Leidenschaftliches Liebesmärchen in Brasilien

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Wie im Märchen fühlt Zimmermädchen Emma sich, als der brasilianische Multimillionär Lucas Marcelos sie in seine Arme zieht und heiß verführt. Aber der Traum währt nur eine Nacht … Während sie am nächsten Morgen auf ein Happy End hofft, macht Luc ihr ein unmoralisches Angebot: Sex ja, aber keine Gefühle! Gedemütigt und mit gebrochenem Herzen verlässt Emma ihn. Doch weder hat sie mit den Folgen ihrer Liebesnacht gerechnet, noch dass sie den skrupellosen Verführer so bald wiedersieht - und es gegen ihren Willen sofort wieder unwiderstehlich sinnlich zwischen ihnen knistert …


  • Erscheinungstag 08.11.2016
  • Bandnummer 2256
  • ISBN / Artikelnummer 9783733707101
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Es hätte für Emma ein Grund zum Feiern sein sollen, zur Freude, dass sie sich als einfaches Zimmermädchen den Abend freinehmen konnte, um an der Hochzeit ihrer besten Freundin in Schottland teilzunehmen.

Freude? Feierlaune? Emmas wild klopfendes Herz ließ keine Unbeschwertheit zu. Zweifellos würde auch Luc Marcelos die Hochzeit besuchen. Und das hieß, dass sie nicht länger vor der Wahrheit davonlaufen konnte.

Luc …

Würde sie denn je dazulernen?

Nein, seufzte Emma innerlich und starrte in das leichenblasse Gesicht, das der Spiegel der eleganten Damentoilette ihr zurückwarf. Wenn sie daran dachte, dass ihr ein Treffen mit dem Vater ihres ungeborenen Kindes unmittelbar bevorstand, drehte sich ihr der Magen um.

An ihrer Schwangerschaft bestand kein Zweifel. Sie hatte drei Tests gemacht. Alle waren positiv gewesen.

Es war erst wenige Wochen her, seit Emma London und das Bett des reichen Hotelbesitzers und berühmt-berüchtigten Polospielers Lucas Marcelos verlassen hatte.

Der notorische Playboy würde wohl kaum vor Freude im Dreieck springen, wenn er die Neuigkeiten erfuhr. Und ganz sicher würde er nicht denselben Charme an den Tag legen wie in London. Ein Mann, der so wohlhabend und erfolgreich wie Lucas war, würde sicherlich misstrauisch ihre Absichten hinterfragen.

Dabei galt Emmas Hauptsorge gar nicht mal ihr selbst. Sie fragte sich, ob Lucas ihrem Kind ein guter Vater sein würde. Sie kannten sich ja kaum, und das wenige, was sie über ihn wusste, legte nicht gerade die Vermutung nahe, dass er ein ausgesprochener Familienmensch war.

Ein Schritt nach dem anderen, sagte sie sich resolut und überprüfte den Sitz ihres Kleids, das zu Beginn des Abends noch perfekt gewirkt hatte und ihr nun irgendwie zu eng vorkam. Luc war ein guter Freund des Bräutigams. Natürlich würde er bei der Hochzeit zugegen sein. Der Bräutigam, Tiago Santos, heiratete eine von Emmas besten Freundinnen, Danny Cameron. Wann immer Luc sich von den Verpflichtungen freimachen konnte, die seine Luxus-Hotelkette mit sich brachte, spielte er gemeinsam mit Tiago im weltberühmten Polo-Team der Thunderbolts.

Emma hatte gerade ein Trainingsprogramm in Lucs Londoner Hotel absolviert, als er aufgrund ihrer ausgezeichneten Leistungen auf sie aufmerksam wurde. „Sie interessieren mich“, sagte er damals zu ihr und blickte sie aus seinen glutvollen dunklen Augen intensiv an. Zu diesem Zeitpunkt ahnte sie noch nicht, wie sehr sie ihn interessierte.

Seit sie das erste Mal in seinem leicht amüsierten Blick versunken war, war es um sie geschehen gewesen. Sie war seit jeher eine Romantikerin, und Lucas Marcelos wurde seinem legendären Ruf mehr als gerecht. Er habe die Statur eines Gladiators und sehe aus wie ein Gott der Unterwelt – das hatte einmal eine Klatschzeitung über ihn geschrieben. Mit seinem welligen schwarzen Haar, dem dunklen Teint, dem verwegenen Dreitagebart und den markanten Gesichtszügen sorgte er in der Damenwelt regelmäßig für sehnsüchtige Seufzer. Schnell entwickelte Emma die völlig unrealistische Vorstellung, wie traumhaft es war, dass sie neben ihm arbeiten und ihn jeden Tag sehen konnte. Sie bemühte sich nach Kräften, ihn durch ihr Engagement zu beeindrucken. Vielleicht konnten sie ja … Freunde sein?

Bald öffnete sie sich ihm, erzählte ihm von ihren Hoffnungen für die Zukunft und ihrem Traum, in seiner Firma Karriere zu machen. Sein ungebrochenes Interesse schmeichelte ihr.

Wie dumm sie gewesen war. Heute wusste sie, dass sie einfach nicht erkannt hatte, dass Luc ein erfahrener Verführer war, für den es ein Leichtes war, sich in ihr Herz zu schleichen.

In der Nacht, in der sie erfuhr, dass ihre Eltern in einer Verfolgungsjagd mit der Polizei ums Leben gekommen waren, war sie ihm wie eine reife Frucht in den Schoß gefallen. Sie war so verzweifelt, dass sie niemandem von dem Unglück erzählte. Ganz sicher sagte sie nichts zu Luc, dem sie dann ja auch von der kriminellen Vergangenheit ihrer Eltern hätte erzählen müssen. Und von ihrer tiefen Trauer, die sie selbst nicht erklären konnte.

Ihre Eltern hatten sie nie gewollt. Und sie hatten es sie spüren lassen. Trotzdem hatte Emma sie geliebt und sich immer bemüht, ihre Liebe zu gewinnen. Ständig brachte sie Entschuldigungen für ihre Eltern vor – ihre wunderschöne Mutter kam mit dem Altern nicht klar, während ihr Vater, ein Mitglied der aristokratischen Fane-Familie, dem Druck nicht standhielt, den seine Herkunft ihm auferlegte.

In der Nacht, in der sie starben, waren ihre Tränen echt gewesen. Sie weinte um ihre Eltern und das Leben, das sie verschwendet hatten. Und sie weinte, weil es ihr nun nicht mehr gelingen würde, ihre Liebe zu gewinnen. Emma erinnerte sich daran, wie sehr sie sich in dieser Nacht danach gesehnt hatte, in den Arm genommen und geliebt zu werden.

Vorgetäuschte Liebe war immer noch besser als gar keine, und Luc war ein Meister der Verführung. In jener Nacht war sie unendlich froh und dankbar gewesen. Er überschüttete sie mit einer solchen Leidenschaft, dass sie alles andere vergaß. Lucas Marcelos war ihr hingebungsvoller Liebhaber und sie seine angebetete Geliebte – für eine einzige, lange Nacht. Irgendwann hatte sie ihn sogar gefragt, wie es nun mit ihnen weitergehen würde. Luc schaute sie überrascht an, dann zuckte er die Achseln. „Wir können eine Affäre miteinander haben, wenn du willst“, sagte er.

Aus der Traum. Sie wartete, bis er fest eingeschlafen war, dann schlüpfte sie aus seinem Bett, räumte sofort ihr Zimmer und machte sich noch vor dem Morgen auf den langen Weg zurück nach Schottland, ihrem Zuhause. Vielleicht würde sie dort den Kopf freibekommen. Vielleicht würde sie dort auf ein paar glückliche Erinnerungen mit ihren Eltern stoßen. Doch da war nichts. Nichts als eine große Leere. Weshalb sie sich einen Job gesucht und begonnen hatte, ihr Leben neu aufzubauen. Sie hätte nie geglaubt, dass sie Luc wiedersehen würde. Doch jetzt war er zurück in ihrem Leben – wie kurz auch immer –, und sie würde ihm von dem Baby erzählen müssen.

Immerhin stand sie wieder mit beiden Beinen auf der Erde, dachte Emma, während sie das feine Seidenkleid über ihrem immer noch flachen Bauch glättete. Lucas war ein wahnsinnig attraktiver Multi-Millionär, sie dagegen nur ein Zimmermädchen. Sie spielten in völlig unterschiedlichen Ligen. Und sich in der Damentoilette zu verstecken war keine Lösung. Sie musste sich ihm stellen. Ganz sicher würde sie sich besser fühlen, wenn sie ihm erst einmal gesagt hatte, wie sehr sie sich auf das Kind freute und dass sie weder jetzt noch später Hilfe von ihm brauchte oder erwartete.

Vermutlich würde er sich nicht einmal an sie erinnern, sinnierte Emma, als mehrere Frauen die Damentoilette betraten. Während vor dem Spiegel ein Gedrängel ausbrach, griff Emma nach ihrem kleinen Kosmetiktäschchen und machte sich daran, ihr Äußeres aufzupolieren. Wenn sie zu viel Make-up auflegte, würde es aussehen, als hätte sie sich Mut angemalt. Zu wenig, und Luc würde sie für blass und schwach halten. Doch genau das würde sie niemals zulassen. Also trug sie ein wenig Lipgloss auf und ein bisschen Rouge. Na bitte, schon viel besser!

Die Braut hatte ihr ein wunderschönes Kleid geliehen. Bestimmt fragten Danny und Lizzie, eine weitere ihrer Kindheitsfreundinnen, sich bereits, wo sie steckte. Deshalb warf sie nur noch schnell einen letzten Blick in den Spiegel. Die Schwangerschaft und die Aussicht, gleich auf Lucas Marcelos zu treffen, waren eine schwindelerregende Mischung, aber das Make-up verbarg geschickt ihre Blässe. Jetzt musste sie nur noch den Abend durchstehen, und alles war gut.

Emma holte noch einmal tief Luft, dann öffnete sie die Tür und rannte geradewegs in Lucas hinein.

Während er beide Hände um ihre Schultern legte und ihr Halt gab, blickte sie entsetzt zu ihm auf. Seine Berührung war so vertraut. Es war, als wären sie nie getrennt gewesen. Sie starrte auf seine sinnlichen Lippen, in seine glutvollen Augen.

„Alles in Ordnung?“

Seine heisere Stimme war wie eine Liebkosung. Es war dieselbe Stimme, die sie verführt und umschmeichelt hatte, während er ihr sinnliches Verzücken bereitete.

„Ja, alles in Ordnung, danke.“ Sie wich vor ihm zurück. „Tut mir leid, dass ich so in Sie reingerannt bin“, erwiderte sie leichthin. Ihre guten Manieren würden ihr helfen, die schwierige Situation zu meistern.

„Wir kennen uns doch, oder?“

Er machte sich über sie lustig. Natürlich kannten sie sich. Luc kannte jeden einzelnen Zentimeter ihres Körpers. „Ich glaube, wir sind uns schon einmal begegnet.“ Verdammt, sie verfluchte die instinktive Reaktion ihres Körpers! Sie wollte doch kühl und souverän wirken. Rasch wandte Emma sich zum Gehen.

Da trat Luc ihr in den Weg. Seine Hitze umfing sie. Erneut drohte sie seiner sexy Ausstrahlung zu erliegen.

„Ich hoffe, Sie genießen den Abend, Senhor Marcelos“, sagte sie steif und blickte über seine Schulter hinweg in den Ballsaal, wo die Party in vollem Gange war.

„Warum bist du so plötzlich aus London verschwunden, Emma?“

Und wieso konnte er ihr nicht einfach den Weg freigeben? „Es war an der Zeit zu gehen“, versetzte sie so sachlich wie möglich. Sie musste unbedingt Abstand schaffen, um wieder einen kühlen Kopf zu bekommen. Das hier waren weder die richtige Zeit noch der geeignete Ort, um ihm zu sagen, dass sie sein Kind in sich trug. Aber die Zeit würde kommen, und dann wollte sie bereit sein.

„Ich dachte, du wärst glücklich in deinem Job. Ich dachte, all meine Mitarbeiter wären glücklich?“

„Ich bin sicher, das sind sie.“

„Du doch ganz offensichtlich nicht, denn sonst wärst du ja nicht gegangen.“

Lucs Blick verhärtete sich. Er erwartete eine Antwort, doch ihr Herz pochte so heftig, dass sie vermutlich keinen Ton herausbekommen würde.

„Hast du einen besseren Job gefunden?“

„Nicht wirklich“, gab sie ehrlich zu und folgte Lucs Blick, der ihre Umgebung in Augenschein nahm. Die Botschaft war unmissverständlich. Es handelte sich um ein zauberhaftes Landhotel, das gut in die Wildnis Schottlands passte, aber es konnte sich in keiner Weise mit Lucs umwerfenden Luxustempeln messen.

„Bist du wegen der Hochzeit nach Schottland zurückgekehrt?“, bohrte er weiter nach.

„Das hier ist meine Heimat. Ich bin in Schottland geboren … ich arbeite hier im Hotel. Die Braut stammt auch aus dieser Gegend, deshalb hat Danny dieses Hotel ausgesucht, um ihre Hochzeit zu feiern.“

„Wie ich hörte, ist deine Cousine Lizzie die Tochter des Gutsherrn hier. Die Familie ist von Adel?“

„Das stimmt.“ Sie konnte förmlich hören, wie die Rädchen in seinem Hirn ratterten. Wenn ihre Cousine aus adeligem Haus stammte und die Tochter des Großgrundbesitzers war, warum schrubbte Emma dann Fußböden?

Lucs Stirnrunzeln vertiefte sich. „Du hast hier also den gleichen Job wie in London?“

„Nicht ganz. Ich arbeite noch als Zimmermädchen“, entgegnete sie ohne Scham. Ihr Onkel mochte ja ein Gutsherr sein, aber sie selbst entstammte dem armen Zweig der Fane-Familie. Jener Linie, die sich kriminellen Machenschaften verschrieben hatte, anstatt sich anständige Jobs zu suchen. Sie selbst allerdings war eine Ausnahme. Egal wie kümmerlich ihr Lohn auch ausfallen mochte, Emma konnte voller Befriedigung von sich behaupten, jeden Penny ehrlich verdient zu haben.

„Aber hier hast du doch gar keine Aufstiegsmöglichkeiten?“, versetzte Luc scharf.

„Es gibt zwar kein Ausbildungsprogramm“, bestätigte sie, „aber es ist ein Anfang.“ Fest erwiderte sie seinen Blick, so als wolle sie ihn herausfordern, ihr zu widersprechen. Immerhin würde sie diesen Job nicht für alle Ewigkeit machen. Sie hatte durchaus Karrierepläne und saß jede Nacht am Schreibtisch, um zu lernen. Dieser Job half ihr lediglich, wieder ein Bein auf den Boden zu bekommen. In Lucs Augen musste es aber seltsam wirken, dass sie sich für eine Stelle in einem Hotel entschieden hatte, das ihr nicht annähernd die Vorteile bieten konnte, wie es seine Häuser getan hatten.

„Du hättest in London bleiben sollen.“

Sein Ton ließ sie zusammenzucken. Was ging ihn das eigentlich an? Urplötzlich erinnerte sie sich an sein Angebot, seine Geliebte zu werden. Hielt er das etwa für eine bessere Position für sie? Falls ja, täuschte er sich gewaltig.

„Du dürftest hier deutlich weniger verdienen als bei mir.“

„Geld ist nicht alles, Senhor Marcelos.“

„Aber es hilft. Und bitte nenn mich Luc. Ich denke, wir sind beide alt und erwachsen genug, um mit der Situation umzugehen, oder?“ Er schaute sie eindringlich an.

Emma straffte die Schultern. „Mir gefällt es hier. Ich bin glücklich. Hier leben viele meiner Freunde – Freunde, die gerade auf mich im Ballsaal warten. Deshalb bitte ich Sie, mich jetzt zu entschuldigen“, entgegnete sie, indem sie ihn weiter beharrlich siezte.

Luc deutete eine spöttische Verbeugung an. „Vergib mir, dass ich dich derart mit Beschlag belegt habe. Ich werde dich zurück zu deinen Freunden begleiten.“

Jede Sekunde, die sie in seiner Gegenwart verbrachte, war die reinste Tortur, denn sie hätte jederzeit die Möglichkeit, ihm von dem Baby zu erzählen. Aber sollte sie das wirklich hier tun? In einem überfüllten Hotelkorridor?

„Also, Emma, lebst du jetzt ganz hier?“

„Nicht direkt hier.“ Sie blickte sich um. Lucs Personalunterkünfte in London gehörten zum Besten, was es gab, doch auch wenn dieses Hotel im öffentlichen Bereich sehr komfortabel war, so galt das nicht für die Räume, die die Öffentlichkeit nie zu sehen bekam. „Ich sollte jetzt wirklich zu meinen Freunden zurückkehren.“ Sie atmete erleichtert auf, als Luc sie zur Party führte. Sie gingen nebeneinanderher – dicht, aber ohne sich zu berühren. Auf keinen Fall würde sie ein zweites Mal seinem Charme verfallen. Da sie sicher war, jetzt wieder alles unter Kontrolle zu haben, riskierte sie es, ihm zum Abschied ein Lächeln zu schenken.

„Du wirkst sehr zufrieden mit dir“, bemerkte er.

Und du bist der geborene Verführer, dachte sie. Mit wild klopfendem Herzen registrierte sie das Misstrauen in seinem Blick. „Ich hoffe, Sie genießen den Rest des Abends, Senhor Marcelos.“

„Sie auch, Miss Fane.“

Sie würde jedenfalls ihr Bestes geben. Und Lucas Marcelos musste sich einfach woanders umschauen, wenn er sich amüsieren wollte.

Lucas hätte Emma überall erkannt. Die alles verzehrende Begierde, die ihn in London erfasst hatte, war von der ersten Sekunde an zurück. Dass sie in seinen Armen vor Lust gestöhnt hatte, schien gerade erst gestern gewesen zu sein. Am liebsten hätte er sie von der Party weggebracht und in einen stillen Raum entführt, um das fortzusetzen, was sie in jener Nacht begonnen hatten. Doch sie schien ihn auf Abstand halten zu wollen.

Lucas Marcelos presste die Lippen zusammen. Normalerweise ging er nie mit einer Angestellten ins Bett. Emma war eine Ausnahme gewesen. Sie hatte etwas an sich, was ihn dazu trieb, sie um jeden Preis besitzen zu wollen.

„Dies ist Ihr Tisch, Sir“, riss ihn der Kellner aus seinen Gedanken heraus.

Er dankte dem Mann, der ihn sofort erkannt hatte. Der Platz war perfekt. Von dort konnte er Emma bestens beobachten. Sie saß zwischen Braut und Brautjungfer, wirkte entspannt und fröhlich. Kein bisschen mehr wie die Frau, die ihm noch vor wenigen Minuten mit eisiger Selbstbeherrschung vor der Damentoilette begegnet war.

Vermutlich war es nicht verwunderlich, dass sie ihm verändert vorkam, dachte er. Erst nachdem sie sein Bett verlassen hatte, erfuhr er von der Tragödie, die sie wie ein Schlag ins Gesicht getroffen haben musste. Es war schon verdammt harter Tobak, herausfinden zu müssen, dass die eigenen Eltern Kriminelle waren, die bei einer Verfolgungsjagd mit der Polizei ums Leben gekommen waren.

Als sie ihm zum ersten Mal begegnet war, hatte Emma nur so vor Feuer und Lebenslust gesprüht, doch jetzt sah sie erschöpft aus. Der neue Job, vermutete er. Sie wirkte beherrschter als in London. Auf attraktive Weise gereift, ganz so als hätte das Leben ihr ein paar Lektionen erteilt, die sie bereit war anzunehmen. In jener Nacht in seinem Bett war sie absolut wild und hemmungslos gewesen. Wahrscheinlich hatte sie versucht, den Schmerz auszublenden. Ja, höchstwahrscheinlich hatte Emma ihn benutzt, um zu vergessen.

Das kratzte an seinem Stolz. Und es führte dazu, dass er sich noch fester vornahm, sie zu verführen. Sie sollte ihn um seiner selbst willen begehren. Aber warum war sie hiergeblieben und ging einem Job nach, der keinerlei Zukunft hatte? Sie hätte doch kurz für die Beerdigung nach Schottland kommen und dann wieder nach London zurückkehren können? Ging sie ihm etwa aus dem Weg? Und falls ja, warum?

„Drei schöne Frauen, nicht wahr?“, bemerkte die ältere Dame, die neben ihm saß.

Erst in diesem Moment fiel Lucas auf, dass er seine Tischpartnerin völlig ignoriert und einzig und allein Emma angestarrt hatte. Was ihn betraf, gab es in diesem Saal nur eine schöne Frau. „Alle Frauen in Schottland sind schön, soweit ich das bislang beurteilen kann“, entgegnete er in dem Versuch, seine Unhöflichkeit wiedergutzumachen.

„Und Sie sind so ein Charmeur aus Brasilien“, versetzte die ältere Dame mit einem verschmitzten Lächeln. „Aber unsere Frauen scheinen gefährliche Männer wie Sie zu mögen“, fügte sie mit einem Blick auf die Braut hinzu, die seinen Freund Tiago Santos geheiratet hatte, und auf die Brautjungfer Lizzie, die ebenfalls mit einem brasilianischen Polospieler verheiratet war.

„Ich will doch sehr hoffen, dass Sie mich heute Abend nicht als zu bedrohlich empfinden?“, neckte Lucas seine kokette Tischnachbarin.

„Ich werde Sie ganz einfach eine Armlänge auf Abstand halten“, erwiderte sie mit einem Augenzwinkern. „Vor vierzig Jahren hätte das noch anders ausgesehen. Tun Sie ihr einfach nicht weh“, setzte sie mit plötzlichem Ernst hinzu.

„Von wem reden Sie?“, entgegnete Luc, ganz so als wisse er nicht, wen sie meinte.

„Emma Fane.“ Sie schaute ihn eindringlich an. „Versuchen Sie nicht, mich für dumm zu verkaufen, junger Mann. Ich weiß genau, wen Sie die ganze Zeit angeschaut haben. Und meine Warnung bleibt bestehen. Dieses Mädchen hat in ihrem Leben schon mehr wegstecken müssen, als es verdient.“

Er versuchte gar nicht erst, sein Interesse an Emma zu leugnen. Die Zuneigung, mit der die ältere Dame von ihr sprach, stärkte seine Entschlossenheit, Emma für sich zu gewinnen. Sie erregte ihn. Diesmal würde er sie nicht entwischen lassen.

Die Band spielte. Der Ballsaal glitzerte und funkelte. Doch alles, was Emma wirklich wahrnahm, war Lucas. Dabei tat sie selbstverständlich so, als würde sie ihn gar nicht sehen. Als es schließlich an der Zeit war, sich zu erheben und der Braut dabei zu helfen, sich für die Abreise in die Flitterwochen fertig zu machen, wartete er bereits im Foyer auf sie.

Darauf war sie jetzt einfach nicht vorbereitet!

„Tut mir leid“, sagte sie rasch und schickte ein bedauerndes Lächeln hinterher, „ich kann jetzt wirklich nicht mit Ihnen reden.“

„Wann dann?“, drängte Luc.

„Ich bin beschäftigt, sehen Sie das nicht?“ Demonstrativ blickte sie dem Brautgefolge hinterher, das gerade begann, die Treppe hinaufzusteigen.

„Nimm dir die Zeit.“

„Wie bitte?“ Entgeistert starrte sie ihn an.

„Du hast gehört, was ich gesagt habe“, entgegnete er harsch.

Emma hatte nicht die Absicht, auf diese Dreistigkeit weiter einzugehen. Sie raffte ihr Kleid und wollte bereits an ihm vorbeigehen, da hielt er sie mit einer Hand am Arm fest.

„Lassen Sie mich los.“

„Nein.“

Sein Gesicht war ihr ganz nah. In seinen Augen lag eine Botschaft, die sie nicht sehen wollte. „Sind Sie immer so direkt?“

„Das solltest du doch wissen.“

Seine Worte trafen sie bis ins Mark. Urplötzlich erinnerte sie sich an jedes noch so kleine Detail ihrer gemeinsamen Nacht. Um Lucs Mundwinkel spielte ein leises Lächeln. Wissend blickte er ihr in die Augen.

Ungeduldig schüttelte sie den Kopf und unternahm den nächsten Versuch, sich an ihm vorbeizuschieben. Zu ihrer Enttäuschung gab er sie diesmal widerspruchslos frei. Verdammt, sollte sie tatsächlich schon wieder auf seine Verführungskünste hereinfallen?

Nein, auf keinen Fall, beschloss Emma. Rasch eilte sie hinter der Braut die Treppe hinauf und würdigte ihn keines Blickes mehr.

Er duschte im ersten Morgengrauen – eiskalt. Aber es half nichts. Sein Körper stand in Flammen, weil er die ganze Zeit an Miss Emma Fane denken musste. Er bekam sie einfach nicht aus dem Kopf heraus, und dagegen musste er dringend etwas unternehmen. Schon in London hatte sie ihn verhext. Jetzt, wo er eine Nacht darüber geschlafen hatte, glaubte Lucas zu wissen, warum sie nach Schottland zurückgekehrt war. Manchmal verlangte das Leben, dass man einen Neustart wagte. Und wo sollte ihr das besser gelingen als hier bei ihren Freunden?

Rasch trocknete Luc sich ab, dann schlüpfte er in seine Jeans und fragte sich, wo sie wohl gerade steckte. Gestern Abend war sie vor ihm davongelaufen wie Aschenputtel, als die Uhr zwölf schlug – um der Braut zu helfen, wie sie behauptet hatte. Er glaubte jedoch eher, dass sie einem Gespräch mit ihm ausweichen wollte.

Sein Blick fiel auf das Bett, und sofort erinnerte er sich an ihre gemeinsame Nacht in London. Sie war wild und zügellos gewesen, was ihn entzückt hatte. Widerwillig riss er seinen Blick von dem Bett los. Er hatte keine Zeit für solcherlei Ablenkungen. Immerhin war er nicht nur wegen der Hochzeit hier. Er musste eine Burg kaufen und hatte auch sonst noch einige geschäftliche Dinge zu erledigen. Außerdem war er kein unerfahrener Jüngling, der seinen Tag damit vertändeln konnte, sich Sex mit Emma Fane auszumalen. Schluss damit! Er würde sie vergessen, frühstücken und dann mit der Arbeit beginnen …

Emma vergessen?

Ob sie heute Dienst hatte?

Impulsiv griff er zum Telefon und wählte den Zimmerservice. „Ich brauche bitte ein paar weitere Handtücher.“

Danach tigerte er unruhig durch den Raum. Ob sie Emma schicken würden? Auch ein Hotel von dieser Größe musste mehr als ein Zimmermädchen haben.

Es dauerte nicht lang, bis seine Ungeduld gestillt wurde. Ein Klopfen an der Tür und eine Stimme, die „Zimmerservice!“ rief.

Emma.

„Handtücher, Sir? Oh, um Himmels willen!“, platzte Emma heraus, ehe sie sich auf die Zunge beißen konnte.

Luc lachte. Seine dunklen Augen spiegelten all seine versteckten Gedanken wider. „Hast du nicht daran gedacht, dich erst zu erkundigen, welcher Gast weitere Handtücher verlangt hat?“, fragte er, während er sie in den Raum eintreten ließ.

„Es wird nicht erwartet, dass ich die Gäste mit Namen anrede, Sir.“

Er presste die Lippen missbilligend zusammen, dann murmelte er: „Schlechte Ausbildung.“

„Es ist sicherer für die Mitarbeiterinnen“, konterte sie, während sie an ihm vorbeiging. „Es wird nicht gern gesehen, wenn wir zu vertraulich mit den Gästen umgehen.“

„Selbst bei den Gästen, die du persönlich kennst, Emma?“, rief er ihr hinterher.

Ihre Haut kribbelte dort, wo sich sein Blick in ihren Rücken bohrte. „Selbst bei den Gästen, die ich persönlich kenne, nicht“, bestätigte sie kühl und verschwand mit den Handtüchern im Bad.

„Hast du mir gar nichts zu sagen, Emma?“, fragte er, als sie wieder auftauchte.

„Tut mir leid, Sir. Dafür bin ich nicht hier.“ Das war definitiv nicht der geeignete Moment, ihm von dem Baby zu erzählen. Wenn es so weit war, wollte sie zwar ungestört mit ihm sein, aber an einem öffentlichen Ort. Sie straffte den Rücken und marschierte schnurstracks auf die Tür zu. Luc öffnete sie für sie.

„Wann hörst du heute auf zu arbeiten, Emma?“

Ihr Herz schlug wie wild. „Ich?“ Sie runzelte die Stirn. „Wenn meine Schicht zu Ende ist.“ Rasch schlüpfte sie an ihm vorbei durch die Tür. Sie konnte nur daran denken, sich so schnell wie möglich in die Sicherheit der Hotelküche zu retten.

Sie hatte kaum die Tür zur Küche geöffnet, da sagte ihre Vorgesetzte bereits: „Er hat schon wieder angerufen. Jetzt hat er offensichtlich keinen Kaffee mehr.“

Aber sie hatte das Tablett doch aufgefüllt, als sie Lucs Zimmer fertig gemacht hatte! Was wollte er denn nun schon wieder? Sie schluckte den Kloß, der ihr in der Kehle saß, hinunter, stellte sicher, dass ihr Service-Wagen alles enthielt, was man sich wünschen konnte, und machte sich wieder auf den Weg zu Lucs Zimmer. „Ja, Sir?“, sagte sie höflich, als er die Tür öffnete. „Hier bin ich mit allem, was Sie möglicherweise brauchen könnten.“ Sie konnte nicht verhindern, dass sie schnippisch klang. Innerlich kochte sie.

„Wenn es doch nur so wäre“, murmelte er sichtlich bemüht, nicht in Lachen auszubrechen.

Sie schob den Wagen an ihm vorbei und fragte sich dabei, ob der rechte Augenblick, in dem sie ihm von dem Baby erzählen konnte, jemals kommen würde. Sollte sie es vielleicht jetzt tun? Sollte sie die Tür schließen und sich dem Löwen in seiner eigenen Höhle ausliefern?

Kann ich es mir leisten, meinen Job zu verlieren?

Nein. Es war aber gut möglich, dass er sich schrecklich aufregen, die Rezeption anrufen und dafür sorgen würde, dass sie gefeuert wurde.

„Gibt es ein Problem?“, erkundigte er sich, weil ihn ihr Schweigen offensichtlich wunderte.

Emma zwang sich zur Ruhe. Er war auch nur ein Mann – zwar ein durchaus furcht- und respekteinflößender Mann, aber schlussendlich auch nur ein Mensch wie sie. Sie würde mit ihm reden, wenn die Zeit reif war. Es gab nichts, worum sie sich jetzt Sorgen machen musste.

„Es tut mir leid, dass ich vorhin nicht bemerkt habe, dass Sie keinen Kaffee mehr haben“, erklärte sie möglichst kühl und professionell. „Es hätte mir auffallen müssen, als ich vorhin die Handtücher hochgebracht habe.“

„Kein Problem.“ Er drehte sich zu ihr um und schien sie ein klein wenig länger als nötig anzuschauen. „Ich habe es selbst gerade erst bemerkt, sonst hätte ich dich nicht zurückgerufen.“

Autor

Susan Stephens
<p>Das erste Buch der britischen Schriftstellerin Susan Stephens erschien im Jahr 2002. Insgesamt wurden bisher 30 Bücher veröffentlicht, viele gehören zu einer Serie wie beispielsweise “Latin Lovers” oder “Foreign Affairs”. Als Kind las Susan Stephens gern die Märchen der Gebrüder Grimm. Ihr Studium beendete die Autorin mit einem MA in...
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