Kalte Rache, heißes Verlangen

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Die Frauen wollen nicht ihn, sondern nur sein Geld - glaubt Dominic Moretti. Allein seiner sexy Assistentin Angelina hat er vertraut. Aber ausgerechnet sie verkauft geheime Informationen! Er will sie jedoch nicht feuern, wenn sie sein unmoralisches Angebot annimmt …


  • Erscheinungstag 11.04.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733739805
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Signore Moretti?“, fragte seine Sekretärin, als sie sah, mit welchem Gesichtsausdruck Dominic Moretti das Vorzimmer zu seinem Büro betrat.

Dominic schätzte seine Mitarbeiterin Angelina De Luca sehr. Sie war eine wahre Perle, und er hätte nicht gewusst, was er ohne sie anfangen sollte. Zumal Moretti Motors gerade mit einem besonders großen Problem zu kämpfen hatte. Vor einiger Zeit hatte sich herausgestellt, dass das Mailänder Automobilwerk einen Spion in den eigenen Reihen hatte.

„Nein, Angelina, gar nichts ist in Ordnung“, gab Dominic mit finsterer Miene zurück. „Ich muss Antonio sprechen – sofort. Sehen Sie zu, dass Sie ihn auf der Stelle hierher schaffen. Und noch etwas.“

„Ja, Signore Moretti?“

„Ich habe Sie schon tausendmal gebeten, das Signore Moretti zu lassen. Nennen Sie mich einfach Dominic.“

„Natürlich, Signore Moretti. Aber wenn Sie so ein Gesicht machen wie heute, dann gehe ich lieber auf Nummer sicher.“

„Habe ich Ihnen jemals unrecht getan, Angelina?“

„Nein, noch nie. Ich kann mich wirklich nicht beklagen.“

„Na also.“ Dominic schenkte ihr ein Lächeln.

An Angelina gefiel ihm nicht nur ihre effektive und engagierte Mitarbeit. Wenn es diesen elenden Fluch nicht gegeben hätte, der auf den Morettis lastete, wäre es vielleicht längst nicht bei dieser Art der Wertschätzung geblieben. Es war nicht zu übersehen, dass sie eine äußerst attraktive junge Frau war.

Ob dieser Fluch nun nichts weiter war als ein alberner Aberglaube, oder ob Cassia Festa, die ihn vor langer Zeit gegen die Familie gerichtet hatte, wirklich eine Strega, eine italienische Hexe, war – niemand wusste es so genau. Doch Dominic hielt es nicht für angebracht, es darauf ankommen zu lassen, weil er fand, dass das Risiko zu hoch war. Immerhin stand nichts Geringeres auf dem Spiel als die Existenz von Moretti Motors, einem der bedeutendsten Automobilhersteller des Landes, und damit auch das Wohlergehen der Familie Moretti.

Kurzum besagte der Moretti-Fluch, dass es den Männern der Familie versagt war, gleichzeitig Wohlstand und Glück in der Liebe genießen zu dürfen. Entschieden sie sich für die Liebe, riskierten sie den wirtschaftlichen Niedergang sowohl der Familie als auch des Familienunternehmens. Als Beleg für die Wirksamkeit des Fluchs konnten Dominics Vater Giovanni sowie dessen Vater Lorenzo dienen. Lorenzo Moretti, Dominics Großvater und so etwas wie der Ahnherr der Mailänder Automobildynastie, war trotz seines enormen wirtschaftlichen Erfolgs als einsamer, verbitterter Mann gestorben. Dessen Sohn Giovanni Moretti hingegen lebte bis heute glücklich und zufrieden mit seiner Frau Phila, hatte im Geschäft jedoch alles andere als eine glückliche Hand bewiesen. Aus diesem Grund hatte er sich aus der Leitung von Moretti Motors zurückgezogen, und seitdem hielten Dominic und seine Brüder Antonio und Marco im Unternehmen die Zügel in der Hand. Mit großem Erfolg. Seitdem ging es mit der Firma wieder bergauf, und Moretti fand wieder Anschluss an die Weltspitze, sowohl in der Herstellerbranche als auch im Formel-1-Rennsport. Dominic, Antonio und Marco hatten sich geschworen, diesen Weg zu gehen. Schon als Teenager hatten sie das mit einem Eid bekräftigt, den sie theatralisch mit Blut unterschrieben hatten. Damit hatten sie – so verstand es vor allem Dominic – der Liebe ein für alle Mal abgeschworen.

Dominic Moretti führte ein aufreibendes Leben. Zu seinen Aufgaben gehörten nicht nur die Leitung der Moretti-Werke, sondern auch die Repräsentationspflichten bei den Formel-1-Rennen, sodass er zwischen den verschiedenen Rennstrecken auf der ganzen Welt und Mailand beständig hin- und herpendelte. Als Generaldirektor und Vorstandsvorsitzender der Moretti Motors trug er aktuell zudem noch die Verantwortung für eines der wichtigsten Projekte der letzten Jahre: die Neuauflage eines Sportwagenklassikers aus den späten Sechzigerjahren, des Moretti Vallerio. Von diesem Modell versprachen die Morettis sich einen neuen Schub für den Absatz, um weiter an Boden zurückzugewinnen, den man vor Jahren verloren hatte.

„Kann ich noch etwas für Sie tun?“, erkundigte sich Angelina teilnahmsvoll.

„Nein, lassen Sie nur. Sie haben selbst genug um die Ohren.“ Dominic war in diesen Tagen und Wochen besonders auf seine Sekretärin angewiesen, und er vertraute ihr bedingungslos. Sie sorgte dafür, dass die Organisation aller Projekte reibungslos lief, und hielt ihm damit den Rücken frei, sich um die höchste Priorität, die neuen Probleme im Konzern, kümmern zu können.

Ganz offensichtlich hatte es mehrere Fälle von Werksspionage gegeben. Vor etwa einem Jahr war dieser Verdacht das erste Mal aufgetaucht. Denn plötzlich hatten sich die gerade bei Moretti Motors entwickelten technischen Neuerungen und Verbesserungen bei ihrem schärfsten Konkurrenten, dem britischen Hersteller ESP, wiedergefunden. Zunächst waren es nur einzelne Details gewesen, aber inzwischen hatten diese Vorkommnisse einen derart großen Umfang angenommen, dass es unmöglich war, noch länger an Zufälle zu glauben. Für die Moretti-Brüder stand zweifellos fest, dass es einen Verräter in den eigenen Reihen geben musste. In letzter Zeit war es ihnen auch gelungen, den Kreis der Verdächtigen allmählich einzugrenzen. Dabei führten die Spuren eindeutig in die Moretti-Chefetage.

Dominics jüngster Bruder Marco war selten in Mailand, weil er für Moretti die Formel-1-Siege einfuhr. Seit der vorletzten Saison hatte er eine beeindruckende Serie von Erfolgen abgeliefert. Antonio, der Zweitälteste, war weitgehend mit den Verhandlungen mit der Familie Vallerio und dessen Unternehmen in Paris ausgelastet, denn denen gehörten immer noch die Rechte an dem Namen Vallerio. Und ohne die Namensrechte konnte man den neuen Vallerio nicht auf den Markt bringen. Dabei gestalteten sich die Verhandlungen mit den Franzosen als äußerst zäh und schwierig. So war Dominic bei der Suche nach dem Werksspion weitgehend auf sich allein gestellt. Doch das war ihm im Grunde auch ganz recht, denn er stellte sich bereits vor, wie er den Übeltäter persönlich erwischen und „frikassieren“ würde, wie er es drastisch ausdrückte.

„Ich sage Signore Antonio sofort Bescheid“, sagte Angelina. „Und noch etwas: Ian Stark hat angerufen. Er hat Ihnen eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen.“

„Danke, Angelina.“

Dominic betrat sein Büro. Seit den Zeiten von Lorenzo Moretti war dieser Raum das Allerheiligste der Firma. Hier hatte schon immer der Schreibtisch des obersten Bosses der Moretti Motors gestanden. Der alte Patriarch Lorenzo Moretti hatte für die Einrichtung keine Kosten gescheut und besonders darauf geachtet, dass man bereits beim Betreten seines Büros merkte, dass man sich hier im Zentrum der Macht befand.

Während er zu seinem Schreibtisch ging, warf Dominic nachdenklich einen Blick auf das große, in Öl gemalte Porträt an der Wand gegenüber. Er war voller Bewunderung für seinen Großvater. Auf dem Bild stand Lorenzo Moretti neben seinem ersten, von ihm selbst entworfenen Rennwagen, mit dem er beim Großen Preis von Italien teilgenommen hatte. Die späteren Erfolge bei den Rennen hatte er gemeinsam mit seinem Teamkollegen Pierre-Henri Vallerio errungen, einem der größten Rennfahrer seiner Zeit. Nach ihm war schon der erste Moretti Vallerio benannt worden, jenes sagenhafte Auto, das jetzt neu aufgelegt werden sollte. Daneben war Pierre-Henri Vallerio auch der Gründer der Vallerio Incorporated in Paris, mit der Antonio in diesen Wochen um die Namensrechte rang.

Das Ziel, das sich die jüngste Moretti-Generation gesetzt hatte, nämlich, das Mailänder Werk wieder an die Spitze zu führen, sahen Dominics Brüder Antonio und Marco inzwischen weitgehend als erreicht an. Aber Dominic genügte das nicht. Er wollte mehr. Er wollte, dass sein Unternehmen wieder der Inbegriff für höchste Leistungsfähigkeit, technische Perfektion und Luxus war, wofür der Name Moretti einst unangefochten gestanden hatte. Aber dieses Ziel war nicht zu erreichen, solange es in ihren Reihen jemanden gab, der ihre Produktionsgeheimnisse an die Konkurrenz verkaufte.

Als Antonio an ihrem Schreibtisch in Dominics Vorzimmer vorbeiging, um seinen Bruder zu treffen, begrüßte Angelina ihn wie gewohnt mit einem freundlichen Lächeln. Aber das Lächeln erstarb auf ihren Lippen augenblicklich in dem Moment, als sich die Tür hinter Antonio schloss. Angelina liebte ihre Arbeit bei Moretti Motors. Ganz besonders genoss sie das Privileg, Dominics Sekretärin zu sein. Wie lange ihr diese Stellung jedoch noch erhalten blieb, war ungewisser denn je. Angelina hatte Angst, furchtbare Angst und ein entsetzlich schlechtes Gewissen.

Natürlich war sie unter Druck gesetzt worden. Aber für das, was sie getan hatte und sogar immer noch tat, war sie selbst verantwortlich. Dafür gab es keine Entschuldigung. Ihre Sympathien bei Dominic Moretti hatte sie sich ein für alle Mal verscherzt, wenn sie aufflog. Und das war nur eine Frage der Zeit.

Dabei verehrte sie ihren Chef. Sogar mehr als das. Auch wenn sie es im hintersten Winkel ihres Herzens vor sich selbst verbarg: Sie war in ihn verliebt. Vermutlich wäre es anderen jungen Frauen ähnlich gegangen. Dominic Moretti hatte mehr zu bieten als die meisten anderen Männer. Er nahm eine bedeutende Stellung im Wirtschaftsleben des Landes ein, seine Familie gehörte zu den hundert reichsten Italiens. Dazu war er groß gewachsen, athletisch gebaut, und sein Gesicht war von markanten Zügen geprägt. Kurz gesagt, er hatte einen unglaublichen Sex-Appeal. Jedes Mal, wenn er sie mit seinen dunklen Augen ansah, glaubte Angelina, er könne ihr bis auf den Grund ihres Herzens schauen. Aber anscheinend war das doch nicht der Fall oder er guckte nicht richtig hin, denn bisher war es ihr gelungen, ihr furchtbares Geheimnis vor ihm zu verbergen.

„Angelina?“, hörte sie Dominics Stimme aus der Gegensprechanlage auf ihrem Schreibtisch. „Seien Sie doch bitte so gut und lassen Sie für mich und meine Eltern einen Tisch bei Cracco reservieren.“

„Um welche Zeit? Wäre neun Uhr in Ordnung?“

„Ja, perfekt“, antwortete Dominic.

Nachdem sie die Reservierung mit dem exklusiven Restaurant in der Mailänder City telefonisch abgeklärt hatte, schickte Angelina per E-Mail eine kurze Bestätigung des Termins sowohl an Dominic als auch an seine Eltern.

Angelina kannte Dominic Morettis Leben bis ins Detail. Jedenfalls soweit es sich auf seine Arbeit erstreckte. Aber das machte in seinem Fall kaum einen Unterschied, denn Dominic lebte für den Betrieb.

Diesen Mann, den sie so anbetete, bestahl Angelina seit einiger Zeit regelmäßig. Erst am letzten Sonntag war sie wieder in London gewesen, um sich mit Barty Eastburn, einem der Chefs von ESP, zu treffen und ihm die neuesten Unterlagen über den neuen Vallerio zu übergeben.

Ihr Handy klingelte. Angelina holte es hervor, und ein Anflug von Panik überkam sie, als sie die Nummer auf dem Display erkannte. Es war ihr Bruder. Angelina nahm den Anruf an, ließ dem anderen aber keine Zeit, zu Wort zu kommen. „Renaldo, ich habe dir schon tausendmal gesagt, dass du mich nicht auf der Arbeit anrufen sollst.“ Sie bemühte sich, ihre Stimme so weit wie möglich zu dämpfen.

„Es geht nicht anders, Angie“, antwortete er. „Eastburn war mit der letzten Lieferung gar nicht zufrieden. Er macht mir die Hölle heiß. Wir müssen ihm etwas nachliefern, um ihn zu beruhigen.“

„Renaldo, das geht nicht. Inzwischen wissen sie hier, dass vertrauliche Informationen das Werk verlassen, und jeder steht unter Beobachtung. Ich …“

„Die bringen mich um, Angie. Das ist kein Witz. Ich weiß ja, dass es nicht fair ist, dich schon wieder um Hilfe zu bitten, aber ich weiß mir keinen anderen Rat. Ich hab doch sonst niemanden.“

Angelina kamen die Tränen. Außer ihrem kleinen Bruder hatte sie keine Familie. Ihr kleiner Bruder, in der Tat. Renaldo war zwar nur etwas mehr als ein Jahr jünger als sie, aber er kam ihr noch immer vor wie ein Baby, das man nicht aus den Augen lassen durfte.

„Ich will sehen, was ich tun kann“, gab Angelina seufzend nach. „Hat er gesagt, was er will?“

„Du sollst hierher kommen. Er hat schon ein Ticket auf deinen Namen gebucht.“

Angelina war verzweifelt. Lange konnte das nicht mehr gut gehen. Dass ihr Bruder in Lebensgefahr schwebte, mochte vielleicht übertrieben sein, denn ein wenig zum Dramatisieren neigte er schon. Aber konnte sie es darauf ankommen lassen? Ohne Zweifel steckte er gewaltig in der Klemme. Das regelmäßige Glücksspiel war bei ihm zum Problem geworden. Er konnte die Finger nicht von den Karten lassen. Und so hatte er bei Leuten Schulden gemacht, denen man besser aus dem Weg ging. Jetzt war er diesen Männern ausgeliefert. Angelina hatte ihren Bruder mehr als einmal gewarnt, aber Renaldo konnte nicht anders. Seine Spielsucht war jedes Mal stärker gewesen. Schließlich hatten sich solche Summen angesammelt, dass die einzige Möglichkeit, seine Gläubiger zu befriedigen, darin bestand, die Insiderkenntnisse seiner Schwester auszunutzen und gewinnbringend an die Konkurrenz zu verkaufen.

„Ich weiß noch nicht, ob ich hier weg kann, Renaldo. Ich kann das im Augenblick nicht entscheiden. Du weißt, dass ich das sehr ungern tue, was du da von mir verlangst.“

Einige Augenblicke lang sagte Renaldo nichts, und Angelina hörte im Hintergrund nur den gedämpften Lärm, der von den Docks kam. Sie schloss die Augen. Wie hatte es nur so weit mit Renaldo kommen können, fragte sie sich verzweifelt.

„Ich verstehe schon“, meldete sich Renaldos Stimme wieder. „Vergiss einfach, was ich gesagt habe. Du hast schon mehr als genug für mich riskiert.“

Angelina horchte auf. Sie kannte diesen Tonfall. Er bedeutete nichts Gutes. Er war immer dann zu hören, wenn ihr Bruder im Begriff war, eine unverzeihliche Dummheit zu begehen. Zwar war Angelina der Meinung, dass es an der Zeit war, dass er für das, was er tat, selbst die Verantwortung übernahm. Dennoch wollte sie ihn nicht einfach seinem Schicksal überlassen.

„Okay“, sagte sie nach langem Zögern, „ich komme nach London. Aber ich kann dir jetzt schon sagen, dass es das allerletzte Mal sein wird. Und du kommst mit mir zurück nach Mailand, dass du es gleich weißt.“

„Danke, Angie. Alles, was du willst. Ich verspreche es.“

Sie verabschiedeten sich, und Angelina unterbrach die Verbindung. Traurig schüttelte sie den Kopf. Sie wusste, was von Renaldos Versprechungen zu halten war. Sie war zwar davon überzeugt, dass er es ernst meinte, wenn er sie aussprach. Aber er war einfach zu schwach, sie auch zu halten.

In diesem Moment öffnete sich die Tür, und Dominic und Antonio kamen aus dem Büro. Die beiden waren noch in ein Gespräch vertieft. Angelinas erster Impuls war, auf der Stelle zu kündigen und davonzulaufen, so schnell sie konnte. Dann schnappte sie die letzte Äußerung von Antonio auf, dass die Konstrukteure die nächste Generation des neuen Vallerio-Modells schon in Angriff genommen hatten. Und dass die ersten Pläne zusammen mit den Konstruktionsplänen für den Motor des neuen Wagens bei ihm auf dem Schreibtisch lagen.

Nachdem die beiden sich verabschiedet hatten, bat Dominic seine Sekretärin zu sich ins Büro.

„Ich hole rasch meinen Block“, sagte Angelina.

„Brauchen Sie nicht“, entgegnete Dominic.

In seinem Büro deutete er auf einen der Besuchersessel, und sie ließ sich darin nieder. Dominic schwieg zunächst und sah sie mit einem merkwürdigen Blick an, sodass sie ein Stück tiefer rutschte. Jetzt ist alles aufgeflogen, dachte sie. Irgendwie muss er herausbekommen haben, was ich seit einem Jahr hier treibe, dass ich Werksgeheimnisse an die ESP verkaufe. Sie sah sich schon, wie sie in Handschellen aus dem Büro geführt wurde, und trotzdem war sie merkwürdigerweise beinahe erleichtert. Sie war für dieses Versteckspiel einfach nicht geschaffen.

„Ich habe Sie zu mir gebeten, weil ich Ihre Hilfe brauche“, begann Dominic. „Ich habe nämlich vor, eine Falle zu stellen.“

Angelina wich jegliche Farbe aus dem Gesicht. „Eine Falle?“, fragte sie.

„Ja. Es geht um die Spionage, die uns seit einiger Zeit zu schaffen macht. Ich habe zwei unterschiedliche Pläne von einzelnen Motorkomponenten vorbereitet. Ich möchte, dass Sie eine davon an Emmanuel und die andere an Stephan schicken.“

„Wäre es nicht einfacher, beide hierher zu bestellen und ganz einfach offen über den Verdacht zu sprechen?“, schlug Angelina vor. Es war ihr entsetzlich peinlich, dass zwei anständige Mitarbeiter und fähige Abteilungschefs ihretwegen in Verdacht gerieten und vielleicht sogar Gefahr liefen, ihren Job zu verlieren. Beide hatten Familie. Die Folgen für sie würden entsetzlich sein.

Dominic schüttelte den Kopf. „Ich habe mich mit externen Sicherheitsspezialisten abgestimmt, und die haben mir zu diesem Vorgehen geraten. Sie meinten, es sei unerlässlich, den Täter auf frischer Tat zu ertappen. Die Sache muss hundertprozentig wasserdicht sein, denn ich habe keine Lust, später vor Gericht einen Rückzieher zu machen. Ich will den Kerl zu fassen bekommen, der uns unsere Ideen klaut, und er wird mir dafür bezahlen – teuer bezahlen.“

Angelina nickte schicksalsergeben. Wenn Dominic Sicherheitsspezialisten hinzugezogen hatte, gab es für sie keinen Zweifel, dass es nicht lange dauern konnte, bis sich herausstellte, dass sie die undichte Stelle bei Moretti Motors war. Und dann war das Spiel aus. Für sie und genauso für Renaldo.

Am Nachmittag darauf rieb sich Dominic zufrieden die Hände. Er hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, die Maschinerie lief. Es konnte sich nur noch um Stunden, allenfalls Tage handeln, bis der Verräter dingfest gemacht war. Dominic hatte Ian Stark alle Vollmachten übertragen, das Notwendige zu veranlassen. Ian und er kannten sich schon seit ihrem Studium. Nach ihrem Abschluss waren sie jeweils in ihrem väterlichen Betrieb eingestiegen, hatten sich dort hochgearbeitet und es zu einer beachtlichen Karriere gebracht.

Die Stark Security war ein traditionsreiches Unternehmen, das schon seit vielen Jahrzehnten bestand. Klangvolle Namen schmückten die Liste der Kunden, die von der Firma schon betreut worden waren. Auch bei zahlreichen namhaften Konzernen genoss der Name Stark ein hohes Ansehen, wobei sich die Agentur gerade in der Abwehr von Werksspionage bewährt hatte.

Der Kreis der infrage kommenden Täter war bereits eingegrenzt worden. Wenn man Ian Stark auf die Fährte setzte, ging ihm so leicht niemand durch die Lappen. Lange konnte es nicht mehr dauern, bis auch dieses Problem aus dem Weg geräumt war. Dominic war erleichtert, und es überkam ihn ein Hochgefühl, das man bei seinem Naturell schon als Übermut bezeichnen musste. Er war entschlossen, den ersten Schritt zum Erfolg zu feiern.

Seine Brüder kamen dafür nicht in Betracht. Sie waren beide unterwegs. Das Essen, zu dem er sich an diesem Abend mit seinen Eltern verabredet hatte, war kein Hindernis, denn nach einem kleinen Umtrunk war dafür noch Zeit genug. Blieb nur Angelina, seine hübsche und obendrein sehr tüchtige Sekretärin, um ihm Gesellschaft zu leisten. Oder war die Idee zu feiern schon von vornherein darauf angelegt gewesen, mit Angelina auszugehen? Schnell schob er den Gedanken beiseite. Möglich war es, aber er hatte keine Lust, sich die Laune verderben zu lassen.

Dominic schaute in sein Vorzimmer, aber der Platz an Angelinas Schreibtisch war leer. Gerade wollte er sich dort hinsetzen, um ihr eine Nachricht auf den Block zu schreiben, als sie wieder auftauchte.

„Ah, da sind Sie ja“, rief er erfreut aus.

„Es tut mir leid, wenn Sie auf mich warten mussten. Kann ich etwas für Sie tun?“

„Das können Sie. Nehmen Sie Ihren Mantel und folgen Sie mir.“ Er machte eine Pause. Angelina erbleichte. „Wir gehen aus“, fuhr Dominic fort. „Wir haben etwas zu feiern.“

Unmerklich atmete sie auf. „Und was?“, fragte sie mit einem schüchternen Lächeln.

Er mochte dieses Lächeln. Manchmal ertappte er sich dabei, dass er es ganz unvermittelt vor Augen hatte. „Nun, was feiern wir?“, wiederholte er die Frage gedehnt. „Wir feiern einen Erfolg.“

„Das ist gut. Auf Erfolge kann man immer anstoßen.“

Dominic richtete sich auf, und als er neben ihr stand, fiel ihm erneut auf, wie klein sie gegen ihn wirkte. Klein, aber mit einer geballten Ladung weiblicher Anziehungskraft. Angelina trug wie immer korrekte Bürokleidung. Der schmale Rock bedeckte halb ihre Knie, ließ aber trotzdem ihre hübschen Beine erahnen. Ihr ausgeschnittener Pullover, den sie dazu trug, betonte ihre atemberaubende Figur. Das dunkle, gelockte Haar reichte ihr bis zum Kinn und wippte frech bei jeder Drehung ihres Kopfes.

Angelina verstaute einige Aktenordner und legte den Terminkalender in die Schublade des Schreibtischs. Dann trat sie wieder auf ihn zu. Sein Blick fiel auf ihren sinnlichen Mund. Die Unterlippe war ein wenig voller als die Oberlippe, und beide zusammen schienen ihm eine Sünde wert zu sein.

„Dominic?“

Erst als sie ihn ansprach, fiel ihm auf, dass er sie angestarrt haben musste.

„Was ist los? Woran denken Sie?“

Die Antwort darauf war nicht schwierig. Er dachte daran, dass er diesen schönen, sinnlichen Mund gern in Besitz nehmen würde. Er wollte wissen, wie ihre Lippen schmeckten, und wie Angelina sich anfühlte, wenn sie in seinen Armen lag. Dominic gab sich einen Ruck und entschied, wenigstens zum Teil die Wahrheit zu sagen. „Ich dachte gerade an Sie.“

„Inwiefern?“

Ihm kamen ernsthafte Zweifel, ob es richtig war, was er da tat. Als sie hier angefangen hatte, war Angelina ihm gar nicht besonders aufgefallen. Aber das war auch die Zeit gewesen, in der sie alle wie besessen daran gearbeitet hatten, Moretti Motors wieder konkurrenzfähig zu machen. Da hatte er nur an das Unternehmen gedacht und um ihn herum rein gar nichts wahrgenommen. Seit etwa einem Jahr jedoch, nachdem Moretti Motors wieder enormen Auftrieb bekommen hatte, sah Dominic seine Sekretärin mit etwas anderen Augen. Eines Tages hatte er entdeckt, dass sie nicht nur eine vorbildliche Sekretärin, sondern auch eine außerordentlich attraktive Frau war.

„Insofern“, rückte Dominic zögernd mit dem Rest der Wahrheit heraus, „als ich daran dachte, wie es wäre, wenn ich Sie küssen würde.“

Angelina riss erstaunt die Augen auf. „Aber … aber das geht nicht. Wir arbeiten zusammen.“

„Wäre das ein Hindernis?“

Sie legte den Kopf ein wenig zur Seite, wodurch ihr eine Haarsträhne ins Gesicht fiel, die er ihr aus der Stirn strich, bevor sie es tun konnte. Er war überrascht, dass Angelina für einen winzigen Moment ihre Wange an seine Hand schmiegte.

„Ja, ich glaube schon, dass das ein Hindernis ist“, sagte sie. „Ich möchte meinen Job nicht aufs Spiel setzen, weil es irgendwelche Komplikationen gibt.“

Dominic ließ die Hand sinken und wich einen Schritt zurück. Sie hatte recht. „Sie sind eine vorzügliche Sekretärin“, beeilte er sich, ihr zu versichern. „Um Ihren Job brauchen Sie sich bestimmt keine Sorgen zu machen. Aber ich verstehe, was Sie meinen. Ich wollte Sie nicht in Verlegenheit bringen. Allerdings muss ich zugeben, dass ich in letzter Zeit manchmal ganz … ganz außerdienstliche Gedanken habe, wenn ich an Sie denke.“

„Das geht mir auch so.“ Da war es wieder, dieses entzückende kleine, schüchterne Lächeln.

Er hob die Augenbrauen. „Aha! Wollen Sie mir nicht verraten, was Sie sich dann vorstellen, wenn Sie an mich denken?“

Sie schüttelte heftig den Kopf. „Das halte ich für keine gute Idee. Aber ich leiste Ihnen gern Gesellschaft, wenn Sie Ihren Erfolg feiern möchten. Worin besteht dieser Erfolg denn?“

„Die undichte Stelle in unserem Betrieb ist gefunden. Ian Stark hat mir mitgeteilt, dass er sich zu fast hundert Prozent sicher ist, den Spion aufgespürt zu haben.“

Angelina erstarrte und musste sich die größte Mühe geben, sich nichts anmerken zu lassen. „Hat er einen Namen genannt?“, forschte sie vorsichtig.

„Nein, das würde er nicht tun, bevor es so weit ist, die Polizei zu rufen. Und am Telefon schon gar nicht.“

„Und wie ist er auf die Spur gestoßen?“

„Das kann ich Ihnen gleich bei unserem Drink erzählen.“

Ihr wurde heiß und kalt. Hilfe suchend blickte sie um sich, und ihr Blick fiel auf den Wandkalender. „Du liebe Zeit, heute ist ja Mittwoch“, rief sie in gut gespieltem Entsetzen aus und schlug sich die Hand vor den Mund.

„Und was ist am Mittwoch?“

„Ausgerechnet heute findet mein Lesekreis statt. Ich kann unmöglich schwänzen, denn ich muss über ein Buch referieren. Es tut mir sehr leid, Dominic, aber ich fürchte, wir müssen unsere kleine Feier auf ein anderes Mal verschieben.“

Hastig suchte sie ihre Sachen zusammen, verabschiedete sich und verschwand mit fliegendem Mantel durch die Tür. Dominic setzte sich auf die Schreibtischkante und sah ihr nachdenklich nach.

Autor

Katherine Garbera
<p>USA-Today-Bestsellerautorin Katherine Garbera hat schon mehr als neunzig Romane geschrieben. Von Büchern bekommt sie einfach nicht genug: ihre zweitliebste Tätigkeit nach dem Schreiben ist das Lesen. Katherine lebt mit ihrem Mann, ihren Kindern und ihrem verwöhnten Dackel in England.</p>
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