Neues Glück für den griechischen Tycoon?

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Ein Blick aus den goldenen Augen von Zimmermädchen Rose – und der verwitwete griechische Tycoon Ares Aristiades spürt zum ersten Mal seit Jahren wieder erotisches Verlangen. Als Rose ihn spontan anfleht, sie aus den Fängen ihres skrupellosen Chefs zu retten, zögert er nicht und nimmt sie bei sich auf. Schon bald ist er immer stärker fasziniert von ihr. Aber so sehr er sie begehrt, kann Rose auch die Narben seiner Vergangenheit heilen? Kaum beginnt er, den Glauben an das Glück zurückzugewinnen, droht ein Geheimnis um Roses Herkunft alles wieder zu zerstören …


  • Erscheinungstag 16.05.2023
  • Bandnummer 2597
  • ISBN / Artikelnummer 9783751518536
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Frühling

Das Zimmermädchen räumte schon wieder auf.

Ares war in sein Zimmer gekommen, um sich für das Abendessen mit seinem Schwiegervater umzuziehen, und da war sie. Die junge Frau kniete vor dem großen Steinkamin, fegte die Asche zusammen und summte leise vor sich hin.

Und sie summte weiter, als er die Tür hinter sich schloss, zu dem Stuhl neben dem Kamin schlenderte und sich setzte.

Sie summte weiter, als wäre er gar nicht anwesend.

Als sie das erste Mal den Kamin in seinem Zimmer sauber gemacht hatte, dachte er, ihr Summen würde ihn stören, aber das tat es nicht. Es gefiel ihm sogar. Ihre sanfte Stimme besaß einen angenehmen Klang. Sehr weiblich. Beruhigend.

Vor allem aber gefiel ihm, dass sie summte, als wäre er nicht Ares Aristiades, Generaldirektor von Hercules Security, einem der weltweit größten privaten Sicherheitsunternehmen und von Regierungen auf der ganzen Welt gefragt.

Ares Aristiades, ehemaliger französischer Fremdenlegionär, von Narben gezeichnet, gebrochen und härter als die griechischen Berge seiner Heimat. Ares Aristiades, dessen Herz und Seele vor Jahren gestorben waren und ihn nicht länger belasteten.

Die Pflicht jedoch blieb, denn hier war er und besuchte seine Schwiegereltern auf ihrem abgelegenen Anwesen in den Bergen nahe des Schwarzen Meeres. So wie er es in den meisten Jahren seit Nayas Tod getan hatte. Jedenfalls wenn er weder im Krankenhaus noch bei der Fremdenlegion war.

In den letzten fünf Jahren hatte dieses Zimmermädchen bei jedem seiner Besuche sein Zimmer aufgeräumt. Doch ihr Summen hatte er erst in den letzten zwei Jahren bemerkt. Und im vergangenen Jahr war ihm zum ersten Mal bewusst geworden, dass sie sehr weiblich war und ihr schlichtes schwarzes Kleid kaum die üppigen Kurven verbarg, die an Pin-up-Girls aus den fünfziger Jahren erinnerten.

Ihr langes, honiggoldenes Haar trug sie in einem strengen, im Nacken zusammengesteckten Knoten. Ihr Gesicht war herzförmig, ihr süßer Mund voll und ihre Nase leicht gebogen. Die langen Wimpern sahen aus, als seien sie in Gold getaucht.

Das Personal hier durfte den Gästen nicht in die Augen sehen, jedenfalls hatte sein Schwiegervater das gesagt – eine seltsame Regel, die Ares nicht verstand. Aber bisher schien ihm das nicht wichtig genug, um sich deswegen zu streiten – und das junge Zimmermädchen hatte ihm nie in die Augen geschaut.

Nur ein Mal, im vergangenen Jahr, als sie mit ihrem Eimer voller Asche aus seinem Zimmer geeilt war. Unter ihren in Gold getauchten Wimpern hervor hatte sie ihm einen Blick zugeworfen.

Auch ihre Augen waren golden.

Der Blick war nur kurz gewesen, bevor sie davoneilte, aber darin hatte keine Angst gelegen, nur eine Art ehrfürchtiger Neugier.

Was ihn überraschte. Denn normalerweise wirkte er auf andere … verstörend, wenn nicht sogar Furcht einflößend. Das lag an den Narben in seinem Gesicht.

Ares hatte nicht damit gerechnet, sie wiederzusehen, aber hier kniete sie, ein Jahr später, vor dem Kamin und schaufelte wieder die Asche.

Was sollte er davon halten?

Als ihn der Blick ihrer goldenen Augen getroffen hatte, war sein Verlangen aufgeflammt, und er wusste nicht, was er damit anfangen sollte. Er hatte geglaubt, sein Verlangen sei mit seiner Frau gestorben. Aber ein Blick aus diesen goldenen Augen reichte, und sein Begehren erwachte zum Leben, so wild und kraftvoll wie in seiner Jugend.

Seit diesem einen kurzen Blick war ein ganzes Jahr vergangen. Und doch spürte er immer noch dieses Verlangen.

Was war an dieser Frau anders? Er wusste es nicht und wollte auch nicht darüber nachdenken. Er wusste nur, dass die Jahre vergingen und er nicht jünger wurde. Und dass er gewisse Versprechen gegeben hatte.

Er hatte seinem Vater versprochen, das Geschlecht der Aristiades nicht mit ihm aussterben zu lassen.

Seiner verstorbenen Frau hatte er versprochen, ihr Haus mit Kindern zu füllen.

Sowohl sein Vater als auch seine Frau lebten nicht mehr, aber diese Versprechen spürte er wie eiserne Ketten. Ares konnte – und wollte – sie nicht brechen.

Sein Gewissen war mit seiner Frau gestorben. Nur die Erinnerung an sie und die Versprechen, die sie einander gegeben hatten, wiesen ihm den Weg.

Ares selbst bedeutete es nichts, doch sein Vater hatte fest daran geglaubt, dass die Linie der Aristiades von dem mächtigen Helden Herkules abstammte und bewahrt werden musste.

Aber wenn er irgendwann eine Familie gründen würde, dann würde er es für Naya tun. Sie hatte Kinder geliebt und hatte sich immer eine große Familie gewünscht. Diese Pläne hatten sich nicht geändert, auch wenn sie nicht mehr bei ihm war.

Seit ihrem Tod drehte sich sein Leben um sie und ihr Andenken. Kinder zu bekommen gehörte dazu.

Aber dazu brauchte er auch eine Frau. Je früher, desto besser.

Sein Zimmer im Haus der Schwiegereltern hatte steinerne Böden, Wände und Decken. Teure Seidenteppiche und Samtvorhänge zierten die Räume. Nicht dass er sich für Teppiche, Vorhänge oder irgendetwas entfernt Weiches interessierte!

Doch auch dieses Mädchen sah weich aus, und das gefiel ihm wider Erwarten ganz gut.

„Wie heißt du?“, fragte er auf Russisch. Da sie hier arbeitete, ging er davon aus, dass Russisch ihre Muttersprache war.

Seine Stimme klang rostig und schroff und durchschnitt die Stille wie ein Steinschlag in einem stillen Tal, aber das kümmerte ihn nicht. Seine Stimmbänder hatte das Feuer beschädigt. Er hatte sich längst daran gewöhnt.

Sie erschrak sichtbar. „Rose“, antwortete sie mit ihrer hellen Stimme. Dann wandte sie den Kopf und sah ihn über die Schulter an. „Wie heißen Sie?“

Ihre Augen waren genauso, wie er sie in Erinnerung hatte, große goldene Münzen, und wieder entdeckte er kein Entsetzen darin. Auch kein Mitleid oder gar Mitgefühl für seine großen Brandnarben. Sie schaute ihn an, als würde sie seine Narben überhaupt nicht sehen.

So hübsche Augen.

Sein Verlangen brannte heller, doch er bewegte sich nicht. Ganz gleich, wie ungewohnt es sein mochte, er war kein Junge mehr, der seinen Leidenschaften ausgeliefert war. Er war ein Mann, der sich vollkommen unter Kontrolle hatte. Ein Mann, der geduldig sein konnte, wenn die Situation es erforderte.

Ein Mann, der die Narben in seinem Gesicht nicht verbarg, sondern stolz trug, als ständige Erinnerung an die überstandenen Gefahren.

Ihm war egal, was sie von ihm hielt. Es war ihm egal, was andere dachten. Seine Narben gingen niemanden etwas an.

Er erwiderte ihren Blick. „Das weißt du nicht?“

„Nein. Die Namen unserer Gäste werden mir nicht genannt“, sagte sie unbeirrt.

Ares musste sich beeilen. Außerdem schickte es sich nicht, mit dem Personal zu plaudern. Aber sein Schwiegervater konnte warten.

Ivan war ein russischer Oligarch und hatte seine Finger bei zu vielen zwielichtigen Geschäften im Spiel. Er war nie darüber hinweggekommen, dass sich seine Tochter während eines Urlaubs in Athen in einen griechischen Hirtenjungen aus einfachen Verhältnissen verliebt hatte.

Ivan hatte Einwände gegen Ares und die Heirat erhoben, aber Naya war eine starke Frau, und sie wollte Ares. Ihr war gleichgültig, dass er in einer Hütte in den Bergen lebte und keinen Cent besaß.

Nachdem er die Hütte verlassen hatte und wurde, wozu er bestimmt war, zum Gott des Krieges, wie man ihn in manchen Kreisen nannte, stieg er in Ivans Wertschätzung.

Doch Ares mochte Ivan nicht. Er war nicht wegen Ivan hier. Er war hier, weil Naya es gewollt hätte, nur darum.

„Warum willst du das wissen?“, fragte er. Seinen Namen wollte er ihr nicht sagen. Schließlich war sie nur ein Zimmermädchen. Obwohl sie sich nicht so verhielt.

Sie antwortete nicht sofort. Zwischen ihren goldenen Brauen erschien eine kleine Falte. Dann erhob sie sich. Asche bestäubte ihre Uniform, aber sie wischte sie nicht weg. Sie schien sie nicht einmal zu bemerken.

Ihr Gesicht hatte einen ernsten Ausdruck angenommen. „Ich … brauche Ihre Hilfe“, sagte sie.

Ares starrte sie an. Ein ungewohntes Gefühl breitete sich in ihm aus. Er brauchte einige Augenblicke, um zu begreifen, dass er überrascht war.

Es war sehr lange her, dass ihn jemand überrascht hatte. Seit langer Zeit fühlte er überhaupt nichts mehr. Nicht einmal das Aufflackern eines Gefühls. Seltsam, dass ein einfaches Zimmermädchen ihn überraschte.

Seine Beine hatte er ausgestreckt und an den Knöcheln übereinandergeschlagen. Das schwarze Leder seiner Schuhe – handgefertigt von einem Schuster in Mailand – glänzte in der Abendsonne, die durch das Fenster fiel. Das Mädchen stand dicht bei seinen Füßen.

Sehr dicht für ein Zimmermädchen, das anscheinend keine Angst vor dem fremden Mann hatte. Einem milliardenschweren Mann, der Regierungen in seiner Tasche hatte.

Einem Mann, der Narben davongetragen hatte, der körperlich stark war und sie ohne Anstrengung zermalmen könnte.

Einem Mann, von dem sie offenbar Hilfe erhoffte.

Ares war es nicht gewohnt, um Hilfe gebeten zu werden, und noch weniger war er gewohnt zu helfen.

„Hilfe“, wiederholte er gedehnt und ließ das Wort auf sich wirken. „Du glaubst, ich kann dir helfen.“

„Ja. Ich habe sonst niemanden.“

Wenn sie zu ihm kam, hatte sie wohl wirklich niemanden sonst.

Er legte den Kopf leicht zurück und betrachtete sie.

Sie war nicht groß. Obwohl er saß und sie vor ihm stand, war sie kaum auf Augenhöhe mit ihm. Aber sie besaß Entschlossenheit, sogar Sturheit, das erkannte er an ihrem Kinn. Unerschrocken sah sie ihm in die Augen, auch wenn er einen Hauch von Verzweiflung in ihrem Blick bemerkte.

Das schwarze Kleid schmeichelte ihr nicht, aber es verbarg auch nicht das üppige Versprechen ihrer Kurven. Sie hatte eine ausgeprägt weibliche Figur. Das war alles, was er von einer Frau erwartete. Aber warum dachte er, dass dieses Mädchen vielleicht die Richtige war?

Andererseits, warum nicht? Es spielte keine Rolle, für welche Frau er sich entschied. Keine Frau war wie Naya, und das hieß, dass eine hübsche Frau so gut war wie jede andere.

Seine Narben störten sie offensichtlich nicht, ein erheblicher Pluspunkt. Ihm war egal, was die Leute von ihm hielten, aber er wollte auch nicht jeden Morgen am Frühstückstisch mit Abscheu oder Angst konfrontiert werden. Oder jede Nacht in seinem Bett.

„Und?“, fragte sie. Ihre Hände hatte sie zu Fäusten geballt, doch in ihren zarten Zügen konnte er nicht lesen.

Offenbar verstand sie ihre Gefühle zu verbergen.

„Wobei helfen?“

Eigentlich hätte er dieses Gespräch nicht weiterführen sollen, aber nun war er neugierig. Sein Schwiegervater konnte weiter warten.

Rose schaute ihn direkt an. Sie blinzelte nicht. Einen weniger selbstbewussten Mann hätte ihr Blick vielleicht beunruhigt, aber Ares war bestimmt kein unsicherer Mann.

Offensichtlich nervös, presste sie ihren hübschen Mund zusammen. Dann warf sie schnell einen Blick zur Tür, als fürchtete sie sich vor Zeugen.

„Sie wollen mich verkaufen“, sagte sie. Ihre Worte überschlugen sich. „Morgen oder vielleicht übermorgen, ich bin mir nicht sicher. Ich weiß nicht, wohin ich gebracht werde und zu wem. Ich muss fliehen, aber ich habe kein Geld und bin noch nie von diesem Anwesen weggekommen. Ich kann sowieso nicht hier raus, nicht ohne Hilfe. Das weiß ich, ich habe es schon versucht. Jemand muss mich hier rausholen, und ich habe sonst keinen Menschen, den ich fragen könnte.“ Sie holte zitternd Luft. „Bitte! Bitte helfen Sie mir!“

Sobald die Worte aus ihrem Mund waren, wusste Rose, dass sie zu viel gesagt hatte. Die Worte sprudelten hervor, als habe er einen Schalter in ihr umgelegt, sodass all ihre Verzweiflung zum Vorschein kam.

Sie wollte nicht wie ein verängstigtes kleines Mädchen, wie ein Opfer klingen. Sie war es leid, das kleine verängstigte Mädchen zu sein. Das musste endlich aufhören. Hier. Jetzt. Heute.

Der Mann sagte nichts und saß vollkommen unbekümmert auf seinem Stuhl. Männer wie er hatten keine Sorgen. Die Reichen, die Mächtigen, die Berüchtigten.

Sie kamen alle hierher, Rose hatte sie alle gesehen. Als Zimmermädchen war es ihre Aufgabe, die Betten dieser Männer zu machen und ihre Kamine zu reinigen, ihre Bäder zu schrubben und ihre Kleidung aufzuheben.

Einige benahmen sich schrecklich. Sie betatschten sie, einfach weil sie da war und sie dachten, sie hätten das Recht dazu. Einige schrien sie wegen einer vermeintlichen Beleidigung an, andere machten widerliche Andeutungen und lachten. Einige ignorierten sie, als wäre sie gar nicht da.

Aber dieser Mann … dieser Mann war anders. Er war schon immer anders gewesen.

Rose sah ihn nur an.

Er war ungeheuer groß, ungeheuer mächtig. Breit und muskulös gebaut wie die Wachen, die die Tore des Geländes bewachten. Doch abgesehen von ihrer körperlichen Stärke wirkten die Wachen neben diesem Mann klein und unbedeutend. Sie hielten sich für Wölfe, und vielleicht waren sie es auch, aber dieser Mann war ein Drache.

Er strahlte die Stärke eines Riesen, die Arroganz eines Königs und das Selbstbewusstsein eines Gottes aus. Sie wusste nicht, wer er war und was ihm so viel Selbstbewusstsein verlieh, aber eins wusste sie: Er konnte ihr helfen.

Seit fünf Jahren putzte sie dieses Zimmer schon. Aber erst letztes Jahr hatte sie gewagt, ihn anzusehen. Dass er groß war und seine Stimme rau und gebrochen klang, wusste sie schon. Und dass seine leisen Schritte für einen so kräftig gebauten Mann fast schockierend anmutig wirkten.

Auch seine Narben hatten sie entsetzt, aber nur, weil sie nicht damit gerechnet hatte.

Seine Narben störten sie nicht. Für sie zählte nur, dass er der Einzige war, der sie nicht angefasst oder ekelhafte Dinge zu ihr gesagt oder derbe Witze gerissen hatte. Er hatte sie nie angeschrien oder sie überhaupt angesprochen.

Er gehörte aber auch nicht zu den Männern, die sie nicht wahrnahmen.

Sie hatte gespürt, dass er sie beobachtete. Warum er das tat, wusste sie nicht, aber es machte ihr keine Angst. Seine Aufmerksamkeit machte sie eher neugierig, als bedrohlich empfand Rose sie nicht. Was seine Aufmerksamkeit erregte, wusste sie allerdings nicht. Vielleicht lag es an ihrem Summen. Vielleicht gefiel es ihm.

Das bedeutete zwar nicht, dass er besser war als die anderen, aber wenigstens war er nicht schlechter, und das war das Beste, worauf sie an einem Ort wie diesem hoffen konnte.

Eine Wahl hatte sie eh nicht mehr. Er war ihre einzige Chance zu entkommen.

Ohne zu blinzeln starrte sie ihn an. Sie wollte eine Antwort. Ihr Herz pochte laut in den Ohren. Ungerührt erwiderte er ihren Blick. Als hätte er ihre kleine Rede nicht einmal gehört. Sie schluckte. Ein Gefühl, das sie nicht verstand, loderte wie Feuer in ihr auf.

Er trug einen außergewöhnlich gut geschnittenen Anzug aus dunkelgrauer Wolle. Sie erkannte durchaus den meisterhaften Schnitt, ihr entging kaum etwas. Sein Hemd war schneeweiß, der oberste Knopf geöffnet, eine Krawatte trug er nicht.

Sie konnte den Blick nicht von seinem kräftigen Hals losreißen. Das Weiß seines Hemdes brachte seine bronzefarbene Haut zur Geltung, und sein tiefschwarzes Haar war sehr kurz geschnitten. Die Farbe seiner Augen verblüffte sie, ein seltsames Silbergrün.

Ein Mann aus Eisen, alles an ihm war hart. Sein Gesicht war von tiefen Furchen durchzogen. Eine Seite war von Narben gezeichnet, während die andere Seite fast unversehrt war und wunderschön: hoher Wangenknochen, sinnlicher Mund, gerade Nase, während die andere Seite nur aus Narbengewebe bestand.

Entsetzlich. Beängstigend. Fesselnd.

Sie war irritiert, aber das war auch egal. Sie brauchte seine Hilfe, und zwar jetzt.

„Wer verkauft dich?“ Seine Stimme war tief und hart. Es klang, als würden Steine aneinanderschaben.

„Der Boss“, erwiderte sie. „Ivan Vasiliev.“

Der Gesichtsausdruck des Mannes zeigte nur höfliches Interesse, obwohl das unter den schrecklichen Narben schwer zu erkennen war. Jedenfalls wirkte er bei der Erwähnung des Namen Vasilievs nicht besorgt oder verärgert oder gar wütend.

Vielleicht wusste er, dass Ivan Vasiliev zwei Kinder gekauft hatte, eins hatte er als seine Tochter ausgewählt, das andere als Zimmermädchen. Vielleicht störte es ihn nicht. Vielleicht war er sogar selbst daran beteiligt.

Bei diesem Gedanken erschauerte Rose, aber sie ließ sich ihre Angst nicht anmerken. Ihre Gefühle zu verbergen war eines der ersten Dinge, die sie hier gelernt hatte. Inzwischen war diese Reaktion tief verwurzelt und ganz automatisch.

Ihr war egal, ob er an dem Geschäft beteiligt war. Das Einzige, was zählte, war, dass er sie hier herausholen konnte. Athena hatte ihr von dem Menschenhandel erzählt, und Rose glaubte ihr. Aber Athena kannte keine Einzelheiten, wer der Käufer war zum Beispiel.

Rose war als Kind hierhergebracht worden. Sie hatte kaum Schulbildung bekommen und musste früh arbeiten gehen. Das Anwesen hatte sie nie verlassen dürfen, nicht ein einziges Mal. Jede Kontaktaufnahme mit der Außenwelt war verboten.

Im Laufe der Jahre hatte sie immer wieder über eine Flucht nachgedacht. Aber wie sollte sie hier herauskommen? Wohin sollte sie gehen? Sie besaß weder Papiere noch Geld. Am Ende war sie geblieben. Doch sie vergaß nie, dass sie eine Gefangene war.

Und jetzt wollte Vasiliev sie loswerden.

„Ich verstehe“, sagte der Mann mit seiner rauen Stimme. Sein vernarbtes Gesicht wirkte teilnahmslos. „Und warum glaubst du, dass ich dir helfe, Rose?“

„Ich glaube nicht, dass Sie mir helfen“, sagte sie. „Ich hoffe es nur.“

Er schwieg einen Moment. Sein intensiver silbrig-grüner Blick brachte sie aus der Fassung. „Warum ich?“

Rose ballte die Hände zu Fäusten. „Ich habe sonst niemanden, den ich fragen könnte. Und … Sie sind der einzige Gast, der nicht versucht, mich anzufassen. Nicht einmal.“

Er stieß ein heiseres, freudloses Lachen aus. „Deine Messlatte für Vertrauenswürdigkeit ist sehr niedrig.“

Rose ignorierte die Anspannung tief in ihrem Bauch. Sie musste ihn überzeugen, ihr zu helfen. Sie musste. Er war ihre letzte Chance.

„Ich muss Ihnen nicht vertrauen. Ich will nur, dass Sie mich hier rausholen.“ Sie holte tief Luft. „Ich werde alles tun, was Sie wollen. Absolut alles.“

Eigentlich hatte sie sich ihm nicht anbieten wollen, aber wenn das der Preis für die Freiheit war, sollte er mit ihr machen, was er wollte. All die Jahre hatte Athena sie vor allzu großer Aufdringlichkeit der Männer beschützt. Im Gegensatz zu einigen anderen Mädchen hier war sie relativ sicher. Aber natürlich wusste sie, was Männer von einer Frau wollten.

„Alles“, wiederholte der Mann leise. Irgendetwas in seiner Stimme ließ sie erschauern. Nicht unangenehm, aber seltsam. Sein Blick ruhte auf ihr. Anders als manch andere Männer ließ er seinen Blick nicht abschätzend über ihren Körper gleiten. Er sah ihr direkt in die Augen.

Rose war es nicht gewohnt, dass jemand sie sah, sie wirklich ansah, als Menschen, nicht als jemanden, der nur den Kamin reinigte und das Bett machte, jemand, den man demütigte.

Sie war sich nicht sicher, ob ihr das gefiel. Sie fühlte sich herausgefordert, darauf einzugehen.

Seine Augen sind wunderschön.

Sie biss die Zähne zusammen. Warum dachte sie an seine Augen? Das wusste sie nicht. Sie wusste nur, dass sie nicht wegschauen durfte. Das würde ihre Angst zeigen, und Angst zu zeigen war so ziemlich das Schlimmste. Kraft war das Wichtigste an diesem Ort, und Kraft würde sie ihm zeigen.

„Du würdest mir deinen Körper geben, wenn ich darum bitte?“ Sein Ton war sehr beiläufig, als würde er so etwas jeden Tag von Frauen verlangen. „Deine Uniform ausziehen und dich nackt auf mein Bett legen?“

Das ist ein Test.

Bestimmt war das nur ein Test. Und ganz bestimmt würde sie den Test bestehen. Solche Prüfungen hatte sie schon vorher erlebt, und sie war nie durchgefallen.

„Ja“, sagte sie. Und weil sie nicht die Einzige war, die einen Test zu bestehen hatte, fügte sie hinzu: „Allerdings müssen Sie mir mit dem Reißverschluss helfen.“ Damit drehte sie sich um und präsentierte ihm ihren Rücken.

Schweigen trat ein.

Ihr Herzschlag dröhnte noch lauter in ihren Ohren. Ihre ganze Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf ihn. Sie wartete auf Geräusche, das Rascheln, wenn er sich erhob, die Schritte, wenn er zu ihr herüberkam.

Ihre Haut prickelte.

Hoffentlich war er sanft, obwohl er nicht wie ein Mann wirkte, der Sanftheit kannte. Vielleicht würde er wenigstens schnell sein. Schnell war gut, das hatte sie jedenfalls von den anderen Mädchen gehört.

Gott sei Dank hatte Athenas Schutz sie davor bewahrt. Athena war zur gleichen Zeit wie sie hierhergebracht worden, zwei kleine Mädchen, zu Tode erschrocken. Während der langen Reise zu Ivan Vasilievs Haus hatten sie sich aneinandergeklammert.

Auch Athena war von der Straße geholt worden. Ivans Frau hatte sie als Ersatz für ihre verstorbene Tochter ausgewählt.

Anders als Rose lebte Athena ein verwöhntes Leben im Luxus, aber sie war genauso eine Gefangene wie Rose. Auch wenn Ivans Frau das missbilligte, bestand Athena darauf, Zeit mit Rose zu verbringen. Außerdem hatte Athena sehr deutlich gemacht, dass niemand Rose berühren durfte, sonst würde sie zutiefst traurig sein, und niemand wollte, dass Athena traurig war. Denn das hätte Ivans Frau traurig gemacht, und Ivan tat alles für seine Frau.

Rose starrte auf den mächtigen Steinkamin, den sie gerade geputzt hatte. Sie war so angespannt, dass ihre Muskeln schmerzten. Ihr Kiefer tat weh. Doch in ihrem Rücken herrschte immer noch Stille.

„Der Reißverschluss“, sagte sie schließlich ungeduldig. Sie wollte es hinter sich bringen. „Ich kann nicht …“

„Dein Körper interessiert mich nicht.“ Die Worte fielen schwer wie Felsbrocken. Zu ihrem Entsetzen spürte sie Enttäuschung. Aber das konnte nicht stimmen. Sie konnte nicht wollen, dass er sie berührte.

Sie wandte sich abrupt um. Er saß immer noch auf dem Stuhl, hatte sich nicht bewegt. Sein Blick war immer noch unnachgiebig wie Stein.

„Ich bezahle Sie.“ Verzweiflung überflutete sie. „Ich habe kein Geld, aber sobald ich frei bin, suche ich einen Job und …“

„Ich will kein Geld.“ Er legte den Kopf schief wie ein Raubvogel, und sein nachdenklicher Blick ließ sie erschauern. „Aber ich tue auch nichts ohne Gegenleistung.“

„Also, was wollen Sie?“ Ihr Ton war zu scharf, die Worte zu direkt. Normalerweise würde sie für solches Verhalten bestraft. Aber sie nahm die Worte nicht zurück.

„Ich denke darüber nach.“ Er blickte auf die klobige Platinuhr an seinem kräftigen Handgelenk. „Aber das besprechen wir später. Ich habe einen Termin und bin spät dran.“

Rose atmete leise und zitternd ein. Hoffnung war gefährlich, und doch blieb ihr nur die Hoffnung. Sie musste es jetzt wissen. „Heißt das, Sie helfen mir?“

Er blickte von seiner Uhr auf. Im schwindenden Abendlicht wirkte sein silbrig-grüner Blick rätselhaft.

„Ja“, sagte er. „Warum nicht?“

2. KAPITEL

Ares starrte auf den Wodka in seiner Hand. An dem geschliffenen Kristallglas perlte Kondenswasser. Es war guter Wodka – Ivan servierte immer guten Wodka –, aber Ares war der Appetit vergangen.

Ivan hatte ihm einen Drink eingeschenkt und sofort angefangen, über seine Geschäfte zu reden. In letzter Zeit versuchte sein Schwiegervater immer wieder, ihn mit seinen Geschäften zu beeindrucken. Aber Ares hatte kein Interesse daran.

Ivan wollte Hercules-Kunde werden, das wusste Ares. Er wollte die hochqualifizierten Ex-Soldaten und die Technologie, für die Hercules Security bekannt war, in seinem eigenen Sicherheitsteam einsetzen. Er hatte auch erwähnt, dass er Kapital besaß und investieren wolle, vielleicht in Hercules Security.

Ares brauchte keine weitere Investition, und selbst wenn, dann wäre sein Schwiegervater der Letzte, von dem er Geld akzeptieren würde. Auch als Auftraggeber wollte er seinen Schwiegervater nicht.

Ivan stand vor dem riesigen Kamin in dem Arbeitszimmer seines privaten Gemachs. Ein Ellbogen lag auf dem Kaminsims, in der anderen Hand hielt er ein Glas Wodka.

Er war ein großer Mann und strahlte selbst mit Anfang siebzig noch die Art Kraft aus, die in diesem Teil der Welt nicht ungewöhnlich war.

Ivan sprach weiter über Geschäftsmöglichkeiten, aber Ares hörte nicht zu. Seine Gedanken wanderten zu dem Zimmermädchen und ihrer Geschichte. Und dass sie ihn um Hilfe bat.

In der Nacht, in der er versucht hatte, seine Frau zu retten, war etwas in Ares zerbrochen. Das Feuer hatte sein Gesicht und gleichzeitig seine Gefühle versengt.

Doch während die Taubheit in seinem Gesicht im Laufe der Jahre nachließ, blieb er innerlich leblos und kalt.

Umso seltsamer, dass er jetzt Wut empfand wegen der Geschichte, die ihm das Zimmermädchen erzählt hatte. Dass Ivan sie nicht nur gekauft hatte, sondern wieder verkaufen wollte. Wobei ihn Menschenhandel in Zusammenhang mit Ivan nicht besonders überraschte.

Naya wäre entsetzt, und sie hätte wahrscheinlich dagegen aufbegehrt.

Autor

Jackie Ashenden
<p>Jackie Ashenden schreibt düstere, gefühlsgeladene Stories über Alphamänner, denen die Welt zu Füßen liegt, bevor sie von ihren umwerfenden Gegenspielerinnen in Stücke gerissen wird. Sie lebt mit ihrem Ehemann, dem unvergleichlichen Dr Jax, zwei Kindern und zwei Ratten in Auckland, New Zealand. Wenn sie nicht gerade Alphamänner und ihre kühnen...
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