Königlich und rücksichtslos (4-teilige Serie)

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LAGUNE DER VERFÜHRUNG

Warum lädt Prinz Rafiq sie auf sein Schloss an der Lagune ein? Und warum küsst er sie dort so stürmisch, als sei sie die Einzige für ihn? Ein Rätsel - und trotzdem verliebt sich Lexie in diesen Traummann! Bis sie erkennt, welch gefährliches Spiel er mit ihr treibt …

SAPHIRE FÜR DIE BRAUT DES SCHEICHS

Wie in einem wunderschönen Traum kommt sich das Topmodel Tamara Weston vor, als sie überraschend ihre große Liebe Wüstenprinz Kaliq Al Zahir wiedersieht. Hat er sie doch dazu auserkoren, die Saphire von A’zam zu tragen, jenes kostbare Hochzeitsgeschenk, das die Herrscher seines märchenhaften Reichs seit jeher ihrer Braut überreichen. Aber auch wenn sie in Kaliqs Armen liegt, während die Sanddünen im goldenen Licht der aufgehenden Sonne leuchten, scheint ein Happy End in weiter Ferne zu liegen. Kaliq bietet ihr nur einen Modelvertrag. Von Liebe spricht er nicht ...

KÜSS MICH NOCH EINMAL SO WIE DAMALS

Ihre sinnlichen, vollen Lippen, heißer Atem auf seiner Haut - noch heute überkommen Yannis wohlige Schauer der Erregung, wenn er an jene verbotene Nacht vor 13 Jahren denkt. Die süße Marietta lag nackt in seinem Bett, bereit, ihm ihre Unschuld zu seinem Geburtstag zu schenken. Und er - gefangen in üblen Intrigen, die sein Vater geschmiedet hatte - musste die Prinzessin abweisen. Heute ist Yannis ungebunden, und Marietta noch verführerischer als damals! Doch die Vergangenheit steht wie ein dunkler Schatten zwischen ihm und der Erfüllung seiner Träume …

HELENA UND DER HEIßBLÜTIGE VENEZIANER

Dem Zauber Venedigs kann sich niemand entziehen. Fasziniert bewundert die junge Amerikanerin Helena die historischen Bauten der Lagunenstadt. An diesen Orten scheint die Zeit stehen geblieben zu sein - leider auch in der Denkweise von Salvatore Veretti: Unerträglich, mit welcher Überheblichkeit der gut aussehende Manager Frauen jeden Geschäftssinn abspricht. Eine echte Herausforderung für die schöne Helena. Aus dem Streit um eine Glashütte auf Murano wird ein hitziger Kampf. Dabei geht es längst nicht mehr ums Geschäft, sondern nur noch um Liebe und Leidenschaft …


  • Erscheinungstag 30.04.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733716707
  • Seitenanzahl 576
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Robyn Donald, Sabrina Philips, Trish Morey, Lucy Gordon

Königlich und rücksichtslos (4-teilige Serie)

IMPRESSUM

Lagune der Verführung erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2008 by Robyn Donald
Originaltitel: „Innocent Mistress, Royal Wife“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRA
Band 306 - 2009 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Marianne Wienert

Umschlagsmotive: Dragos Cojocari / Getty Images

Veröffentlicht im ePub Format in 04/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733716776

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

 

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1. KAPITEL

„Welcher Art sind die Beziehungen zwischen Felipe Gastano und dieser Alexa?“, fragte Rafiq de Couteveille seine Sicherheitschefin Thérèse Fanchette.

Thérèse, eine Frau mittleren Alters, wachte seit Jahren über Rafiq de Couteveilles Inselstaat Moraze im Indischen Ozean. Sie besaß einen messerscharfen Verstand und beantwortete die Frage ihres Chefs gewohnt sachlich. „Sie teilen eine Suite im Hotel, Sir.“

„Ein Liebesverhältnis also.“

Thérèse Fanchette schwieg, während Rafiq die junge Frau auf dem Foto betrachtete: mittelgroß, schlank, mit fein geschnittenen Gesichtszügen. Sie lächelte dem Mann zu, der neben ihr stand – ein Mann, dem seit zwei Jahren Rafiqs ganz besonderes Interesse galt.

Sie ist nicht gerade Gastanos Typ, überlegte er. Aber das war Hanni auch nicht gewesen. Hanni, seine kleine Schwester … Tot, aber nicht vergessen. Kalte Wut stieg in ihm hoch.

Er deutete auf das Foto. „Was wissen Sie sonst noch über sie?“

„Nicht viel.“ Thérèse warf einen Blick auf ihre Notizen. „Sie ist sechsundzwanzig und lebt auf der Nordinsel Neuseelands, wo man sie unter dem Namen Lexie Sinclair kennt. Von Beruf Tierärztin, mit einer Praxis auf dem Land. Als ihre Stiefschwester – Jacoba Sinclair, das Fotomodell – Prinz Marco von Illyria heiratete, wurde publik, dass Alexa die Tochter des verstorbenen illyrischen Diktators ist.“

Rafiq hob die Augenbrauen. „Paulo Considine war ihr Vater?“

Thérèse nickte.

„Er war einer der meist gehassten und gefürchteten Männer unserer Zeit. Wie kommt es, dass sie in Neuseeland aufwuchs?“

„Die Mutter floh mit ihr aus Illyria, als Alexa erst drei Jahre alt war. Aus Angst vor Considine, wie es hieß. Angeblich erfuhren die Schwestern erst als Erwachsene, wer Alexas leiblicher Vater war.“

„Die Frau hatte allen Grund zur Flucht, der Mann war eine Bestie“, erwiderte Rafiq trocken, den Blick noch immer auf das Foto geheftet. „Fahren Sie fort.“

„Alexa verbrachte das vergangene Jahr bei ihrer Stiefschwester in Illyria, wo sie sich im Einvernehmen mit der Regierung als Tierärztin betätigt hat und an der Universität Veterinärmedizin unterrichtete. Ohne Bezahlung, nebenbei bemerkt.“

Und jetzt waren sie und Felipe Gastano in Moraze. Was hatten ihre königlichen Verwandten sich dabei gedacht, sie mit ihm gehen zu lassen? Der Mann benutzte sein attraktives Äußeres und einen unechten Grafentitel, um sich gesellschaftlich zu etablieren. Wussten Prinz Marco und Prinz Alex nicht, dass man ihn des Drogenhandels verdächtigte? Eine von Rafiqs ehemaligen Freundinnen war Gastanos Charme zum Opfer gefallen und beging, als sie süchtig wurde, Selbstmord.

Vielleicht, überlegte er, wollten die Considines Alexa nur loswerden. Es war immerhin möglich, dass Vater und Tochter mehr gemeinsam hatten, als ihren Angehörigen lieb war.

„Wie lange lebt sie schon mit Gastano zusammen?“

„Ungefähr zwei Monate.“

Rafiq musterte das hochmütige Männergesicht auf dem Foto. Seine Begleiterinnen waren im Allgemeinen auffallend schön und sehr sexy, aber weder das eine noch das andere ließ sich von Alexa Considine alias Lexie Sinclair behaupten. Sie war apart und besaß, was man das gewisse Etwas nannte, aber zu Felipe passte sie überhaupt nicht. Weshalb er sie trotzdem zu seiner Geliebten gemacht hatte, war allerdings nicht schwer zu erraten.

Als unehelicher Sohn eines Grafen hatte sich Gastano dessen Titel angeeignet, als der legitime Nachkomme – sein Stiefbruder – an einer Überdosis Heroin starb. Alexa war nicht nur Prinz Marcos Schwägerin, sondern väterlicherseits mit den einflussreichen Considines verwandt und daher der ideale Türöffner für das aristokratische Milieu, zu dem Gastano seit Langem Zugang suchte. Dass man seine Absicht durchschauen könnte, kam ihm natürlich nicht in den Sinn, dafür war er zu sehr von sich selbst überzeugt. Gut so, dachte Rafiq mit grimmiger Genugtuung. Mit Considines Tochter als Druckmittel hatte er den Kerl in der Hand.

Er hob den Kopf, und sein Blick fiel auf das Landeswappen an der gegenüberliegenden Wand, das ein steigendes Pferd mit einer diamantbesetzten Krone auf dem Haupt zeigte. Pferde und Feuerdiamanten standen für Morazes Unabhängigkeit und Reichtum. Er wäre ein unwürdiger Nachkomme der de Couteveilles und ein jämmerlicher Bruder, wenn er Hannis Tod nicht rächen würde.

Einen Moment lang empfand er Gewissensbisse – sollte er eine Unschuldige in sein Vorhaben mit hineinziehen? Doch dann sagte Rafiq sich, dass man sie, in Anbetracht des Umgangs, den sie pflegte, kaum eine Unschuld nennen konnte. Außerdem war sie alt genug, um zu entscheiden, mit wem sie ins Bett ging. Im Grunde tat er ihr einen Gefallen, wenn er sie von ihrem Liebhaber befreite – der Mann war ein gefährlicher Hochstapler.

An seine Sicherheitschefin gewandt, sagte er: „Was ich von Ihnen erwarte, ist Folgendes …“

Thérèse hörte aufmerksam zu, dann zuckte sie leicht die Schultern. „Wie Sie möchten. Und was ist mit dem Grafen?“

„Lassen Sie ihn weiterhin beschatten, und zwar von Ihren besten Leuten. Er ist ein schlauer Fuchs.“

Rafiq stand auf und trat ans Fenster, wo er den Blick über die Dächer der Hauptstadt schweifen ließ. „Zum Glück ist er einer von denen, die sich den Menschen eines kleinen Landes wie Moraze haushoch überlegen fühlen. Es würde mich nicht wundern, wenn er leichtsinnig wird und Fehler macht.“

Vom Eingang des Ballsaals aus beobachtete Rafiq die junge Frau in dem roten Seidenkleid. Sie besaß eine ausgezeichnete Figur, mit schmaler Taille, hohen kleinen Brüsten und langen Beinen. In dem raffiniert geschnittenen Kleid zog sie die Blicke der anwesenden Männer auf sich. Allerdings harmonierte der reservierte Gesichtsausdruck nicht so recht mit dem provokanten Outfit.

Das Foto hatte nicht gelogen: Alexa Considine war keine glamouröse Schönheit, aber sie war elegant und hatte unverkennbar Ausstrahlung. Mit dem goldbraunen, erstklassig gestylten Haar und dem diskreten Make-up war sie auch unter so vielen schönen Frauen, die zur offiziellen Eröffnung des neuesten Luxusresorts von Moraze erschienen waren, nicht zu übersehen.

Ein wenig verloren stand sie in der Menge, während Gastano auf der gegenüberliegenden Seite des Saals mit einem berühmt-berüchtigten Starlet flirtete.

Interessant …

Als einzige der anwesenden Damen trug sie keinen Schmuck. Sie hatte etwas – fast könnte man sagen – Mädchenhaftes; so, als habe noch nie ein Mann ihren Mund geküsst, und beim Anblick der vollen roten Lippen spürte Rafiq eine unverkennbar sinnliche Reaktion. Ohne sich dadurch ablenken zu lassen, betrachtete er das schmale ernsthafte Gesicht.

Thérèse Fanchettes Kontaktperson in Neuseeland versicherte, dass Lexie Sinclair, was Männer betraf, ein unbeschriebenes Blatt sei, aber das bezweifelte er. Wohl eher auf der Hut, dachte er zynisch. Als Gastanos Geliebte war sie weder ahnungslos noch naiv und ihr frommer Blick entweder vorgetäuscht oder angeboren.

Doch die kühle Gelassenheit, die sie zur Schau trug, reizte seine ureigensten männlichen Instinkte, und er fragte sich, wie es wäre, in den leicht mandelförmigen Augen Leidenschaft auflodern zu sehen, den schönen Mund zu liebkosen und dabei ihr Zittern zu spüren …

Widerstrebend wandte er den Kopf ab und ließ den Blick über die Menge schweifen. Alles, was Rang und Namen hatte, war heute Abend erschienen, um gesehen zu werden und sich mit eigenen Augen vom Luxus des exklusiven neuen Resorts zu überzeugen. Nur Alexa Considine schien unbeeindruckt. Ebenso wenig bemerkte oder beachtete sie die interessierten Blicke, die ihr galten.

Er sah, wie sie sich einen Weg zu den offenen Fenstertüren bahnte und in den nächtlichen Garten hinaustrat. Im Glanz der Kronleuchter schimmerte das goldbraune Haar wie Bernstein.

Auch Felipe Gastano schaute ihr nach. Er sagte etwas zu dem Starlet, dann stand er auf und folgte Alexa. Einen Moment lang überlegte Rafiq, ob er einen seiner Sicherheitsleute verständigen sollte, dann beschloss er, ihnen selbst nachzugehen.

Auf der weiten Steinterrasse des Ballsaals verzog er ironisch die Mundwinkel. Ein sternenklarer Tropenhimmel, unter dem das Meer wie ein silberner Spiegel glänzte, dazu das Parfum exotischer Blüten – er konnte sich keinen besseren Rahmen für ein romantisches Tête-à-Tête wünschen.

Im Schatten einer Hecke blieb er stehen und sah zu, wie Gastano hinter die junge Frau trat und auf sie einsprach. Sie drehte sich um und erwiderte etwas, das Rafiq auf die Entfernung hin nicht verstehen konnte. Während er sie nicht aus den Augen ließ, spürte er erneut die Wirkung, die sie auf ihn hatte. Der Impuls, hinüberzugehen und den Mann beiseite zu stoßen, war plötzlich so stark, dass er unwillkürlich die Hände zu Fäusten ballte. Sie weckte Beschützerinstinkte, die ihm überhaupt nicht gefielen. Die Frau war ein Werkzeug seiner Rache an Felipe Gastano, nichts weiter.

Leicht beugte er sich vor, um zu hören, worüber sie sprachen. Offenbar nicht vorsichtig genug, denn sie hob den Kopf und schaute in seine Richtung. Ihre Blicke begegneten sich, und eine Sekunde lang glaubte er, in ihren Augen so etwas wie eine Warnung zu lesen, bevor sie die Wimpern senkte. Nicht das geringste Anzeichen von Überraschung oder Erschrecken über die Anwesenheit eines Unbekannten war auf dem aparten Gesicht zu erkennen. Ihretwegen brauchte er sich keine Gedanken zu machen; die Dame wusste, was sie tat.

Er sah, wie sie die Lippen zusammenpresste und die Stirn runzelte, während der Graf immer noch leise auf sie einredete.

„Nein“, entgegnete sie scharf. „ich habe meine Meinung nicht geändert.“

Auch Gastano hob die Stimme. „Kein Grund zur Aufregung, meine Liebe“, besänftigte er sie in einschmeichelndem Ton.

Sie warf den Kopf zurück, und ohne ihren Liebhaber eines weiteren Blickes zu würdigen, kam sie geradewegs auf Rafiq zu.

„Guten Abend“, sagte sie. „Was für eine wunderschöne Nacht, nicht wahr?“ Mit einer Geste in Gastanos Richtung fügte sie hinzu: „Kennen Sie sich?

Im Stillen bewunderte er ihre Kaltblütigkeit. „Selbstverständlich.“ Er nickte Felipe kurz zu. „Guten Abend, Graf.“

„Sir, welche Freude!“ In Gastanos Stimme schwang falsche Herzlichkeit mit. „Gestatten Sie, dass ich Ihnen zu Ihrem neuen Resort gratuliere. Eine weitere Attraktion für die Besucher von Moraze, und wenn mich nicht alles täuscht, eine sehr erfolgreiche. Einer meiner Bekannten, ein europäischer Fürst, hat bereits einen Aufenthalt für sich und seine neueste … äh … Gefährtin reserviert“, versicherte er augenzwinkernd. „Darf ich Ihnen meine Begleiterin vorstellen? Alexa Considine … Ich meine, Miss Sinclair. Lexie, das ist Prinz Rafiq de Couteveille, der Herrscher dieser zauberhaften Insel und ein renommierter Don Juan.“ Er verbeugte sich ironisch, bevor er in Richtung des Ballsaals davonging.

Nachdenklich betrachtete Rafiq die junge Frau. Der zornige Blick, mit dem sie Gastano nachsah, war ihm nicht entgangen. Ohne ein Wort nahm er ihren Arm und führte sie zu der Balustrade am Ende der Terrasse.

Mit einer Mischung aus Scheu und Verdrossenheit ging Lexie neben ihm her. Hätte sie gewusst, wer der Unbekannte war, wäre sie nicht auf die Idee verfallen, ihn anzusprechen. Es war ein Verstoß gegen die Etikette, den er liebenswürdigerweise übersah.

Verstohlen warf sie einen Blick auf das markante, männlich schöne Profil, und eine Sekunde lang stockte ihr der Atem.

Er sah fantastisch aus. Ein Prickeln lief ihr über die Haut, und ihr Puls ging plötzlich schneller. Unter dem schwarzen Smoking ahnte man die Kraft eines Athleten, und doch verriet seine ganze Haltung eindeutig, dass er aristokratischer Abstammung war. Eine Aura von Macht und eine natürliche Überlegenheit gingen von ihm aus, und weder das eine noch das andere konnte man erlernen, man wurde damit geboren. Im Vergleich dazu erschien das weltmännische Gehabe des Grafen übertrieben und unecht.

„Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Sir.“

„Bitte nennen Sie mich Rafiq.“ Das Lächeln, mit dem er die Worte begleitete, ließ Lexies Puls noch höher schlagen. Verwirrt wandte sie sich ab und überlegte, was sie über den Herrscher von Moraze gehört oder gelesen hatte. Viel war es nicht, die Medien beschäftigten sich selten mit ihm oder seinem Land, und Schlagzeilen in den Klatschblättern machte er auch keine. Felipe nannte ihn verächtlich das ‚Prinzlein einer gottverlassenen Insel‘, doch da täuschte er sich. Rafiq de Couteveille war alles andere als ein Schwächling.

Bei dem Gedanken an Felipe zog Lexie die Stirn in Falten. Dass sie sich hier wiederbegegneten, war eine unangenehme Überraschung. Sie hatte ihn vor zwei Monaten in Illyria kennengelernt und wusste, dass sie an einer ernsthaften Beziehung kein Interesse hatte. Sie war nach Moraze gekommen, um sich eine Woche zu erholen, bevor sie nach Neuseeland und zu ihrer Veterinärpraxis zurückkehrte.

Daher hatte sie sich über sein Erscheinen am Flughafen nicht gerade gefreut, umso weniger, als er sie in sein Hotel brachte. Auf ihren Einwand hin, sie habe bereits anderswo gebucht, teilte er ihr seelenruhig mit, ihre Reservierung sei storniert und das Zimmer bereits weitervermietet worden.

Ein Blick auf die prunkvolle Suite, den Eiskübel mit der Champagnerflasche und den riesigen Blumenstrauß genügte Lexie, um zu wissen, was Felipe im Sinn hatte. Es war auch nicht sein erster Versuch in dieser Richtung, allerdings der deutlichste. Sie informierte ihn höflich, aber bestimmt, dass sie an einer Affäre kein Interesse habe, worauf er mit einem charmanten Lächeln um Entschuldigung bat und versicherte, sie könne das Schlafzimmer benutzen, er würde sich mit einem der sehr komfortablen Sofas im Salon begnügen.

Dass er sich so leicht mit der negativen Antwort abfand, machte sie ein wenig argwöhnisch. Nachdem der Empfangschef des Hotels ihr jedoch mitgeteilt hatte, dass kein Einzelzimmer verfügbar sei, stimmte sie dem Vorschlag schließlich zu, obwohl sie das Gefühl nicht loswurde, dass Felipe außer Sex noch etwas anderes bezweckte. Aber was?

Der Verdacht verstärkte sich, als er sie später dazu überredete, ihn auf diese Party zu begleiten, wo er sie kurz darauf allein ließ, um mit einer anderen Frau zu flirten. Normalerweise wäre ihr das gleichgültig gewesen, aber hier, unter diesen Fremden und Prominenten, deren Gesichter sie nur aus Magazinen kannte, fühlte sie sich ausgesprochen fehl am Platz. Außer ihr waren alle in Abendkleidung erschienen, die Männer im Frack, ihre Begleiterinnen mit kostbaren Juwelen behangen und …

Rafiq de Couteveilles Stimme riss sie aus ihren Gedanken. „Sie sagen gar nichts, ist alles in Ordnung?“

„Ja, natürlich“, versicherte sie schnell und ein wenig atemlos.

„Vielleicht sollte ich um Verzeihung bitten, dass ich das Zusammensein mit Ihrem Bekannten gestört habe.“

„Ga…ganz und gar nicht.“

Während sie schweigend auf die im Mondlicht schimmernde Lagune schauten, war Lexie sich seiner Nähe fast schmerzhaft bewusst, und sie fragte sich, weshalb sie so stark auf ihn reagierte. An seinem Äußeren allein konnte es nicht liegen, denn Felipe sah genauso gut aus. Aber diese Wirkung hatte er nie auf sie gehabt. Er war charmant, besaß einen interessanten Freundeskreis, stellte keine unbequemen Fragen wegen ihrer Herkunft, und bevor er sie heute Morgen mit der gemeinsamen Suite in Verlegenheit brachte, hatte sie ihn stets als angenehmen und unterhaltsamen Begleiter empfunden. Mit Ausnahme jenes Abends vor ungefähr einem Monat …

Aus irgendeinem Grund war sie müde gewesen, worauf er meinte, er könne ihr, wenn sie daran interessiert sei, etwas besorgen, das sie wieder in Schwung bringen würde. Als er den entsetzten Ausdruck auf ihrem Gesicht bemerkte, lachte er nur und sagte, er habe sie lediglich auf die Probe stellen wollen.

Damals hatte sie ihm geglaubt – jetzt fragte sie sich, ob es ihm nicht ernst gewesen war. Was weiß ich schon von ihm?, dachte sie und umkrampfte, ohne es zu merken, die steinerne Balustrade.

„Etwas stimmt nicht. Kann ich Ihnen helfen?“

Anscheinend war Rafiq de Couteveille ein Hellseher. „Danke, aber mir fehlt wirklich nichts.“

„Wie lange kennen Sie den Grafen eigentlich schon?“

„Ungefähr zwei Monate.“

„Man sagt, Sie wollen sich demnächst mit ihm verloben.“

„Wie bitte?“ Verblüfft sah sie zu ihm auf und erhaschte den abwägenden Blick, mit dem er sie bedachte. „Wie kommen Sie denn auf diese Idee?“

„Reizt es Sie nicht, einen Mann wie ihn zu zähmen?“

„Durchaus nicht. Weder ihn noch einen anderen.“ Sie verstummte. Was für ein sonderbares Gesprächsthema, ging es ihr durch den Kopf.

„Nein? Angeblich ist das der Herzenswunsch einer jeden Frau“, bemerkte Rafiq nachlässig.

„Meiner nicht, so viel steht fest. Wer hat Ihnen gesagt, dass Felipe und ich uns verloben wollen?“

„Irgendjemand erwähnte es, aber vielleicht habe ich die Person missverstanden.“ Er schwieg. „Und was ist Ihr Herzenswunsch, wenn ich fragen darf?“

Er flirtet mit mir, dachte Lexie benommen. Ich täte besser daran, mich von ihm zu verabschieden.

Aber etwas hielt sie davon ab; eine sonderbare Erregung, die sie sich nicht erklären konnte. Sie hob das Gesicht und begegnete dem unergründlichen Blick seiner grünen Augen.

Wusste er, was in ihr vorging? Plötzlich verspürte sie den brennenden Wunsch, den schön geformten Mund stürmisch zu küssen. Schnell wandte sie den Kopf zur Seite. „Nur törichte Frauen verraten ihre geheimsten Wünsche“, erwiderte sie spröde.

Mein größter Wunsch im Moment wäre, herauszufinden, ob Ihre Lippen so süß schmecken, wie ich vermute.“ Er lächelte. „Natürlich nur, wenn das nicht gegen Ihre Prinzipien verstößt.“

Ihre Kehle war plötzlich wie ausgetrocknet. „Ich … Ja … Ich meine, nein …“

„In diesem Fall …“ Er neigte sich zu ihr und küsste sie sanft.

Zuerst versteifte sie sich, doch als er sie in die Arme nahm und näher an sich zog, schmiegte sie sich instinktiv an ihn und erwiderte den Kuss.

Sein Verlangen wurde deutlicher und weckte Regungen in ihr, die sie noch nie empfunden hatte. Einen Moment lang versuchte Lexie dagegen anzukämpfen, dann öffnete sie bereitwillig die Lippen und überließ sich dem erotischen Spiel seiner Zungenspitze. Ein unbekanntes heißes Verlangen überkam sie, und sie schmolz in seinen Armen.

Als er den Kopf hob und murmelte: „Vielleicht sollten wir in den Park gehen, dort sind wir ungestört“, bedurfte es all ihrer Willenskraft, um nicht ja zu sagen.

„Das … das möchte ich lieber nicht …“, stammelte sie.

Sofort gab er sie frei und trat zurück. Rot vor Scham eilte Lexie in Richtung des erleuchteten Ballsaals.

„Warten Sie!“

Mit zwei Schritten hatte er sie eingeholt. Er hob die Hand und strich ihr eine Haarsträhne aus dem erhitzten Gesicht. „Damit Sie etwas präsentabler aussehen“, meinte er ironisch. „Trotzdem empfehle ich Ihnen, sich kurz frisch zu machen.“

„Ich … Ja, natürlich …“ Bemüht, den inneren Aufruhr zu bezwingen, fragte sie: „Kehren Sie auch in den Saal zurück?“

„Nicht gleich. Bei mir dauert es etwas länger, bevor ich mich wieder sehen lassen kann.“

„Oh.“ Verlegen wandte sie sich ab und lief davon, sein amüsiertes Lachen in den Ohren.

Rafiq sah ihr immer noch nach, als einer seiner persönlichen Assistenten auf ihn zukam. Widerstrebend wandte er den Blick von Lexies verführerischer Silhouette und fragte schroff: „Was ist?“

„Ihre Instruktionen wurden befolgt, Hoheit.“

„Gut.“ Im Begriff, in den Ballsaal zurückzugehen, blieb er noch einmal stehen. „Haben Sie die Frau in dem roten Kleid bemerkt?“

„Jawohl, Sir. Sie wird ebenfalls bew…“ Er brach ab und zog sich diskret zurück, als jemand sich ihnen näherte.

„Sie wollen schon gehen, Prinz?“, fragte der Neuankömmling.

„Ja, leider.“ Rafiq nickte ihm freundlich zu. Der Mann war ein erfolgreicher Bauunternehmer, den er für seine persönliche und geschäftliche Integrität hoch schätzte. Sie wechselten ein paar Worte, doch als Rafiq sich zum Gehen wandte, sagte der andere: „Was das neue Projekt betrifft, Hoheit … Hatten Sie Gelegenheit, sich meinen Kostenvoranschlag anzusehen?“

„Das habe ich. Allerdings liegt die Entscheidung nicht bei mir, darüber muss der Stadtrat bestimmen.“

„Natürlich.“ Der Unternehmer nickte. „Manchmal frage ich mich, ob Sie es nicht bedauern werden, auf Ihre Machtbefugnisse zu verzichten.“

„Ganz und gar nicht. Unser Land ist klein, aber seine Bewohner haben den gleichen Anspruch auf Selbstbestimmung wie jede andere Nation. Wenn ich ihnen dieses Recht vorenthalte, werden sie es sich früher oder später selber nehmen. Ich bin Pragmatiker und Befürworter der Demokratie. Auf dem Weg dorthin werde ich meine Landsleute begleiten.“

„Ich wünschte, jeder Landesherr wäre so fortschrittlich gesinnt.“ Der Mann machte eine Pause, dann räusperte er sich. „Obwohl meine Tochter Ihnen bereits für den wundervollen Feuerdiamanten gedankt hat, den Sie ihr zum Geburtstag geschenkt haben, möchte ich das bei dieser Gelegenheit ebenfalls tun. Er ist superb.“

„Ich bitte Sie, mein Lieber! Francesca und ich sind gute Freunde. Der Anhänger passt zu ihr.“

Sie verabschiedeten sich mit einem Händedruck, und im nächsten Moment vergaß Rafiq die Tochter des Unternehmers, die bis vor sechs Monaten seine Geliebte gewesen war. An ihrer Stelle sah er Lexie Sinclair vor sich, ihr goldbraunes Haar, den grazilen Körper und den vollen Mund, der sein Blut in Wallung brachte. Die Geliebte des Mannes, den er aus ganzer Seele hasste und verabscheute.

Als er den Ballsaal betrat, stellte er fest, dass sie nicht mehr da war – und Felipe Gastano auch nicht.

2. KAPITEL

Vom Balkon der prunkvollen Hotelsuite vernahm Lexie die fernen Klänge des Orchesters – die Party war also immer noch im Gange.

Moraze war genauso zauberhaft, wie sie es sich nach der Beschreibung in der Reisebroschüre vorgestellt hatte. Längst erloschene Vulkane, die Gipfel im Lauf der Jahrtausende von Wind und Seeluft abgeschliffen, bildeten eine imposante, von dichtem Dschungel bewachsene Bergkette. Dazu die weißen Sandstrände, das tiefblaue Meer … Die Insel war in der Tat ein tropisches Paradies.

Vom Flugzeug aus hatte sie die sattgrünen Zuckerrohrplantagen und die leuchtend bunten Blumenkulturen bestaunt. Wonach sie vergeblich Ausschau gehalten hatte, waren die berühmten Wildpferde, die in Herden auf der Insel lebten. Das Pferd war, wie sie wusste, das Wappentier von Moraze.

Der Gedankensprung vom Wappentier zum Landesfürsten kam ganz automatisch, und bei der Erinnerung an den leidenschaftlichen Kuss stieg ihr das Blut in die Wangen. Was war es, das sie an Rafiq de Couteveille so faszinierte?

Sicher, er war ausgesprochen attraktiv, doch Männern wie ihm war sie schon öfter begegnet. Ihre Schwester Jacoba war mit einem verheiratet, und Prinz Marcos Brüder waren genauso umwerfend. Dennoch hatte keiner von ihnen ihr Herz auch nur einen Deut schneller schlagen lassen.

Im Grunde sah Felipe sogar besser aus. Was ihm jedoch fehlte, war Rafiqs unglaubliches Charisma.

Er erinnerte sie an die Abenteurer, von denen in der Hotelbroschüre die Rede war – Piraten und Freibeuter, die vor langer Zeit den Indischen Ozean verunsicherten. Zu ihnen gehörten angeblich auch die Vorfahren des jetzigen Herrschergeschlechts, und es fiel Lexie nicht schwer, sich Rafiq de Couteveille als Korsar vorzustellen, in der Takelage eines Segelschiffs, das Messer zwischen den Zähnen. Mit seinen aristokratischen Gesichtszügen und dem kühnen Blick war er ein würdiger Nachkomme seiner Vorväter.

Verdrossen kehrte sie in den Salon zurück. Fantasievorstellungen halfen ihr nicht weiter. Stirnrunzelnd betrachtete sie den luxuriösen Raum – was sollte sie tun?

Felipe hatte versprochen, auf dem Sofa zu schlafen, doch sie traute ihm nicht. Wenn sie das Bett benutzte, würde er das womöglich als Einladung verstehen, und auf einen nächtlichen Zweikampf mit ihm wollte sie es nicht ankommen lassen. Entschlossen ging sie ins Schlafzimmer, zog die Tagesdecke vom Bett und schnappte sich ein Kissen. Dann schlüpfte sie in ihre Pyjamahose und in ein T-Shirt und machte es sich auf dem Sofa bequem.

Sie erwachte von der lauten Musik, die durch das offene Fenster kam, und warf einen Blick auf die Schlafzimmertür: Sie war geschlossen. Schlaftrunken schlug sie die Decke zurück und richtete sich auf, den Kopf noch ganz wirr von Träumen, in denen Rafiq de Couteveille eine dominierende Rolle gespielt hatte.

Im Schein der Stehlampe neben dem Sofa erblickte sie ein Blatt Papier, das jemand unter der Tür ins Zimmer geschoben hatte. Sie stand auf und bückte sich danach. Es war eine Nachricht von Felipe.

Mein Liebling,
Die Aussicht, die Suite mit mir zu teilen, war offensichtlich nicht nach Deinem Geschmack. Da ich Dich nicht stören will, übernachte ich bei Freunden. Vermutlich ist das auch besser – Deine Nähe wäre eine zu große Versuchung.
F.

Lexie atmete auf – sie hätte das Bett benutzen können. Er besaß mehr Taktgefühl, als sie ihm zugetraut hatte. Dann fiel ihr sein Verhalten auf der Party ein, und sie überlegte, ob er sie durch sein Fernbleiben vielleicht demütigen wollte.

Was auch immer, die Hotelleitung hatte ihr ab morgen – nein, heute, wie ein Blick auf die Armbanduhr zeigte – ein Einzelzimmer in Aussicht gestellt. Felipes verspätete Rücksicht war zwar erfreulich, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass er versuchte, sie zu etwas zu zwingen, das sie nicht wollte. Es war höchste Zeit, klare Fronten zu schaffen. Seit jenem Abend, an dem er von Rauschgift gesprochen hatte, wurde sie das Gefühl nicht mehr los, dass etwas mit ihm nicht stimmte. Ihre Absicht, Schluss zu machen, hatte mit Rafiq de Couteveille nicht das Geringste zu tun.

Sie ging ins Bad, um ein Glas Wasser zu holen, und trat auf den Balkon.

Die Musik war inzwischen verstummt, und am östlichen Horizont dämmerte bereits der Morgen. Eine angenehm kühle Brise fuhr wispernd durch die Palmwipfel, ansonsten hörte man nur das regelmäßige Donnern der Brandung weit draußen am Korallenriff. Die Luft duftete nach Gewürzen und schmeckte nach Salz. Lexie atmete tief ein – es kam ihr vor, als wäre sie der einzige Mensch auf Erden.

Nach einer Weile kehrte sie in den Salon zurück und setzte sich an den Laptop, um Jacoba eine E-Mail zu schreiben, bekam jedoch keinen Anschluss ans Internet. Enttäuscht klappte sie das Notebook wieder zu, holte sich noch ein Glas Wasser und machte es sich auf dem Sofa bequem.

Kurz nach Tagesanbruch brachte der Etagenkellner das Frühstück aufs Zimmer, zusammen mit einer zweiten Nachricht von Felipe. Darin teilte er ihr mit, er habe in der Hauptstadt zu tun und würde erst am Abend ins Hotel zurückkommen. Erleichtert beschloss sie, die Zeit zu nutzen, um sich die Insel anzusehen.

Nach dem Frühstück vereinbarte sie mit der Rezeption, ihre Koffer auf das neue Zimmer bringen zu lassen, dann buchte sie eine Tagestour in die Berge, wo Naturwissenschaftler ein aufsehenerregendes Projekt zum Schutz seltener Vögel begonnen hatten.

Die Fremdenführerin holte sie mit einem Minivan vom Hotel ab. „Heute sind wir nur zu zweit, Mademoiselle“, verkündete sie gut gelaunt. „Ich heiße Margaret – Maggie –, und Sie haben mich ganz für sich allein. Fragen Sie, so viel Sie wollen – ich kenne mich aus.“

Maggie hatte nicht übertrieben und informierte ihren Fahrgast eingehend über Land und Leute, wobei sie mit persönlichen Kommentaren nicht sparte. Die Frau war ein Original.

Als Lexie sich nach den Wildpferden erkundigte, fragte sie: „Sie mögen Tiere?“

„Sehr. Ich bin Tierärztin.“

Gespannt lauschte sie Maggies Erzählung. Ein großer Teil betraf die legendäre Beziehung, die offenbar zwischen den Pferden und den de Couteveilles bestand. „Sie gehören zusammen“, versicherte die junge Frau ernsthaft, als handele es sich dabei um ein Naturgesetz. „Und so soll es auch bleiben, jemand anderen als unseren Emir wollen wir nicht.“

„Wieso nennen Sie ihn eigentlich Emir?“

„Das ist eine interessante Geschichte.“ Maggie lachte. „Der erste de Couteveille, ein französischer Herzog im Exil, entführte auf seinen Fahrten über die Meere eine arabische Prinzessin. Als sie nach Moraze kamen, hat er sie geheiratet und den Titel eines Emirs angenommen, was auf Arabisch so viel wie Herrscher bedeutet. Seitdem gibt es bei uns eben einen Emir.“

„Wie interessant.“

Der Weg machte eine scharfe Biegung, und im nächsten Moment riss die Fahrerin das Lenkrad herum. Bremsen kreischten, der Motor heulte auf, dann geriet der Van ins Schleudern und überschlug sich.

Lexie wurde nach vorn gerissen, wobei sich der Sicherheitsgurt blockierte und ihr fast die Luft abschnitt. Auf das Schlimmste gefasst, presste sie die Augen zusammen, und als sie sie nach dem ersten Schock wieder aufmachte, sah sie – Gras.

Die Nase des Minivans steckte in der weichen Erde eines niedrigen Hügels am Straßenrand. Der Motor lief noch, und es roch nach Benzin. Vergeblich versuchte Lexie, die Tür auf ihrer Seite zu öffnen. Als sie den Kopf in Richtung der Frau neben ihr wandte, zuckte sie bei einem stechenden Schmerz im Nacken zusammen.

Maggie lag mit dem Oberkörper auf dem Lenkrad; ihr Atem ging schwer und unregelmäßig, und es sah aus, als sei sie bewusstlos.

„Ich muss den Motor abstellen“, sagte Lexie laut. „Sonst explodiert noch der Tank.“

Mit zitternden Fingern löste sie den Sicherheitsgurt, langte nach dem Zündschlüssel und zog ihn aus dem Schloss. Der Motor verstummte, und sie atmete auf.

Sie griff nach Maggies Handgelenk und stellte erleichtert fest, dass der Puls normal schlug. Und während sie überlegte, was sie als Nächstes tun sollte, hörte sie über sich das Brummen eines Motors. Sie sah auf und erblickte einen Hubschrauber.

Anscheinend hatte der Pilot das auf der Seite liegende Fahrzeug gesichtet, denn er änderte die Flugrichtung und landete in kürzester Zeit nicht weit von ihnen. Ein Mann sprang aus der Kabine und lief unter den kreisenden Rotoren geduckt auf sie zu. Die Hand über den Augen sah Lexie ihm entgegen. Dann blinzelte sie, und ihr Magen zog sich zusammen: Es war Rafiq de Couteveille – der Mann von gestern Abend …

Er riss die Wagentür auf, und nach einem prüfenden Blick auf die zusammengesunkene Fahrerin fragte er Lexie: „Sind Sie verletzt?“

„Ich nicht, aber sie.“

Erneut wandte er sich der Verletzten zu, die jetzt die Augen aufschlug und etwas auf Kreolisch murmelte.

„Machen Sie sich keine Sorgen, in ein paar Minuten sind Sie beide in Sicherheit.“

Zwei Männer kamen auf sie zugerannt, hoben die Fahrerin aus dem Fahrzeug und trugen sie zum Hubschrauber.

Als Lexie ins Freie klettern wollte, protestierte Rafiq. „Warten Sie! Ich helfe Ihnen.“

„Es geht schon.“

Aber er half ihr beim Aussteigen und stellte sie dann vorsichtig auf die Beine. Ihre Knie zitterten, und sie fühlte sich schwindlig.

„Vielen Dank.“ Seine Augen sind ebenso grün und transparent wie Jade, dachte sie benommen.

„So trifft man sich wieder“, sagte er, ein ironisches Lächeln auf den Lippen.

Er war ihr viel zu nahe. Sie drehte den Kopf zur Seite und verzog dabei schmerzhaft das Gesicht.

„Sie sind vielleicht verletzt“, sagte er scharf. „Wo haben Sie denn Schmerzen?“

„Es ist schon vorbei. Der … der Sicherheitsgurt war etwas zu stramm. Ist die Fahrerin außer Gefahr?“

„Ich glaube schon.“

Lexie schluckte; ihre Kehle war plötzlich wie ausgetrocknet. „Ich bin sehr froh, dass Sie uns gesehen haben.“

„Ich auch, Mademoiselle Considine.“

„Ich heiße Lexie, Lexie Sinclair. Aus Neuseeland“, fügte sie unsinnigerweise hinzu, dann versteifte sie sich: Ohne ein Wort hob er sie auf die Arme und trug sie zum Hubschrauber.

„Ich kann gehen.“

„Das bezweifle ich. Ziehen Sie den Kopf ein!“

Sie gehorchte und lehnte sich an seine Schulter. Er duckte sich ebenfalls, sodass ihre Wangen sich fast berührten. Lexie schloss die Augen.

In diesem Moment fühlte sie sich so geborgen wie nie zuvor in ihrem Leben.

Und das war seltsam, denn instinktiv wusste sie, dass sie in Rafiq de Couteveilles Armen alles andere als sicher war. Sie hatte vergessen, wie gut er roch, und sein Duft brachte ungewollte Erinnerungen an den gestrigen Abend zurück. Als sie endlich im Hubschrauber saßen und abhoben, zitterte sie am ganzen Körper, und ihr Gesicht war kreidebleich.

Nach einem sehr kurzen Flug erreichten sie die Hauptstadt, wo der Pilot auf der Landefläche des Krankenhauses aufsetzte. Die folgenden Stunden vergingen mit allen möglichen Untersuchungen, an die Lexie sich später nur undeutlich erinnerte. Sie atmete auf, als man sie endlich in einen angenehm kühlen Raum brachte und allein ließ. Die Ruhe war himmlisch, und von ihrem Bett aus konnte sie sogar das Meer sehen.

Ein wenig später ging die Tür auf, und Rafiq kam ins Zimmer, gefolgt von der Ärztin, die Lexie betreut hatte.

„Wie geht es Ihnen?“, fragte er.

„Viel besser.“ Sie räusperte sich – ihre Stimme klang ein wenig rostig. „Wie geht es der Fahrerin?“

„Wie Sie ist sie mit einem leichten Trauma davongekommen.“

„Weiß sie, was passiert ist?“

„Sie sagt, ein Tier aus dem Gebüsch sprang plötzlich direkt vor den Van.“

„Ich hoffe, es wurde nicht verletzt.“

Die Ärztin lächelte. „Das glaube ich nicht, unsere Tiere laufen sehr schnell. Sie selbst haben Prellungen an den Rippen erlitten, aber zum Glück keine Brüche. Trotzdem empfehle ich, dass Sie nach dem Schock die Nacht hier im Krankenhaus verbringen.“

„Möchten Sie, dass Ihre Familie benachrichtigt wird?“, fragte Rafiq de Couteveille.

„Danke, das ist nicht nötig.“ Jacoba würde den nächsten Flug nehmen und nach Moraze kommen. „Meinen Urlaub muss ich doch nicht abbrechen, oder?“, wandte sie sich an die Ärztin.

„Nicht, wenn Sie sich die nächsten Tage entsprechend vorsehen. Aber darüber reden wir morgen, vor Ihrer Entlassung.“

„Wenn ich hier übernachten soll, muss ich jemanden verständigen.“

„Der Graf wird informiert“, entgegnete Rafiq knapp. „Erwarten Sie jedoch keinen Besuch.“ Als Lexie die Brauen hob, fügte er hinzu: „Ihre Ärztin sagt, Sie benötigen Ruhe. Das Hotel wird Ihre Toilettenartikel und frische Sachen zum Anziehen schicken, Sie brauchen sich also um nichts zu kümmern und müssen nur die Anweisungen des Pflegepersonals befolgen.“ Er machte eine leichte Verbeugung. „Wenn Sie gestatten, verabschiede ich mich jetzt.“

Lexie sah ihm nach, als er, zusammen mit der Ärztin, das Zimmer verließ. Ihr Puls ging viel zu schnell, aber war das ein Wunder? Seine Stimme, seine Erscheinung, die ganze Haltung verliehen ihm eine Grandezza, der man sich nicht entziehen konnte. Dazu besaß er mehr Sex-Appeal, als einem Mann erlaubt war.

Seltsam, dass er genau im richtigen Moment und am richtigen Ort zur Stelle war, dachte sie. Er ist buchstäblich vom Himmel gefallen. War es Zufall? Sechster Sinn? Oder Schicksal? Gestern die Begegnung im Garten, und heute …

Lächerlich! Der Unfall hatte offenbar auch ihren Verstand in Mitleidenschaft gezogen. Rafiq de Couteveille verkehrte mit kultivierten, eleganten Frauen – was um alles in der Welt könnte er an ihr finden? Einer neuseeländischen Tierärztin ohne Charme, ohne Chic und ohne Erfahrung …

Warum hatte er sie dann geküsst? Nicht leicht auf die Wange, sondern leidenschaftlich wie ein Liebhaber?

Aus einer Zufallslaune heraus, Dummkopf! Und heute war er ganz zufällig zur Stelle.

Zufälle ereigneten sich tagtäglich und bedeuteten nicht das Geringste. Sie täte gut daran, das nicht zu vergessen.

Am nächsten Morgen begutachtete Lexie kritisch die Prellungen an ihren Rippen. Vermutlich sahen sie schlimmer aus, als sie waren. Auch der Schmerz im Nacken war erträglich. Sie fühlte sich noch etwas steif, aber das Schwächegefühl und die Benommenheit waren vergangen. Ein paar Tage, sagte sie sich, und ich bin wieder fit.

Sie zog sich an, packte den Rest ihrer Sachen in die kleine Reisetasche, in der das Hotel die Kleider zum Wechseln geschickt hatte, und setzte sich neben das Bett, um auf Felipe zu warten. Es war anzunehmen, dass er sie abholen kam, und sie sah dem Wiedersehen mit gemischten Gefühlen entgegen.

Als es an der Tür klopfte, stand sie auf. „Herein.“

Doch nicht Felipe, sondern Rafiq kam in den Raum. Selbst in Freizeitkleidung wirkte er wie aus dem Ei gepellt. Ihr Herz schlug einen Purzelbaum, und der Mund wurde ihr trocken.

Er musterte sie prüfend. „Sind Sie so weit?“

„J…ja, natürlich.“ In ihrer Verwirrung vergaß sie ganz, ihn zu fragen, was er hier wollte.

„Dann lassen Sie uns gehen.“

Als sie sich nicht rührte, krauste er ungeduldig die Stirn. „Worauf warten Sie?“, fragte er.

„Aber … aber das geht doch nicht. Ich meine, ich kann nicht von Ihnen verlangen, dass Sie mich ins Hotel bringen.“,

„Sie haben es ja nicht verlangt. Ich bin aus freien Stücken hier.“ Er lächelte und streckte gebieterisch die Hand aus. „Ihr Gepäck.“

Widerspruchslos reichte Lexie ihm die Reisetasche.

3. KAPITEL

Rafiq wollte ihren Arm unterhaken. „Soll ich die Schwester um einen Rollstuhl bitten?“

„Wozu? Ich bin kein Invalide“, protestierte Lexie entrüstet. Kerzengerade verließ sie das Zimmer.

Doch als sie ins Freie traten, brannte die Sonne bereits heiß vom Himmel, und insgeheim war sie froh, wenn auch ein wenig überrascht, als sie in dem klimatisierten Luxuswagen Platz nahm, während ihr Begleiter sich ans Lenkrad setzte. Von einem Landesfürsten hätte sie eher erwartet, dass er sich in einer Limousine chauffieren ließ.

Ein wenig steif sagte sie: „Sie … Sie sind sehr zuvorkommend, Prinz.“

„Ich bitte Sie! Das ist das Mindeste, was ich für einen Gast unseres Landes tun kann. Ich bedaure nur, dass Ihr Ausflug in den Dschungel so unglücklich enden musste. Sobald es Ihnen besser geht, holen wir ihn nach.“

Das konnte er nicht im Ernst meinen! Schweigend sah sie geradeaus, während sie den palmengesäumten Boulevard entlangfuhren. Aber schon nach wenigen Minuten wurde der ständige Wechsel von Licht und Schatten so unangenehm, dass sie den Kopf zur Seite drehte – mit dem Ergebnis, Rafiq de Couteveilles aristokratisches Profil vor Augen zu haben.

Ein sehr markantes und gleichzeitig männlich schönes Profil. In den herrischen Linien spiegelte sich nicht nur das Erbe seiner französischen Vorfahren, sondern auch das anderer Rassen und Kulturen. Vielleicht sogar eine Spur von Grausamkeit? Ein leiser Schauer lief ihr über den Rücken, und sie schloss die Augen. Zum Feind wollte man ihn gewiss nicht haben.

„Hier … Nehmen Sie. Damit geht es besser.“

Erschrocken riss sie die Augen auf und sah, dass er ihr seine Sonnenbrille hinhielt. „Nein! Ich meine, nein danke. Die brauchen Sie zum Fahren.“

Nachlässig hob er die Schultern. „Ich bin an die Sonnenstrahlen gewöhnt.“

Aber nicht an Widerspruch, dachte sie. Widerstrebend nahm sie die Brille entgegen und setzte sie auf. „Vielen Dank. Normalerweise bin ich nicht so zimperlich.“

„Sie sind zu streng mit sich selbst. Ein Unfall ist immer traumatisch, mit Zimperlichkeit hat das nichts zu tun. Warum lehnen Sie sich nicht zurück und schlafen ein wenig?“

Ganz offensichtlich erwartete er, dass sie der als Vorschlag formulierten Aufforderung nachkam. Und da es einfacher war als zu widersprechen, lehnte sie sich gehorsam zurück und versuchte, sich zu entspannen. An Schlaf war natürlich nicht zu denken, denn wie niemand zuvor ging er ihr unter die Haut. Er weckte Sehnsüchte und Wünsche, auf die sie sehr gut verzichten konnte.

An der Uni war sie zu sehr in ihr Studium vertieft gewesen, um zu flirten oder auf Partys zu gehen. Außerdem hatte sie nie begriffen, was ihre Freundinnen an den jungen Männern fanden, deretwegen sie sich unglücklich machten.

Irgendwann kam sie dann zu dem Schluss, dass Männer sie kalt ließen – was, so vermutete sie, mit ihrem Vater zusammenhing. Bis sie, als Felipe in ihr Leben trat, erleichtert feststellte, dass ihr Flirten ebenso viel Spaß machte wie anderen jungen Frauen.

Aber mit Flirten hatte das, was jetzt in ihr vorging, keine Ähnlichkeit. Was sie empfand, war ein elementares Verlangen, das sich weder kontrollieren noch unterdrücken ließ, verlockend und gleichzeitig beängstigend.

War es das, was man unter Lust verstand? Anscheinend, denn die Symptome stimmten: Herzflattern, ein Ziehen in der Magengegend, beschleunigter Pulsschlag – und die Erinnerung an seinen Kuss …

Sie begehrte ihn, ausgerechnet ihn! Denn dass es zu nichts führte, stand von vornherein fest. Rafiq de Couteveille war ein Prinz, ein Herrscher, ein Emir …

Im Schutz der dunklen Brillengläser riskierte sie einen Blick auf den Mann neben ihr. Trotz seiner modernen Kleidung fiel es ihr überhaupt nicht schwer, ihn sich als arabischen Fürsten vorzustellen, in einem langen Gewand, den Burnus über die Schultern geworfen …

Sogar sein Name war arabisch. Vielleicht war einer seiner Vorfahren ein tapferer Beduinenhäuptling gewesen, der auf einem Kamel durch die Wüste ritt und …

„Haben Sie Schmerzen?“

Aus ihren Fantasievorstellungen aufgeschreckt, versicherte sie hastig: „Nein, ich … ich war nur in Gedanken.“

Nach einem Seitenblick auf ihr blasses Gesicht widmete er seine Aufmerksamkeit erneut dem Straßenverkehr. Wahrscheinlich verursachte ihr der straffe Sicherheitsgurt Unbehagen. „Wir haben es nicht mehr weit“, bemerkte er.

Lexie nickte zerstreut, doch dann krauste sie die Stirn. „Wohin fahren Sie? Das ist nicht der Weg zum Hotel.“

„Nein. Ich bringe Sie zu mir. Die Ärztin und ich hatten heute Morgen ein kurzes Gespräch und kamen zu dem Schluss, dass es in Ihrer derzeitigen Verfassung besser ist, Sie wohnen für die nächste Zeit nicht im Hotel. Sie sind noch erholungsbedürftig.“

Ruckartig setzte sie sich auf und nahm die Brille ab. Ihre rauchblauen Augen sprühten Feuer. „Sie haben mit der Ärztin gesprochen? Warum wurde ich nicht um meine Meinung gebeten?“

„Das war nicht notwendig“, erwiderte Rafiq kühl. Im Stillen fragte er sich, ob ihre Entrüstung echt oder gespielt war. Vielleicht liebte sie Gastano tatsächlich und wollte zu ihm zurück. In dem Fall würde sie es ihm eines Tages danken, dass er sie jetzt entführte.

Im Moment war von Dankbarkeit allerdings keine Spur – sie kochte vor Wut. Aus den Augenwinkeln sah er, wie sie ihre vollen Lippen zusammenpresste, um die zornigen Worte, die ihr auf der Zunge lagen, nicht hervorzusprudeln.

Schließlich erwiderte sie schmallippig: „Es besteht kein Grund, mich wie einen Schwachkopf zu behandeln, bloß weil ich in einen kleinen Unfall verwickelt war.“

„Ich bin sicher, Ihre Angehörigen würden mir zustimmen, dass Ihnen nach dem gestrigen Schock etwas Ruhe nicht schadet“, erwiderte er gelassen. „Vielleicht sollte ich sie anrufen und fragen, wie sie darüber denken.“

„Nein!“

„Warum nicht?“

„Meine Schwester würde ins nächste Flugzeug steigen und herfliegen. Und das will ich unter gar keinen Umständen. Sie ist im sechsten Monat schwanger und hat Ruhe nötiger als ich.“

Lexie schwieg, bevor sie hinzufügte: „Ich schätze Ihre Anteilnahme, bin aber durchaus imstande, auf mich selbst aufzupassen. Sie sind nicht mein Vormund.“

„Das ist richtig. Allerdings hatte der Hotelmanager ebenfalls Bedenken. Er betonte, sein Etablissement sei nicht der ideale Ort für Genesende. Bei mir wird Sie niemand stören, mein Heim ist groß genug. Und sobald Sie wiederhergestellt sind, können Sie in Ihr Hotel zurückkehren.“

„In diesem Fall muss ich Monsieur Gastano mitteilen, wo er mich erreichen kann.“

„Der Graf wurde bereits von Ihrem Unfall unterrichtet“, entgegnete Rafiq brüsk. „Soviel ich weiß, ist er geschäftlich in Moraze und im Moment ziemlich in Anspruch genommen. Somit ist es wohl kein Problem, wenn Sie für ein paar Tage mein Gast sind.“

„Anscheinend habe ich keine andere Wahl.“

„Ich bedaure, dass Ihnen dieses Arrangement nicht zusagt.“

„Ehrlich gesagt tut es das nicht.“ Sie machte eine Pause. „Nichtsdestoweniger, meine Devise ist, stets das Beste aus einer Situation zu machen. Ihr Angebot ist sehr großzügig, und ich danke Ihnen für Ihre Gastfreundschaft. Ich bin sicher, Sie werden verstehen, dass ich sie so wenig wie möglich in Anspruch nehmen möchte.“

Falls Lexie gehofft hatte, ihn mit der sarkastischen Bemerkung in Verlegenheit zu bringen, so wurde sie enttäuscht. Rafiq lächelte nur, und sein Lächeln war so charmant und sexy, dass sie ihm sein selbstherrliches Verhalten fast verzieh.

Verstimmt wandte sie sich ab und schaute aus dem Fenster, und gegen ihren Willen ließ sie sich von der exotischen Schönheit, die sie umgab, verzaubern. Mit den farbenfrohen Blumenfeldern und sattgrünen Zuckerrohrplantagen, dem tiefblauen Meer, den weißen Sandstränden war Moraze der Traum eines jeden Urlaubers …

Na und? Ihr eigenes Land hatte einige der besten Strände auf der ganzen Welt und obendrein spektakuläre Berge und Gletscher.

Als könne er Gedanken lesen, sagte der Prinz: „Ich war zwar noch nie in Neuseeland, aber nach allem, was ich gehört habe, ist es ein sehr reizvolles Land.“

„Das stimmt“, bestätigte sie ausdruckslos.

Eine Pause entstand.

„Aus welchem Teil kommen Sie?“, fragte er nach einer Weile.

„Ich bin in Northland aufgewachsen. Auf der Nordinsel.“

„Ein langer Weg bis nach Moraze.“

Trotz der guten Manieren, die ihre Mutter ihr beigebracht hatte, beschränkte sich Lexie auf ein lakonisches „Ja.“ Ob er die Frechheit hat, den Kuss zu erwähnen? Wenn ja, dann … dann …

„Ich hörte, Sie sind Tierärztin. Haben Sie ein Spezialgebiet?“

„Ja, Farmtiere. Ich praktiziere auf dem Land.“

„Behandeln Sie Pferde?“

„Manchmal.“ Woher wusste er, dass sie Tierärztin war? Im Reisepass stand nichts über den Beruf. Dann erinnerte sie sich, dass im Einreiseformular danach gefragt wurde.

Er hatte also ihre Personalien überprüfen lassen. Warum? Vermutlich war es eine Frage der Sicherheit, dennoch missfiel ihr die Vorstellung, dass er sich mit ihr beschäftigte.

Es lag ihr auf der Zunge, darauf hinzuweisen, dass sich diese Unterhaltung erübrige, da er bereits alles über sie wisse, doch dann schwieg sie. Nach dem, was er für sie getan hatte, wäre das ziemlich ungehörig. Und obendrein undankbar, schließlich war sie für die nächsten Tage sein Gast.

Sie zerbrach sich den Kopf nach einem unverbindlichen Gesprächsthema. Da ihr nichts Besseres einfiel, sagte sie schließlich: „Ich war von der Vielfalt der Fische am Korallenriff überwältigt, vor allem von ihrer Farbenpracht. Beim Schnorcheln kamen sie mir vor wie schwimmende Edelsteine.“

„Mögen Sie Juwelen?“

Lexie wurde rot, als ihr die kostbaren Feuerdiamanten von Moraze einfielen. Womöglich verstand er ihre Bemerkung noch als einen Wink mit dem Zaunpfahl.

„Wie die meisten Menschen, nicht mehr und nicht weniger“, erwiderte sie leichthin. „Aber als Neuseeländerin bin ich an Meereskunde interessiert. Northlands Pazifikküste zum Beispiel ist für ihre Mischung tropischer und subtropischer Seetiere bekannt. Das verdanken wir der warmen Meeresströmung, die sich vom Äquator in Richtung Süden bewegt.“

Das klingt, als hätte ich ein Naturkundebuch auswendig gelernt, dachte sie verdrossen. Aber wenn ich ihn langweile, dann geschieht es ihm recht. Warum hat er mich nicht ins Hotel gefahren?

„Sehr interessant“, bemerkte Rafiq höflich.

Kurz danach bogen sie ab und fuhren gleich darauf durch ein Tor, das sich, als sie näher kamen, automatisch öffnete. Vergeblich hielt sie nach Wächtern Ausschau, aber niemand war zu sehen, nur eine schmale steile Auffahrt mit Dschungel zu beiden Seiten.

„Wir sind fast am Ziel“, informierte Rafiq sie.

Der Weg machte eine Biegung, und dann verschlug es Lexie den Atem: Vor ihnen erhob sich ein Schloss! Grandios und einsam ragte es am Rand eines hohen Kliffs in den Himmel.

„Wow! Ein Palast aus Tausendundeiner Nacht!“

„Er ist eine Verbindung aus Ost und West.“

Der Wagen hielt vor einem Portal mit zwei reich verzierten Bronzeflügeln. Darüber befand sich ein in die Mauer eingelassenes Gitter aus spitz zulaufenden Eisenstäben. Vermutlich diente es früher als Schutz gegen die Überfälle feindlicher Piraten.

Rafiq schaltete den Motor aus, und in der plötzlichen Stille klang das Tosen der Wellen am Riff überlaut. Ein Diener eilte durch eine Seitentür herbei, um das Gepäck aus dem Kofferraum zu laden, und einer der schweren Bronzeflügel öffnete sich langsam.

„Moraze lag früher an keiner der wichtigen Handelsrouten und blieb daher lange Zeit unbesiedelt“, fuhr Rafiq nach einem Seitenblick auf seine Begleiterin fort. „Den Arabern diente die Insel lediglich als Zwischenstation, und für die Korsaren war sie ein bevorzugter Schlupfwinkel. Die ersten Siedler kamen mit einem meiner Vorfahren, einem französischen Herzog. Er hatte sich erkühnt, die Konkubine des Königs zu verführen, und musste deshalb fliehen. Europa war zu gefährlich, also segelten er und eine Handvoll Abenteurer – natürlich mit ihren Mätressen – in südlichere Gefilde. Bis sie hier landeten – und blieben.“

„Was für eine faszinierende Geschichte!“

Rafiq lächelte, und bei seinem Lächeln rieselte ihr ein Schauer über den Rücken. Eine Sekunde lang glaubte sie, den illustren Vorfahren vor sich zu haben, der, allen Gefahren zum Trotz, mit einer Bande von Seeräubern die halbe Welt umsegelte.

„Sie ist noch nicht zu Ende. Unterwegs entführte er die Tochter eines arabischen Scheichs. Der ließ sich das nicht gefallen und setzte ihm nach. Aber nachdem mein Ahnherr in Moraze einen Stützpunkt gefunden hatte, fiel es ihm nicht allzu schwer, den erbosten Vater in die Flucht zu schlagen. Und da die junge Dame anscheinend nichts gegen die Entführung – oder den Entführer – einzuwenden hatte, blieb sie und wurde seine Frau.“

„Wann hat sich das alles zugetragen?“

„Vor ein paar Jahrhunderten.“

„Und was passierte mit der Konkubine des Königs von Frankreich?“

„Soviel ich weiß, wurde sie die Gemahlin eines betagten Herzogs. Wieso fragen Sie?“

„Nur so. Ich hoffe, sie mochte ihn.“

„Ich glaube nicht, dass man sie um ihre Meinung gefragt hat“, bemerkte Rafiq trocken. Er stieg aus und ging um den Wagen, um Lexie beim Aussteigen behilflich zu sein.

Als sie die Eingangshalle betraten, blieb sie überwältigt stehen. Kunstvoll bemalte Kacheln zierten die hohen Wände, und am anderen Ende führten zwei Fenstertüren auf eine von blühenden Sträuchern umsäumte Terrasse.

„Das ist ja traumhaft!“

„Es freut mich, dass es Ihnen gefällt. Kommen Sie, ich bringe Sie auf Ihr Zimmer.“

Über eine weite Treppe erreichten sie die obere Etage. Vor einer Tür blieb Rafiq stehen, um Lexie in der Obhut eines Dienstmädchens zu lassen. „Ihre Koffer vom Hotel sind bereits eingetroffen, Cari wird Ihnen zeigen, wo alles untergebracht ist.“ Seine Augen verweilten ein paar Sekunden auf ihrem Gesicht. „Sie sehen ein wenig mitgenommen aus. Ich schlage vor, Sie ruhen sich jetzt aus. Danach wird man Ihnen Erfrischungen aufs Zimmer bringen.“ Er verneigte sich leicht und ging.

Überwältigt ließ Lexie den Blick über den opulent ausgestatteten Raum schweifen. Das war kein Schlafzimmer, sondern ein Haremsgemach! Eine seidene Tagesdecke und unzählige Kissen zierten das riesige Bett, dessen Kopfteil mit vergoldeten Schnörkeln dekoriert war. Vor den Fenstern filterten hauchdünne Vorhänge das grelle Sonnenlicht, und auf dem Fußboden lag ein wundervoller Seidenteppich in den verschiedenen Blautönen des Ozeans.

Und überall – in den Fensternischen, auf dem zierlichen Sekretär, in einer Bodenvase – standen elfenbeinfarbene und blassrosa Blumensträuße, deren exotisches Parfum den Raum füllte.

In ihrer weißen Jeanshose und dem einfachen T-Shirt kam Lexie sich wie ein Fremdkörper vor. Die Ausstattung, der Duft, die ganze Atmosphäre waren wie geschaffen für die Favoritin eines Sultans, ein mandeläugiges Geschöpf in Schleiergewändern, deren einziger Lebenszweck darin bestand, ihrem Herrn und Gebieter zu Willen zu sein.

Bei dem Gedanken wurde ihr heiß, dann schob sie das aufreizende Bild beiseite. Lexie Sinclair hatte mit einer Haremsdame nichts gemeinsam, weder die Gesinnung noch die Garderobe.

Cari – zum Glück sprach sie gut Englisch – zeigte ihr das Bad. „Du lieber Himmel!“, entfuhr es Lexie. Marmor, wohin man blickte – selbst die gigantische frei stehende Badewanne war aus Marmor. „Das ist ja das reinste Schwimmbecken!“

Das Mädchen lachte und deutete auf einen kunstvoll durchbrochenen Wandschirm – natürlich aus Marmor –, vor dem üppig wuchernde Topfpflanzen standen. „Dort ist die Dusche. Ganz modern“, fügte sie eifrig hinzu.

„Wundervoll. Vielen Dank, Cari.“

Mit einem glücklichen Seufzer stellte Lexie sich unter das kühle Wasser und seifte sich ab. Luxuriöse Interieurs waren ihr seit Jacobas Vermählung mit ihrem illyrischen Prinzen nicht unbekannt, doch das hier übertraf alles bisher Gesehene bei Weitem. Der exotische Zauber des Palasts nahm sie ebenso gefangen wie die ganze Insel.

Und diese aufregende Geschichte des französischen Herzogs und seiner arabischen Prinzessin erhöhte den Charme von Moraze nur noch mehr. Mit seinen Herden rassiger Wildpferde, den kostbaren Feuerdiamanten und seinem landschaftlichen Liebreiz hatte das kleine Land mitten im Indischen Ozean etwas Feenhaftes. Eine verwunschene Insel, dachte Lexie verträumt, die sich eines Tages wie durch Zauberhand in Luft auflösen könnte …

Irritiert drehte sie den Wasserhahn zu und trocknete sich mit dem flauschigen Badetuch ab, das man für sie bereitgelegt hatte. Schmerzhaft verzog sie das Gesicht und warf einen Blick auf die Prellungen, dann zuckte sie mit den Schultern. Sie hatte Glück gehabt – ohne den Sicherheitsgurt hätte es schlimmer ausgehen können. Die blauen Flecken würden bald vergehen – hoffentlich auch Rafiq de Couteveilles magische Anziehungskraft.

Im Schlafzimmer hatte Cari inzwischen die Bettdecke zurückgeschlagen und eine Karaffe Wasser auf ein Tischchen gestellt. Aufatmend kletterte Lexie in das riesige Bett und schlief sofort ein.

Als sie nach einer Stunde erwachte, fühlte sie sich bedeutend besser. „Fast wieder normal“, sagte sie laut.

Sie stand auf und ging ins Ankleidezimmer. Was sollte sie anziehen? Kritisch inspizierte sie ihre Garderobe. Die Auswahl war nicht groß: das rote Cocktailkleid, drei Outfits für den Strand und ein paar Sachen, die Jacoba in Illyria für sie eingekauft hatte. Ziemlich dürftig für einen Aufenthalt im Schloss.

Nun, sie hatte nicht darum gebeten, und sie war nicht hier, um einen gewissen Jemand zu beeindrucken.

Sie verdrängte den Schlossherrn aus ihren Gedanken und schlüpfte in eine leichte Hose und die dazugehörige Seidenbluse. Elegant genug, entschied sie nach einem Blick in den Spiegel. Das Outfit unterstrich ihre schlanke Figur, und der sanfte Karamellton passte gut zu ihrem Teint. Ein wenig Lipgloss, und sie war fertig.

Wieder im Schlafzimmer, trat sie ans Fenster, von dem eine hohe Felswand senkrecht bis ins Meer hinabfiel. Das tiefblaue Wasser und der wolkenlose Himmel vermittelten ein Gefühl grandioser Unendlichkeit.

Widerstrebend wandte sie sich ab und klingelte nach dem Mädchen. Cari erschien und begleitete sie auf die Terrasse, wo Rafiq de Couteveille unter einem schattigen Baum saß und auf sie wartete. Blütenblätter bedeckten die Steinfliesen wie ein violetter Teppich, und in der Luft hing das süße Parfum von Gardenien.

Lexies Pulsschlag beschleunigte sich, und ein Prickeln lief ihr über die Haut, als ihr Gastgeber aufstand und sie von Kopf bis Fuß schweigend musterte. Schließlich nickte er und schob einen Korbsessel zurecht. „Ja, Sie sehen besser aus. Tun die Rippen noch weh?“

„Nur, wenn ich mich zu schnell bewege. Wie geht es der Fahrerin des Vans?“ Lexie setzte sich neben ihn und senkte den Kopf.

Die Wirkung, die Rafiq auf sie hatte, war wirklich verheerend. In gewisser Weise erinnerte er sie sogar an Jacoba. Wie bei ihrer Stiefschwester verbargen sich auch bei ihm Kraft und eine starke Persönlichkeit hinter dem umwerfenden Äußeren.

„Den Umständen entsprechend ausgezeichnet, sie ist wieder daheim bei ihrer Familie. Übrigens lässt sie Ihnen sehr herzlich für den Blumenstrauß danken“, fügte er lächelnd hinzu.

„Ich hätte sie im Krankenhaus gern persönlich besucht, aber das hat man mir nicht erlaubt.“

„Nach Aussage der Ärztin waren Sie dazu nicht in der Lage. Sie hat übrigens betont, dass Sie immer noch sehr viel Ruhe brauchen.“

„Ich weiß.“ Lexie rückte sich auf ihrem Sessel zurecht und wechselte das Thema. „Ist dieses zauberhafte Schloss ein Werk des Vorfahren, von dem Sie mir erzählt haben?“

„Nein, ihm verdanken wir die Zitadelle, die im Zentrum unserer heutigen Hauptstadt steht. Zu Anfang stand hier nur ein Wachtturm. Einer von vielen entlang der Küste.“

„Der Vater der arabischen Prinzessin ließ wohl nicht mit sich spaßen.“ Sie lächelte ironisch.

Rafiq zuckte mit den Schultern. „Zu jener Zeit waren Schutzwälle eine Notwendigkeit.“

„Bevor ich hierherkam, wusste ich nicht einmal, dass es im Indischen Ozean Piraten gab. Meine Geschichtskenntnisse dieser Gegend sind nicht die Besten.“

„Das ist verständlich. Aber wenn es Sie interessiert, leihe ich Ihnen gern ein paar Bücher. Die Vergangenheit von Moraze ist, wie die der meisten Inseln, äußerst bewegt. Viel Blut wurde vergossen. Mit Glück, Wagemut und Schläue gelang es meinen Vorfahren, die Insel vor dem Schlimmsten zu bewahren.“ Er sah auf, als eine Hausangestellte mit einem Tablett erschien. „Im Krankenhaus fiel mir auf, dass Sie Tee trinken, und deshalb habe ich welchen bestellt. Sollten Sie Kaffee oder etwas Kaltes bevorzugen, brauchen Sie es nur zu sagen.“

Viel schien ihm nicht zu entgehen. Unwillkürlich erinnerte sich Lexie an ihr letztes Zusammensein mit Felipe am Abend der Party. Hatte Rafiq das peinliche Gespräch überhört?

Warum hatte sie den Grafen nicht früher durchschaut? Dann hätte sie gewusst, dass sich hinter seinem oberflächlichen Charme ein ganz gewöhnlicher Schürzenjäger verbarg.

Aber das ließ sich nun nicht mehr ändern. Sie hatte gelernt, was ihre Freundinnen an der Uni ihr schon vor Jahren hätten sagen können: Es gab Männer, denen man nicht trauen konnte.

„Tee ist in Ordnung“, versicherte sie ruhig.

Aber ihr Gleichmut war gespielt. Sie spürte die unterschwellige Spannung, die zwischen ihnen herrschte, und Lexie wurde das Gefühl nicht los, das etwas auf sie zukam, das sich ihrer Kontrolle entzog.

4. KAPITEL

Lexie riskierte einen Blick in seine Richtung und errötete, denn Rafiq betrachtete sie kühl und gelassen. Rasch drehte sie den Kopf zur Seite.

Gab es irgendetwas, womit man diese unerschütterliche Überlegenheit ins Wanken bringen konnte?

Nicht, dass sie beabsichtigte, die Probe aufs Exempel zu machen! Instinktiv wusste sie, seine Stärke beruhte nicht nur auf dem Erbgut jener furchtlosen Männer, die jahrhundertelang auf Moraze geherrscht hatten. Erscheinung, Machtposition und eine überragende Intelligenz trugen mit dazu bei, aber am meisten verdankte er sie seiner männlichen Ausstrahlung. Man brauchte kein Hellseher zu sein, um zu erkennen, dass er der ideale Liebhaber war …

Lexies Hand begann zu zittern, und sie stellte geschwind ihre Tasse auf den Tisch. „Wie … wie lange sind Sie schon Herrscher von Moraze?“, fragte sie, da ihr nichts Besseres einfiel.

„Zehn Jahre“, erwiderte er bereitwillig. „Seit meinem zwanzigsten Lebensjahr. Leider verschied mein Vater viel zu früh.“

„Das tut mir leid.“ Sie wandte sich ab und betrachtete die leuchtend roten Hibiskusblüten zu ihrer Rechten.

Rafiq kniff die Augen zusammen. Er ahnte, weshalb das schöne Gesicht mit dem lebhaften Mienenspiel plötzlich so verschlossen wirkte.

Der dunkle Punkt in Lexie Sinclairs Leben war ihr Vater.

Wenn ich Paulo Considines Sohn wäre, würde ich auch nicht gerne daran erinnert werden, ging es ihm durch den Kopf.

„Was hat Sie bewogen, Tierärztin zu werden?“, fragte er nach einer Weile.

„Ich liebe Tiere. Schon als kleines Mädchen hatte ich den Wunsch, ihnen zu helfen.“

„Sehr lobenswert.“ Die banale Antwort irritierte ihn, was Lexie nicht verborgen blieb.

„Ich streite nicht ab, dass ich auch gut verdiene“, entgegnete sie kühl.

„Ist die Ausbildung nicht sehr langwierig und auch ziemlich teuer?“

„Wie Sie sehen, war das kein Hinderungsgrund“, konterte sie herausfordernd. „Während der Semesterferien hatte ich einen Job, und meine Schwester war eine große Hilfe.“

Jacoba arbeitete seit ihrem sechzehnten Lebensjahr als Fotomodell. Dank einer erfolgreichen internationalen Karriere sorgte sie nicht nur für ihre und Lexies kranke Mutter, sie hatte auch das Studium ihrer Schwester mitfinanziert. Und obwohl sie ständig versicherte, es sei nicht notwendig, bestand Lexie darauf, Jacoba die Auslagen zurückzuerstatten. Während der zwölf Monate in Illyria war sie damit ins Hintertreffen geraten, aber wenn sie erst wieder daheim war, würde sie ihre Schulden bald vollständig tilgen können.

Probleme dieser Art waren Rafiq de Couteveille natürlich fremd. Seine Studienzeit war nicht von Geldsorgen überschattet gewesen – und die Gewissensfrage, ob man als guter Sohn daheimbleibt, um die kranke Mutter zu pflegen, anstatt sein eigenes Lebensziel zu verwirklichen, hatte er sich auch nicht stellen müssen.

„Und wo haben Sie studiert?“, fragte sie honigsüß.

„In Oxford und Harvard, danach ein paar Monate an der Sorbonne. Mein Vater legte großen Wert auf Bildung.“

„Nur für seine Kinder oder auch die seiner Landsleute?“ Sie biss sich auf die Zunge – das hätte sie nicht sagen sollen. Aber der Wunsch, seine irritierende Überlegenheit ein wenig ins Wanken zu bringen, machte sie verwegen.

Rafiq überhörte die Beleidigung. „Selbstverständlich“, erwiderte er ruhig. „Moraze hat ein ausgezeichnetes Schulsystem. Vor seinem Tod gründete mein Vater eine Stiftung, die es begabten Schülern ermöglicht, an den besten Universitäten der Welt zu studieren.“

„Ich könnte mir vorstellen, dass viele es danach vorziehen, im Ausland zu bleiben, wo sie bessere Karrierechancen erwarten.“

„Die Bedingung ist, dass sie die ersten fünf Jahre nach dem Studium in Moraze tätig sind. Später können sie entscheiden, ob sie bleiben oder auswandern wollen. Die meisten bleiben.“ Er stand auf. „Leider kann ich jetzt nicht länger bleiben, die Geschäfte rufen. Wenn Sie etwas brauchen, wenden Sie sich bitte an Cari.“

Ein eigentümliches Gefühl der Verlassenheit überkam sie, aber sie erwiderte gefasst: „Danke für all das Entgegenkommen, jeder ist so freundlich zu mir. Dabei fällt mir ein – was die Arztkosten betrifft, so …“

„Bitte machen Sie sich deswegen keine Gedanken.“

„Aber ich habe eine Reiseversicherung, die …“

„Das ist irrelevant.“

Eine Falte erschien auf Lexies Stirn. Wenn er glaubte, er könne ihre Rechnung bezahlen, dann täuschte er sich. Mit einer raschen Bewegung stand sie auf und sagte: „Ich bin sicher, Ihr Gesundheitswesen kooperiert mit ausländischen Versicherungsgesellschaften. Ein Land, das vom Tourismus abhängig ist …“

„Moraze ist durchaus nicht vom Tourismus abhängig. Unsere Banken arbeiten sehr erfolgreich mit internationalen Finanzinstituten zusammen, wir sind an zahlreichen technologischen Unternehmen beteiligt und exportieren Zuckerrohr, Kaffee und natürlich Diamanten. Besucher sind stets willkommen, aber an Massentourismus sind wir nicht interessiert.“

Sie holte tief Luft – einschüchtern ließ sie sich denn doch nicht. „Wenn ich vielleicht zu Ende reden dürfte …“

Erstaunt zog er die Brauen hoch. „Ich bitte vielmals um Vergebung.“

„Für meine Auslagen komme ich selbst auf. Ich zahle meiner Versicherung Prämien, damit sie in Fällen wie diesem die Kosten übernimmt.“

Er musterte sie schweigend, dann zuckte er gleichgültig mit den Schultern. „Wie Sie möchten. Meine Sekretärin wird die Rechnung an Sie weiterleiten. Jetzt schlage ich vor, Sie entspannen sich für den Rest des Tages. Im Garten ist ein Swimmingpool, sollte Ihnen danach zumute sein. Aber vielleicht wäre es klüger, damit bis morgen zu warten.“

Anscheinend beabsichtigte er, heute nicht mehr zurückzukommen. Sie bemühte sich, ihre Enttäuschung zu verbergen, und nickte. „Das werde ich. Nochmals vielen Dank für alles, was Sie für mich getan haben.“

„Es war mir ein Vergnügen.“ Mit einer höflichen Verbeugung entfernte er sich.

Lexie sah ihm nach, dann ließ sie sich wieder in den Korbsessel sinken.

Warum hatte er sie auf sein Schloss eingeladen? Aus einer Laune heraus? Aus Nächstenliebe? Oder gab es ein anderes Motiv?

Zerstreut sah sie dem bunt gefiederten Vogel zu, der in dem Strauch neben ihr von einer Blüte zur nächsten huschte.

Welch anderes Motiv konnte es geben? Die stürmische Liebkosung von gestern? Sie schüttelte den Kopf. Er hatte den Vorfall mit keiner Silbe erwähnt und entweder als belanglos abgetan oder bereits vergessen.

Lexie lehnte sich zurück und seufzte. In Moraze Urlaub zu machen, war keine gute Idee gewesen. Von ganzem Herzen wünschte sie, sie wäre direkt nach Neuseeland zurückgereist. Dann hätte sie sich das unerfreuliche Wiedersehen mit Felipe erspart, und sie wäre Rafiq de Couteveille nicht begegnet. Einem Mann, der ebenso verlockende wie beängstigende und vergebliche Wünsche in ihr geweckt hatte.

„Sie haben mich gebeten, weitere Nachforschungen über Felipe Gastano anzustellen, Sir“, sagte Thérèse Fanchette.

„Und?“, fragte Rafiq kalt.

„Die Antwort von Interpol ist eingetroffen.“

„Weiß er, dass wir uns mit ihm beschäftigen?“

„Seine E-Mails deuten nicht darauf hin.“

Rafiq unterdrückte ein Gefühl des Triumphs. „Wir brauchen noch ein paar Tage. Hat er versucht, sich mit Mademoiselle Considine in Verbindung zu setzen?“

„Ja, er hat mehrmals im Schloss angerufen, wurde aber nicht durchgestellt. Ihr Personal teilte ihm mit, sie dürfe nicht gestört werden.“

„Er weiß, dass ich sie vom Unfallort ins Krankenhaus geflogen habe. Ist es nicht merkwürdig, dass er mich nicht darauf angesprochen hat?“

„Ich vermute, er geht Ihnen absichtlich aus dem Weg.“ Thérèse war eine der wenigen Personen, die Rafiqs Pläne kannte. „Übrigens hat mir einer seiner engsten Mitarbeiter anvertraut, dass der Graf und Mademoiselle Considine demnächst heiraten wollen.“

Ruckartig hob Rafiq den Kopf. „Ist diese Information zuverlässig oder nur ein Gerücht?“

„Meine Informationen sind alle zuverlässig, mit Gerüchten gebe ich mich nicht ab. Nach Auskunft meiner Quelle wurde der Hochzeitstermin bereits festgelegt. Hat Mademoiselle nichts davon erwähnt?“

„Kein Wort.“ Er schwieg. „Lassen Sie Gastano weiterhin überwachen“, fuhr er nach einer Weile fort. „Ich will wissen, was er tut, wo er sich aufhält und wen er trifft. Des Weiteren will ich absolut sichergehen, dass er in den nächsten Tagen keine Gelegenheit bekommt, mit Alexa Considine Kontakt aufzunehmen.“

Thérèse nickte. „Sollte er den Versuch machen, benachrichtige ich Sie umgehend.“ Sie zögerte. „Mit Verlaub, Sir … Wäre es nicht besser, etwaige Kontaktversuche nicht zu verhindern? Dabei könnten wir so manches erfahren.“

„Nein.“

Sie bedachte ihn mit einem ihrer mütterlichen Blicke, die Rafiq nur allzu bekannt waren, und er konnte ein leises Lächeln nicht unterdrücken. „Ich weiß, was Sie jetzt denken, Thérèse. Wie Sie wissen, folge ich Eingebungen äußerst selten, aber etwas sagt mir, diesmal sollte ich es tun. Keine Kontakte! Auch wenn sonst nichts dabei herauskommt – zu wissen, dass seine Zukünftige mein Gast ist und ihm damit die Hände gebunden sind, wird Gastano von seinen übrigen Transaktionen abhalten.“

Widerstrebend stimmte Madame Fanchette zu. „Bisher waren Ihre Eingebungen stets hundert Prozent richtig, Sir. Es wäre unklug, Sie umstimmen zu wollen.“

„Mir ist klar, dass ich Ihre Aufgabe erschwere. Aber wie ich Sie kenne, sind Sie ihr durchaus gewachsen.“

Als er wieder allein im Büro war, setzte er sich an seinen Schreibtisch, wo er nachdenklich einen goldenen Kugelschreiber in der Hand hin und her drehte.

Einerseits erfüllte ihn kalter Zorn, dass Gastano die Frechheit besessen hatte, nach Moraze zu kommen. Andererseits war er froh darüber – hier war er ihm ausgeliefert.

Habgier machte unvorsichtig und führte zu Fehlentscheidungen. Sich in die Höhle des Löwen zu wagen, war der erste Fehler, den der Graf seit Langem begangen hatte.

Er hob den Kopf und betrachtete das Wappen mit dem steigenden Hengst. Mehr als alles andere symbolisierte das stolze Tier die Verantwortung eines de Couteveille für sein Land. Dieser Verantwortung würde er sich nicht entziehen.

Und Lexie Sinclair? War sie nun die Geliebte und zukünftige Frau eines Verbrechers oder lediglich sein naives Opfer?

Wenn sie von den Machenschaften ihres Geliebten nichts wusste, stand ihr ein rüdes Erwachen bevor. Die Entdeckung würde zweifellos Narben hinterlassen, wenn nicht Schlimmeres. Aber darauf konnte er keine Rücksicht nehmen; er durfte den knappen Vorsprung, den er vor Gastano hatte, nicht verlieren. Und die geplante Hochzeit half ihm dabei.

War Felipe der erste Mann in ihrem Leben?

Die bloße Vorstellung brachte ihn in Rage, dennoch zwang er sich, einen klaren Kopf zu behalten. Sehr wahrscheinlich war es nicht, die Jahre an der Universität sprachen dagegen. Studenten waren im Allgemeinen keine Kostverächter, und Lexie war nicht nur attraktiv, sondern auch sinnlich, wie ihre Reaktion am Abend der Party bewiesen hatte. Nein, unerfahren in der Liebe war sie bestimmt nicht, bevor sie Gastanos Mätresse wurde.

Rafiq stand auf und trat ans Fenster. Die Erinnerung an den verführerischen Mund erregte ihn immer noch. Warum er sie geküsst hatte, wusste er nicht so recht. Einer Laune folgend, vermutlich. Doch das hatte sich schnell geändert. Die unverfälschte Sinnlichkeit, mit der sie den Kuss erwiderte, hatte ihn sofort gefangen genommen, und es war ihm schwergefallen, sich von ihr zu lösen. Vergessen konnte er sie nicht.

Von seinem Büro in der Zitadelle genoss er eine hervorragende Sicht auf die Hauptstadt. Gedankenverloren ließ er den Blick vom Zentrum weiter zum Hafen bis zu den Wohnvierteln am Stadtrand schweifen. Dann traf er seine Entscheidung.

Leicht fiel sie ihm nicht, aber man hatte ihn dazu erzogen, auf persönliche Dinge keine Rücksicht zu nehmen.

Es war bereits spät am Nachmittag, und Lexie erwog ernsthaft, ins Hotel zurückzukehren. Dann entschied sie, doch lieber bis zum nächsten Tag zu warten – ein so überstürzter Aufbruch könnte nach Flucht aussehen.

Auf Caris Drängen legte sie sich vor dem Abendessen noch einmal hin. „Der Emir sagt, Sie brauchen Schlaf“, versicherte das Mädchen ernsthaft.

Rafiq der Emir. Der Titel passt zu ihm, dachte Lexie, bevor ihr die Augen zufielen.

Sie erwachte entspannt und mit einem sonderbaren Gefühl der Erwartung. So, als stünde ihr etwas Schönes bevor; etwas, wonach sie sich, ohne es zu wissen, schon lange sehnte …

Irritiert über diese Gedanken, stand sie auf. Konnte sie an nichts anderes denken als an Rafiq de Couteveille?

Natürlich fand sie ihn anziehend, was war daran so erstaunlich? Auf der Eröffnungsparty des Resorts hatten die weiblichen Gäste ihn mit den Augen verschlungen, er war der Traum einer jeden Frau. Alles an ihm war überwältigend, sein Aussehen, sein Titel, dieses Schloss …

Er hatte sie gefragt, ob es sie nicht reizte, einen Mann zu zähmen.

Das Blut stieg ihr in die Wangen, und sie eilte ins Bad, um sich frisch zu machen. Die Antwort auf diese Frage lautete immer noch nein – dennoch wüsste sie gern, was ihn an einer Frau reizen würde.

Schönheit, dachte sie, und einen Moment lang wünschte sie aus tiefster Seele, sie wäre schön. Um ein Mal – ein einziges Mal – in seinen Augen den Blick zu sehen, mit dem Prinz Marco ihre Schwester immer betrachtete.

Doch dazu würde es nie kommen, denn auf ihr Aussehen brauchte sie sich nicht viel einzubilden.

Sie lehnte sich vor und betrachtete sich kritisch im Spiegel.

Eher heller Teint, den sie allerdings nur mit Kleidern in den richtigen Farben zur Geltung brachte. Regelmäßige Gesichtszüge. Dunkelblaue Augen mit schwarzen Wimpern und Brauen. Braunes welliges Haar mit goldenen Lichtern, wenn die Sonne darauf schien. Keine schlechte Figur, aber ohne aufregende Kurven.

Sie war nicht hässlich, aber eben nur Durchschnitt. Und sie täte gut daran, sich daran zu erinnern und Rafiq de Couteveille zu vergessen. Ihn und dieses lächerliche Verlangen. Sie hatte geglaubt, Herrin ihrer Gefühle zu sein, doch ein einziger Kuss hatte genügt, um sie eines Besseren zu belehren. Es war eine ernüchternde Erkenntnis. Ernüchternd und beschämend!

Dann straffte sie die Schultern: Sie war Lexie Sinclair, eine sehr kompetente Tierärztin. Das Rampenlicht überließ sie gerne ihrer berühmten Schwester. Sie war nicht dafür geschaffen, im Licht der Öffentlichkeit zu stehen, das bewiesen die zwölf Monate in Illyria, wo ihr das Stigma ihrer Geburt immer noch anhaftete. Dennoch hatte sie mit viel Engagement versucht, etwas von dem gutzumachen, was ihr Vater in so furchtbarer Weise angerichtet hatte. Und darauf konnte sie stolz sein.

Es war ein schwieriges Jahr gewesen. Und nun, da es hinter ihr lag, wollte sie nur eins – nach Hause gehen und ihr Leben so leben, wie sie es sich vorstellte.

Warum war sie dann hier? Auf einer tropischen Insel im Indischen Ozean, in einem Märchenschloss, zu Gast bei einem Prinzen?

„Durch Zufall“, sagte sie laut zu sich selbst und drehte dem Spiegel den Rücken. „In ein paar Tagen ist das alles vorüber, dann kannst du die ganze Episode vergessen.“

Aber tief innen wusste sie, sie würde Rafiq de Couteveille niemals vergessen können.

Es dämmerte bereits, als Lexie ihr Zimmer in der ersten Etage verließ. Am Ende der Treppe stand ein kleiner Tisch mit einem herrlichen Blumenstrauß, und als sie sich vorneigte, um daran zu riechen, entdeckte sie neben der Vase ein gerahmtes Foto.

Es zeigte ein junges Mädchen von siebzehn oder achtzehn, ganz offensichtlich eine nahe Verwandte des Schlossherrn: Ihr bildschönes Gesicht war eine sanftere Version seiner markanten Züge.

„Die Schwester des Emirs“, vernahm sie Caris leise Stimme hinter sich.

„Ich wusste nicht, dass er eine Schwester hat.“

„Sie hieß Hanni und ist vor zwei Jahren gestorben.“ Traurig betrachtete das Dienstmädchen das Porträt. „Darf ich Sie jetzt in den Garten bringen?“

„Danke, aber ich kenne den Weg.“

„Das glaube ich kaum. Heute Nachmittag waren Sie auf der Terrasse, den Patio haben Sie noch nicht gesehen.“

Lexie folgte ihr in einen von Arkaden umgebenen Innenhof. Kieswege teilten ihn in vier Bereiche, jeder mit blühenden Sträuchern nach einem symmetrischen Muster bepflanzt. Im Zentrum plätscherte ein Springbrunnen, und die weiche Luft duftete exotisch nach Blumen und Kräutern. Im Hintergrund schimmerte dunkelblau das Meer.

Cari zog sich zurück, und Lexie überließ sich dem Zauber der einbrechenden Nacht. Innerhalb weniger Minuten war es dunkel, wenn auch nicht kühler, und am samtschwarzen Himmel glitzerten Tausende von Sternen wie Diamanten.

Sie dachte an das lachende Gesicht auf dem Foto, und trotz der Wärme überlief es sie kalt. Wie war das lebensfrohe junge Mädchen ums Leben gekommen? War es ertrunken? Schaudernd wandte sie dem Meer den Rücken zu, um in den Salon zurückzukehren – und sah Rafiq durch die Tür in den Innenhof kommen.

Ein Prickeln lief ihr über die Haut, als sie sich des sonderbaren Gefühls beim Erwachen erinnerte. Das war es, worauf sie unbewusst gewartet hatte …

Rafiq bewegte sich mit der Geschmeidigkeit eines Panthers, und auch bei seinen unbeweglichen Gesichtszügen dachte man instinktiv an eine Raubkatze. Ihr Herz pochte dumpf. Sie wollte etwas sagen, aber ihr Kopf war wie ausgeleert. Krampfhaft versuchte sie es mit einem Lächeln.

Er kam näher, dann blieb er stehen und unterzog sie der üblichen Musterung. Unwillkürlich hob sie die Hand, ließ sie jedoch gleich wieder sinken.

„Haben Sie Kopfschmerzen?“, fragte er.

„Nein.“

Mit zwei Schritten stand er vor ihr und legte eine Hand unter ihr Kinn. Mit der anderen strich er ihr vorsichtig von den Schläfen über den Kopf, wobei er sie nicht aus den Augen ließ. Lexies Knie wurden weich.

Panik ergriff sie, und sie erwiderte schnell. „Es geht mir gut, mein Kopf ist in Ordnung.“ Abgesehen von dem steifen Nacken fühlte sie sich wirklich gut.

Er zog die Hand zurück. „Sie sehen in der Tat besser aus. Cari sagte, Sie haben lange geschlafen.“

„D…das stimmt.“ Ihre Stimme klang rau, und sie räusperte sich.

„Wahrscheinlich haben Sie den Schlaf gebraucht. Kommen Sie, setzen wir uns. Möchten Sie etwas trinken? Alkoholfrei, wenn Ihnen das lieber ist.“ Er lächelte.

„Sehr gern.“

Er berührte ihren Arm und führte sie zu einem der Sessel, und als sie sich setzte, bewunderte er im Stillen die Anmut ihrer Bewegungen.

„Dieser Garten ist … zauberhaft“, sagte sie stockend.

„Einer meiner Vorfahren ließ ihn für seine Braut anlegen. Sie war gebürtige Spanierin, und er wollte ihr etwas schenken, das sie an ihre Heimat erinnert. So entstand dieser Patio, nach dem Vorbild eines Lustgartens in der Alhambra von Granada. Sie war hingerissen, ebenso die Gemahlinnen späterer Herrscher.“

„Demnach ist dieses Schloss schon sehr lange bewohnt.“

Rafiq nickte. „Hier wohnt der älteste Sohn des jeweiligen Herrschers. Er selbst residiert mit seiner Gemahlin in der Zitadelle.“

Er reichte ihr ein Glas. „Ich hoffe, es schmeckt Ihnen. Der Saft ist eine Mischung aus Limetten und Papayas und Kräutern, die Blutergüsse lindern sollen.“

„Wundervoll“, bestätigte sie, nachdem sie von dem eiskalten Getränk gekostet hatte. „Die … die Zitadelle wirkt nicht gerade einladend. Ich bin sicher, die armen Landesherrinnen haben dieses bezaubernde Palais nur sehr ungern verlassen.“ Erneut trank sie einen Schluck.

Wie hypnotisiert blickte Rafiq auf die vollen roten Lippen. Er hatte Hunderten von Frauen beim Trinken zugeschaut, aber keine hatte ihn dabei so erregt wie diese.

Das aufsteigende Begehren unterdrückend, erwiderte er: „Die Festung wurde im neunzehnten Jahrhundert gründlich renoviert. Seitdem dient sie nur noch als Regierungsgebäude.“

Verdrossen fragte er sich, weshalb sein Körper so ungestüm auf diese Frau reagierte. Sie war attraktiv und nahm ihn mit ihren rauchblauen Augen, der samtigen Haut und dem sinnlichen Mund gefangen. Er hatte mit einigen der schönsten Frauen geschlafen, aber keine war ihm so unter die Haut gegangen wie Lexie Sinclair. Er brauchte sie nur anzusehen, um von dem brennenden Verlangen überwältigt zu werden, sie an sich zu reißen und zu besitzen. Warum, war ihm ein Rätsel.

5. KAPITEL

Eine Weile herrschte Schweigen. Dann schlug Rafiq die Beine übereinander und lehnte sich zurück. „Interessieren Sie sich für Geschichte?“

Lexie nickte ein wenig verlegen. „Neuseeland ist ein so junges Land. Da imponiert mir alles, was älter ist als zwei- oder dreihundert Jahre.“

Er lachte. „Unsere Geschichte geht allerdings viel weiter zurück. Wir wissen, dass die Araber schon vor Ende des ersten Jahrtausends unserer Zeitrechnung nach Moraze kamen. Sie waren es auch, die der Insel ihren Namen gaben. Er bedeutet ‚Insel im Osten‘ – Moraze liegt östlich von Sansibar.“

Östlich von Sansibar … Wie magisch das klang! Alles war möglich an einem solchen Ort. Die Begegnung mit einem faszinierenden Prinzen, das Erleben schockierender neuer Empfindungen – sogar der Mann seiner Träume konnte einem über den Weg laufen …

Hastig verbannte sie den törichten Gedanken. „Was mich einigermaßen überrascht, ist, dass sie – ich meine, die Araber – die Feuerdiamanten nicht beachtet haben. Sie mussten doch wissen, wie wertvoll sie sind.“

„Man hat sie erst ein Jahrhundert nach der Ankunft meiner Vorfahren entdeckt.“ Er wechselte das Thema. „An der Steilküste im Norden befinden sich mehrere Ruinen. Wenn Sie möchten, zeige ich Sie Ihnen. Sobald es Ihnen wieder deutlich besser geht“, fügte er hinzu.

Lexie spürte ein Prickeln auf ihrer Haut, und Rafiq, der sie unverwandt ansah, bemerkte ihre Erregung. Ihre Blicke begegneten sich, und als er lächelte, wurde ihr heiß und kalt. So beiläufig wie möglich bemerkte sie: „Das klingt faszinierend. Weiß man, aus welcher Epoche sie stammen?“

„Dazu gibt es verschiedene Theorien. Manche halten sie für Überreste des sagenumwobenen Inselreichs Atlantis, andere für einen Teil des historischen Trojas. Wieder andere behaupten, die ursprünglichen Baumeister kamen aus China.“

„Finden Ausgrabungen statt?“

Rafiq nickte und berichtete von den verschiedenen Funden und dem Museum, das man zu ihrer Aufbewahrung errichtet hatte. Ein Team von Archäologen aus verschiedenen Ländern sei mit den Ausgrabungen beschäftigt, erklärte er, könne sich jedoch über den Ursprung der Ruinen nicht einigen. „Zwei von ihnen waren besonders hartnäckig. Sie haben sich mithilfe der Medien in aller Öffentlichkeit so lange gegenseitig beschimpft und lächerlich gemacht, bis ich ihnen schließlich mit Ausweisung drohte“, schloss er.

„Man sollte meinen, Professoren, denen es um wissenschaftliche Erkenntnisse geht, wären über so was erhaben“, bemerkte Lexie nachdenklich.

„Selbstüberschätzung und Habgier machen viele Menschen blind.“

Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Die harschen Worte passten so gar nicht zu der magischen Atmosphäre des nächtlichen Tropenhimmels und dem sanften Plätschern der Fontäne. „Habgier? Wissenschaftler profitieren doch nicht etwa finanziell von solchen Funden?“

„Profit beschränkt sich nicht aufs Finanzielle. Ausgrabungen wie diese bringen Ruhm und Ansehen, worauf diese Herren Wert legen. Mehr als eine törichte Handlung – oder Schlimmeres – wurde aus Überheblichkeit oder krankhaftem Ehrgeiz begangen.“

Unwillkürlich dachte Lexie an ihren Vater. Auch ihn hatten Selbstüberschätzung, Machtgier und krankhafter Ehrgeiz zu seinen grässlichen Taten getrieben. Wusste Rafiq, dass sie Paulo Considines Tochter war?

Sie hob das Glas mit dem köstlichen Saft an die Lippen und trank einen Schluck. „Das ist wahr“, sagte sie tonlos.

Er stand auf. „Wollen wir essen?“

„Gern.“ Lexie erhob sich ebenfalls, wobei sie eine unglückliche Bewegung machte. Die Farbe wich aus ihrem Gesicht, und sie schwankte.

Sofort fasste Rafiq sie bei den Schultern. „Was ist? Sie sehen aus, als würden Sie gleich ohnmächtig.“

„Keine Angst, ich werde nie ohnmächtig.“ Sie atmete tief durch. „Bei dem Unfall muss ich mir einen Halswirbel verstaucht haben, und ab und zu tut es noch weh. Es ist schon wieder vorbei.“

Er lockerte den Griff, ließ sie jedoch nicht los. Sie waren sich so nahe, dass sie seinen männlichen Duft wahrnehmen konnte.

„Vielleicht hilft das.“ Mit den Daumen massierte er sanft ihren Nacken.

Lexie schloss die Augen. Die Knie wurden ihr weich, und eine feurige Hitze durchlief sie. Um der Versuchung, sich an ihn zu lehnen, nicht nachzugeben, sagte sie kurz. „Danke, aber ich bin in Ordnung.“

„Wirklich?“

„Ja.“ Sie drehte sich um und begegnete dem Feuer seiner grünen Augen.

„Den Eindruck habe ich nicht.“ Seine Stimme klang rau. „Vielleicht sollte ich Sie auf Ihr Zimmer tragen.“

Nein!“

Panik ergriff sie, und dann der Wunsch, seine Arme um sich zu spüren. Die Vorstellung war plötzlich ebenso berauschend wie das stärkste Getränk.

Sein Blick verharrte auf ihren halb geöffneten Lippen. „Sie lügen.“

Wie betäubt schüttelte sie den Kopf.

„Warum geben Sie es nicht zu?“, fragte er harsch.

„Wa…was soll ich zugeben?“

„Dass Sie mich genauso wollen wie ich Sie?“

Lexie stockte der Atem. Stumm erwiderte sie den glühenden Blick, unfähig, ihre Erregung zu verbergen.

„Wenn ich mich täusche, dann sagen Sie es. Jetzt! Oder …“ Seine Stimme klang plötzlich sanft.

Wortlos hob sie die Hand und legte sie an seine Wange. Rafiq neigte den Kopf und umschmeichelte ihren Mund mit kleinen Küssen. Er lächelte, als er ihr leises Seufzen vernahm, dann zog er sie an sich und presste die Lippen auf ihre. Sie schmolz in seinen Armen und erwiderte die stürmische Liebkosung mit gleichem Verlangen.

Erstickt murmelte er: „Du hast den Mund einer Sirene. Wo hast du gelernt, so zu küssen?“

„Ich … ich … weiß nicht …“, stammelte sie. „So … so etwas lernt man nicht, glaube ich.“

„Nein?“

Er küsste sie erneut, und sie verlor jedes Gefühl für Zeit oder Raum. Sie spürte nur, dass die Glut in ihrem Inneren heißer und heißer brannte. Sein Mund war wie eine Droge. Sie fühlte ein Ziehen in den Brüsten, und die Spitzen wurden hart.

Rafiq hob den Kopf, und Lexies Denkvermögen kehrte zurück.

O Gott! Was tue ich!

Hastig machte sie eine abwehrende Bewegung und sah ihn aus weit geöffneten Augen an. Einen kurzen Moment schien es, als wolle er sie festhalten, dann ließ er die Arme sinken, ein spöttisches Lächeln auf den Lippen.

„Also doch nicht.“

„Das … das Dinner …“

Er lachte trocken. „Sie haben recht – den Koch soll man nicht warten lassen. Gehen wir.“

Er reichte ihr den Arm, und als sie zögerte, hob er die Brauen.

„Fürchten Sie sich vor mir?“

„Nein, natürlich nicht.“ Nur vor sich selbst fürchtete sie sich, vor dem hemmungslosen Verlangen, gegen das sie anscheinend machtlos war.

Schweigend gingen sie ins Haus zurück und stiegen die Treppe in den ersten Stock hinauf.

Nach einer Weile sagte sie stockend: „Es … es gehört nicht zu meinen Gewohnheiten, fremde Männer so … so intim zu küssen.“

„Ja, das dachte ich mir.“

Seine Worte vernichteten den Rest ihres Selbstvertrauens. War ihr Mangel an Erfahrung so offensichtlich?

Und wenn schon! Letztendlich machte es keinen Unterschied, ob er sie durchschaute oder nicht.

„Wenn es Sie beruhigt … Ich zwinge mich einer Frau niemals auf.“

„Das wollte ich nicht … Ich meine, ich bin sicher, dass Sie das nicht tun.“ Im nächsten Moment rief sie: „Aber das ist ja einfach entzückend!“

Durch einen kleinen Salon waren sie ins Freie getreten und standen auf einer weiten, von Windlichtern erhellten Terrasse. Diese war zu beiden Seiten von dichten Hecken umgeben und zum Meer hin von einer Arkade aus Stein abgegrenzt, mit einem wunderschönen Gitterwerk aus gemeißelten Blumen. Zu ihrer Linken befand sich ein mit Wasserlilien übersätes Becken, in dessen Zentrum ein kleiner Pavillon aufragte, zu dem man über eine schmale Brücke gelangte.

„Auch hinter dieser Kreation steckt eine Frau“, bemerkte Rafiq ironisch. „Ein späterer de Couteveille kam auf die Idee, nachdem er die Dame seines Herzens aus den Händen von Korsaren befreite. Sie hatte eine Vorliebe für Wasser, und so ließ er diesen Teich anlegen, in dem sie gemeinsam schwimmen konnten.“

Nicht nur schwimmen, ging es Lexie durch den Kopf. Sie dachte an die unzähligen Küsse, die die beiden in dem entzückenden Becken getauscht haben mussten. Verstohlen sah sie zu Rafiq hinüber – und entdeckte, dass er sie beobachtete, bevor er den Blick abwandte. „War sie eine Korsarenbraut?“, fragte Lexie, um ihre Verlegenheit zu verbergen.

„Sie war die Tochter des Gouverneurs einer westindischen Insel“, erklärte Rafiq, während sie die Terrasse überquerten. An der Brücke blieben sie stehen. „Die Piraten entführten sie wegen des Lösegelds, aber dann erlag der Anführer ihrem Charme und behielt sie für sich. Sie wartete bis kurz vor Moraze, wo sie mit einem Messer auf ihn losging. Dann sprang sie ins Meer und schwamm an Land.“

Lexie sog den süßen Duft der weißen und blassgelben Lilienblüten ein, die, wie sie erstaunt feststellte, ohne Stängel sanft auf dem Wasser dahinglitten. „Anscheinend war der französische Herzog nicht der einzige Draufgänger Ihrer Familie.“

Rafiq lächelte. „Keinem meiner Vorfahren fehlte es an Mut oder Entschlusskraft, wenn es ums Überleben ging. Solange es ihren Zwecken diente, kannten sie weder Skrupel noch Erbarmen.“

Wieder tauchte das Bild ihres Vaters vor Lexie auf. „Nur wenige Familien können behaupten, ihr Stammbaum besteht nur aus Heiligen“, erwiderte sie leise.

„Das ist richtig.“

„Und wie geht die Geschichte der Gouverneurstochter weiter?“

„Mein Vorfahre fand sie am Strand, wo sie sich verborgen hielt. Sie erzählte ihm, was geschehen war und dass die Seeräuber die Insel angreifen wollten. Darauf enterten er und seine Leute das Piratenschiff und nahmen die Mannschaft gefangen – den Anführer tötete er natürlich. Und die Gouverneurstochter wurde schließlich seine Frau. Doch bevor es dazu kam, stritten sie angeblich wie Hund und Katze.“ Wieder lächelte er, diesmal aufrichtig belustigt. „Sie führten eine lange und glückliche Ehe, wenn auch eine ziemlich bewegte.“

„Ein Happy End also. Gelangweilt haben sie sich gewiss nicht.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Nicht jeder hat es gern beschaulich.“

„Gilt das auch für Sie?“

Beim Ton seiner Stimme horchte sie auf. War das nur so dahergesagt, oder verfolgte er mit dieser Frage eine bestimmte Absicht? Vielleicht sah sie Gespenster, aber plötzlich fühlte sie sich ihm gegenüber ausgesprochen verletzlich.

Sie betraten die Brücke, und um dem Schweigen ein Ende zu machen, erwiderte sie: „Mein Beruf bringt genug Stress mit sich, da verzichte ich gern auf zusätzliche Aufregungen. Aber gegen etwas Abwechslung hin und wieder habe ich nichts einzuwenden.“

Was war nur in sie gefahren? Das mit der Abwechslung hätte sie wohl besser nicht sagen sollen, nicht nach der stürmischen Umarmung von eben. Andererseits war ihre Reaktion für ihn bestimmt nichts Neues, daran war er mit Sicherheit gewöhnt.

„Und … und Sie?“, fragte Lexie, als Rafiq weiterhin schwieg.

„Ich mag Ruhe, solange sie nicht ewig währt. Eine Existenz ohne Herausforderungen wäre nicht nach meinem Geschmack.“

„Das glaube ich gern.“ Abrupt wechselte sie das Thema. „Diese Wasserlilien sind anders als die in Neuseeland. Unsere schließen sich, wenn es dunkel wird.“

„Unsere ebenfalls.“ Er schmunzelte. „Bei diesen sind die Blütenblätter mit Wachs bestrichen, damit sie offenbleiben. Ein Brauchtum der Einheimischen.“

Als sie vor dem Pavillon standen, zog Rafiq den Vorhang, der als Tür diente, beiseite und ließ sie eintreten. „Spielen Sie Schach?“

„Nicht sehr gut. Jemand, der zwei Züge im Voraus planen kann, hat von mir nichts zu befürchten.“

Als sie jedoch nach dem Abendessen vor dem Schachbrett saßen und eine Weile gespielt hatten, sah Rafiq auf und sagte: „Sie haben gelogen.“

„Ich lüge nie!“, protestierte Lexie entrüstet.

„Warum behaupten Sie dann, Sie könnten nicht spielen?“

„Wenn mich nicht alles täuscht, sind Sie am Gewinnen. Ich habe mich wieder mal total verfahren.“

„Soll ich Ihnen verraten, wie Sie sich retten können?“

„Nein! Geben Sie mir noch ein paar Minuten, vielleicht schaffe ich es allein.“

Er schmunzelte. „Nur zu.“

Angestrengt sah sie auf das Brett, dann atmete sie auf und streckte die Hand aus – um sie im letzten Moment wieder zurückzuziehen. Um ein Haar wäre sie ihm in die Falle gegangen!

Nein, mit ihrer Konzentration war es nicht weit her, aber war das ein Wunder? Jedes Mal, wenn sie aufsah, hatte sie sein faszinierendes Pokergesicht vor Augen. Vollkommen entspannt, die langen Beine von sich gestreckt, saß er in seinem Sessel und verfolgte das Spiel.

Und dieser aufreizende Diwan, der hinter ihm stand! Einladend und breit genug für eine Siesta zu zweit. Bei dem Gedanken stieg ihr das Blut in die Wangen.

Ich will ihn, dachte sie benommen. Und wie ich ihn will!

Plötzlich war das Verlangen nach ihm so intensiv, dass sie nicht mehr wusste, ob sie die Worte nur gedacht oder laut gesagt hatte. Sie musste hier weg – weg aus diesem Liebesnest mit dem gedämpften Licht, dem schweren Duft tropischer Blumen und dem erotischen Möbelstück.

Abrupt sagte sie: „Ich gebe auf. Sie gewinnen.“

Erstaunt hob er die Brauen, dann nickte er. „Wie Sie möchten.“

Er griff nach einer mit Samt ausgeschlagenen Holzschachtel, und während Lexie sich daran machte, die Schachfiguren einzusortieren, bemerkte er beiläufig: „Übermorgen findet anlässlich der Fertigstellung eines neuen Hotels eine kleine Feier statt. Eine Party für die Bauarbeiter und das Personal, also viel formloser als der Empfang von neulich. Natürlich nehme ich daran teil, und es wäre schön, wenn Sie mich begleiten würden. Wenn es Ihnen nicht zu anstrengend ist“, fügte er hinzu.

Völlig überrumpelt sah sie auf. „Das … das ist sehr aufmerksam, aber ich möchte mich nicht aufdrängen.“

„Im Gegenteil.“ Rafiq lächelte sexy. „Ich bin sicher, es wird Ihnen gefallen. Eine Strandparty ohne langweilige Reden, aber mit viel Folklore – Musik, Tänze, einheimisches Essen …

Es klang verlockend. Hin- und hergerissen zwischen Vernunft und der Aussicht, einen ganzen Abend mit ihm zu verbringen, zögerte sie, doch dann sagte sie sich, dass Vernunft nicht alles im Leben war. „Einverstanden. Ich komme sehr gern.“

Autor

Lucy Gordon
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