Lagune der Verführung

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Warum lädt Prinz Rafiq sie auf sein Schloss an der Lagune ein? Und warum küsst er sie dort so stürmisch, als sei sie die Einzige für ihn? Ein Rätsel - und trotzdem verliebt sich Lexie in diesen Traummann! Bis sie erkennt, welch gefährliches Spiel er mit ihr treibt …


  • Erscheinungstag 30.04.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733716776
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Welcher Art sind die Beziehungen zwischen Felipe Gastano und dieser Alexa?“, fragte Rafiq de Couteveille seine Sicherheitschefin Thérèse Fanchette.

Thérèse, eine Frau mittleren Alters, wachte seit Jahren über Rafiq de Couteveilles Inselstaat Moraze im Indischen Ozean. Sie besaß einen messerscharfen Verstand und beantwortete die Frage ihres Chefs gewohnt sachlich. „Sie teilen eine Suite im Hotel, Sir.“

„Ein Liebesverhältnis also.“

Thérèse Fanchette schwieg, während Rafiq die junge Frau auf dem Foto betrachtete: mittelgroß, schlank, mit fein geschnittenen Gesichtszügen. Sie lächelte dem Mann zu, der neben ihr stand – ein Mann, dem seit zwei Jahren Rafiqs ganz besonderes Interesse galt.

Sie ist nicht gerade Gastanos Typ, überlegte er. Aber das war Hanni auch nicht gewesen. Hanni, seine kleine Schwester … Tot, aber nicht vergessen. Kalte Wut stieg in ihm hoch.

Er deutete auf das Foto. „Was wissen Sie sonst noch über sie?“

„Nicht viel.“ Thérèse warf einen Blick auf ihre Notizen. „Sie ist sechsundzwanzig und lebt auf der Nordinsel Neuseelands, wo man sie unter dem Namen Lexie Sinclair kennt. Von Beruf Tierärztin, mit einer Praxis auf dem Land. Als ihre Stiefschwester – Jacoba Sinclair, das Fotomodell – Prinz Marco von Illyria heiratete, wurde publik, dass Alexa die Tochter des verstorbenen illyrischen Diktators ist.“

Rafiq hob die Augenbrauen. „Paulo Considine war ihr Vater?“

Thérèse nickte.

„Er war einer der meist gehassten und gefürchteten Männer unserer Zeit. Wie kommt es, dass sie in Neuseeland aufwuchs?“

„Die Mutter floh mit ihr aus Illyria, als Alexa erst drei Jahre alt war. Aus Angst vor Considine, wie es hieß. Angeblich erfuhren die Schwestern erst als Erwachsene, wer Alexas leiblicher Vater war.“

„Die Frau hatte allen Grund zur Flucht, der Mann war eine Bestie“, erwiderte Rafiq trocken, den Blick noch immer auf das Foto geheftet. „Fahren Sie fort.“

„Alexa verbrachte das vergangene Jahr bei ihrer Stiefschwester in Illyria, wo sie sich im Einvernehmen mit der Regierung als Tierärztin betätigt hat und an der Universität Veterinärmedizin unterrichtete. Ohne Bezahlung, nebenbei bemerkt.“

Und jetzt waren sie und Felipe Gastano in Moraze. Was hatten ihre königlichen Verwandten sich dabei gedacht, sie mit ihm gehen zu lassen? Der Mann benutzte sein attraktives Äußeres und einen unechten Grafentitel, um sich gesellschaftlich zu etablieren. Wussten Prinz Marco und Prinz Alex nicht, dass man ihn des Drogenhandels verdächtigte? Eine von Rafiqs ehemaligen Freundinnen war Gastanos Charme zum Opfer gefallen und beging, als sie süchtig wurde, Selbstmord.

Vielleicht, überlegte er, wollten die Considines Alexa nur loswerden. Es war immerhin möglich, dass Vater und Tochter mehr gemeinsam hatten, als ihren Angehörigen lieb war.

„Wie lange lebt sie schon mit Gastano zusammen?“

„Ungefähr zwei Monate.“

Rafiq musterte das hochmütige Männergesicht auf dem Foto. Seine Begleiterinnen waren im Allgemeinen auffallend schön und sehr sexy, aber weder das eine noch das andere ließ sich von Alexa Considine alias Lexie Sinclair behaupten. Sie war apart und besaß, was man das gewisse Etwas nannte, aber zu Felipe passte sie überhaupt nicht. Weshalb er sie trotzdem zu seiner Geliebten gemacht hatte, war allerdings nicht schwer zu erraten.

Als unehelicher Sohn eines Grafen hatte sich Gastano dessen Titel angeeignet, als der legitime Nachkomme – sein Stiefbruder – an einer Überdosis Heroin starb. Alexa war nicht nur Prinz Marcos Schwägerin, sondern väterlicherseits mit den einflussreichen Considines verwandt und daher der ideale Türöffner für das aristokratische Milieu, zu dem Gastano seit Langem Zugang suchte. Dass man seine Absicht durchschauen könnte, kam ihm natürlich nicht in den Sinn, dafür war er zu sehr von sich selbst überzeugt. Gut so, dachte Rafiq mit grimmiger Genugtuung. Mit Considines Tochter als Druckmittel hatte er den Kerl in der Hand.

Er hob den Kopf, und sein Blick fiel auf das Landeswappen an der gegenüberliegenden Wand, das ein steigendes Pferd mit einer diamantbesetzten Krone auf dem Haupt zeigte. Pferde und Feuerdiamanten standen für Morazes Unabhängigkeit und Reichtum. Er wäre ein unwürdiger Nachkomme der de Couteveilles und ein jämmerlicher Bruder, wenn er Hannis Tod nicht rächen würde.

Einen Moment lang empfand er Gewissensbisse – sollte er eine Unschuldige in sein Vorhaben mit hineinziehen? Doch dann sagte Rafiq sich, dass man sie, in Anbetracht des Umgangs, den sie pflegte, kaum eine Unschuld nennen konnte. Außerdem war sie alt genug, um zu entscheiden, mit wem sie ins Bett ging. Im Grunde tat er ihr einen Gefallen, wenn er sie von ihrem Liebhaber befreite – der Mann war ein gefährlicher Hochstapler.

An seine Sicherheitschefin gewandt, sagte er: „Was ich von Ihnen erwarte, ist Folgendes …“

Thérèse hörte aufmerksam zu, dann zuckte sie leicht die Schultern. „Wie Sie möchten. Und was ist mit dem Grafen?“

„Lassen Sie ihn weiterhin beschatten, und zwar von Ihren besten Leuten. Er ist ein schlauer Fuchs.“

Rafiq stand auf und trat ans Fenster, wo er den Blick über die Dächer der Hauptstadt schweifen ließ. „Zum Glück ist er einer von denen, die sich den Menschen eines kleinen Landes wie Moraze haushoch überlegen fühlen. Es würde mich nicht wundern, wenn er leichtsinnig wird und Fehler macht.“

Vom Eingang des Ballsaals aus beobachtete Rafiq die junge Frau in dem roten Seidenkleid. Sie besaß eine ausgezeichnete Figur, mit schmaler Taille, hohen kleinen Brüsten und langen Beinen. In dem raffiniert geschnittenen Kleid zog sie die Blicke der anwesenden Männer auf sich. Allerdings harmonierte der reservierte Gesichtsausdruck nicht so recht mit dem provokanten Outfit.

Das Foto hatte nicht gelogen: Alexa Considine war keine glamouröse Schönheit, aber sie war elegant und hatte unverkennbar Ausstrahlung. Mit dem goldbraunen, erstklassig gestylten Haar und dem diskreten Make-up war sie auch unter so vielen schönen Frauen, die zur offiziellen Eröffnung des neuesten Luxusresorts von Moraze erschienen waren, nicht zu übersehen.

Ein wenig verloren stand sie in der Menge, während Gastano auf der gegenüberliegenden Seite des Saals mit einem berühmt-berüchtigten Starlet flirtete.

Interessant …

Als einzige der anwesenden Damen trug sie keinen Schmuck. Sie hatte etwas – fast könnte man sagen – Mädchenhaftes; so, als habe noch nie ein Mann ihren Mund geküsst, und beim Anblick der vollen roten Lippen spürte Rafiq eine unverkennbar sinnliche Reaktion. Ohne sich dadurch ablenken zu lassen, betrachtete er das schmale ernsthafte Gesicht.

Thérèse Fanchettes Kontaktperson in Neuseeland versicherte, dass Lexie Sinclair, was Männer betraf, ein unbeschriebenes Blatt sei, aber das bezweifelte er. Wohl eher auf der Hut, dachte er zynisch. Als Gastanos Geliebte war sie weder ahnungslos noch naiv und ihr frommer Blick entweder vorgetäuscht oder angeboren.

Doch die kühle Gelassenheit, die sie zur Schau trug, reizte seine ureigensten männlichen Instinkte, und er fragte sich, wie es wäre, in den leicht mandelförmigen Augen Leidenschaft auflodern zu sehen, den schönen Mund zu liebkosen und dabei ihr Zittern zu spüren …

Widerstrebend wandte er den Kopf ab und ließ den Blick über die Menge schweifen. Alles, was Rang und Namen hatte, war heute Abend erschienen, um gesehen zu werden und sich mit eigenen Augen vom Luxus des exklusiven neuen Resorts zu überzeugen. Nur Alexa Considine schien unbeeindruckt. Ebenso wenig bemerkte oder beachtete sie die interessierten Blicke, die ihr galten.

Er sah, wie sie sich einen Weg zu den offenen Fenstertüren bahnte und in den nächtlichen Garten hinaustrat. Im Glanz der Kronleuchter schimmerte das goldbraune Haar wie Bernstein.

Auch Felipe Gastano schaute ihr nach. Er sagte etwas zu dem Starlet, dann stand er auf und folgte Alexa. Einen Moment lang überlegte Rafiq, ob er einen seiner Sicherheitsleute verständigen sollte, dann beschloss er, ihnen selbst nachzugehen.

Auf der weiten Steinterrasse des Ballsaals verzog er ironisch die Mundwinkel. Ein sternenklarer Tropenhimmel, unter dem das Meer wie ein silberner Spiegel glänzte, dazu das Parfum exotischer Blüten – er konnte sich keinen besseren Rahmen für ein romantisches Tête-à-Tête wünschen.

Im Schatten einer Hecke blieb er stehen und sah zu, wie Gastano hinter die junge Frau trat und auf sie einsprach. Sie drehte sich um und erwiderte etwas, das Rafiq auf die Entfernung hin nicht verstehen konnte. Während er sie nicht aus den Augen ließ, spürte er erneut die Wirkung, die sie auf ihn hatte. Der Impuls, hinüberzugehen und den Mann beiseite zu stoßen, war plötzlich so stark, dass er unwillkürlich die Hände zu Fäusten ballte. Sie weckte Beschützerinstinkte, die ihm überhaupt nicht gefielen. Die Frau war ein Werkzeug seiner Rache an Felipe Gastano, nichts weiter.

Leicht beugte er sich vor, um zu hören, worüber sie sprachen. Offenbar nicht vorsichtig genug, denn sie hob den Kopf und schaute in seine Richtung. Ihre Blicke begegneten sich, und eine Sekunde lang glaubte er, in ihren Augen so etwas wie eine Warnung zu lesen, bevor sie die Wimpern senkte. Nicht das geringste Anzeichen von Überraschung oder Erschrecken über die Anwesenheit eines Unbekannten war auf dem aparten Gesicht zu erkennen. Ihretwegen brauchte er sich keine Gedanken zu machen; die Dame wusste, was sie tat.

Er sah, wie sie die Lippen zusammenpresste und die Stirn runzelte, während der Graf immer noch leise auf sie einredete.

„Nein“, entgegnete sie scharf. „ich habe meine Meinung nicht geändert.“

Auch Gastano hob die Stimme. „Kein Grund zur Aufregung, meine Liebe“, besänftigte er sie in einschmeichelndem Ton.

Sie warf den Kopf zurück, und ohne ihren Liebhaber eines weiteren Blickes zu würdigen, kam sie geradewegs auf Rafiq zu.

„Guten Abend“, sagte sie. „Was für eine wunderschöne Nacht, nicht wahr?“ Mit einer Geste in Gastanos Richtung fügte sie hinzu: „Kennen Sie sich?

Im Stillen bewunderte er ihre Kaltblütigkeit. „Selbstverständlich.“ Er nickte Felipe kurz zu. „Guten Abend, Graf.“

„Sir, welche Freude!“ In Gastanos Stimme schwang falsche Herzlichkeit mit. „Gestatten Sie, dass ich Ihnen zu Ihrem neuen Resort gratuliere. Eine weitere Attraktion für die Besucher von Moraze, und wenn mich nicht alles täuscht, eine sehr erfolgreiche. Einer meiner Bekannten, ein europäischer Fürst, hat bereits einen Aufenthalt für sich und seine neueste … äh … Gefährtin reserviert“, versicherte er augenzwinkernd. „Darf ich Ihnen meine Begleiterin vorstellen? Alexa Considine … Ich meine, Miss Sinclair. Lexie, das ist Prinz Rafiq de Couteveille, der Herrscher dieser zauberhaften Insel und ein renommierter Don Juan.“ Er verbeugte sich ironisch, bevor er in Richtung des Ballsaals davonging.

Nachdenklich betrachtete Rafiq die junge Frau. Der zornige Blick, mit dem sie Gastano nachsah, war ihm nicht entgangen. Ohne ein Wort nahm er ihren Arm und führte sie zu der Balustrade am Ende der Terrasse.

Mit einer Mischung aus Scheu und Verdrossenheit ging Lexie neben ihm her. Hätte sie gewusst, wer der Unbekannte war, wäre sie nicht auf die Idee verfallen, ihn anzusprechen. Es war ein Verstoß gegen die Etikette, den er liebenswürdigerweise übersah.

Verstohlen warf sie einen Blick auf das markante, männlich schöne Profil, und eine Sekunde lang stockte ihr der Atem.

Er sah fantastisch aus. Ein Prickeln lief ihr über die Haut, und ihr Puls ging plötzlich schneller. Unter dem schwarzen Smoking ahnte man die Kraft eines Athleten, und doch verriet seine ganze Haltung eindeutig, dass er aristokratischer Abstammung war. Eine Aura von Macht und eine natürliche Überlegenheit gingen von ihm aus, und weder das eine noch das andere konnte man erlernen, man wurde damit geboren. Im Vergleich dazu erschien das weltmännische Gehabe des Grafen übertrieben und unecht.

„Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Sir.“

„Bitte nennen Sie mich Rafiq.“ Das Lächeln, mit dem er die Worte begleitete, ließ Lexies Puls noch höher schlagen. Verwirrt wandte sie sich ab und überlegte, was sie über den Herrscher von Moraze gehört oder gelesen hatte. Viel war es nicht, die Medien beschäftigten sich selten mit ihm oder seinem Land, und Schlagzeilen in den Klatschblättern machte er auch keine. Felipe nannte ihn verächtlich das ‚Prinzlein einer gottverlassenen Insel‘, doch da täuschte er sich. Rafiq de Couteveille war alles andere als ein Schwächling.

Bei dem Gedanken an Felipe zog Lexie die Stirn in Falten. Dass sie sich hier wiederbegegneten, war eine unangenehme Überraschung. Sie hatte ihn vor zwei Monaten in Illyria kennengelernt und wusste, dass sie an einer ernsthaften Beziehung kein Interesse hatte. Sie war nach Moraze gekommen, um sich eine Woche zu erholen, bevor sie nach Neuseeland und zu ihrer Veterinärpraxis zurückkehrte.

Daher hatte sie sich über sein Erscheinen am Flughafen nicht gerade gefreut, umso weniger, als er sie in sein Hotel brachte. Auf ihren Einwand hin, sie habe bereits anderswo gebucht, teilte er ihr seelenruhig mit, ihre Reservierung sei storniert und das Zimmer bereits weitervermietet worden.

Ein Blick auf die prunkvolle Suite, den Eiskübel mit der Champagnerflasche und den riesigen Blumenstrauß genügte Lexie, um zu wissen, was Felipe im Sinn hatte. Es war auch nicht sein erster Versuch in dieser Richtung, allerdings der deutlichste. Sie informierte ihn höflich, aber bestimmt, dass sie an einer Affäre kein Interesse habe, worauf er mit einem charmanten Lächeln um Entschuldigung bat und versicherte, sie könne das Schlafzimmer benutzen, er würde sich mit einem der sehr komfortablen Sofas im Salon begnügen.

Dass er sich so leicht mit der negativen Antwort abfand, machte sie ein wenig argwöhnisch. Nachdem der Empfangschef des Hotels ihr jedoch mitgeteilt hatte, dass kein Einzelzimmer verfügbar sei, stimmte sie dem Vorschlag schließlich zu, obwohl sie das Gefühl nicht loswurde, dass Felipe außer Sex noch etwas anderes bezweckte. Aber was?

Der Verdacht verstärkte sich, als er sie später dazu überredete, ihn auf diese Party zu begleiten, wo er sie kurz darauf allein ließ, um mit einer anderen Frau zu flirten. Normalerweise wäre ihr das gleichgültig gewesen, aber hier, unter diesen Fremden und Prominenten, deren Gesichter sie nur aus Magazinen kannte, fühlte sie sich ausgesprochen fehl am Platz. Außer ihr waren alle in Abendkleidung erschienen, die Männer im Frack, ihre Begleiterinnen mit kostbaren Juwelen behangen und …

Rafiq de Couteveilles Stimme riss sie aus ihren Gedanken. „Sie sagen gar nichts, ist alles in Ordnung?“

„Ja, natürlich“, versicherte sie schnell und ein wenig atemlos.

„Vielleicht sollte ich um Verzeihung bitten, dass ich das Zusammensein mit Ihrem Bekannten gestört habe.“

„Ga…ganz und gar nicht.“

Während sie schweigend auf die im Mondlicht schimmernde Lagune schauten, war Lexie sich seiner Nähe fast schmerzhaft bewusst, und sie fragte sich, weshalb sie so stark auf ihn reagierte. An seinem Äußeren allein konnte es nicht liegen, denn Felipe sah genauso gut aus. Aber diese Wirkung hatte er nie auf sie gehabt. Er war charmant, besaß einen interessanten Freundeskreis, stellte keine unbequemen Fragen wegen ihrer Herkunft, und bevor er sie heute Morgen mit der gemeinsamen Suite in Verlegenheit brachte, hatte sie ihn stets als angenehmen und unterhaltsamen Begleiter empfunden. Mit Ausnahme jenes Abends vor ungefähr einem Monat …

Aus irgendeinem Grund war sie müde gewesen, worauf er meinte, er könne ihr, wenn sie daran interessiert sei, etwas besorgen, das sie wieder in Schwung bringen würde. Als er den entsetzten Ausdruck auf ihrem Gesicht bemerkte, lachte er nur und sagte, er habe sie lediglich auf die Probe stellen wollen.

Damals hatte sie ihm geglaubt – jetzt fragte sie sich, ob es ihm nicht ernst gewesen war. Was weiß ich schon von ihm?, dachte sie und umkrampfte, ohne es zu merken, die steinerne Balustrade.

„Etwas stimmt nicht. Kann ich Ihnen helfen?“

Anscheinend war Rafiq de Couteveille ein Hellseher. „Danke, aber mir fehlt wirklich nichts.“

„Wie lange kennen Sie den Grafen eigentlich schon?“

„Ungefähr zwei Monate.“

„Man sagt, Sie wollen sich demnächst mit ihm verloben.“

„Wie bitte?“ Verblüfft sah sie zu ihm auf und erhaschte den abwägenden Blick, mit dem er sie bedachte. „Wie kommen Sie denn auf diese Idee?“

„Reizt es Sie nicht, einen Mann wie ihn zu zähmen?“

„Durchaus nicht. Weder ihn noch einen anderen.“ Sie verstummte. Was für ein sonderbares Gesprächsthema, ging es ihr durch den Kopf.

„Nein? Angeblich ist das der Herzenswunsch einer jeden Frau“, bemerkte Rafiq nachlässig.

„Meiner nicht, so viel steht fest. Wer hat Ihnen gesagt, dass Felipe und ich uns verloben wollen?“

„Irgendjemand erwähnte es, aber vielleicht habe ich die Person missverstanden.“ Er schwieg. „Und was ist Ihr Herzenswunsch, wenn ich fragen darf?“

Er flirtet mit mir, dachte Lexie benommen. Ich täte besser daran, mich von ihm zu verabschieden.

Aber etwas hielt sie davon ab; eine sonderbare Erregung, die sie sich nicht erklären konnte. Sie hob das Gesicht und begegnete dem unergründlichen Blick seiner grünen Augen.

Wusste er, was in ihr vorging? Plötzlich verspürte sie den brennenden Wunsch, den schön geformten Mund stürmisch zu küssen. Schnell wandte sie den Kopf zur Seite. „Nur törichte Frauen verraten ihre geheimsten Wünsche“, erwiderte sie spröde.

Mein größter Wunsch im Moment wäre, herauszufinden, ob Ihre Lippen so süß schmecken, wie ich vermute.“ Er lächelte. „Natürlich nur, wenn das nicht gegen Ihre Prinzipien verstößt.“

Ihre Kehle war plötzlich wie ausgetrocknet. „Ich … Ja … Ich meine, nein …“

„In diesem Fall …“ Er neigte sich zu ihr und küsste sie sanft.

Zuerst versteifte sie sich, doch als er sie in die Arme nahm und näher an sich zog, schmiegte sie sich instinktiv an ihn und erwiderte den Kuss.

Sein Verlangen wurde deutlicher und weckte Regungen in ihr, die sie noch nie empfunden hatte. Einen Moment lang versuchte Lexie dagegen anzukämpfen, dann öffnete sie bereitwillig die Lippen und überließ sich dem erotischen Spiel seiner Zungenspitze. Ein unbekanntes heißes Verlangen überkam sie, und sie schmolz in seinen Armen.

Als er den Kopf hob und murmelte: „Vielleicht sollten wir in den Park gehen, dort sind wir ungestört“, bedurfte es all ihrer Willenskraft, um nicht ja zu sagen.

„Das … das möchte ich lieber nicht …“, stammelte sie.

Sofort gab er sie frei und trat zurück. Rot vor Scham eilte Lexie in Richtung des erleuchteten Ballsaals.

„Warten Sie!“

Mit zwei Schritten hatte er sie eingeholt. Er hob die Hand und strich ihr eine Haarsträhne aus dem erhitzten Gesicht. „Damit Sie etwas präsentabler aussehen“, meinte er ironisch. „Trotzdem empfehle ich Ihnen, sich kurz frisch zu machen.“

„Ich … Ja, natürlich …“ Bemüht, den inneren Aufruhr zu bezwingen, fragte sie: „Kehren Sie auch in den Saal zurück?“

„Nicht gleich. Bei mir dauert es etwas länger, bevor ich mich wieder sehen lassen kann.“

„Oh.“ Verlegen wandte sie sich ab und lief davon, sein amüsiertes Lachen in den Ohren.

Rafiq sah ihr immer noch nach, als einer seiner persönlichen Assistenten auf ihn zukam. Widerstrebend wandte er den Blick von Lexies verführerischer Silhouette und fragte schroff: „Was ist?“

„Ihre Instruktionen wurden befolgt, Hoheit.“

„Gut.“ Im Begriff, in den Ballsaal zurückzugehen, blieb er noch einmal stehen. „Haben Sie die Frau in dem roten Kleid bemerkt?“

„Jawohl, Sir. Sie wird ebenfalls bew…“ Er brach ab und zog sich diskret zurück, als jemand sich ihnen näherte.

„Sie wollen schon gehen, Prinz?“, fragte der Neuankömmling.

„Ja, leider.“ Rafiq nickte ihm freundlich zu. Der Mann war ein erfolgreicher Bauunternehmer, den er für seine persönliche und geschäftliche Integrität hoch schätzte. Sie wechselten ein paar Worte, doch als Rafiq sich zum Gehen wandte, sagte der andere: „Was das neue Projekt betrifft, Hoheit … Hatten Sie Gelegenheit, sich meinen Kostenvoranschlag anzusehen?“

„Das habe ich. Allerdings liegt die Entscheidung nicht bei mir, darüber muss der Stadtrat bestimmen.“

„Natürlich.“ Der Unternehmer nickte. „Manchmal frage ich mich, ob Sie es nicht bedauern werden, auf Ihre Machtbefugnisse zu verzichten.“

„Ganz und gar nicht. Unser Land ist klein, aber seine Bewohner haben den gleichen Anspruch auf Selbstbestimmung wie jede andere Nation. Wenn ich ihnen dieses Recht vorenthalte, werden sie es sich früher oder später selber nehmen. Ich bin Pragmatiker und Befürworter der Demokratie. Auf dem Weg dorthin werde ich meine Landsleute begleiten.“

„Ich wünschte, jeder Landesherr wäre so fortschrittlich gesinnt.“ Der Mann machte eine Pause, dann räusperte er sich. „Obwohl meine Tochter Ihnen bereits für den wundervollen Feuerdiamanten gedankt hat, den Sie ihr zum Geburtstag geschenkt haben, möchte ich das bei dieser Gelegenheit ebenfalls tun. Er ist superb.“

„Ich bitte Sie, mein Lieber! Francesca und ich sind gute Freunde. Der Anhänger passt zu ihr.“

Sie verabschiedeten sich mit einem Händedruck, und im nächsten Moment vergaß Rafiq die Tochter des Unternehmers, die bis vor sechs Monaten seine Geliebte gewesen war. An ihrer Stelle sah er Lexie Sinclair vor sich, ihr goldbraunes Haar, den grazilen Körper und den vollen Mund, der sein Blut in Wallung brachte. Die Geliebte des Mannes, den er aus ganzer Seele hasste und verabscheute.

Autor

Robyn Donald
Die Neuseeländerin Robyn Donald ist überzeugt, dass Schreiben und Gärtnern viel gemeinsam haben: Beide Tätigkeiten sind mit Fantasie, Gefühlen, Visionen, viel Arbeit und Rückenschmerzen verbunden - und machen, wenn sie erfolgreich abgeschlossen sind, sehr glücklich. Schon als Kind erzählte Robyn ihren vier jüngeren Schwestern und ihrem Bruder sehr gern haarsträubende...
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