Nur eine leidenschaftliche Nacht?

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Sie braucht keinen Mann für eine Nacht - sondern für ein Wochenende! Verzweifelt sucht Iris nach einem Begleiter für die Hochzeit einer Freundin. Ihre Wahl fällt auf den attraktiven Segler Zac Bisset, und sie handelt einen Deal mit ihm aus. Was eigentlich nur ein Geschäft sein sollte, weckt bald sinnliche Gefühle in Iris. Während einer leidenschaftlichen Nacht mit Zac erlebt sie die pure Ekstase. Aber kann es eine gemeinsame Zukunft für sie beide geben? Zac verfolgt schließlich seine eigenen Pläne …


  • Erscheinungstag 24.11.2020
  • Bandnummer 2161
  • ISBN / Artikelnummer 9783733726461
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Der Familien-Lunch war für Iris Collins immer ein Highlight der Woche. Seit ihre Zwillingsschwester Thea und sie in ihrer Jugend aus dem Internat zurückgekehrt waren, war das gemeinsame Essen zu einer liebgewonnenen Tradition geworden, die auch heute noch Bestand hatte. Der Lunch fand für gewöhnlich im Club des Wolkenkratzers statt, den ihr Vater im Bankenviertel von Boston hatte errichten lassen. Hal Collins war der Geschäftsinhaber von Collins Combined, einer Firma, die auf langfristige Investitionen in hochwertige Aktiengesellschaften spezialisiert war.

Als Iris die Lobby betrat, vibrierte ihr Smartphone und kündigte eine neue Nachricht an. Sie warf einen kurzen Blick darauf und sah, dass sie von ihrem Freund stammte. Ohne sie zu lesen, steckte sie das Handy ein, denn ihre Schwester lief ihr bereits entgegen.

Thea umarmte sie. „Ich wusste, dass du früh da sein würdest, also habe ich mich beeilt, damit wir ein bisschen quatschen können, ehe Mom und Dad hier sind. Seit deiner Reise mit Graham haben wir noch gar nicht miteinander gesprochen. Wie lief es denn?“

„Ganz okay“, erwiderte Iris.

„Nur ganz okay?“

Weniger als das, wenn sie ehrlich war. Während ihres Urlaubs auf den Bermudas hatte Graham versucht, sie dazu zu überreden, im Bett etwas abenteuerlustiger zu sein. Das war schiefgegangen, und er hatte sich anschließend die ganze Nacht an der Hotelbar betrunken. Iris hatte allein auf dem Balkon gesessen und den Wellen gelauscht. Bis zur Hochzeit ihrer besten Freundin und ehemaligen Mitbewohnerin aus Collegezeiten musste sie Graham allerdings ertragen, denn sie brauchte eine Begleitung. Sie war eine der Brautjungfern. Adler Osborn, die Braut, hatte sie als Paar eingeladen, und wenn Iris allein kommen würde, bedeutete das nur zusätzlichen Stress für ihre Freundin.

Schon wieder meldete sich ihr Smartphone. Sie nahm es aus der Handtasche und schaute aufs Display. „Wenn man vom Teufel spricht“, sagte sie. Thea spähte ihr über die Schulter und las mit.

Hör zu, das läuft nicht zwischen uns. Es ist aus. Ich hoffe, du hast dafür Verständnis.

„Spinnt der?“, platzte Thea entrüstet heraus. „Er macht per Nachricht Schluss?“

Iris war weniger überrascht als erleichtert. Rasch schrieb sie zurück.

Natürlich verstehe ich das.

Prima. Dachte mir, dass es dir klar ist.

„Was soll dir klar sein?“, wollte Thea wissen.

„Nichts“, antwortete Iris schnell. Sie hatte nicht die geringste Lust, hier in der Lobby der Familienfirma über Sex zu reden. Allerdings fragte sie sich langsam, ob Graham recht hatte und sie tatsächlich prüde und langweilig im Bett war. Aber spielte das überhaupt eine Rolle?

Thea nahm ihr das Smartphone weg, und ehe Iris sie davon abhalten konnte, schrieb sie:

Mir macht es nichts aus. Ich will mehr vom Leben, als du mir zu bieten hast.

„Thea! Gib mir mein Handy zurück.“ Iris sah auf dem Display, dass Graham dabei war zu antworten, und ihr Magen krampfte sich zusammen.

Wie du meinst. Ich jedenfalls will eine Frau, die nicht so farblos, langweilig und einfach gestrickt ist wie du. Mach’s gut, Miststück.

Iris wollte Thea das Telefon wegnehmen, doch die war schneller, tippte auf das Daumen-hoch-Emoji und drückte auf Senden.

„Warum hast du das getan?“, fragte Iris ihre Schwester. „Er war fest als mein Begleiter eingeplant. Jetzt kann ich zusehen, wie ich das wieder hinbiege.“

„Was musst du hinbiegen?“, fragte ihre Mutter, die soeben die Lobby betreten hatte und nun ihre beiden Töchter umarmte. Corinne Collins, genannt Coco, trug stets stilvolle Designerkleidung.

„Die Sache mit Graham“, erklärte Iris. „Der Typ, mit dem ich zusammen war.“

„Er hat ihr gerade eine Nachricht geschrieben und mit ihr Schluss gemacht“, ergänzte Thea. „Widerlich.“

„So könnte man es nennen“, erwiderte Coco. „Aber heutzutage hält sich nicht mehr jeder an die Etikette.“

„Stimmt“, sagte Iris. „Wo ist Dad?“

„Er verspätet sich“, antwortete ihre Mom. „Dabei habe ich ihn gewarnt: Wenn er zu spät kommt, gehe ich mit euch shoppen.“

Sie lachten, weil es ein Scherz war, der in ihrer Familie schon lange kursierte.

Iris folgte Coco und Thea in den ersten Stock, wo sich das firmeneigene Restaurant befand. Sie kochte vor Wut. Wie kam dieser Typ dazu, sie so mies zu behandeln? Sicher, sie wusste, dass er sie langweilig fand. Aber einfach gestrickt? Das war sie definitiv nicht. Sie war Iris Collins, Lifestyle-Influencerin mit eigener TV-Show, Trendsetterin mit Millionen Followern, ein Star in den sozialen Medien.

Als Graham vorgeschlagen hatte, es doch mal mit einem Dreier zu versuchen, wusste sie, dass er definitiv nicht zu ihr passte. Aber seine Beleidigungen übertrafen alles.

An der Bar entdeckte ihre Mutter eine Freundin aus dem Bridgeclub und ging hinüber, um sie zu begrüßen. Da Thea und Iris nun wieder allein waren, konnten sie offen miteinander reden.

„Du brauchst jemanden als Begleiter für die Hochzeit, der so heiß ist, dass allen die Luft wegbleibt. Einfach gestrickt … Hat der sie noch alle? Was glaubt er, wer er ist?“

„Aber woher soll ich so ein scharfes Exemplar nehmen? Ich kenne niemanden, der infrage käme. Und es sind nur noch ein paar Tage bis zur Hochzeit.“

„Lass mich nachdenken“, sagte Thea.

„Außerdem dürfte es niemand aus meinem Umfeld sein“, fügte Iris hinzu, denn Graham kannte die meisten ihrer Kollegen.

„Das ist wahr. Dann solltest du jemanden anheuern. Wie in einem Film mit Julia Roberts. Das kriegst du hin.“

„Nein“, antwortete Iris.

„Warum nicht?“

„Weil es mir peinlich wäre.“

„Es ist überhaupt nicht peinlich. Du hättest einen fantastischen Typen als Begleiter, und da du ihn bezahlst, muss er tun, was du willst“, meinte Thea überzeugt. „Ich kenne ein paar heiße Jungs, die bestimmt Interesse hätten.“

„Woher denn?“, konterte Iris. „Du arbeitest im Homeoffice mit zwei Katzen.“ Ihre Schwester hatte einen erfolgreichen Blog zum Thema Etikette und gutes Benehmen. Das traf den Nerv der Leser, denn viele wollten so leben, wie sie es online in der glänzenden Instagram-Welt sahen. Und vor allem, wenn es um große Events ging, waren Theas Ratschläge sehr gefragt.

„Ich habe Freunde“, erklärte Thea.

„Danke“, antwortete Iris, „aber das kriege ich schon alleine hin. Lass uns nicht mehr über Graham reden. Das ist reine Zeitverschwendung.“

Da erschien auch endlich ihr Vater, und sie setzten sich zum gemeinsamen Lunch, aßen und plauderten. Doch als Iris bemerkte, wie ihre Eltern beim Dessert unter dem Tisch Händchen hielten, überkam sie wieder dieses seltsame Gefühl. Diese unendliche Sehnsucht. War es denn so aussichtslos für sie, den Mann ihrer Träume zu finden? Die große Liebe, wie ihre Eltern? Stattdessen geriet sie ständig an Typen wie Graham.

Aber vielleicht hatte Thea recht, und sie sollte wirklich einen Begleiter für die Hochzeit engagieren. Einen richtigen Hingucker. Es wäre ja nur für vier Tage und drei Nächte …

Zac Bisset gefiel es keineswegs, in Boston zu sein, aber es gab Zeiten, da durchkreuzte das Leben seinen Trainingsplan und zwang ihn, seine Segeljacht zu verlassen und sich der Realität zu stellen. Schade um den wunderschönen Julitag. Anstatt die Sonne barfuß und in Badehose auf seiner Jacht zu genießen, trug Zac heute einen Anzug und Schnürschuhe. Seine Familie war wohlhabend und angesehen, aber das Leben in solchen Kreisen unterlag für Zacs Geschmack zu vielen Regeln. Daher hatte er sich seit seiner Collegezeit in den Segelsport geflüchtet. In den vergangenen Jahren hatte er für ein britisches Team am America’s Cup teilgenommen, doch vor Kurzem war er ausgestiegen, um eine eigene Crew für die Regatta aufzustellen.

Das allerdings kostete viel Geld. Natürlich hätte er sich beim Familienunternehmen Bisset Industries bedienen können. Aber dann hätte sein Vater mit gutem Recht von ihm verlangt, sich stärker in der Firma zu engagieren. Genau das jedoch wollte Zac verhindern. Weder August Bisset noch Zacs älterer Bruder Logan sollten ihm Vorschriften machen können. Seine Freiheit war ihm das Wichtigste.

Doch die Aussicht auf Sponsoren war wenig erfolgversprechend. Nachdem sein von Oracle unterstütztes Team den America’s Cup gewonnen hatte, war Zac begierig gewesen, mit einer eigenen Crew zu siegen. Also brauchte er ein großes Unternehmen, das in seine Pläne investierte. Die andere Option war sein Erbe. Mittlerweile lief ihm die Zeit davon, das Training hätte eigentlich schon beginnen müssen.

Er verließ das Vorstandsbüro des großen Mobilfunkunternehmens, mit dessen Geschäftsführern er über ein mögliches Sponsoring verhandelt hatte, und fuhr mit dem Fahrstuhl nach unten in die Lobby. Dort bestellte er ein Mineralwasser an der Bar. Während er sich einen Tisch suchte und auf sein Getränk wartete, vibrierte sein Handy, und eine Nachricht nach der anderen trudelte ein. Die erste war von seinem ältesten Bruder Darian, einem Politiker, der nicht in das Familienunternehmen eingestiegen war. Er wollte sich mit Zac vor der Hochzeit ihrer Cousine auf ein paar Drinks treffen. Die zweite Nachricht stammte von seinen Crewmitgliedern, die wissen wollten, wie sein Meeting gelaufen war. Die letzte kam von seiner Mutter, die ihm mitteilte, dass sie gerade Großmutter auf Nantucket besuchte und hoffte, er würde früh genug dort eintreffen, damit sie ein wenig Zeit mit ihm verbringen konnte.

Zac rieb sich den Nacken. Im Moment wollte er keine dieser Nachrichten beantworten. Immerhin hatten sich die beiden Menschen gemeldet, die ihm in der Familie am nächsten standen. Das freute ihn. Logan und sein Vater planten hingegen, Adlers Hochzeit zu boykottieren, weil sie einen Williams heiraten wollte. Williams Inc. war der schärfste Konkurrent von Bisset Industries, und die Firma war Zacs Vater ebenso verhasst wie ihr Inhaber.

Zac scherte sich nicht um solche Fehden, daher hatte er sich gern bereit erklärt, zur Hochzeit zu gehen. Es würde mit Sicherheit ein unterhaltsamer Abend werden, mit erlesenen Getränken, hervorragendem Essen, vielen hübschen Frauen und guter Musik. Außerdem würde die Feier auf Nantucket stattfinden, und die Gäste sollten in einem Luxusresort auf der Insel untergebracht werden, dem neuesten Flaggschiff von Williams Inc. Mittlerweile war die Firma in allen Geschäftsbereichen aktiv, die auch Bisset Industries bespielte. Zacs jüngere Schwester Mari hatte vor Kurzem einen Pressetermin in besagtem Resort wahrgenommen und war voll des Lobes für das Hotel gewesen.

Das brachte Zacs Vater und Logan nur noch mehr auf.

Die Familie konnte ihm manchmal gehörig auf die Nerven gehen, und Zac war froh, dass er sich abgeseilt hatte und sein eigenes Ding machte, indem er für den nächsten America’s Cup trainierte.

Zuerst beantwortete er die Fragen seiner Crewmitglieder. In ihrer Chatgruppe nannten sie sich scherzhaft The Windjammers. Zurzeit bestand das Team nur aus Yancy McNeil, Dev Kellman und Zac. Sie befanden sich alle in New England, um bei potenziellen Sponsoren Geld aufzutreiben. Denn sie wollten sich eine neue Jacht anfertigen lassen. Ein Rennen wurde nicht ausschließlich mit Können, sondern auch mit den Qualitäten des Bootes gewonnen.

Kein Erfolg. Ich habe noch ein Meeting. Wenn das nichts wird, müssen wir über Alternativen nachdenken.

Yancy schrieb als Erster zurück.

Mist. Ich habe mal meine Fühler ausgestreckt, weil eine Bekannte meinte, sie kenne jemanden, der langfristig investieren will. Ich sende dir die Kontaktdaten.

Devs Text kam als Nächstes.

Ich habe nichts in petto, aber auf euch warten ein paar Margaritas, sobald wir alle wieder auf der Blind Faith sind.

Zac beendete den Chat mit:

Ich kümmere mich um deinen Kontakt, Yancy.

Während Zac dem Kellner ein Zeichen gab, das Glas erneut zu füllen, kam die Nachricht von Yancy mit den Informationen. Als er aufblickte, stockte ihm der Atem. Eine blonde Frau mit engelsgleichem Gesicht betrat gerade die Bar. Sie war atemberaubend schön. Ihr eng anliegendes Kleid hatte kurze Ärmel, was ihre sonnengebräunten, trainierten Arme gut zur Geltung brachte. Ihr Gang war sportlich elegant, und sie bewegte sich mit Anmut und Selbstbewusstsein. Als ihre Blicke sich trafen, blieb die Frau stehen und lächelte. Ihre Augen waren blau wie das Meer im Süden von Neuseeland. Und ihr Mund … Zac konnte nicht anders, als ihn anzustarren. Ihre Oberlippe war auf höchst aparte Weise etwas voller als die Unterlippe, und er dachte nur noch daran, wie es wäre, diese Lippen zu küssen.

Er streckte seine Beine unter dem Tisch aus und schaute weg. Offenbar war er zu lange auf See gewesen, wenn er beim Anblick einer Frau keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte.

Er hörte, wie Schritte auf ihn zukamen, und als er hochsah, stand nicht der Kellner vor ihm, sondern die bildschöne Frau. Er nahm ihren dezenten Duft wahr, der ihn an eine Blumenwiese in den Hamptons erinnerte. Sie schaute ihm direkt in die Augen, was ihm gefiel. Er war kein zurückhaltender Mensch und fand es schwierig, wenn Leute ihm gegenüber gehemmt waren. Aus der Nähe sah er, dass ihr hellblondes Haar von karamellfarbenen Strähnen durchzogen war. Es fiel in weichen Wellen auf ihre Schultern. Er bemerkte, wie zart und schlank ihr Hals war, betont durch eine kleine Kette mit einem Blumenamulett.

Iris dachte immer noch über den verrückten Vorschlag ihrer Schwester nach, als sie nach dem Lunch hinunter in die Lobby fuhr. Es war kurz vor drei, und sie wollte sich an der Bar mit ihrem Team treffen, um Kleider, Frisuren und Make-up für die Hochzeit auf Nantucket zu planen. Denn bei Adlers großem Fest würden Fernsehteams, Videoblogger und Journalisten beliebter Klatschportale anwesend sein. Das hieß für Iris, dass sie jederzeit fernsehtauglich aussehen musste.

In den vergangenen fünf Jahren hatte sie sich ihre eigene Plattform aufgebaut. Zuvor war sie Leta Veerlands Assistentin gewesen. Nun moderierte sie eine eigene TV-Show. In den Neunzigern und frühen Zweitausendern hatte Leta die Medien mit ihrer Reality-Show revolutioniert. Dort präsentierte sie zunächst Brautmode, die ihre Schwester Jaqs designte, ehe das Ganze zu einem der beliebtesten Lifestyle-Magazine wurde mit Fernsehshow, Onlineauftritt und später auch in den sozialen Medien. Viele junge Leute kopierten Letas Ideen auf ihren Videokanälen. Iris hatte von ihrer Mentorin gelernt, dass man als Influencerin immer perfekt gestylt sein musste, egal, ob man zu einem Event oder bloß in den Supermarkt ging. Falls sie nachlässig wäre und jemand ein Foto oder ein Handyvideo machte, das viral ging, würde sie ihre Glaubwürdigkeit verlieren.

Thea schickte ihr eine Nachricht und verkündete, sie habe einen Typen gefunden, der sich bereit erklärt habe, für tausend Dollar die gesamten vier Tage als Begleiter bei der Hochzeit zu fungieren. Doch Iris steckte das Smartphone weg, ohne zu antworten, denn sie hatte kein Interesse an jemandem, den ihre Schwester für sie aufgetrieben hatte.

Sie hielt Ausschau nach KT, ihrer Visagistin, und Stephan, ihrem Stylisten, der gleichzeitig ihr persönlicher Assistent war, doch sie entdeckte keinen von beiden. Also entschied sie, im hinteren Bereich der Bar auf ihre Mitarbeiter zu warten. Als sie den attraktiven blonden Mann sah, der in einem der schweren, ledernen Clubsessel in der Nähe des Eingangs saß, wäre sie fast gestolpert. Sein markantes Kinn wurde von einem Dreitagebart betont, und er trug sein Haar halblang, sodass es ihm fast bis auf die Schultern fiel. Es verlieh ihm etwas Wildes, Ungezähmtes und erinnerte Iris an einen Wikinger. Nicht an die Sorte, die raubte und plünderte, sondern an die heiße, atemberaubende Version.

Mach ihm ein Angebot, das er nicht ablehnen kann, flüsterte Theas Stimme in ihrem Kopf.

Das kam gar nicht infrage. Dennoch ließ sie irgendetwas an dieser Idee nicht los, und sie überlegte, ob sie es tun sollte. Schließlich gehörte ihr ein millionenschweres Unternehmen. Als sie vor ein paar Jahren angefangen hatte, als Influencerin eine Menge Geld zu verdienen, hatte ihre Mutter zu ihr gesagt: „Hab keine Scheu davor, Leute dafür zu bezahlen, wenn du etwas Bestimmtes erreichen willst.“

Eigentlich wäre es kein großes Problem gewesen, ohne männliche Begleitung bei Adlers Hochzeit zu erscheinen. Aber zum einen waren da die ganzen Kameras, zum anderen stand sie kurz vor der Einführung einer neuen Produktlinie mit dem Thema „Küchengöttin“. Außerdem wollte sie ein dazu passendes Buch veröffentlichen. Und das war auch höchste Zeit, denn die Konkurrenz zog gerade an ihr vorbei. Scarlet O’Malley zum Beispiel. Die reiche Erbin und erfolgreiche Influencerin hatte kürzlich geheiratet und erwartete ihr erstes Kind. Auch andere Kolleginnen in der Branche wandelten sich gerade vom sexy Single zur sexy Ehefrau und Mutter, während sie selbst von einem Typen abserviert wurde, der sie als langweilig und einfach gestrickt bezeichnete.

Wenn sie mit jemandem wie diesem Wikinger da drüben bei dem Event auftauchte, wäre das ihrem Image äußerst zuträglich und würde ihrem Unternehmen Auftrieb verleihen. Also …

In diesem Moment schaute er auf und entdeckte, dass sie ihn angestarrt hatte. Sie lächelte. Er zwinkerte ihr zu und lächelte ebenfalls. Ohne zu zögern, ging sie zu ihm hinüber, aber sie wünschte, sie hätte damals bei Filmen wie Ein unmoralisches Angebot oder Pretty Woman besser aufgepasst. Jetzt musste sie die Rolle von Robert Redford und Richard Gere improvisieren. Und der Wikinger war in diesem Szenario wohl Julia Roberts …

Selbstvertrauen war der Schlüssel zum Erfolg. Und daran mangelte es ihr nicht. Immerhin hatte sie ihre Eltern schon im Alter von vierzehn Jahren davon überzeugt, dass sie einen eigenen Kanal bei YouTube brauchte.

„Hallo“, sagte sie, bereit, den attraktiven Fremden mit ihrem Charme zu überwältigen.

„Hi. Möchten Sie sich zu mir setzen?“, fragte er.

„Gern, aber nur, wenn Sie mir erlauben, Ihnen einen Drink zu bestellen“, antwortete sie.

„Das Angebot einer schönen Frau lehne ich niemals ab“, erwiderte er, stand auf und holte einen Stuhl für sie.

„Niemals?“

„Nein, nie.“

„Und haben Sie es je bereut?“, wollte sie wissen. Der Typ war forsch, genau wie sie sich einen Wikinger vorstellte. Aber man konnte sich täuschen … Sie setzte sich auf den Stuhl, hielt den Rücken gerade, die Beine an den Fesseln gekreuzt. Ihr Vater hatte einmal gesagt, dass diese Haltung Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen signalisierte.

„Nein, nie“, antwortete er. „Manchmal liefen die Dinge dann ein bisschen anders als erwartet, aber so ist halt das Leben, nicht wahr?“

„Ihr Leben vielleicht. Mir ist es lieber, es läuft alles nach Plan“, sagte sie und beobachtete genau, wie er darauf reagierte. War Theas durchgeknallte Idee wirklich eine Option für sie?

Ja. Das war sie.

„Ich mache nie Pläne“, bemerkte er.

„Und das funktioniert?“

„Ich gehe, wohin der Wind mich trägt.“

„Der Wind?“

„Ich bin Segler und habe eine Rennjacht, mit der ich an Regatten teilnehme.“

„Wie zum Beispiel dem America’s Cup?“, fragte Iris. Sie hatte nicht besonders viel Ahnung vom Segeln.

„Genau. Zurzeit stelle ich eine Crew zusammen und suche Investoren, die unsere Teilnahme in vier Jahren finanzieren.“

Er suchte also Investoren …

„Wieso fragen Sie?“, wollte er wissen.

Sie atmete tief durch. Wenn sie tatsächlich so etwas Verrücktes tun wollte, dann konnte sie keinen besseren Mann finden als diesen Wikinger. Er sah blendend aus, er brauchte Investoren, und sie mochte ihn. „Ich brauche jemanden, der mir einen Gefallen tut“, gestand sie.

„Etwas, das nur ein Fremder für Sie tun kann?“

Sie entdeckte die Unterlagen, die vor ihm auf dem niedrigen Tisch ausgebreitet lagen, und als sie genauer hinsah, stellte sie fest, dass es Prospekte waren. Wahrscheinlich wollte er damit mögliche Investoren überzeugen.

Er folgte ihrem Blick, nahm die Prospekte und drehte sie um.

„Tut mir leid, ich wollte nicht neugierig sein“, entschuldigte sie sich sofort.

„Kein Problem. Erzählen Sie mir, welchen Gefallen ich Ihnen tun kann. Ich bin gespannt.“

Iris überlegte einen Moment. Sie musste vorsichtig sein, denn wenn er sie missverstand, konnte ihr Vorschlag als sexuelle Belästigung ausgelegt werden.

„Ich mache Ihnen ein Angebot, das Sie nicht ausschlagen können“, begann sie. War es nicht das, was Robert Redford im Film gesagt hatte?

„Ist das aus Der Pate?“, fragte er.

„Nein. Ich … ich brauche am Wochenende einen Mann. Sie brauchen Geld für die Regatta, also … Oje, ich rede völlig wirr.“

„Machen Sie mir gerade ein unmoralisches Angebot?“

2. KAPITEL

Sie errötete und straffte ihren Rücken ein wenig mehr. Dann neigte sie den Kopf zur Seite. „Es handelt sich eher um ein Jobangebot, nicht um etwas Persönliches.“

Es war ihm schon öfter passiert, dass Frauen ihn ganz direkt anflirteten, aber meist ging es ihnen darum, Zugang zu seiner Jetset-Welt zu erlangen.

„Faszinierend“, sagte er und meinte es ernst. Diese Frau war bildschön, und obwohl die Idee, von ihr ausgehalten zu werden, völlig absurd war, hätte er es interessant gefunden, wenn sein Segelteam beim America’s Cup von jemandem wie ihr unterstützt worden wäre und nicht von irgendeinem Unternehmen oder seinem Vater.

„Ich bin zu einer mehrtägigen Hochzeit eingeladen und brauche ein Date“, führte sie aus. „Es geht um vier Tage und drei Nächte. Wenn Sie mich begleiten, würde ich in Ihr Projekt investieren. Das Ganze wäre nur für die Öffentlichkeit. Ich verlange keine unsittlichen Dinge von Ihnen.“

„Schade. Ich hatte mich mit der Idee bereits angefreundet“, erwiderte er und dachte an die Hochzeit, zu der er eingeladen war. Die dauerte auch vier Tage. Handelte es sich etwa auch um Adlers Hochzeit?

Sie verspannte sich sofort, was er bedauerte, denn sie gefiel ihm. Sie war ganz anders als die Frauen, mit denen er sonst ausging. Obwohl sie offensichtlich in denselben Kreisen verkehrte, in denen er aufgewachsen war, besaß sie etwas, das ihn anzog.

„Nun, darum geht es mir aber nicht“, gab sie zurück.

„Warum muss jemand wie Sie einen Begleiter mieten?“, wollte er wissen. Sie wirkte auf ihn nicht wie eine Frau, der es an Verehrern mangelte. Oder hatte er etwas übersehen?

„Das ist eine lange Geschichte“, erwiderte sie. „Die möchte ich Ihnen gern ersparen. Alles, was es dazu zu sagen gibt, ist, dass mein Freund gerade Schluss gemacht hat und ich nicht allein zu diesem Event gehen will. Es werden Kamerateams verschiedener Sender da sein, und ich lasse meinen Auftritt auch für meine Kampagne filmen …“

„Geht es nur um Publicity?“, fragte er und war etwas enttäuscht. Irgendwie hatte er gedacht, dass sie nicht so oberflächlich sei. Aber man konnte sich irren. Das wäre ihm nicht zum ersten Mal passiert.

Sie schüttelte den Kopf. „Ja, aber nicht so, wie Sie denken. Ich bin eine Lifestyle-Influencerin mit eigener TV-Show und eigener Produktlinie. Die Schwester meiner Mentorin hat das Brautkleid entworfen, also drehen wir eine Art Story hinter den Kulissen. Wenn es nur um mich ginge und nicht ums Geschäft, wäre es mir völlig egal.“

„Wer sind Sie?“, fragte er. „Ich hoffe, Sie nehmen mir meine Frage nicht übel, aber ich war eine Weile nicht in der Gegend und verbringe die meiste Zeit auf dem Boot.“

„Mein Name ist Iris Collins.“

Er hatte von ihr gehört. Vor allem durch seine Schwester Mari, für die Iris offenbar ein großes Vorbild war. Worum es dabei allerdings genau ging, davon hatte er keine Ahnung. „Ich bin Zac.“

„Ist es richtig, dass Sie Investoren für Ihre Teilnahme am nächsten America’s Cup benötigen?“

„Ja. Wir sind eine neue Crew, und ich habe ein paar Ideen, die ich ausprobieren will“, erläuterte Zac.

„Ich denke, dabei könnte ich Ihnen behilflich sein.“

„Verdient man als Lifestyle-Influencerin so viel Geld?“

„Ziemlich viel“, gab sie lachend zu. „Und das ist einer der Gründe, weshalb ich bei der Hochzeit einen guten Eindruck machen muss. Es geht um mein Image. Sie bräuchten bloß gut auszusehen, richtig gekleidet zu sein und mit mir Händchen zu halten. Vielleicht muss es auch der ein oder andere Kuss sein, aber eigentlich brauche ich nur jemanden, der sich als mein Partner ausgibt.“

Er war hundertprozentig sicher, dass seine Antwort Nein lauten sollte. Denn er benötigte keine Ansprache von Carlton Mansford – dem PR-Chef seines Vaters –, um zu verstehen, dass es ein Desaster wäre, wenn seine Rolle auffliegen würde. Und als Bisset wusste er nur zu gut, dass man so etwas nicht geheim halten konnte.

Also musste er ihr absagen und so tun, als brauche er nicht händeringend Geld.

„Ich …“

Er verstummte, weil er sie mit seinem Nein nicht in eine unangenehme Situation bringen wollte. Unter anderen Umständen hätte er sie eingeladen, mit ihm essen zu gehen, aber dafür hatte er keine Zeit. Die Hochzeit, an der er teilnehmen musste, stand vor der Tür, und die Sponsorensuche duldete keinen Aufschub. Das Arrangement, das sich Iris Collins ausgedacht hatte, war für ihn keine Option.

Sie lächelte und sagte trocken: „Sie brauchen nichts hinzuzufügen. Es war ein Versuch, Richard Gere zu spielen und mir eine attraktive Begleitung zu kaufen. Übrigens ein Vorschlag meiner Schwester.“

„Grundsätzlich ist an der Idee nichts auszusetzen“, antwortete er. „Aber ich bin nicht der Typ dafür.“

Sie nickte. „Danke, dass Sie Zeit für mich hatten. Der Drink geht selbstverständlich auf meine Rechnung.“

Autor

Katherine Garbera
<p>USA-Today-Bestsellerautorin Katherine Garbera hat schon mehr als neunzig Romane geschrieben. Von Büchern bekommt sie einfach nicht genug: ihre zweitliebste Tätigkeit nach dem Schreiben ist das Lesen. Katherine lebt mit ihrem Mann, ihren Kindern und ihrem verwöhnten Dackel in England.</p>
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