eine Menge zu erledigen“, behauptete Chloe so überzeugend wie möglich.

„Zum Beispiel?“

„Oh … einkaufen. Ich bin erst letzte Woche in mein Apartment …“

„Was einkaufen?“

Was? Lieber Himmel!

„Tja, Lebensmittel … Kaffee, Sachen …“ Sein aufmerksamer Blick brachte sie völlig durcheinander. „Ist doch auch egal“, erklärte sie brüsk. „Je eher ich mich auf den Weg mache …“

„Bei Zabar’s bekommst du den besten Kaffee.“

„Prima, danke für den Tipp. Ich werde …“

Nicolas beugte sich vor und erstickte, was immer Chloe noch sagen wollte, mit einem Kuss, der sie so atemlos machte und aufrüttelte, dass sie nicht anders konnte, als einfach mit der Wahrheit herauszurücken.

„Nicolas, ich bin nicht erfahren in solchen Dingen, wie du weißt. Deshalb verstehe ich dieses Spielchen auch nicht. Erst signalisierst du mir, dass ich am besten gleich gehen soll, dann …“

„Das habe ich nie gesagt.“

„Doch, hast du. Vielleicht nicht offen heraus, aber ich kann sehr wohl auch zwischen den Zeilen lesen und …“

„Ich fahre dich zu Zabar’s.“

„Wie bitte?“

„Ich sagte … ach was!“ In einer spontanen Geste legte er die Arme um ihre schmale Taille und lächelte. „Wir gehen natürlich auch shoppen, wenn du das möchtest. Aber eigentlich dachte ich eher an ein romantisches Picknick im Central Park. Wenn du allerdings unbedingt einkaufen musst …“

Chloe blinzelte. „Soll das heißen, dass du diesen Tag mit mir verbringen willst?“

So war es tatsächlich. Und das überraschte Nicolas ebenso sehr, wie es offenkundig sie überrascht hatte.

Er war eigentlich kein Freund vom sogenannten Morgen danach. Und erst recht nicht, vom Tag danach. Und, um bei der Wahrheit zu bleiben, hatte er bisher immer schon ein Problem gehabt, wenn eine Frau die ganze Nacht über bleiben wollte.

Doch in Chloes Armen einzuschlafen, war ihm wie die natürlichste Sache der Welt erschienen. Und mit ihr an seiner Seite aufzuwachen, das war … eigentlich ganz okay gewesen.

Besser als nur okay. Es war wie im siebten Himmel …

Und was sein Verlangen betraf, den ganzen Tag mit ihr zu verbringen … sein Leben stand kurz davor, eine Hundertachtzig-Grad-Wendung zu vollziehen. Was sprach dagegen, bis dahin einmal etwas ganz Neues auszuprobieren?

Dass er bisher noch nie den Wunsch verspürt hatte, vierundzwanzig volle Stunden mit einer Frau zu verbringen, war nicht von Bedeutung.

Warum, zur Hölle, versuchte er überhaupt, ein derart nebensächliches Thema zu Tode zu analysieren?

„Ja“, sagte er fest. „Genau das möchte ich tun.“ Dann lächelte Nicolas und streckte die Hand aus. „Na, was ist? Hast du auch Lust, den Tag mit mir zu verbringen, agapi mou?“

Wie gern würde sie Ja sagen! Aber wie konnte sie das? Je mehr Zeit sie mit diesem Mann verbrachte, desto schwerer würde es ihr hinterher fallen, ihn zu vergessen. Nicht, das sie ihn wirklich vergessen wollte! War sie nicht genau deshalb überhaupt letzte Nacht mit ihm gegangen … um Erinnerungen zu haben, die für ein ganzes Leben ausreichen mussten?

„Chloe?“

Gepeinigt schloss sie die Augen … und öffnete sie wieder. Dann schaute sie zu seinem markanten Gesicht auf und fühlte, wie ihr Herz sich zusammenzog.

„Ein reizvoller Vorschlag, aber …“

„Aber?“

„Aber ich kann nicht. Ich kann das unmöglich tun. Ich meine, letzte Nacht war …“

„Einfach wundervoll, nicht wahr?“

„Ja. O ja, das war sie wirklich.“

„So wie der heutige Morgen.“ Sanft fuhr er mit den Lippen ihre Kehle entlang bis zu der kleinen Kuhle, wo sie am empfindlichsten war, wie er inzwischen wusste. Und wie Chloe es auch erst in der letzten Nacht verwundert festgestellt hatte.

„Ja … auch das war wundervoll, aber …“

Und dann küsste er sie. Es waren kleine, bedachte Küsse, die Hunger auf mehr machten. Chloe seufzte und lehnte sich voller Sehnsucht gegen ihren Geliebten.

„Aber?“, drängte er.

„Aber ich kann unmöglich in dem Kleid von gestern Abend zu einem Picknick in den Park gehen …“, murmelte sie und wusste, dass dies einer Kapitulation gleichkam.

8. KAPITEL

Beide genossen sie das Picknick in vollen Zügen.

Käse und knuspriges Baguette, dazu eine Flasche gut gekühlter Weißwein von einem Delikatessen-Shop in der Nähe.

Und sie redeten miteinander. Über alles und nichts.

Nie zuvor hatte sich Nicolas in der Gesellschaft einer Frau so entspannt und wohlgefühlt, aber Chloe war ja auch nicht irgendeine Frau!

Sie erzählte ihm, dass sie als kleines Mädchen eine eigene Katze hatte. Das lebhafte Minenspiel auf ihrem ungeschminkten Gesicht faszinierte und rührte ihn gleichermaßen. Ihre blonden Locken, die heute wild und ungezähmt über die Schultern fielen, zogen immer wieder seinen Blick an. Im Gegensatz zu ihrem sexy Outfit vom vorangegangenen Abend trug Chloe jetzt enge Jeans und Sandalen zum pinkfarbenen T-Shirt.

Sie sah darin so hinreißend jung und unbeschwert aus, dass sich Nicolas wie ein sechzehnjähriger, komplett von seinen Hormonen gesteuerter Teenager fühlte, anstatt wie ein erwachsener und erfahrener Mann von dreißig Jahren.

Sie waren in seiner Limousine zu Chloes Apartment gefahren, einer schlichten Etagenwohnung, die sie mit zwei Model-Kolleginnen teilte, die beide zurzeit nicht in der Stadt waren. Keine schlechte Sache, dachte Nicolas, der Chloe ohne Umstände in das briefmarkengroße Schlafzimmer folgte.

Es bedurfte nicht mehr, als dass sie versuchte, den Reißverschluss ihres Kleides im Rücken zu öffnen, und das Verlangen, sie aufs Bett zu werfen und erneut zu verführen, überwältigte ihn.

„Chloe …“, sagte er heiser, und sie eilte ohne zu zögern in seine ausgestreckten Arme. Sie liebten sich im Stehen, so hungrig und heiß, dass Nicolas dachte, sie würden in Flammen aufgehen.

Es war der Sex. Zugegebenermaßen fantastischer Sex, sonst nichts.

Doch glauben konnte er sich selbst längst nicht mehr.

Sie jetzt mit ihren blitzenden Augen vor sich zu sehen und Chloe lachen zu hören, während sie mit Mund und Händen beschrieb, was passierte, als ihre Tante, die an einer Katzenhaarallergie litt, auf eben erwähntes Haustier stieß, machte Nicolas klar, dass es längst nicht mehr nur um Sex ging.

Diese Frau war … etwas ganz Besonderes. Er kannte niemand Vergleichbaren.

Sie versuchte nicht, ihn zu beeindrucken, wie ihre Geschlechtsgenossinnen es durchweg taten. Ihr Auftreten, ihre Konversation und einfach alles an ihr schien geradeheraus und aufrichtig.

Und damit war sie eine Ausnahme, ein kostbarer Solitär zwischen viel billigem Tand. Und es brachte ihn fast um, dass er ihr gegenüber nicht aufrichtig sein konnte. Aber was sollte er ihr sagen, ohne damit die kostbare Zeit und das bisschen Freude zu zerstören, welche ihnen blieb?

Denn genau das müsste er ihr dann auch gestehen. Dass sie einander nie wiedersehen würden, weil er fast schon auf dem Weg in seine Heimat war, um seinem Vater die Regierungsverantwortung abzunehmen.

Und dass er eine Frau heiraten musste, die jedermanns Gefallen fand, außer seinem. Eine Frau, die ganz sicher das genaue Gegenteil von Chloe war. Die ihm, pflichtbewusst und ergeben, die Erben schenken würde, die Karas für den Fortbestand seiner Dynastie brauchte.

„Chloe“, sagte er unvermittelt und viel schärfer als beabsichtigt.

„Ja?“, fragte sie aufgeschreckt und legte unbewusst eine Hand auf ihr Herz, das plötzlich viel schneller schlug. „Tut mir leid. Ich rede und rede …“

„Lass uns weggehen.“

„Wie bitte?“, fragte sie verwirrt.

„Weg!“, wiederholte Nicolas ungeduldig. „Raus aus der Stadt.“ Geschmeidig sprang er auf die Füße, streckte Chloe die Hand entgegen und half ihr auf. „Sag einfach Ja! Bitte, Sweetheart!“, drängte er.

Sie blinzelte. Ständig fuhren Leute von New York aus nach Connecticut, und rüber nach Long Island. Ein paar Stunden mit dem Auto …

„Wie hört sich das für dich an?“, ließ er nicht locker.

In Chloes Hinterkopf schrillte eine Alarmglocke, doch was war schon an einem Ausflug mit dem Auto, im Vergleich zu einer Nacht in Nicolas Karriers Bett?

„Das hört sich ausgesprochen verlockend an“, entschied sie und erntete dafür von Nicolas ein breites Grinsen und einen spontanen Kuss. Gleich darauf zog er sein Handy heraus und ging ein paar Schritte zur Seite. Sie bekam nur das Ende des Gesprächs mit und schnappte etwas auf, das sich anhörte wie: „Okay, dann in einer Stunde am Flughafen …“

Nicolas steckte das Handy wieder ein und griff nach dem Picknickkorb. „Wir müssen uns beeilen“, erklärte er ziemlich kurz angebunden.

„Wir fliegen nach Connecticut?“, fragte Chloe.

Nicolas versuchte gerade, die Picknickdecke mit einer Hand zusammenzulegen und antwortete erst verspätet. „Nicht nach Connecticut …“, murmelte er undeutlich, „… sondern …“ Abrupt richtete er sich auf, funkelte Chloe verschmitzt an und lächelte. „Weißt du was, lass dich einfach überraschen!“

„Wir reisen also mit dem Flugzeug, und wohin ist eine Überraschung …“, resümierte sie gedehnt und überlegte fieberhaft, wie sie mit dieser Aussicht umgehen sollte.

„Exakt!“ Nicolas beugte sich vor, um sie auf die Wange zu küssen, doch Chloe wich ihm aus.

Typisch Mann! dachte sie aufrührerisch. Sie war damit aufgewachsen, dass die Männer um sie herum es als ihr gottgegebenes Recht ansahen, über die Köpfe der Frauen hinweg Entscheidungen zu fällen. Und die Amerikaner schienen darin keinen Deut besser zu sein als die Männer in ihrer Heimat.

Obwohl … Nicolas hatte zwischendurch griechisch gesprochen. Vielleicht war er ja gar kein Amerikaner? Egal, was machte das schon für einen Unterschied?

Okay, sie waren miteinander im Bett gewesen. Aber gab ihm das bereits das Recht, sie zu bevormunden? Das würde ihr ohnehin bald blühen … von ihrem eigenen Ehemann! Der Gedanke ließ ihren Frust in heiße Wut umschlagen.

„Und von mir erwartest du wahrscheinlich, dass ich die Hacken zusammenschlage und salutiere, ob deiner Selbstherrlichkeit!“, platzte sie heraus. „Wenn du das tatsächlich …“

Sie brach ab, als sie sein zunächst erstauntes, dann zerknirschtes Gesicht sah. „Du hast recht, Sweetheart. Ich hätte dich vorher fragen müssen“, sagte er reuig und lächelte um Verzeihung heischend. „Kommst du trotzdem mit mir?“

„Das habe ich bereits einmal getan … gestern Abend“, erwiderte sie spröde und spürte zu ihrer Verwunderung, wie ihre Verärgerung schwand. „Ich kann dich nicht begleiten, Nicolas. Versteh doch, es wäre absolut …“

„Verrückt? Ich weiß …“ Er atmete tief durch, und der flehende Ausdruck in seinen Augen griff ihr ans Herz. „Tu es trotzdem, agapi mou. Sei einfach bei mir. Keine Fragen, keine Erklärungen … nichts und niemand außer dir und mir, an einem Platz, wo der Himmel leuchtend blau und die Sonne strahlend und heiß ist … und wo wir beide ganz allein sind.“

Ohne, dass es ihr bewusst war, liefen salzige Tränen über Chloes Wangen.

Nicolas fluchte unterdrückt, ließ Picknickkorb und Decke auf der Stelle fallen und zog sie in seine Arme. „Verdammt! Ich wollte dich damit doch nicht zum Weinen bringen, Sweetheart!“

„Hast du ja auch gar nicht“, schnüffelte sie. „Es … es hört sich nur alles so an wie ein wunderschöner Traum.“

Der sehr bald enden musste …

Autor

Sandra Marton
<p>Sandra Marton träumte schon immer davon, Autorin zu werden. Als junges Mädchen schrieb sie Gedichte, während ihres Literaturstudiums verfasste sie erste Kurzgeschichten. „Doch dann kam mir das Leben dazwischen“, erzählt sie. „Ich lernte diesen wundervollen Mann kennen. Wir heirateten, gründeten eine Familie und zogen aufs Land. Irgendwann begann ich, mich...
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