Nächte, die man nie vergisst

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Schnell mal auf die Ranch von Dustin Tanner fliegen, ein Interview mit ihm für ihre Serie ""Single sucht große Liebe"" machen und dann zurück ins aufregende Sydney: So hat sich Chefredakteurin Shay Russell das vorgestellt. Doch das Schicksal will es anders. Die Regenzeit hält sie für einige Wochen auf der entlegenen Farm des attraktiven Mannes fest. Tage und Nächte beginnen, die Shay nie mehr missen möchte: Sie und Dustin lieben sich zärtlich: im Heu, im Bett und vor dem Kamin. Doch dann muss sie zurück - aber keiner gesteht dem anderen, wie stark ihre Gefühle sind. Ein Abschied für immer?


  • Erscheinungstag 24.09.2007
  • Bandnummer 1594
  • ISBN / Artikelnummer 9783862959105
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Lilian Darcy

BIANCA erscheint 14-täglich im CORA Verlag GmbH & Co. KG, 20354 Hamburg, Valentinskamp 24

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Redaktion und Verlag:

Postfach 301161, 20304 Hamburg

Tel.: +49 (040) 60 09 09 – 361

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Lektorat/Textredaktion:

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Anzeigen:

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Es gilt die aktuelle Anzeigenpreisliste.

 

© 2006 by Lilian Darcy

Originaltitel: „Outback Baby“

erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London

in der Reihe: ROMANCE

Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe: BIANCA

Band 1594 (22/1) 2007 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

Übersetzung: Patrick Hansen

Fotos: mauritius images

Veröffentlicht als eBook in 07/2011 - die elektronische Version stimmt mit der Printversion überein.

ISBN: 978-3-86295-910-5

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

Der Verkaufspreis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

JULIA, BACCARA, ROMANA, MYSTERY, MYLADY, HISTORICAL

www.cora.de

1. KAPITEL

Die beste Methode, im Flugzeug zu arbeiten, bestand darin, nicht aus dem Fenster zu blicken.

Wie immer hatte Shay Russell viel zu tun. Deshalb sah sie auf drei Flügen kein einziges Mal hinaus. Auch nach dem Start in Sydney klappte sie ihren Laptop auf, sobald die Flugbegleiterinnen verkündeten, dass es erlaubt war, und nahm den Blick gerade lange genug vom Bildschirm, um sich einen Kaffee zu bestellen.

Er war lauwarm und kam zusammen mit den Keksen, die in den USA cookies, in Australien biscuits genannt wurden.

Sie kam aus New York.

Und sie war beschäftigt.

Obwohl sie schon seit einem Jahr hier war, mochte sie sich nicht an die australische Ausdrucksweise gewöhnen. Im Fernsehen stammte fast jede zweite Sendung aus den USA, also wussten die Australier längst, was cookies waren. Für Shays Chefredakteur bei der New Yorker Frauenzeitschrift Today’s Woman war Australien – kulturell gesehen – der 51. Bundesstaat der USA. Natürlich irrte er sich, aber warum hörten die Australier nicht auf den Mann? Es würde ihren Job wesentlich einfacher machen.

Zwischen Brisbane und einem Punkt auf der Landkarte namens Charleville konzentrierte Shay sich auf den Computer, den elektronischen Planer und ihre handschriftlichen Notizen. Und auf dem letzten Abschnitt – mit dem Postflugzeug nach Roscommon Downs – dachte sie ausschließlich an die Auflage ihres Magazins.

Erst als das Fahrwerk der Maschine den Boden berührte, hob Shay den Blick und sah das Wasser eines silbrigen Sees neben der Landebahn im Sonnenschein glitzern.

Hübsch.

Vögel kreisten am blauen Himmel oder landeten auf dem Wasser. Rotbraune Rinder weideten auf dem schmalen Grasstreifen zwischen der Landebahn und dem See.

Sehr hübsch.

Sie würde ein paar Aufnahmen machen, mit dem hoffentlich fotogenen Dustin Tanner und seiner neuen Verlobten Mandy im Vordergrund. Vielleicht gab eins davon sogar ein gutes Titelbild für die Aktion ab, mit der ihre Zeitschrift Ehefrauen fürs Outback suchte.

Kaum hielt das Flugzeug, sprang Shay auf. Sie war der einzige Passagier, und ihr Gepäck bestand nur aus einem kleinen Trolley. Sie schnappte ihn sich, dankte dem Piloten und marschierte über den festen, feuchten Lehm des Landestreifens auf den Geländewagen zu, der auf sie wartete.

„Keine Ursache“, rief der Pilot, der es offenbar ebenso eilig hatte wie sie.

Er nahm zwei Kartons aus dem Laderaum, stellte sie auf die Erde, winkte dem Mann neben dem Geländewagen zu und stieg wieder in das winzige Cockpit.

Eine Frau, die das Flugzeug ansteuerte, hastete an Shay vorbei. „Viel Spaß“, sagte sie, ohne stehen zu bleiben.

„Ihnen auch“, antwortete Shay, den Blick auf den kleinen Bildschirm ihres Organizers gerichtet, denn sie notierte sich gerade etwas, was ihre Assistentin für sie herausfinden sollte.

Hinter ihr wurden die Triebwerke des Flugzeugs wieder lauter. Vor ihr wartete ein Mann mit Sonnenbrille, in Jeans und grauem Polohemd, bewegungslos wie ein Baumstamm. Dustin Tanner? Shay konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen. Sie war dem Mann erst ein einziges Mal begegnet, vor Monaten. Er hatte an der Single-Aktion teilgenommen, zusammen mit zwei Freunden.

Die Zeitschrift hatte Unmengen von Zuschriften bekommen; da war es kein Wunder, dass Shay sich nicht alle Farmer merken konnte, die eine Ehefrau suchten. Dustins Foto war zwar abgedruckt worden, aber sie erinnerte sich nicht daran, wie er aussah.

Als sie ihn erreichte, streckte sie die Hand aus. „Shay Russell.“

„Shay …“ Er murmelte etwas. Dann fluchte er leise. „Die Zeitschrift!“

„Richtig.“ Sie lächelte. „Wir …“

„… sind uns in Sydney begegnet, auf der Cocktailparty für die Teilnehmer.“ Er rieb sich die Augen. „Es ist eine Weile her.“

„Ja. Ja, das ist es.“

Also war dieser große, dunkelhaarige, kräftige Fremde tatsächlich Dustin. Sofort schaltete sie auf professionelle Freundlichkeit um und dachte zugleich daran, dass Sonya noch etwas für sie recherchieren musste. Würde sie von hieraus telefonieren oder eine E-Mail verschicken können?

„Danke, dass Sie mit einer Anschlussgeschichte einverstanden sind, Dustin.“

„Nennen Sie mich Dusty, aber …“

„Dusty. Wir sind ja so begeistert. Eine Verlobung! Und das Hochzeitsdatum steht auch schon fest! Wunderbar! Unsere Leserinnen werden hingerissen sein, dass unsere Aktion so schnell Erfolg gehabt hat.“ Sie hasste es, so überschwänglich zu sein, und er wirkte auch nicht besonders beeindruckt, also zügelte sie sich. „Kann ich mein Gepäck in den Wagen stellen?“

Das Flugzeug rollte zum Start. Das Motorengeräusch erschwerte die Unterhaltung.

„Wie bitte?“

„Kann … ich … mein Gepäck … in den Wagen stellen?“, schrie sie.

„Aber … haben Sie sie denn nicht gesehen?“ Er schien immer noch verwirrt zu sein.

„Nein, ich …“

„Ich rede von der Verlobung“, unterbrach er sie. „Sie ist abgesagt. Gerade eben.“ Erneut rieb er sich die Augen. „Das war sie. Hat sie es Ihnen nicht erzählt?“

Shay drehte sich um und sah, wie das Flugzeug abhob.

„Sie?“, wiederholte sie. „Mandy? Ihre Verlobte? Im Flugzeug? Sie … reist ab?“

„Exverlobte. Es ist vorbei. Sie kommt nicht zurück.“

Hilflos sah Shay umher – auf den feuchten Landestreifen, den flachen Horizont, den großen See, der den provisorischen Flugplatz wie eine Insel erscheinen ließ.

„Die Verlobung ist geplatzt?“, fragte sie vorsichtshalber nach.

„Ja.“ Er ging an ihr vorbei, um die Kartons aufzuheben.

Als er zurückkehrte, musterte sie ihn unauffällig.

Hmm.

Sie war nicht überrascht, dass Mandy verschwunden war.

Aber vielleicht sah er auch nur so aus, weil Mandy abgereist war. Sein Gesicht war starr, und an den Winkeln des attraktiven Mundes hatte der Stress tiefe Falten hinterlassen.

In einer Hand hielt Dustin einen zusammengedrückten Filzhut, und sein Haar war zerzaust. Das Polohemd war an einer Seite aus der Hose gerutscht, an der anderen hatte er es zu weit hineingestopft.

Shay musste sich beherrschen, um nicht daran zu zupfen. War es ein mütterlicher Impuls? Nein, eher die Erkenntnis, dass Dustin Tanner eigentlich ein sehr gut aussehender Mann war, der in ihr ganz andere Instinkte wecken könnte. Er hatte ein markantes Gesicht, einen flachen Bauch, und am gesamten Körper war kein Gramm Fett zu viel. Was immer der Grund für ihr Interesse war, sie würde den Mann etwas in Ordnung bringen müssen, bevor …

Bevor sie die Fotos für ihre Reportage machte?

Verdammt!

Die Geschichte war gestorben.

Sie hatte Dustin und Mandy persönlich miteinander bekannt gemacht, auf der Cocktailparty im Februar, mit der die zweite Phase der Outback-Single-Aktion von Today’s Woman eingeläutet worden war. Bei den beiden funkte es auf Anhieb. Sie verbrachten fast den ganzen Abend zusammen und blieben in Verbindung, nachdem Dustin nach Roscommon Downs zurückgekehrt war.

Er besuchte Mandy in Sydney, und sie kam her. Sie verliebten sich, Dustin machte ihr einen Heiratsantrag, Mandy sagte Ja und rief Shay an. Die junge Frau schlug ihr vor, einen Bericht darüber zu schreiben, und Shay sagte sofort zu.

Und jetzt hatte Mandy die ganze Sache platzen lassen.

Es traf Shay wie ein Schlag in den Magen.

Sie holte tief Luft. Das Flugzeug mit der abtrünnigen Verlobten an Bord war schon gestartet. Wann ging die nächste Postmaschine? Shay hatte vorgehabt, morgen Nachmittag abzureisen, aber wenn sie es schon morgen früh tun konnte, würde sie so wenig Zeit wie möglich verschwendet haben. Was für ein Fiasko!

Doch dann fiel ihr Blick auf Dustys Gesicht.

Er ist erschüttert, dachte sie.

Am Boden zerstört.

Ihn jetzt nach dem nächsten Flug mit dem Postflugzeug zu fragen, wäre absolut taktlos.

„Es tut mir leid. Ich komme wohl zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt“, sagte sie stattdessen. Er hatte die Kartons eingeladen und sich die Sonnenbrille ins Haar geschoben. Die Farbe seiner unglaublich betrübt blickenden Augen erinnerte sie an warmen Brandy. Sein Mund verriet, dass er sich seine Gefühle nicht anmerken lassen wollte, doch die Augen spielten nicht mit. „Sie wären jetzt sicher lieber allein.“

„Schon gut.“ Seine Lippen bewegten sich kaum.

„Nein, das ist es nicht. Ich kenne das Gefühl.“ Es war doch bei jedem gleich, oder? „Man will seine Wunden lecken und ungesund essen.“

„Ungesund?“

„Fett, Salz und Schokolade. Ein gebrochenes Herz ist der beste Geschmacksverstärker.“

Er lächelte nicht, aber in der harten Fassade schien sich ein winziger Riss aufzutun. Shay wusste genau, wie es ihm ging, denn sie hatte es selbst durchgemacht. Drei Mal, um genau zu sein, das letzte Mal vor zwei Jahren. Adam hatte sie betrogen. Sie hatte sich in die Arbeit gestürzt und war seitdem mit keinem Mann mehr ausgegangen.

„Machen Sie sich keine Gedanken um die Reportage“, sagte sie. „Es tut mir wirklich leid. Ist es gerade eben erst passiert?“

„Sie kam vor zwanzig Minuten mit gepackten Taschen aus dem Schlafzimmer“, antwortete er nach einem Moment. „Ich dachte, sie wäre glücklich. Ich habe immer geglaubt, wir würden beide dasselbe wollen.“

„Also haben Sie nicht mal mit ihr darüber reden können?“

„Es gab nichts zu sagen. Dieser Ort war offenbar nicht das, was sie erwartet hatte.“ Er klang verbittert. „Nachdem sie das gesagt hatte, war jedes weitere Wort überflüssig.“ Und er schien auch jetzt nicht darüber sprechen zu wollen. „Wir fahren jetzt besser zum Haus zurück. Keine Angst, ich werde es schon überleben.“

Er lud ihren Koffer ein, öffnete die Beifahrertür, und sie stieg ein.

„Ich werde Sie nicht länger als nötig stören“, versicherte sie dabei.

Vermutlich war sie der letzte Mensch, den Dustin Tanner jetzt um sich haben wollte, denn sie erinnerte ihn daran, wie er Mandy begegnet war.

Er glitt hinters Steuer und startete den Motor.

„Wann geht der nächste Flug?“, fragte sie.

„Das ist eine interessante Frage“, knurrte er und sah sie an. „Haben Sie die Überschwemmung bemerkt?“

„Die … Sie meinen den See? Ist er höher als …“

Er lachte. „Das hier?“ Er zeigte auf die silbrige Fläche. „Das ist kein See, sondern ein Fluss! Cooper’s Creek, auf eine Breite von fast hundert Meilen angeschwollen, und er nimmt noch zu. Hier bei uns war es ziemlich trocken, aber im Oberlauf des Thomson River und des Barcoo hat es heftig geregnet. Seit Tagen wird vor Überschwemmungen gewarnt. Hat Grant Ihnen nichts davon erzählt?“

„Grant?“

„Der Pilot.“

„Wir haben nicht viel gesprochen.“ Schon gar nicht übers Wetter. „Ich habe an meinem Laptop gearbeitet.“

„Sie müssen gesehen haben, wie eilig er es hatte, wieder abzufliegen.“

„Ja, sicher, aber …“ Für eine Journalistin hatte sie nicht die richtigen Fragen gestellt. „Also kann ich frühestens … übermorgen fliegen?“

Dusty fuhr los und zeigte zum anderen Ende des Landestreifens. Das Flugzeug war noch in der Ferne zu sehen. „Sehen Sie das?“ Er zeigte nicht auf die Maschine.

„Oh … mein … Gott“, flüsterte Shay. Was sie vorhin gesehen hatte, war keine Luftspiegelung gewesen. Das Wasser war weiter gestiegen und bedeckte inzwischen ein Drittel des Landestreifens.

„Der Scheitelpunkt kommt noch. Das Wasser steigt schnell. Der Landeplatz könnte drei Wochen lang überflutet sein.“

Drei Wochen?“

„Selbst wenn das Wasser weg ist, ist das Starten schwer, wenn die Räder in dreißig Zentimeter tiefem Schlamm stecken. Wir werden die Bahn neu anlegen müssen.“

„Also … muss ich einen Bus nehmen?“ Bestimmt lagen die Straßen höher als dieser schlecht geplante Landestreifen.

„Glauben Sie allen Ernstes, dass es hier draußen einen Bus gibt?“ Ein Lächeln huschte über sein Gesicht.

„Okay. Kein Flugzeug. Kein Bus. Das habe ich verstanden. Und vermutlich gibt es hier auch kein Boot.“ Ihre Stimme wurde immer lauter und heller. „Erklären Sie mir einfach, wie ich von hier wegkommen kann!“

„Gar nicht.“

Unglaublich.

Das einzige Transportmittel wäre ein gecharterter Hubschrauber, der wahrscheinlich etwa tausend Dollar in der Stunde kosten würde.

Laut Dusty hatte sie noch Glück, denn hier in Roscommon Downs war die Lage angeblich nicht annähernd so schlimm wie in anderen von der Flut betroffenen Gebieten.

„Wir haben Lebensmittel, Trinkwasser und Platz“, sagte er. „Die meisten Rinder sind schon in Sicherheit, und wir haben genug Leute, um auch den Rest der Herde auf höher gelegenes Land zu treiben. Daher werden keine Hubschrauber kommen. Für die Rettungsdienste sind Sie kein Notfall. Es tut mir leid, aber wenn Sie wegwollen, werden Sie eine Maschine organisieren und selbst bezahlen müssen. Vorausgesetzt, eine steht zur Verfügung.“

„Das hätten Sie mir erzählen können, bevor ich herkam! Bevor das verdammte Flugzeug wieder gestartet ist!“

„Ehrlich gesagt hatte ich ganz vergessen, dass Sie heute eintreffen.“

„Aber meine Assistentin Sonya hat meine Ankunft …“

„Sonya hat mit Mandy gesprochen“, unterbrach er sie.

„Mandy …“

„… wollte unbedingt ihre Geschichte und ihr Foto in der Zeitschrift sehen. Ich hatte keine Ahnung, was genau geplant war. Ich war ziemlich beschäftigt.“

„Das klingt, als hätten Sie beide nicht viel geredet.“

„Kann sein. Es ist mir nicht aufgefallen.“

„Es ist Ihnen nicht aufgefallen?“

„Ich hasse solche Spielchen. Wenn sie Probleme hatte, hätte sie es offen aussprechen sollen.“

Schweigen.

Shay wusste nicht, was sie erwidern sollte.

„Also werde ich vermutlich … wie lange hierbleiben müssen?“, fragte sie schließlich.

„Ein paar Wochen. Das hängt davon ab, ob es noch regnet. Bei einem medizinischen Notfall könnten Sie vielleicht im Rettungshubschrauber mitfliegen. Die Frau unseres Bohrmanns erwartet in vier Wochen ein Baby.“

Was schlug er ihr vor? Dass sie der Frau Curry und starke Drinks verabreichte, damit das Kind früher zur Welt kam?

Ich könnte ein Jagdgewehr suchen und mir in den Fuß schießen …

Nur eine Fleischwunde. Etwas, was nicht lebensgefährlich war, aber trotzdem stationär behandelt werden müsste. Etwas, was ihr erlauben würde, im Krankenhaus den Laptop zu benutzen, und keine Narben hinterließ.

Das würde ihr Chef von ihr erwarten.

Die australische Ausgabe von Today’s Woman erschien seit zehn Monaten, und Shay war die Leitung übertragen worden – auch weil sie kein Privatleben zu haben schien. Bisher war die Beförderung nicht gerade ein Lichtblick in ihrem Lebenslauf. Die Verkaufszahlen waren enttäuschend. Shay hatte ihre eigene Theorie über die Ursachen dafür, aber Tom Radcliff saß in New York und wollte sie nicht hören.

In letzter Zeit hatten die Artikel über die Single-Aktion für eine steigende Auflage gesorgt, daher wollte Shay die Gunst der Stunde nutzen und in der Juliausgabe eine Reportage über Dustin und Mandy verfassen. Amerikanisches Großstadtmädchen verliebt sich in gut aussehenden australischen Schaffarmer.

Die ganze Aktion, Ehefrauen fürs Outback zu suchen, war ihre Idee gewesen, und wenn sie sich nicht bald auszahlte, würde Shay wahrscheinlich bei einer Hobby- oder Heimwerkerzeitschrift irgendeines winzigen Verlages landen.

Sie hatte hart für ihre Karriere gearbeitet.

Sie liebte ihren Job und wollte ihn behalten.

Der Hunger nach Erfolg weckte sie jeden Tag im Morgengrauen und trieb sie bis spät in die Nacht an. Um Today’s Woman auf dem australischen Markt zu verkaufen, brauchte sie Klatsch über internationale Prominenz, eine gute Astrologin, etwas Lifestyle und Kochrezepte, ein paar geistreiche, anregende Artikel und vor allem herzergreifende Geschichten, die vor Ort spielten. Daher hatte sie diese Story über die Verlobung im Outback selbst übernommen, anstatt sie einer Reporterin zu überlassen.

Jetzt hatte sie nicht nur viel Zeit und Mühe verschwendet, sondern saß auch noch hier draußen fest.

Vor der Windschutzscheibe strömte Wasser über den Weg. „Wohin fahren wir?“, fragte sie Dustin Tanner.

„Zur Farm.“

„Werden wir es schaffen? Oder sollten wir lieber ein U-Boot nehmen?“

„Dies ist der letzte tief liegende Abschnitt.“

„Mir kommt die ganze Gegend ziemlich tief liegend vor.“

„Das hier ist das beste Weideland auf dem Planeten.“

„Wenn es nicht überflutet ist“, entgegnete sie.

„Der Landeplatz hat seit vier Jahren nicht mehr unter Wasser gestanden.“

„Na, da habe ich ja richtig Glück gehabt.“

Sie mochten einander nicht.

In der Enge des Wagens war es noch intensiver zu spüren. Hastig öffnete Shay das Fenster, aber der Geruch von Gras, Schlamm und Regen half nicht gegen das mulmige Gefühl, das sie plötzlich beschlich.

Als Dustin immer mehr Wasserlachen ausweichen musste, brachte es seinen Ellbogen weiter in Shays Nähe. Seine Arme waren so groß und kräftig wie die, die sie in Fitnessstudios gesehen hatte. Männer, die sich viel auf ihre Muskeln einbildeten, hatte Shay noch nie gemocht. Ihre Partner waren immer kultiviert, geistreich und höflich gewesen.

„Sie werden es schon schaffen“, sagte er. „Wir machen einfach das Beste daraus.“

„Wie denn?“

„Ich könnte Ihnen etwas über Roscommon Downs erzählen.“

„Wenn Sie meinen, dass es hilft.“ Auf einer flachen Anhöhe kamen einige Gebäude in Sicht, dahinter erhoben sich rötliche Felsen.

„Nun ja, es ist groß, fast eine halbe Million Hektar.“

„Wenn Sie mich beeindrucken wollen, müssen Sie das schon übersetzen.“

„Eine Million zweihundertfünfzigtausend Morgen.“

„Jetzt bin ich beeindruckt.“ Sie wusste, dass sie nicht so klang. Über eine Million Morgen? Riesig, aber nur eine Zahl, und die einzige Zahl, die sie im Moment interessierte, war die der Stunden, die sie hier noch ausharren musste.

„Viele dieser Farmen sind im Besitz internationaler Agrarunternehmen“, fuhr er fort. „Aber Roscommon Downs gehört seit drei Generationen unserer Familie. Meine Eltern leben jetzt in Longreach, der nächsten Stadt.“

Shay spitzte die Ohren. „Ach ja?“ Ob man hinlaufen konnte? Oder hinwaten?

Er musste ihre Gedanken gelesen haben. „Sie liegt dreihundertsechzig Kilometer entfernt, viele davon unter Wasser.“

Hastig rechnete sie die Angabe um. Über zweihundertzwanzig Meilen. Das würde sie nicht schaffen. Wahrscheinlich würde sie vorher ertrinken.

„Wir sind hier fast ein kleines Dorf. Fünfundzwanzig Menschen leben hier: Alleinstehende, Ehepaare, Kinder und eine Gouvernante, die sie unterrichtet. In diesem Jahr hat sie sechs Schüler.“

Ihre Stimmung hob sich etwas. Kinder. Eine Schule. Andere Frauen. Nicht gerade Sydney, aber wesentlich besser als das Robinson-Crusoe-Szenario, das sie sich ausgemalt hatte – allein auf einer Insel mit einem Mann, der vielleicht der unkultivierteste war, dem sie je begegnet war.

„Ich freue mich darauf, alle kennenzulernen“, erwiderte sie matt und fragte sich, ob jemand ein Schlauchboot besaß und rudern konnte.

„Mandy hat es nicht getan.“

Wenig später erreichten sie die Farm, zu der mehrere große Scheunen, einige hübsche Cottages und ein größeres Gebäude gehörten, das eher wie ein Motel aussah, mit mehreren Türen, die auf eine lange Veranda führten.

Dustin hielt vor dem Haupthaus. Shay war lange genug in Australien, um den Baustil zu erkennen, obwohl es von dichtem Grün gesäumt war. Es war ein Queenslander – ein einstöckiges Haus aus Holz, das in sanften Pastelltönen gestrichen war, umgeben von einer schattigen Veranda und errichtet auf stämmigen Stelzen. Der Hohlraum war mit hübschem Spalier verkleidet, damit die kühlen Brisen hindurchwehen konnten.

Und die Überschwemmung? War das Haus denn davor geschützt?

Shay blickte sich um. Die Farm lag hoch genug.

Dustin lud ihren Koffer aus, zog ihn jedoch nicht hinter sich her, sondern trug ihn, als wäre es eine Einkaufstüte mit Lebensmitteln. Sie hatte nur ein paar Sachen zum Wechseln mit –und die dreißig besten der etwa dreihundert Kurzgeschichten, die Leserinnen beim Schreibwettbewerb von Today’s Woman eingereicht hatten.

Wenigstens hatte sie etwas zu lesen. Andererseits würde sie jeden Abend eins ihrer beiden Outfits waschen müssen. Leider hatte sie ihren Lockenstab und den Haartrockner zu Hause gelassen. Spätestens beim Zubettgehen würde sie aussehen wie Shirley Temple mit einem Finger in der Steckdose.

Als sie zusammen die Stufen hinaufgingen, hielt Shay unwillkürlich den Atem an.

Zu ihrer Überraschung war alles einladend gestaltet. Das Spalier, das als Geländer diente, reichte ihr bis zur Hüfte und ließ die Veranda wie eine luftige Erweiterung des Hauses erscheinen. Die Bodendielen waren teakfarben gebeizt und auf Hochglanz poliert. Die Einrichtung auf der Veranda und im Haus hatte etwas Asiatisches. Große blauweiße Pflanzkübel, Schränke mit kunstvollen Intarsien und Sofas mit cremefarbenen und hellblauen Streifen schufen eine frische, kühle Atmosphäre.

Shay widerstand der Versuchung, sich zu setzen, und folgte Dustin durchs geräumige Esszimmer, an dessen Wänden gerahmte Bilder hingen, von Kinderzeichnungen „für Grandma“ bis zu modernen Landschaften in Öl.

Verblüffenderweise war der Effekt äußerst reizvoll, denn die Farben und Themen der Bilder waren gekonnt arrangiert. Wer immer es getan hatte, besaß Geschmack. „Grandma“ vielleicht?

„Das ist sehr schön!“, rief sie aus.

„Ja, obwohl meine Mutter die besten Stücke mit nach Longreach genommen hat“, erwiderte Dustin und warf ihr einen belustigten Blick zu, als würde er genau wissen, was sie erwartet hatte – rostige Blechwände und sechs Wochen altes Geschirr in der Spüle.

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