Lust, Intrigen und ein Traummann

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Hals über Kopf verliebt Kalissa sich in den attraktiven Riley Ellis. Der smarte Unternehmer aus Chicago umwirbt sie heiß, und in seinen Armen spürt Kalissa eine Leidenschaft, wie sie sie noch nie erlebt hat! Er gibt ihr das Gefühl, die schönste Frau der Welt zu sein. Bis sie eine schreckliche Entdeckung macht: Ihr Traummann ist der Erzfeind von Shane Colborn, dem frischgebackenen Ehemann ihrer Zwillingsschwester. Schon lange versucht Riley, seinen Rivalen zu übertrumpfen. Hat er sie nur erobert, um der Familie Colborn nah zu sein - um sie endlich zu besiegen?


  • Erscheinungstag 06.09.2016
  • Bandnummer 1940
  • ISBN / Artikelnummer 9783733723088
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Kalissa Smith streifte ihre verschmutzten Gartenhandschuhe ab und trat einige Schritte zurück. Zufrieden betrachtete sie ihr Werk. Der Rasen, die Zierpflanzen – alles war genau so geworden, wie sie es sich vorgestellt hatte.

„Der Zierpfeffer macht sich wirklich gut“, kommentierte ihre Freundin Megan. „Ein hübscher Kontrast zu den anderen Farben.“

„Ja, das ist mal was anderes“, erwiderte Kalissa.

Megan atmete tief durch. „Ich glaube, die Newbergs werden zufrieden sein.“

„Das möchte ich ihnen auch geraten haben.“

Die Newbergs waren schwierige Kunden, aber wer sollte an dieser prächtigen Gartenanlage etwas zu meckern finden?

„Haben wir an diesem Auftrag überhaupt etwas verdient?“, fragte Megan.

„Na hoffentlich. Beim neuen Rasen haben wir draufgezahlt, aber dafür haben wir ordentlich bei den Personalkosten gespart.“

„Ja, aber nur, weil wir das meiste selbst gemacht haben.“

„Wie gut, dass wir uns selbst nur Hungerlöhne zahlen.“

Megan lächelte. „Auf jeden Fall ist die Gartenanlage wirklich schön geworden.“

Kalissa streckte sich. Ihre Muskeln schmerzten von der harten Arbeit. Aber man musste auch das Positive sehen. Das Geld fürs Fitnessstudio konnte sie sich sparen, und obendrein hatte sie eine attraktive Sonnenbräune bekommen. Und das ganz ohne Sonnenstudio.

„Ich mache ein paar Fotos für unsere Website“, sagte sie.

Die Firma der beiden Freundinnen, Mosaic Landscaping, existierte nun schon fast ein Jahr. Sie hatten sie gleich nach Abschluss ihrer Ausbildung zu Landschaftsgärtnerinnen gegründet.

„Heute Nachmittag hatten wir schon wieder drei Anfragen auf der Mailbox“, berichtete Megan.

„Können wir nicht wenigstens was essen gehen, bevor wir uns um einen neuen Auftrag kümmern?“

Megan schmunzelte. „Was, essen willst du auch noch?“

„Ich bin eben eine sehr anspruchsvolle Arbeitskraft.“

„Na ja, einen Hamburger könnte ich auch vertragen.“

„Benny, schmeiß den Ofen an!“

Benny’s Burgers war ein Imbiss ganz in der Nähe von Kalissas und Megans Laden im Westen Chicagos. In der nicht gerade exklusiven Gegend hatten die beiden Freundinnen die Geschäftsräume samt Lager und der darüber liegenden Wohnung günstig anmieten können.

Kalissa holte die Kamera aus dem Führerhaus des Kleinlasters und fotografierte den Garten aus verschiedenen Perspektiven.

Währenddessen packte Megan die Gartenwerkzeuge zusammen und verstaute sie auf der Ladefläche. Anschließend griff sie nach ihrem Tablet.

„Na, gibt’s auf unserer Homepage auch schon neue Anfragen?“, erkundigte sich Kalissa, während sie in die Knie ging, um den Garten samt Hausfront aus der Froschperspektive aufs Bild zu bekommen.

„Schon wieder ein paar Leute, die Interesse an regelmäßiger Gartenpflege hätten.“

Megan und Kalissa sahen sich in erster Linie als Landschaftsgärtnerinnen, die Gärten neu gestalten wollten. Der regelmäßigen Pflege bereits bestehender Anlagen galt nicht ihr Hauptinteresse. Dennoch, wenn sie ein paar Hilfskräfte anheuerten, konnte sich daraus ein interessantes Zusatzgeschäft entwickeln. Ihr kleines Unternehmen gewann zwar immer mehr Kunden, aber die Profitmargen waren gering.

Kalissa machte die letzten Aufnahmen.

„Was meinst du, sollen wir unser Angebot offiziell auf Gartenpflege ausweiten?“, fragte sie, als sie sich zu Megan gesellte.

Die Freundin starrte wie gebannt auf ihr Tablet. „Sag mal, Kalissa, verheimlichst du mir vielleicht irgendwas?“

„Wovon redest du?“

Megan hielt ihrer Freundin das Tablet hin. „Hier. Sieh selbst.“

Kalissa betrachtete das Foto auf dem Bildschirm. Es zeigte ein Hochzeitspaar: den hochgewachsenen Bräutigam im Smoking, die Braut im prächtigen weißen Hochzeitskleid mit einem riesigen Blumenstrauß im Arm. Als sie die Gesichter der beiden musterte, sah sie es auch. Unglaublich!

„Das bist du“, sagte Megan.

„Nein, natürlich bin ich das nicht“, widersprach Kalissa. Obwohl die Braut haargenau so aussah wie sie! „Ob jemand das Bild mit Photoshop manipuliert hat?“

„Das habe ich auch erst gedacht“, erwiderte Megan. „Aber dann hätte sich jemand sehr viel Mühe gegeben. Da gibt’s nämlich noch jede Menge anderer Fotos von dir als stolzer Braut.“

Kalissa sah sich nun weitere Bilder an – und konnte es kaum fassen. „Ist das ein Scherz?“ Misstrauisch musterte sie ihre Freundin. „Sag mal, steckst du vielleicht dahinter?“

„Nein, ganz bestimmt nicht. Ich habe die Aufnahmen ja selbst gerade eben erst entdeckt.“

Gemeinsam betrachteten die beiden jungen Frauen die restlichen Fotos. Als sie zu einem Bild der Hochzeitstorte kamen, kommentierte Megan: „Nicht schlecht. Siebenstöckig. Größer geht es schon aus statischen Gründen kaum.“

„In meinem zweiten Leben scheine ich jede Menge Geld zu haben“, murmelte Kalissa. „Schade, dass ich mir selbst davon nichts rüberschicken kann.“

Megan lachte auf.

„Ich muss unbedingt rauskriegen, was dahintersteckt“, überlegte Kalissa laut. „Ich habe doch demnächst Geburtstag. Will mich vielleicht einer meiner Freunde damit überraschen …?“

„Der Bräutigam sieht wirklich gut aus“, kommentierte Megan.

„Aber hallo. Ein richtiger Prachtkerl.“

„Hier steht, es ist Shane Colborn.“

„Colborn, Colborn …?“, dachte Kalissa laut nach. „Wo habe ich den Namen nur schon mal gehört?“

„Colborn Aerospace“, antwortete Megan. „Das ist die Flugzeugfirma hier in Chicago. Und halt dich fest, der Typ ist tatsächlich der Besitzer des Unternehmens.“

„Oje“, murmelte Kalissa. „Dieser schwerreiche Typ findet so einen Scherz bestimmt nicht lustig. Ist diese Webseite öffentlich zugänglich?“

„Ich bin über einen Link von Nighttime News darauf gekommen. Du weißt schon, diese Nachrichtenseite.“

„Um Himmels willen, dann kann es jeder sehen! Wir müssen ihnen sagen, dass sie den Link sofort von ihrer Seite nehmen sollen! Und die andere Seite muss gesperrt werden!“

„Langsam glaube ich nicht mehr, dass das Ganze ein Scherz ist“, überlegte Megan laut. „Ich glaube viel eher … dass du eine Doppelgängerin hast.“

Energisch schüttelte Kalissa den Kopf. „Nein, unmöglich. Niemand könnte mir so ähnlich sehen. Das gibt es einfach nicht. Das Ganze muss eine Fälschung sein.“

„Vielleicht hat jemand dich geklont. Wir haben da doch neulich diesen Film gesehen …“

„Quatsch, das war Science-Fiction. So weit ist die Wissenschaft noch lange nicht. Und vor allem war sie noch nicht so weit, als ich geboren wurde.“

„Dann gibt es nur noch eine andere Möglichkeit“, erklärte Megan nachdenklich.

Erwartungsvoll sah Kalissa ihre Freundin an. „Was denn? Nun sag schon.“

„Du hast eine Zwillingsschwester.“

Wieder schüttelte Kalissa den Kopf. „So ein Unsinn.“

„Es ist nicht ausgeschlossen. Du bist doch adoptiert worden …“

„Ja, aber zu dem Zeitpunkt war ich schon fast ein Jahr alt. Und meine Mutter – also meine Adoptivmutter – hätte doch garantiert gewusst, wenn ich eine Zwillingsschwester gehabt hätte. Und sie hätte es mir erzählt, sobald ich alt genug dafür war.“

Gilda Smith hatte ein etwas chaotisches Leben geführt, und auch dem Alkohol war sie nicht abgeneigt gewesen. Deshalb war auch ihr Gedächtnis nicht das beste gewesen. Aber man vergaß doch nicht, dass die eigene Adoptivtochter eine Zwillingsschwester hatte!

„Vielleicht bist du gleich nach der Geburt von deiner Zwillingsschwester getrennt worden“, mutmaßte Megan. „In dem Fall wusste vielleicht niemand davon.“

„Wer sollte denn so etwas tun? Und warum sollte er es geheim halten? Das kann alles nicht sein, völlig unmöglich.“

Doch je länger Kalissa über die Angelegenheit nachgrübelte, desto mehr musste sie ihrer Freundin recht geben. Die frappierende Ähnlichkeit mit der Frau auf den Fotos konnte kein Zufall sein. Und nach einer Fälschung sahen die Bilder auch nicht aus.

„Du solltest die Frau einfach anrufen“, schlug Megan vor. „Vielleicht leiht sie uns ein bisschen Geld …“

Schockiert blickte Kalissa ihre Freundin an. „Das ist doch wohl hoffentlich nicht dein Ernst.“

„Die Frau hat gerade einen Milliardär geheiratet.“

„Na und?“

„Sobald sie dich sieht …“

„Wird sie nicht.“

„Warum denn nicht?“

„Weil ich nicht so bin. Ich bin nicht die lange verschollene Verwandte, die urplötzlich auftaucht, weil gerade Geld im Spiel ist.“

„Du brauchst sie ja nicht um Geld zu bitten.“

„Auch wenn ich sie nicht darum bitte – auf jeden Fall hätte es den Anschein, dass ich hinter ihrer Kohle her bin.“

„Ein paar Tausender würden ihr nicht wehtun. Und es wäre ja auch nur ein Kredit. Um unsere Firma auf Vordermann zu bringen.“

Kalissa schaltete das Tablet aus und reichte es ihrer Freundin zurück. „Nein, Megan. Nein und nochmals nein.“

„Du kannst die Sache doch nicht einfach so auf sich beruhen lassen.“

„Und ob ich das kann. Du wirst schon sehen.“

Riley Ellis war angespannt. In seine Freude, sein Triumphgefühl mischte sich so etwas wie Angst. Er hatte mit seiner einst kleinen Flugzeugfabrik gewaltig expandiert, hatte einen wichtigen neuen Liefervertrag abgeschlossen, doch dafür lastete nun eine große Hypothek auf der Immobilie, und sein Kreditrahmen war bis zum Anschlag ausgeschöpft. Ellis Aviation trat in eine ganz neue Phase ein.

„Ich lege jetzt den Schalter um“, sagte er in sein Handy.

„Herzlichen Glückwunsch“, gratulierte Wade Cormack am anderen Ende. Er war der Eigentümer der Firma Zoom Tac in Seattle, die die meisten Bauteile für den neuen E-22-Kurzstreckenjet lieferte.

Es war so weit. Riley betätigte den Schalter. Flackernd gingen die Lichter an, die Maschinen begannen zu brummen. Befriedigt sah er von seiner erhöhten Warte im ersten Stock aus, wie die Arbeiter in Jubel ausbrachen. Stolz winkte er ihnen zu.

„Ab jetzt läuft die Uhr“, sagte er zu Wade.

Der Jubel war verklungen. Die Arbeiter machten sich an ihre Aufgaben.

„Jetzt müssen Sie nur noch Ihre Nachschubprobleme in den Griff bekommen“, sagte Wade.

„Die Metallbolzen sind gestern endlich angekommen. Das Metallblech ist für morgen angekündigt. Und wie sieht es mit den Teilen bei Ihnen aus?“ Riley ging in sein Büro und schloss die Tür hinter sich.

„Meine Leute sagen, es läuft alles wie am Schnürchen.“

„Das hört man gern.“ Riley ließ sich in seinen Schreibtischsessel fallen. Er würde sich nun die meiste Zeit im Büro aufhalten, das war ungewohnt für ihn. Früher hatte er sich immer in die Produktion eingebracht, doch jetzt, nachdem die Firma so gewachsen war, musste er auch nach außen hin zeigen, dass er es war, der das Unternehmen leitete.

Er hatte jetzt über hundertfünfzig Angestellte, die in drei Schichten arbeiteten. Die Männer brauchten einen Chef, keinen Kumpel. Und obendrein musste er sich auf die strategische Ausrichtung seines Unternehmens konzentrieren.

„Viel Glück“, sagte Wade.

„Ich melde mich in ein paar Tagen“, erwiderte Riley und beendete das Gespräch.

Er lehnte sich in seinem Schreibtischsessel zurück. Unwillkürlich musste er an seinen Vater denken – Dalton Colborn. Der Mann hatte ihn, den unehelichen Sohn, nie als rechtmäßigen Spross anerkannt, und noch viel weniger hatte er ihm je Beistand oder Unterstützung gewährt. Und dennoch hatte ihr Leben einen ganz ähnlichen Weg genommen.

Ob sein Vater sich auch so gefühlt hatte wie Riley jetzt, als seine Firma den ersten großen Wachstumsschub erfahren hatte? Ob er diese seltsame Mischung aus Aufregung, Erwartung und Furcht ebenso gespürt hatte? Dalton hatte sein milliardenschweres Flugzeugunternehmen gewissermaßen aus dem Nichts aufgebaut. So etwas konnte nur funktionieren, wenn man gewillt war, Risiken einzugehen.

Nicht dass Riley, der uneheliche Sohn, etwas von den Erfolgen des Vaters gehabt hätte. Nichts hatte er geerbt, nichts! Alles war an Shane gegangen, den rechtmäßigen Erben, den Stammhalter, das Lieblingskind.

„Aber warte nur ab, Shane“, murmelte Riley vor sich hin. „Du wirst schon noch sehen, was dein Halbbruder auf der Pfanne hat.“

Ein leises Geräusch wies ihn darauf hin, dass er eine MMS bekommen hatte.

Die Nachricht kam von Ashton Watson, seinem alten Freund seit Highschool-Tagen. Es war ein Foto mit dem Text: „Interessante Neuigkeiten!“

Sofort kam ein zweiter Text hinterher. „Du wirst es kaum glauben – ich kenne die Braut! Bin gleich bei dir und erzähle dir Näheres!“

Neugierig betrachtete Riley das Foto. Es zeigte Shane als Bräutigam mit einer wunderschönen Braut. Auf einer Skala von eins bis zehn war sie eine lupenreine Zehn. Etwas anderes hätte er von seinem Halbbruder allerdings auch nicht erwartet.

In diesem Moment öffnete sich seine Bürotür. Ashton trat ein. „Sie ist ein richtiges Miststück“, sagte er ohne Vorrede. „Die hat Haare auf den Zähnen, das sage ich dir.“

„Ich kenne sie ja nicht, aber auf dem Foto wirkt sie eigentlich ganz nett.“

„Das täuscht. Man sollte sich lieber nicht mit ihr anlegen.“

„Woher kennst du sie überhaupt?“

„Sie hat mit Jennifer zusammengewohnt.“

„Und wer war noch gleich Jennifer?“

Ashton seufzte entnervt auf und ließ sich auf den Besucherstuhl fallen. „Ich war eine Zeit lang mit ihr befreundet.“

„Habe ich sie mal kennengelernt?“

„Doch, wir müssen uns mal gemeinsam getroffen haben. Blond, blaue Augen, tolle Beine.“

„So sehen deine Dates doch alle aus.“

„Sie war anders. Aber ist jetzt auch egal. Auf jeden Fall wird Shane an seiner Neuen nicht nur die reine Freude haben, das schwöre ich dir.“

„Mein Mitgefühl hält sich in Grenzen.“

Ashton lachte auf. „Aber jetzt mal zu was anderem. Ich bin durch die neue Werkshalle gekommen. Sieht wirklich gut aus.“

„Ich kann kaum glauben, dass jetzt alles läuft.“

„Ich habe gewusst, dass du es schaffst, mein Alter.“

„Danke. Aber am Ziel bin ich noch lange nicht.“ Sicher, die Leute arbeiteten, die Maschinen liefen, aber damit war noch lange nicht gesagt, dass das enorm vergrößerte Unternehmen auch wirklich Erfolg haben würde.

Ashton machte eine wegwerfende Handbewegung. „Du kriegst das schon hin. Bald versinkst du in Aufträgen.“

„Abwarten. Weißt du, in letzter Zeit habe ich oft an Dalton Colborn denken müssen …“

„Ach ja …?“

„Weil er auch klein angefangen hat. Ähnliche Risiken, ähnliche Ängste, ähnliche Hoffnungen.“

Ashton dachte einen Moment nach. „Eigentlich bist du Dalton viel ähnlicher als dieser Shane.“

„Nicht dass ich es darauf angelegt hätte.“ Riley hatte weder Bewunderung noch Respekt für seinen leiblichen Vater übrig. Im Gegenteil, er hasste ihn.

„Shane hat alles auf dem Silbertablett serviert bekommen. Während du dir deinen Status hart erkämpfen musstest.“

„Schöner Status. Ich bin bis über beide Ohren verschuldet. Alles könnte den Bach runtergehen.“

„Das macht das Leben doch erst interessant“, gab Ashton zurück. „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“

„Fliegst du deshalb immer so waghalsig? Brauchst du den Adrenalinkick?“

Ashton war Hubschrauberpilot. An seinen freien Tagen flog er freiwillig Rettungseinsätze und war bekannt dafür, selbst die riskantesten Aufträge anzunehmen.

„Klar brauche ich den Adrenalinkick“, antwortete Ashton achselzuckend. „Außerdem kann man als waghalsiger Pilot die Mädels beeindrucken.“

„Als ob du damit je Probleme gehabt hättest“, erwiderte Riley und studierte noch einmal das Foto von Shane und seiner Braut.

„Sie heißt Darci Rivers“, sagte Ashton.

Riley konnte kaum die Augen von dem Foto lassen. Die Frau war wunderschön. Sie hätte ihm auch gefallen …

„Du meinst also, er hat einen Fehler gemacht?“, fragte er Ashton.

„Und ob. Das Kätzchen hat scharfe Krallen.“

„Wäre nicht schlecht, wenn sie ihn von der Arbeit ablenkt“, murmelte Riley.

Er und Shane standen jetzt in direkter Konkurrenz zueinander, wetteiferten um dieselben Aufträge. Wenn Shanes neue Frau ihm Probleme machte, wäre er bei der Arbeit vielleicht nicht so bei der Sache. Das konnte für Riley nur von Vorteil sein …

Kalissa bemerkte, dass sie durch das Restaurantfenster beobachtet wurde. Zusammen mit Megan legte sie neue Blumenrabatten im Innenhof des feinen Speiselokals an. Der Mann, der immer wieder zu ihr hinausschaute, war außerordentlich attraktiv und elegant gekleidet.

Ob er sich für mich interessiert? fragte sie sich. Aber nein, das kann nicht sein. Ich werkele in meinen Arbeitsklamotten herum, bin verschwitzt und schmutzig. Da werde ich wohl keinen besonders verführerischen Eindruck machen.

Während sie Blumen einpflanzte, schaute sie immer wieder verstohlen zum Fenster. Der Unbekannte unterhielt sich während des Essens mit einem anderen Mann, vielleicht einem Geschäftspartner. Doch immer wieder sah er auch zu ihr hinüber. Und dann trafen sich ihre Blicke.

Erschrocken bemerkte sie, wie der Mann sich plötzlich erhob und durch die Hintertür den Innenhof betrat. Er kam genau auf sie zu.

„Was soll das?“, herrschte er sie an. „Wollen Sie mich ausspionieren?“

„Wie bitte?“, fragte sie verblüfft.

„Spielen Sie nicht das Unschuldslamm. Ich habe doch gemerkt, dass Sie mich schon die ganze Zeit beobachten.“

„Ja, aber nur, weil Sie mich beobachten. Sie haben damit angefangen.“

„Ich muss sagen, Sie sind ganz schön dreist“, stieß der Mann zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Sich als Gärtnerin zu verkleiden und …“

„Was heißt hier verkleiden?“, gab Kalissa verärgert zurück. „Ich bin Gärtnerin. Landschaftsgärtnerin, um genau zu sein.“

„Das kann ich bestätigen“, mischte Megan sich ein. „Und jetzt lassen Sie meine Freundin gefälligst zufrieden.“

Der Fremde beachtete sie gar nicht. Er blickte immer nur Kalissa an. „Ich verstehe nicht, warum er ausgerechnet Sie schickt“, murmelte er. Er klang nun eher verwundert als aggressiv. „Besonders raffiniert ist das nicht gerade.“

Kalissa kramte in ihrer Hosentasche und zog eine Visitenkarte hervor. „Mosaic Landscaping“, erklärte sie. „Lesen Sie selbst. Das bin ich. Ich meine, das sind wir, meine Freundin und ich.“

„So eine Karte kann sich jeder drucken lassen“, gab der Mann zurück. „Aber trotzdem – warum sollte er ausgerechnet Sie schicken? Wenig sinnvoll, seine Ehefrau mit so etwas zu beauftragen …“

„Ich bin überhaupt nicht verheiratet“, entgegnete Kalissa.

Der Mann lachte höhnisch auf. „Das weiß ich ja wohl besser.“

Entschlossen streifte Kalissa ihre Arbeitshandschuhe ab und hielt ihm die Hand vors Gesicht. „Hier. Sehen Sie da vielleicht einen Ehering?“

„Der Diamantring liegt bestimmt im Safe.“

„Ich habe gar keinen Safe. Und übrigens auch keinen Diamantring.“

Megan ergriff Kalissas Arm. „Kalissa, er glaubt bestimmt, du bist Darci.“

„Was soll das?“, fragte der Mann. „Natürlich ist sie Darci.“

„Ach so“, stieß Kalissa hervor. „Eine Verwechslung. Jetzt verstehe ich.“

Sie wandte sich direkt an den Unbekannten. „Hören Sie, ich bin nicht Darci Colborn. Ich sehe ihr nur ein bisschen ähnlich.“

„Ein bisschen?“, warf Megan ein.

„Was wollen Sie mir eigentlich für einen Unsinn weismachen?“, fragte der Fremde.

„Es ist kein Unsinn. Mein Name ist Kalissa Smith, und das kann ich beweisen. Durch meinen Ausweis, durch Freunde, was immer Sie wollen.“

„Die andere Frau ist Kalissas Zwillingsschwester“, mischte Megan sich ein.

„Sei still“, schalt Kalissa sie. „Das wissen wir doch überhaupt nicht.“ Erneut wandte sie sich an den Mann. „Was haben Sie eigentlich gegen Darci Colborn?“

„Man kann nicht sagen, dass ich etwas gegen sie habe“, führte der Mann aus. „Ich kenne sie gar nicht persönlich.“ Allmählich schien er Kalissa zu glauben. „Und Sie sind also Landschaftsgärtnerin.“

„Ja.“

„Und heißen Kalissa Smith.“

„Wie es auf der Visitenkarte steht. Und bis vor einer Woche wusste ich noch nicht einmal, dass eine Darci Colborn existiert.“

„Wenn das so ist …“, sagte der Mann zögernd, „möchte ich mich für mein Verhalten entschuldigen.“ Er schien jedoch immer noch zu zweifeln.

„Ist schon in Ordnung.“

Kalissa musterte den Mann. Er musste so um die dreißig sein und sah wirklich verboten gut aus. Hochgewachsen und stattlich. Aber sein Interesse, als er sie durchs Restaurantfenster beobachtet hatte, hatte ja gar nicht ihr gegolten. Wahrscheinlich würde sie ihn nie wiedersehen …

„Kann ich die Visitenkarte behalten?“, fragte er.

„Haben Sie denn einen Garten?“, mischte Megan sich ein.

„Allerdings. Habe ich. Dann einen schönen Abend noch, meine Damen.“

„Ihnen auch einen schönen Abend“, gab Kalissa automatisch zurück.

Er nickte ihr noch einmal kurz zu und ging wieder ins Restaurant.

„Ein absoluter Traumtyp“, murmelte Megan. „Aber irgendwie auch ganz schön komisch.“

„Das lag an der Verwechslung“, verteidigte Kalissa ihn unbewusst. Ja, er war wirklich ein Traumtyp. Und er hatte ihre Visitenkarte. Insgeheim hoffte sie, dass er sie einmal anrufen würde. Und dass es ihm dann nicht nur um die Verschönerung seines Gartens ginge.

2. KAPITEL

Am darauffolgenden Abend saß Riley mit seinem Freund Ashton auf der Veranda. Der Vorfall mit Kalissa Smith ging ihm nicht aus dem Kopf.

Die Frau seines Bruders hatte also eine Schwester. Eine Zwillingsschwester, von der offenbar niemand etwas wusste.

Nachdenklich blickte er in den Garten. Diese Frau hatte wirklich Eindruck auf ihn gemacht. Ihr Aussehen, ihre ganze Art. Er hatte im Internet nach ihr gesucht, aber dort gab es keine Fotos von Kalissa Smith. Ihr Name war auf der Webseite von Mosaic Landscaping zu finden, aber ohne Bild.

„Hat sie dich vielleicht im Auftrag ihrer Schwester ausspioniert?“, fragte Ashton.

„Nein, ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass sie überhaupt nicht spioniert hat. Von draußen konnte sie doch sowieso nicht hören, was ich mit Pierre Charron bespreche. Da hätte es mehr Sinn ergeben, zum Beispiel den Ober zu bestechen.“

„Und was willst du jetzt machen?“

Riley griff nach seinem Handy. „Ich habe auf einmal große Lust bekommen, meinen Garten verschönern zu lassen.“

Ashton lächelte. „Damit du deinen Feind im Auge behalten kannst?“

„Ich glaube nicht, dass sie der Feind ist. Aber so ganz werde ich aus der Angelegenheit auch noch nicht schlau.“

„Meinst du, dass die beiden Frauen wirklich Zwillingsschwestern sind?“

„Sie sehen absolut gleich aus.“

„Und du bist sicher, dass es nicht Darci Colborn war?“

„Hundertprozentig. Ich habe nämlich herausgefunden, dass Shane und Darci gestern Abend zur gleichen Zeit auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung am anderen Ende der Stadt waren.“

Ashton dachte einen Moment nach. „Aber was sollte es dir bringen, Kontakt zu dieser Landschaftsgärtnerin zu halten?“

„Das weiß ich selbst noch nicht so genau.“

„Sie gefällt dir.“

„Sie ist eine sehr attraktive Frau“, gestand Riley ein.

„Aber es geht dir nicht darum, das zu bekommen, was Shane schon hat …?“

„Quatsch. So denke ich schon lange nicht mehr.“

„Bist du sicher?“

„Ja.“

Riley las die Telefonnummer von der Visitenkarte ab und gab sie in sein Handy ein.

„Mosaic Landscaping“, ertönte die ihm bekannte Stimme. „Hier spricht Kalissa Smith.“

„Guten Abend, Kalissa“, sagte er. „Hier ist Riley.“ Seinen Nachnamen nannte er absichtlich nicht. „Wir haben uns gestern kennengelernt, Sie erinnern sich doch sicherlich …?“

„Oh.“ Sie schien sichtlich überrascht.

„Sie haben mir doch gestern Ihre Karte gegeben. Und jetzt möchte ich Sie gerne für meinen Garten engagieren.“

„Soll das ein Scherz sein?“

„Nein, das ist mein voller Ernst. Es ist ein ziemlich großer Garten, und er sieht nach nichts aus. Ich habe Sie ja gestern bei der Arbeit gesehen und bin überzeugt, dass Sie hier Wunder wirken könnten.“

„Na ja, wenn das so ist …“ Sie zögerte einen Moment. „Soll ich vorbeikommen und mir den Garten einmal ansehen?“

„Das Grobe würde ich lieber erst mal mit Ihnen in Ihrem Büro besprechen. Das ist vielleicht etwas kurzfristig, aber ginge es heute Abend noch?“

Sie dachte einen Augenblick nach. „Wir Selbstständigen haben ja sowieso nie Feierabend“, sagte sie dann. „Wenn es Ihnen recht ist, könnten wir uns so gegen acht in meinem Büro treffen. Ist das okay für Sie?“

„Ja, wunderbar. Vielen Dank und bis dann.“ Er beendete das Gespräch.

„Das ging ja superglatt“, kommentierte Ashton.

Riley griff nach seinem Bier. „Ich habe ihr meinen Nachnamen absichtlich nicht genannt. Sie braucht nicht zu wissen, dass ich Shanes größter Konkurrent bin. Vielleicht kennt sie die Colborns noch nicht, aber das könnte sich schnell ändern.“

„Denk dir doch einfach einen anderen Nachnamen aus“, schlug Ashton vor.

„Ich möchte sie nicht anlügen.“

„Alles ohne Nachnamen – das dürfte schwierig werden. Sie wird doch wegen des Gartens hier zu dir kommen. Und obendrein musst du ihr später einen Scheck ausstellen.“

„Daran habe ich schon gedacht. Die Adresse kann ich ihr auch ohne meinen Namen geben. Und ihr Honorar bekommt sie dann eben in bar.“

„Das macht sie doch bestimmt misstrauisch. Sie könnte dich für einen Verbrecher halten.“

„Oder für einen Verschwörungstheoretiker. Ich habe sie doch gestern schon verdächtigt, mich auszuspionieren. Da brauche ich die Rolle des ewig misstrauischen Mannes nur weiterzuspielen.“

Ashton lachte auf. „Da wär ich gern dabei. Wird bestimmt lustig.“

Kalissa arbeitete nun schon seit ein paar Tagen für Riley in seinem Garten, und sie wurde immer noch nicht so recht schlau aus ihm. Von sich selbst behauptete er, Verschwörungstheoretiker zu sein, aber das kaufte sie ihm nicht so recht ab. Dafür wirkte er viel zu normal und geerdet. Stattdessen war sie schon auf den Gedanken gekommen, dass er so vieles geheim hielt, weil er ein verdeckter Ermittler war oder weil er sich in einem Zeugenschutzprogramm befand.

Für die Gartenarbeit hatte er ihr ein so verlockendes Honorar angeboten, dass sie ihn sofort auf Platz eins der Prioritätenliste gesetzt hatte. Trotzdem war es für heute genug. Zufrieden blickte sie auf die frisch angelegten Blumenrabatten. Feierabend!

„Trinken Sie noch einen Eistee mit mir?“, hörte sie plötzlich seine Stimme hinter sich.

„Oh ja, sehr gerne.“

Er war vor etwa einer Stunde nach Hause gekommen. „Ich habe Ihre Kollegin heute gar nicht gesehen.“

Autor

Barbara Dunlop
<p>Barbara Dunlop hat sich mit ihren humorvollen Romances einen großen Namen gemacht. Schon als kleines Mädchen dachte sie sich liebend gern Geschichten aus, doch wegen mangelnder Nachfrage blieb es stets bei einer Auflage von einem Exemplar. Das änderte sich, als sie ihr erstes Manuskript verkaufte: Mittlerweile haben die Romane von...
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