Mit dir im Rausch der Sinne

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Er bringt Liv zur Weißglut! Arrogant mischt sich der gefährlich attraktive Consultant Adam Jackson in die PR-Kampagne für das Kinley-Imperium ein, das Liv und ihre Geschwister unbedingt retten müssen. Jede Begegnung endet in einem hitzigen Wortgefecht. Dann küsst Adam sie auch noch und entfesselt in der jungen Erbin eine explosive Mischung aus Leidenschaft und Ärger! Eine einzige Nacht will sie mit ihm verbringen, damit dieses lodernde Feuer endlich gelöscht wird. Doch der Rausch der Sinne, in dem sie versinken, ist so übermächtig, dass eine Nacht nicht genügt …


  • Erscheinungstag 21.02.2023
  • Bandnummer 2585
  • ISBN / Artikelnummer 9783751518352
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Ah, da bist du ja! Livia, ich möchte dir Adam Jackson vorstellen.“

Livia runzelte die Stirn. Weder der Auftritt ihres Bruders noch der Name des Mannes gaben ihr einen Hinweis darauf, wer dieser Fremde in ihrem Büro war oder was er dort zu suchen hatte. Sie hob die Brauen und wartete auf eine sachdienliche Erklärung.

Rein optisch gab der Fremde allerdings eine attraktive Ergänzung ihres Mobiliars ab, wie sie zugeben musste. Groß, dunkelhaarig und attraktiv wirkte er wie ein wandelndes Klischee. Sie reichte ihm die Hand und wünschte insgeheim, sie hätte ihn nicht unbedingt hier an ihrem Arbeitsplatz getroffen, wo es fraglich war, ob sie je die Gelegenheit bekäme, ihn näher kennenzulernen.

Sie sah, wie sich seine Augen weiteten und wusste instinktiv, dass ihr Interesse auf Gegenseitigkeit beruhte.

„Adam ist ein Unternehmensberater, der sich auf die Luxuskosmetikbranche spezialisiert hat“, erklärte ihr Jonathan. „Ich habe ihn angeheuert, damit er dich bei dem Parfüm-Projekt unterstützt.“

Livias Brauen wanderten noch höher, während sie den Drang bekämpfte, auf der Stelle zu flüchten. Allerdings wäre das kaum professionell. Nur, was trieb ihr Bruder hier für ein Spiel mit ihr? Immer noch verbindlich lächelnd, aber mit gefährlich glimmendem Blick wandte sie sich ihm direkt zu. „Was lässt dich glauben, ich könne das nicht allein bewältigen?“

Jonathan schüttelte den Kopf. „Ich halte dich für absolut kompetent.“ Seine Stimme klang ebenso kontrolliert wie ihre. „Aber dies ist ein ehrgeiziges Projekt, und ich möchte nicht, dass du dich überforderst. Mir ist keineswegs entgangen, wie viele Überstunden du in letzter Zeit gemacht hast.“

Abrupt wandte sich Livia dem Mann zu, der neben ihrem Bruder stand. Sie verwünschte das Universum dafür, dass es ihr so einen verlockenden Fang präsentierte, nur um ihn ihr gleich wieder zu entreißen.

„Adam, es tut mir leid, dass Sie die Reise hierher umsonst angetreten haben, aber leider gibt es keine freie Stelle in meinem Team.“ Mit einem Anflug von Bedauern ging sie zur Tür, um die beiden Männer hinauszukomplimentieren, doch ihr Bruder stellte sich ihr in den Weg, an seiner Seite … dieser Adam.

Livia verschränkte die Arme vor der Brust und wartete darauf, dass die beiden den Weg freigaben.

„Ich habe bereits letzte Woche versucht, mit dir darüber zu reden“, sagte Jonathan. „Ich habe dich um ein Treffen gebeten, und du hast mich mit dem Argument abgewimmelt, du hättest keine Sekunde Zeit.“

„Ich zog einen vereinbarten Videocall mit Claude Gaspard vor“, kam es kühl zurück. „Wäre mir in den Sinn gekommen, dass du mich als Strafe übergehen würdest …“

„Liv, so kommen wir nicht weiter“, unterbrach Jonathan sie sanft, was ihren Blutdruck noch weiter in die Höhe trieb. „Wir wollen alle, dass dein Projekt ein Erfolg wird, aber nicht um jeden Preis. Du strengst dich zu sehr an und brauchst jemanden, der die Last mit dir teilt.“

„Du hältst mich also nicht für fähig …“

Ein subtiles Räuspern zu ihrer Linken ließ sie innehalten. Sie wandte nur kurz den Kopf in Richtung des attraktiven Neuzugangs und schüttelte abwehrend den Kopf.

„Bitte entschuldige, Adam“, sagte Jonathan, der sich erst jetzt daran zu erinnern schien, dass sie nicht allein waren. „Liv, wir werden später weiterdiskutieren. Fürs Erste musst du einen Weg finden, mit Adam zu kooperieren, denn er bleibt. Und Adam … bevor du für heute gehst, möchte ich mit dir noch über diese andere Sache sprechen.“

Damit ließ Jonathan sie beide einfach stehen.

Livia wusste, dass es ungerecht war, wütend auf Adam zu sein, anstatt auf ihren überheblichen älteren Bruder, der sich zudem noch als Ersatzvater fühlte, seit ihre Eltern sie im Teenageralter verlassen hatten. Gleichzeitig konnte sie Jonathan nicht ernsthaft böse sein, denn er tat das alles nur aus Liebe und Fürsorge für sie.

Außerdem würde er auch noch ihre beste Freundin heiraten, und damit stand automatisch wieder dieser Adam in der Schusslinie! Zumal er in ihrer Fantasie bereits einen Platz beanspruchte, der ihm nicht zustand. Doch ihr bildhaftes Vorstellungsvermögen war seit jeher Fluch und Segen zugleich gewesen – und sein enges T-Shirt und die muskulösen Arme boten reichlich Stoff für Fantasien, die sie rigoros in den Hinterkopf verbannte.

„Adam, es tut mir wirklich leid, dass mein Bruder sich so weit aus dem Fenster gelehnt hat, ohne mich mit einzubeziehen.“

Das heimliche Objekt ihrer Begierde verschränkte die Arme, was den Bizeps noch dominanter hervortreten ließ, und gab sich irritierend gleichgültig. „Ihr Bruder ist der Vorstandsvorsitzende, soweit ich informiert bin“, erwiderte er gelassen. „Also ist dies seine Entscheidung.“

„Reine Formsache“, wandte Liv ein. „Dies ist ein Familienunternehmen, und …“

„Sie und Ihr jüngerer Bruder sind ihm unterstellt, oder?“, unterbrach Adam sie lässig. „Diese Formsache bedeutet, dass er heute Morgen meinen Vertrag unterschrieben hat und Sie nichts dagegen tun können.“ Er dachte einen Moment lang nach und schürzte seine Lippen auf eine Weise, die ihrer wachgeküssten Libido nicht gerade zuträglich war.

„Na ja, Sie könnten natürlich versuchen, mich rauszuklagen“, räumte er mit einem Lächeln ein, das ihr Herz unerwartet ganz weit oben im Hals schlagen ließ. „Aber es wäre reine Zeit- und Geldverschwendung. Und wenn ich mich nicht irre, ist hier beides momentan Mangelware.“

Sie wusste, dass er recht hatte, was ihre Laune nicht gerade hob. Seit sie ihren Bruder dazu hatte überreden können, das Modehaus ihrer Familie um eine eigene Parfüm- und Kosmetiklinie zu ergänzen, war sie gefühlt jede wache Minute in dieses Projekt eingebunden. Darum hatte sie auch keine Zeit für Jonathan gefunden, als er sie kurzfristig gebeten hatte, ihm eine halbe Stunde Zeit einzuräumen, ohne ihr zu sagen, worum es ging.

Zumal es ihr gelungen war, gerade an dem Tag endlich eine Telefonkonferenz mit einem Meisterparfümeur in Paris zu arrangieren, den sie überreden wollte, noch in diesem Jahr einen Duft neu zu kreieren, den ihre Urgroßmutter in den dreißiger Jahren entwickelt, aber nie auf den Markt gebracht hatte. Sie hatte das Rezept im Sommer des vergangenen Jahres bei der Durchsicht alter Papiere in Cotswolds Manor gefunden, einst Familiensitz, jetzt Erbteil ihres Bruders Jonathan.

Und wenn es Rowan nicht gelungen wäre, sehr alte Missverständnisse aus der Vergangenheit zwischen Jonathan und sich auszuräumen, woraufhin die beiden sich sogar verlobt hatten, wäre aus dem Parfümprojekt wahrscheinlich gar nichts geworden.

Aber ein verliebter Jonathan, der ihre beste Freundin heiratete, hörte seiner kleinen Schwester bereitwilliger zu als jemals zuvor. Irgendwie hatte sie sich darauf verlassen, dass diese Veränderungen von Dauer sein würden. Doch leider …

„Sie sind also fest eingestellt und werden bezahlt“, stellte Livia mehr für sich fest. „Aber ich benötige Ihre Unterstützung nicht, da ich bereits monatelang an dem Projekt gearbeitet habe und durchaus in der Lage bin, es selbst auf den Weg zu bringen.“

Adam schüttelte stur den Kopf. „Ich lasse mich nicht für etwas bezahlen, das ich nicht liefere.“

„Dann lösen Sie den Vertrag doch auf …“, sagte sie leichthin, als wäre ihr egal, ob er blieb oder ging.

Darauf lachte Adam lauthals los, was sie dermaßen überraschte, dass sie automatisch aufblickte und ihn atemlos anstarrte. Sein Gesicht war wie verwandelt, und für einen Sekundenbruchteil fragte sie sich, wie es wohl wäre, ihn ohne negative Hintergedanken so zum Lachen zu bringen. Eine absurde Idee, die sie gleich wieder verdrängte.

Sie wollte schließlich nichts von diesem Mann … außer, dass er baldmöglichst ihr Büro verließ.

Doch was sie gegen ihren Willen spürte, sah sie auch in seinen Augen aufblitzen und noch etwas Gefährlicheres, das Livia warnte, ihre ungebetenen Fantasien unbedingt im Zaum zu halten! „Sorry, aber meine Zeit ist mehr als knapp bemessen“, sagte sie, ohne ihn anzusehen. „Und ich erwarte einen Anruf.“

„Wenn es um das Parfümprojekt geht, sollte ich dabei sein.“

Das war nicht die Antwort, die sie erwartet hatte. Und was er forderte, würde sie ganz sicher nicht akzeptieren. Doch wie sollte sie einen muskelbepackten Hünen aus ihrem Büro bekommen? Natürlich klingelte jetzt auch noch das Telefon auf ihrem Schreibtisch. Ohne den Blickkontakt zu ihr abzubrechen, beugte sich Adam vor und drückte auf die Freisprechtaste ihrer Anlage.

Außer einem sengenden Blick blieb ihr kein Mittel, ihn auf seinen Platz zu verweisen, da die Leitung nach Paris offen war.

„Bonjour …“, zwitscherte Livia. Sie versuchte, ihren Ärger aus ihrer Stimme rauszufiltern, und lauschte dem schnellen Französisch am anderen Ende der Leitung. Was unendlich leichter wäre, wenn Adam sie nicht ständig fixieren würde, während sie sich durch den Anruf quälte und keine der wohlüberlegten konstruktiven Feedback-Floskeln anbringen konnte, die sie sich gestern Abend zurechtgelegt hatte.

Na super, dachte sie frustriert. Jetzt hält Adam mich für inkompetent, und er und Jonathan können sich wunderbar darüber austauschen, wie unprofessionell ich bin.

Möglicherweise würde ihr kritischer Bruder sogar auf die Idee verfallen, sie aus dem Job rauszunehmen und Adam an ihre Stelle setzen.

Sie beendete den Anruf so schnell wie möglich und überlegte, ob sie nicht besser gleich aufgeben sollte, solange sie sich noch im Vorteil fühlte …

„Laufen eigentlich all Ihre Anrufe so unkoordiniert und ergebnislos ab?“, fragte Adam mit einem arroganten Lächeln, was ihren Zorn auf ihn nur noch steigerte.

„Ich bin wesentlich versierter und fokussierter ohne Wachhund im Nacken!“, zischte Livia. „Würden Sie jetzt bitte mein Büro verlassen?“

„Kein Problem, wenn Sie mir zuvor kurz Einblick in ihren Timer gewähren, damit ich mir die anstehenden Termine notieren kann.“

Sie zwang sich zu einem Lachen, das leider nicht amüsiert, sondern eher frustriert ausfiel. „Um Einblick in meine Privatunterlagen zu bekommen, müssen Sie ihre Fantasie schon etwas mehr anstrengen, Adam.“

„Was würde ich denn da zu lesen bekommen: Geheime Bekenntnisse einer kapriziösen Prinzessin? Danke, aber ich verzichte.“

„Sie wissen nichts über mich.“

„Ich habe genug gesehen“, entgegnete er mit einem Lächeln, das wohl andeuten sollte, dass er bereits viele Frauen wie sie getroffen hatte … reich, ansehnlich und in einem Familienunternehmen tätig.

Wahrscheinlich ging er davon aus, dass sie diesen Job nur durch Vetternwirtschaft bekommen hatte. Wenn der arrogante Kerl wüsste!

Zum Beispiel, wie vehement sie sich dagegen gewehrt hatte, in das Familienunternehmen einzusteigen. Wie sie Monate damit verbracht hatte, Geschäftspläne zu erstellen, in Archiven zu wühlen und den Markt zu erforschen.

Adam mochte sie für eine verwöhnte Prinzessin halten, die nicht wusste, was sie tat. Sollte er nur versuchen, ihr die Zügel aus der Hand zu nehmen … gelingen würde es ihm nicht! Dieses Projekt war ihre neue Leidenschaft. Und wenn es um ihre Leidenschaften ging, war Livia nicht zimperlich.

Zugegeben, den Anruf mit Frankreich als Glanzstück zu bezeichnen, wäre mehr als geprahlt, aber das war allein Adams Schuld. Sie wäre wesentlich souveräner und professioneller aufgetreten, hätte er sich nicht so einschüchternd vor ihrem Schreibtisch aufgebaut. „Okay, ich werde meine Assistentin bitten, Ihnen meinen Zeitplan zu übermitteln, wenn ich Sie damit loswerde. Wir sind dann hier fertig, Adam.“

Es widerstrebte ihr zwar zutiefst, seiner dreisten Forderung nachzukommen, aber sie brauchte Zeit zum Nachdenken, wie sie mit dieser neuen und ebenso unwillkommenen wie inakzeptablen Entwicklung umgehen sollte.

Der Kerl grinste tatsächlich immer noch! Ihr kamen die wildesten Ideen, wie sie dieses dreiste Grinsen auslöschen könnte … für die Hälfte davon würde sie im Gefängnis landen, und die anderen Fantasien waren an einem Arbeitsplatz ebenso wenig angebracht. Prompt spürte sie heiße Röte in ihre Wangen steigen, obwohl er unmöglich erraten könnte, woran sie gerade dachte.

„Dieses Gespräch ist noch nicht zu Ende“, sagte Adam.

Liv verdrehte die Augen und wandte sich wieder ihrem Bildschirm zu, in der Hoffnung, dass er es irgendwann satthätte, sie anzustarren, und einfach verschwinden würde. Irgendwann gab er auf, und nachdem sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, konnte sie endlich wieder normal atmen.

„Liv, ich brauche dich in meinem Büro!“

Sie unterdrückte ein Stöhnen, als sie die Stimme ihres Bruders hörte. Es war schon nach zwanzig Uhr, und sie war kurz vor dem Verhungern. Doch auch zu Hause würde es kein Entkommen geben. Nachdem Jonathan seinen jüngeren Geschwistern von den finanziellen Schwierigkeiten des Familienunternehmens erzählt und sie ihre eigenen Wohnungen aufgegeben hatten, lebten sie alle zusammen in dem Haus, das Liv im Jahr zuvor von ihrer Großmutter geerbt hatte. Selbst das würde sie wahrscheinlich verkaufen, sobald sie Zeit hatten, sich damit auseinanderzusetzen. Denn der Verkauf eines denkmalgeschützten Gebäudes, das sich seit über hundert Jahre in Familienbesitz befand, würde eine Menge Papierkram mit sich bringen.

„Jonathan, kann das nicht warten, bis wir zu Hause sind?“, Liv verstaute umständlich Akten in ihrer Laptoptasche, während sie den Kopf durch die Bürotür ihres Bruders steckte. Als sie aufblickte, war sie nur einen halben Schritt davon entfernt, gegen Adam Jacksons muskulöse Brust zu prallen, die sich unter einem schwarzen T-Shirt verbarg.

„Oh, das hätte ich mir denken können!“, stöhnte sie gereizt, was ihr ein Grinsen von Adam und ein Stirnrunzeln ihres Bruders einbrachte. Wenigstens würde sie bald zu Hause sein, wo sie sich, mit Rowan oder auch allein, in ihr Zimmer zurückziehen und so tun konnte, als gäbe es ihren Bruder gar nicht.

„Es ist spät, und Rowan hat sicher schon Sehnsucht nach dir.“ Das war ein billiger Versuch, trotzdem zögerte sie nicht, die einzige Schwäche ihres Bruders auszunutzen. Nicht nach dem Tag, den sie hinter sich hatte!

Jonathans Miene wurde weich, doch bereits in der nächsten Sekunde fing er sich wieder und musterte sie finster, da er sie durchschaute. „Nein, das muss jetzt geklärt werden, denn dieses Problem betrifft uns alle. Adam ist direkt von Schottland hergekommen, um diese Stelle anzutreten, und gerade hat das Hotel, das er gebucht hat, angerufen und seine Reservierung storniert. Ich habe ihn eingeladen, bei uns im Haus zu wohnen.“

Livia war fassungslos. Das konnte Jonathan ihr unmöglich antun, dazu noch ohne Vorwarnung! „Im Haus? In meinem Haus wolltest du wahrscheinlich sagen.“ Sie wusste, dass es sich kindisch anhörte, zickig und verwöhnt … all das, was Adam ihr ohnehin unterstellte.

„Ich dachte, wir sind uns darin einig, dass es in Ordnung ist, Gäste nach Hause einladen zu können“, erinnerte ihr Bruder sie mit einem feinen Lächeln. Liv wusste sofort, worauf er anspielte.

Denn im letzten Jahr war sie diejenige gewesen, die Rowan ohne Vorankündigung in Jonathans Haus eingeladen hatte, weil sie den Gedanken nicht ertragen konnte, eine ganze Woche ohne den Rückhalt ihrer besten Freundin mit ihren beiden Brüdern dort ausharren zu müssen.

Dabei hatte sie nicht geahnt, wie spektakulär das nach hinten losgehen würde! Jetzt konnte sie sich nicht einmal mehr auf Rowans uneingeschränkte Unterstützung verlassen. Denn dass ihre Freundin sich, wenn es wirklich hart auf hart käme, wohl eher auf die Seite ihres Verlobten schlagen würde, daran hegte sie keinen Zweifel.

Livia seufzte lautlos. Sie brauchte keinen Therapeuten, der ihr bescheinigte, dass die Flucht ihrer Eltern nach Südamerika, um einer Anklage wegen Steuerhinterziehung zu entgehen, die Ursache für ihre unterschwelligen Bindungsängste war. Vor allem hatte sie das nicht von ihrer Überzeugung abbringen können, ihre Eltern wären vielleicht nicht gegangen, hätten sie ihre Tochter ein wenig mehr geliebt beziehungsweise wäre sie liebenswerter gewesen.

Alles war einfacher geworden, seit sie beschlossen hatte, sich nicht mehr verletzbar zu machen. Was Rowan betraf, war es dafür zu spät gewesen. Ihre seit Ewigkeiten beste Freundin würde bald auch so etwas wie ihre Schwester sein. Aber das war für Liv okay.

Aber keine weiteren Menschen mehr in ihrem Leben. Niemand, der sie verlassen oder den sie verlieren könnte.

Und was Adam Jackson betraf … ihre häusliche Situation war schon ohne diesen nervigen Typen brisant genug.

„Nein, Jonathan“, sagte sie mit fester Stimme. „Ich …“

„Du hast letztes Jahr höchstpersönlich den Präzedenzfall geschaffen“, erinnerte er sie erneut in diesem selbstherrlichen Ton, den sie an ihm hasste. Und noch mehr hasste sie es, wenn sich ihr eigenes Verhalten gegen sie wendete.

„Das ist nicht dasselbe“, sagte sie mit erzwungener Höflichkeit. „Ich habe Rowan eingeladen, die wir beide seit Jahren kannten und in die du bereits halb verliebt warst. Nicht einen wildfremden Mann, der mich im Schlaf ermorden könnte!“

Es schien, als versuche Adam einen Lachanfall zu unterdrücken, aber sie wagte nicht, ihn anzuschauen.

„Falls es hilft …“, mischte er sich in einem trügerisch sanften Ton ein. „Ich habe nicht das leiseste Interesse daran, Sie zu ermorden. Weder im Schlaf noch sonst wie.“

Wenn dieses Gefühl doch nur auf Gegenseitigkeit beruhen würde! Livia atmete tief durch und erinnerte sich daran, dass es hier um ihren Job und nichts anderes ging und dass sie ihrem Bruder nur Munition liefern würde, um ihr mangelnde Professionalität vorzuwerfen, wenn sie sich jetzt nicht kooperativ zeigte.

„Ich halte Ihre Kommentare für wenig hilfreich“, wandte sie sich freundlich bestimmt an den Stein des Anstoßes. „Dies ist ein privates Gespräch, Adam. Warum warten Sie nicht draußen, bis mein Bruder und ich uns in den wesentlichen Punkten einig sind?“

2. KAPITEL

Adam tat wie geheißen, obwohl er nicht nachvollziehen konnte, warum man ihn hinausexpediert hatte, nur um dann so lautstark zu diskutieren, dass jeder auf der Etage sie hören konnte. Zumindest wenn sie nicht die einzigen lebenden Seelen in diesem Gebäude gewesen wären, lange nachdem alle anderen bereits gegangen waren, um sich ihrem Sozial- oder Privatleben zu widmen.

Beneiden tat er sie darum nicht. Bisher hatte er sein gesamtes Leben der Arbeit gewidmet und es nie bereut.

Es hatte aus der Not heraus begonnen. Adam wusste nur zu gut, wie sich bittere Armut anfühlte: diese ständige Plackerei und Nacht für Nacht frierend und hungrig ins Bett gehen zu müssen. Und dann die Jahre, in denen seine Mutter und er ohne eigene Wohnung in temporären Notunterkünften oder auf fremden Sofas nächtigen mussten, bis er die Schule verließ und seinen ersten Job bekam. Irgendwann hatten sie genügend Geld für die Anzahlung auf eine winzige Wohnung zusammengekratzt. Von da an ging es ihm nur darum, dieses Dach über dem Kopf zu behalten. Der Tag, an dem er ein Haus gekauft hatte, war der erste gewesen, an dem er ruhig schlafen konnte.

Und am nächsten Tag? Da war er um Punkt sechs wieder im Büro gewesen.

Diese kleine Prinzessin, die gerade ihren Bruder auf der anderen Seite dieser unzureichend schallisolierten Tür zusammenfaltete, war zwar hinreißend, trotzdem konnte er weder Geduld noch Verständnis für sie aufbringen.

Da zelebrierte sie ernsthaft einen kleinen Wutanfall, weil es ein freies Zimmer weniger in der Villa gab, in der sie wahrscheinlich mietfrei wohnte. Adam hatte, zurück in London, für die erste Woche ein Hotelzimmer gebucht, in einem Gebäude, in dem er für sich eventuell infrage kommende Eigentumswohnungen anschauen wollte. Leider gab es ein Problem mit der Buchung, und als Jonathan ihm ein vorrübergehendes Obdach anbot, hatte er dankbar angenommen.

Das Gekeife verstummte, aber die anschließende Totenstille war nicht weniger beklemmend.

Livia verließ das Büro als Erste und stakste mit finsterer Miene an ihm vorbei. Die angespannte Linie ihres Kiefers ließ ihre Wangenknochen prominent hervortreten, die Lippen waren zu einem üppigen Schmollmund geschürzt. Ihre Wimperntusche verabschiedete sich auch nach und nach. Der Gesamteffekt war nicht anders als verheerend zu beschreiben, zumindest, was seine Libido betraf.

Es hatte keinen Sinn zu leugnen, was er wollte, wobei … es gab genügend Gründe, um sich derartige Fantasien gleich wieder aus dem Kopf zu schlagen: Sie war verwöhnt, enorm anspruchsvoll und hasste ihn von der ersten Sekunde an.

Trotzdem konnte er die Sekundenbruchteile nicht vergessen, bevor Jonathan ihn seiner Schwester vorgestellt hatte. Sie hatte ihre Blicke genüsslich über seinen Körper schweifen lassen, als warte sie nur darauf, diesem Pfad mit ihren lackierten Nägeln zu folgen …

„Der Sturm im Wasserglas hat sich gelegt?“, fragte er gedehnt und kassierte dafür prompt einen sengenden Blick.

„Sie brauchen gar nicht so selbstgefällig zu tun“, kam es arrogant zurück.

Seine Lippen wurden schmal. Ihr privilegiertes Leben machte die jahrelange Arbeit und alle Mühen, die er auf sich genommen hatte, um Menschen wie ihr gesellschaftlich und geschäftlich ebenbürtig zu werden, zum Gespött. Dabei war sie ihm gegenüber durchaus nicht abgeneigt gewesen, bis sie herausfand, dass ihr Bruder ihn als Experten für ihr kleines Lieblingsprojekt engagiert hatte.

Hätte er überhaupt Zweifel daran gehegt, wie dringend seine Hilfe benötigt wurde, so hatte das Mithören des Telefonats mit Paris genügt, um diese zu zerstreuen. Okay, sie war aufgeregt und unkonzentriert gewesen, und er hatte keine Skrupel gehabt, sie darauf hinzuweisen. Je eher die Prinzessin akzeptierte, dass sie seine Hilfe brauchte, und ihn einfach nur seine Arbeit machen ließ, desto besser.

Sie drängte sich an ihm vorbei und verpasste ihm mit der Schulter einen kleinen Stoß, obwohl zwischen den Tischen ausreichend Platz war. Diese kindliche Trotzreaktion entlockte ihm ein Lächeln. Zugleich wurmte ihn ihr offenkundiges Bedürfnis, ihn wie einen dummen Jungen auf dem Spielplatz zu schubsen, aus Angst oder Frust, er könnte ihr das Lieblingsspielzeug wegnehmen.

Okay, die Fronten waren also geklärt. Und wenn sie eine Ausrede brauchte, um einen, wie auch immer gestalteten Körperkontakt zu ihm herzustellen, würde er sich nicht beschweren.

„Pardon …“ Adam schmunzelte über den sengenden Blick, den er kassierte. Besser, sie war weiterhin wütend auf ihn, dann würde es ihm leichter fallen, sich nicht von ihrem Traumkörper und den großen, traurigen Augen in Versuchung führen zu lassen.

Er wartete auf Jonathan, und zusammen gingen sie hinunter in die Tiefgarage des Bürogebäudes, wo Livia an der Motorhaube einer schwarzen Limousine lehnte.

„Ich fahre“, sagte sie und klimperte mit dem Wagenschlüssel.

„Kein Problem, ich setz mich nach hinten, dann könnt ihr beiden euch ein wenig besser kennenlernen.“

Adam verkniff sich ein Lächeln, als Livia einen mörderischen Blick in Jonathans Richtung sandte. Er sollte es nicht so genießen, wenn sie sich aufregte, oder – noch besser – überhaupt nicht an Livia denken, abgesehen von rein beruflichen Aspekten.

„Wie sieht der nächste Schritt bezüglich Gaspard aus?“, fragte er angelegentlich, um ihr Verhältnis wieder auf eine professionelle Basis zu stellen, und kassierte dafür prompt diesen speziellen Blick, den ihr Bruder zuvor auch schon abgekommen hatte.

„Ich muss mich noch zwischen Nichtstun und katastrophaler Inkompetenz entscheiden. Was würden Sie mir raten?“, fragte sie seidenweich.

Nur mit Mühe gelang es Adam, sich ein anerkennendes Grinsen zu verkneifen. „Nun, das mit der Inkompetenz haben Sie im Telefonat mit Paris ziemlich eindrucksvoll demonstriert. So gesehen ist es vielleicht tatsächlich das Beste, wenn Sie erst mal nichts tun. Geben Sie mir einfach einen Wink, wenn Sie möchten, dass ich einschreite.“

Sie wandte den Blick kurz von der Straße ab und schenkte ihm ein breites Lächeln. Adam stockte der Atem, und er fragte sich verblüfft, ob er unbewusst einen richtigen Knopf gedrückt hatte, wie man so schön sagte, und Livia sich ihm gegenüber zukünftig offen, freundlich und dankbar zeigen würde.

Prompt eilte seine Fantasie der Wirklichkeit weit voraus, und er malte sich bereits Möglichkeiten aus, wie er eine dankbare, nachgiebige Liv genießen könnte …

„Sie dürfen einspringen, wenn man irgendwann irgendwo über meine reglose, kalte Leiche stolpert …“, informierte sie ihn mit zuckersüßer Stimme und kokettem Wimpernschlag. „Wenn Sie mich aus meinem Job drängen wollen, müssen Sie schon größere Geschütze auffahren, als mich nur nett zu bitten.“

Adam hob die Hände in einer Geste der Kapitulation. „Ich will Sie zu nichts zwingen, sondern nur erreichen, dass anstehende Arbeiten bestmöglich ausgeführt werden.“

„Und was bringt Sie auf den Gedanken, ich wäre dazu nicht fähig? Sie kennen mich doch gar nicht.“

Ob ihr Bruder auf dem Rücksitz ihr Gespräch mitbekam? Wie mochte die Beziehung zwischen den Geschwistern aussehen? Er hatte gelesen, was mit ihren Eltern passiert war. Dass sie sich überstürzt ins Ausland abgesetzt und ihre Kinder, inklusive anstehender Probleme, einfach sich selbst überlassen hatten. Ob sich die drei Geschwister durch das gemeinsam erlebte Trauma vielleicht besonders verbunden fühlten?

Er könnte sich vorstellen, dass dies der Fall gewesen wäre, hätte er Geschwister gehabt. Müßige Spekulationen, die dazu führten, dass er am Ende froh war, dass es immer nur ihn und seine Mutter gegeben hatte. Sie beide gegen den Rest der Welt …

In ihrer Mutter-Sohn-Beziehung war es immer nur ums reine Überleben gegangen, sodass Adam gar nicht wusste, was oder wer sie sonst noch füreinander waren. Er kannte keine andere Art zu lieben als notwendige Fürsorge.

Und was Frauen, Sex und Beziehungen anging, wollte er ohnehin nicht für das Glück eines anderen verantwortlich sein. Warum sich jemand freiwillig fremde Menschen suchte, für die er Verantwortung trug und die er liebte, war ihm schleierhaft. Und erst recht, wie man ganze Industriezweige auf so etwas ausrichten konnte.

Solange man gleichgesinnte Partner fand und alle offen sagten, was sie wollten, ging es beiden Seiten gut. Doch er selbst hatte schon vor langer Zeit für sich beschlossen, dass es in dem Moment, in dem er glaubte, Gefühle für jemanden zu entwickeln, an der Zeit war, sich zurückzuziehen.

Adam warf einen Seitenblick auf Livia und fragte sich, ob sie tickte wie er oder eher zur Fraktion Herzen, Baccara-Rosen und Diamantklunker gehörte.

Gleich darauf verpasste er sich selbst eine mentale Ohrfeige. Natürlich war es ihm egal, welche Art von Beziehungen Liv bevorzugte … schließlich hatte er nicht vor, sich an sie heranzumachen. Schon ohne seine selbst definierten Beziehungsregeln wäre das viel zu kompliziert und kontraproduktiv.

Die zwanzigminütige Fahrt zog sich in die Länge, und als sie schließlich vor der weißen, mit Stuck verzierten Villa anhielten, konnte Adam ein Augenrollen kaum unterdrücken. Natürlich sah ihr Zuhause erwartungsgemäß so aus!

Autor

Ellie Darkins
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