Nur eine unbedeutende Affäre

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Finger weg von Angestellten und Single-Müttern – war immer Max' eiserner Grundsatz. Warum hat er sich jetzt auf diese heiße Affäre eingelassen – ausgerechnet mit der hübschen Jane, die für ihn arbeitet, jung, sexy und auch noch alleinerziehend ist? Das muss ja Ärger geben …


  • Erscheinungstag 20.04.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783751522144
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Mit zittrigen Knien ging Jane Selwyn über den heißen Asphalt des Parkplatzes auf das dreistöckige Bürogebäude zu, in dem sich die „Remington Agency“ befand. Die Werbeagentur war ihre letzte Chance auf eine bezahlte Festanstellung in Port Clara. In nur wenigen Wochen hatte sie sich von der verwöhnten Gattin eines reichen Mannes in eine Frau verwandelt, die ausgerechnet bei dem Mann um einen Job betteln musste, der unwissentlich ihre Ehe zerstört hatte.

Nicht dass ihre Ehe nicht ohnehin schon in den letzten Zügen gelegen hatte, aber Max Remingtons Flirtversuch mit ihr, Jane, hatte ihr endgültig den Todesstoß versetzt.

In der kühlen Lobby überprüfte sie ein letztes Mal ihr Spiegelbild. Nervös zupfte sie sich das Revers ihres roten Businessanzugs zurecht und trug nochmals Lippenstift auf. Obwohl ihr die Seidenbluse bereits feucht am Körper klebte – der August in Südtexas war sogar an der Küste unerträglich heiß –, sah sie professionell aus. Ihre erbärmlich dünne Bewerbungsmappe machte diesen guten Eindruck jedoch wieder zunichte.

In den letzten sechs Jahren hatte Jane ihre Tage damit verbracht, sich und ihr Heim zu verschönern und ihre Tochter zu erziehen. Scott war jedes Mal ausgeflippt, wenn sie auch nur andeutete, sie wolle sich nach einem Job umsehen. Daher stand sie jetzt mit der dreijährigen Kaylee völlig mittellos da. Sie brauchte die Stelle als Grafikerin dringend.

Alle hatten sie für verrückt erklärt, weil sie bei der Scheidung nicht mehr Geld verlangt hatte, aber sie wollte einfach nur ungeschoren aus der Ehe rauskommen. Jetzt war sie immerhin stolze Besitzerin eines schicken Kajütbootes – ihre einzige Abfindung – und hatte das alleinige Sorgerecht für ihre Tochter.

Nie hätte sie sich bei der „Remington Agency“ beworben, wenn sie nicht schon alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft hätte.

Die Werbeagentur lag im zweiten Stock von Port Claras schönstem Bürogebäude. Vor der Tür blieb Jane einen Augenblick stehen und schickte ein Stoßgebet gen Himmel. Hoffentlich würde Max über die für ihn demütigenden Umstände ihres Kennenlernens und über die wenigen Referenzen, die sie vorweisen konnte, hinwegsehen und ihr eine Chance geben.

Entschlossen straffte sie die Schultern, trat ein und schnappte überrascht nach Luft. Nie hätte sie ein so edles Ambiente in einer Kleinstadt-Werbeagentur erwartet. Der Empfangsbereich war zwar klein, hatte jedoch mit seinen Granitfliesen, den verputzten Wänden und dem Wasserfall Klasse. Die vielen Farne und das gedämpfte Licht gaben ihr das Gefühl, sich im Regenwald zu befinden. Eine schick gekleidete Frau unbestimmbaren Alters saß an einem halbrunden Schreibtisch, der aussah, als wäre er direkt dem Fußboden entsprungen. Sie lächelte freundlich.

„Kann ich Ihnen behilflich sein?“

„Mein Name ist Jane Selwyn. Ich bin um eins mit Mr. Remington verabredet.“

Die Empfangsdame, laut Namensschild Carol Washington, sah sie mitfühlend aus braunen Augen an.

„Haben Sie denn meine Nachricht nicht erhalten?“

Oh nein! Der Akku ihres Handys war leer. Sie lud ihn gerade im Auto auf. „Ich habe meine Mailbox nicht abgehört“, erklärte Jane. „Gibt es denn ein Problem?“

„Mr. Remington musste plötzlich aus dem Haus – irgendwelche Probleme mit der Druckerei. Er hat mich gebeten, ihn zu entschuldigen.“

„Oh.“ Jane ließ enttäuscht die Schultern sinken. „Kann ich vielleicht einen neuen Termin vereinbaren?“

„Eigentlich hat Mr. Remington sich schon für einen Grafiker entschieden.“

„Ohne mit allen Bewerbern gesprochen zu haben?“

Carol zögerte. „Vielleicht sieht er sich Ihre Mappe ja aus Höflichkeit noch einmal an.“

Aus Höflichkeit? Das war ja wohl die Höhe! Max Remington hatte immerhin ihre Scheidung verursacht oder zumindest beschleunigt. Da konnte er ihr wenigstens eine Chance geben. „Ich werde hier auf ihn warten.“

„Warum vereinbaren wir nicht einen anderen Termin?“, fragte Carol glatt.

Damit er wieder absagen konnte? Auf keinen Fall. „Ich ziehe es vor zu warten.“ Jane war fest entschlossen, Max Remington noch an diesem Tag gegenüberzutreten, ganz egal wie.

Carol nickte. Im gleichen Augenblick öffnete sich hinter ihr eine Tür, und Max erschien auf der Bildfläche.

„Carol, hat John Canfield …“ Überrascht starrte er Jane an, als er sie erkannte. „Jane? Was machst du denn hier?“

„Ich bewerbe mich um die Stelle als Grafikerin.“

Du bist Jane Selwyn? Ich dachte, dein Nachname lautet Simone.“

Jane atmete scharf ein. Max sah sogar noch besser aus als in ihrer Erinnerung. Nach mehreren Monaten in Port Clara war er braun gebrannt, und sein dunkles Haar war ausgeblichen. Er trug eine tief sitzende Jeans und ein am Kragen offenes Hemd ohne Krawatte.

Sie kam sich in seiner Gegenwart plötzlich lächerlich overdressed vor. Normalerweise trug kaum jemand in dem verschlafenen Küstenstädtchen Anzug, aber immerhin war das hier ein Vorstellungsgespräch. Gott sei Dank schien es ihm nicht weiter aufzufallen. Seinem Blick nach zu urteilen gefiel ihr Anblick ihm sogar – wenn auch vielleicht nicht gerade auf professioneller Ebene.

Sie wurde rot.

„Ich habe meinen Mädchennamen wieder angenommen.“

„Ich habe Mrs. Selwyn mitgeteilt, dass der Job schon vergeben ist“, warf Carol ein.

Max, der seine Überraschung inzwischen überwunden zu haben schien, lächelte sie charmant an, wobei er schöne weiße Zähne zeigte.

„Jedenfalls freue ich mich, dich wiederzusehen“, sagte er.

Jane musste sich erst ihre Arbeitsmappe unter den Arm klemmen, bevor sie die Hand ausstrecken konnte. „Ich bin überrascht, dass du dich schon entschieden hast, ohne mit allen Bewerbern gesprochen zu haben.“

„Nun ja, ich tendiere zu einem bestimmten Bewerber, aber die endgültige Entscheidung steht noch aus.“

Carol musterte ihn skeptisch über den Rand ihrer Lesebrille hinweg.

„Warum folgst du mir nicht einfach in mein Büro?“, fragte Max. „Entschuldige bitte das Durcheinander – die Handwerker sind noch nicht ganz fertig.“

Es war wirklich chaotisch. Im Flur wurde gerade der Teppichboden verlegt, Wände wurden gestrichen und Lampen installiert. Mehrmals musste Jane Trittleitern und Farbeimern ausweichen und kam einmal fast ins Stolpern, weil sie den Blick nicht vom Po ihres potenziellen Arbeitgebers losreißen konnte.

Sie hatte ihrem Ex-Mann Stein und Bein geschworen, dass sie an dem schicksalhaften Tag ihrer ersten Begegnung vor ein paar Monaten nicht mit Max geflirtet hatte. Max jedoch hatte eindeutig mit ihr geflirtet, und irgendwie hatte sie darauf reagiert. Wie auch nicht? Welche Frau würde sich nicht zu einem so tollen Mann hingezogen fühlen?

Max hielt ihr die Tür zu seinem Büro auf, und sie trat ein. Der Raum war groß, wenn auch nicht überdimensioniert, und ein bisschen unordentlich. Im Gegensatz zum Flur war er zumindest schon mit Teppichboden, Farbe und Möbeln ausgestattet.

Max räumte einen kleinen Tisch frei und zog ihr einen Stuhl heran. „Tut mir leid, dass unser Gespräch so informell abläuft, aber die Möbel für das Konferenzzimmer wurden noch nicht geliefert.“

„Kein Problem. Auf jeden Fall sieht hier alles erstklassig aus.“ Jane setzte sich und nestelte nervös an ihrer Handtasche und ihrer Mappe herum. Warum war sie nur so verunsichert? Als Frau eines Geschäftsmanns hatte sie nie Probleme mit Small Talk gehabt, ganz egal ob auf Festessen, Beerdigungen oder Kaffeekränzchen.

„Bei einer Werbeagentur ist das Image entscheidend.“ Max setzte sich ihr gegenüber.

„Diese Einstellung sieht man dem Empfangsbereich an.“

„Findest du ihn übertrieben?“ Er klang fast besorgt.

Herrgott, warum interessierte ihre Meinung ihn überhaupt? „Nein, ich finde ihn wunderschön. Ich liebe das Geräusch von plätscherndem Wasser.“

„Wundert mich nicht, wo du doch auf einem Boot lebst.“

Jane wünschte, Max würde nicht so viel über sie wissen, aber seinem Cousin Cooper gehörte das Angelcharterboot gleich neben ihrem Kajütboot, auf dem sie seit der Scheidung lebte, und sie selbst war eng mit dessen Frau Allie befreundet. Sie und Max waren beide auf Coopers und Allies Hochzeit gewesen, auch wenn sie dort kaum ein Wort miteinander gewechselt hatten. Sie war an diesem Tag wegen ihrer bevorstehenden Scheidung nicht in bester Stimmung.

„Ich zeige dir am besten mal meine Mappe“, sagte sie betont lässig, um das Schlimmste endlich hinter sich zu bringen. Ihre Arbeiten sprachen für sich selbst. Entweder erkannte er ihr Talent und gab ihr eine Chance oder eben nicht.

Sie öffnete den Reißverschluss der schwarzen Lederhülle und klappte sie vor Max auf. Schweigend blätterte er ihre Arbeiten durch.

„Die Kunden sagen mir nichts. Kannst du mir etwas über sie erzählen?“

„Sie sind fast alle fiktiv“, platzte es aus ihr heraus.

„Wie bitte?“

„Das meiste hier sind Studienarbeiten. Die Firmen existieren nicht. ‚Remington Charters‘ war bisher mein einziger wirklicher Kunde.“ Jane hatte das Logo für Allies Charterunternehmen entworfen, bevor Cooper auf der Bildfläche erschienen war.

Sie atmete aus. Jetzt hatte sie das Schlimmste überstanden.

„In deinem Lebenslauf steht, dass du nach deinem Abschluss freiberuflich gearbeitet hast.“

„Ich habe etwas übertrieben, damit ich einen Fuß in die Tür bekomme“, erklärte sie schuldbewusst. „Ehrlich gesagt habe ich nicht allzu viel Erfahrung, aber ich habe Talent, eine gute Ausbildung und technisches Know-how.“

„Kennst du dich mit den Computerprogrammen aus?“

Jane nickte. „Ich habe das auf dem College gelernt. Wahrscheinlich gibt es inzwischen neue, aber ich kann mich problemlos einarbeiten.“

Sein Blick ging unschlüssig zwischen ihr und ihren Arbeitsproben hin und her. Offensichtlich war es ihr nicht gelungen, ihn zu überzeugen. Jane beugte sich vor. „Gib mir eine Chance, Max. Ich will dir nichts vormachen. Ich brauche diesen Job. Ich bin mit meinen Mietzahlungen im Jachthafen bereits im Rückstand, und wenn ich nicht …“

Was redete sie da eigentlich? Bitte, bitte, Sir, haben Sie doch Erbarmen! So viel Selbsterniedrigung war ekelhaft.

Max betrachtete die Frau vor ihm eingehend. Er hätte nie damit gerechnet, dass ausgerechnet sie Jane Selwyn war, sonst hätte er gar nicht erst ein Vorstellungsgespräch mit ihr vereinbart. Da sie nun einmal hier war, fühlte er sich verpflichtet, sich zumindest mit ihr zu befassen. Außerdem hatte sie sich eigens für ihn in Schale geworfen.

Als er ihr zum ersten Mal begegnet war, hatte sie ganz anders ausgesehen. Sie trug einen Bikini, und was für einen! Klar, Bikinis waren in Port Clara nichts Besonderes, aber Jane sah damit besser aus als alle anderen. Eigentlich würde er sie gern mal ohne sehen.

Max biss die Zähne zusammen, um nicht daran zu denken, wie sie wohl unter diesem Kostüm aussah.

Jane Selwyn einzustellen, wäre äußerst unklug. Außerdem hatte er bereits einen wesentlich besser qualifizierten Kandidaten anvisiert, der einfach perfekt für den Job war. Zugesagt hatte er ihm allerdings noch nicht. Er konnte es sich also immer noch anders überlegen.

Janes Arbeitsproben offenbarten Talent, aber das war es auch schon. Obwohl er in einer Kleinstadt lebte, hatte er nicht die Absicht, seine Dienste auf ortsansässige Autohändler oder auf Imbisse zu beschränken. Er wollte mit den großen Werbeagenturen in Houston, New York und San Francisco konkurrieren, und Jane war dafür viel zu unterqualifiziert.

Was noch stärker gegen sie sprach, war seine körperliche Reaktion auf sie. Noch nie war er einer attraktiveren Frau begegnet. Sie war nicht einfach eine durchschnittliche Schönheit, kein Modeltyp oder so, sondern ätherisch, fast schon engelhaft. Mit ihrem schwarzen gewellten Haar, der hohen Stirn und den sinnlichen roten Lippen erinnerte sie ihn an einen Filmstar der 1940er – Vivien Leigh zum Beispiel.

Ihr Mann hatte recht damit gehabt, ihm eine reinzuhauen. Auch wenn er Jane damals nicht offensiv angebaggert hatte, waren seine Gelüste doch eindeutig fleischlicher Natur gewesen. Der gute alte Scott hatte das genau erkannt.

Max war schon lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass Arbeit und Sex zusammenpassten wie Nitro und Glycerin. Affären am Arbeitsplatz verursachten nichts als gebrochene Herzen, von der mangelnden Produktivität mal ganz zu schweigen. Wenn er Jane engagierte, würde ihre Beziehung rein geschäftlich bleiben müssen. Er hatte allerdings schon in dem Augenblick entschieden, nichts mit ihr anzufangen, als er ihr süßes blondes Mädchen gesehen hatte.

Alleinerziehende Mütter waren für ihn tabu – ein für alle Mal! Er hatte schlechte Erfahrungen auf dem Gebiet gemacht und keine Lust, das zu wiederholen.

„Ich arbeite auch umsonst“, sagte Jane plötzlich und unterbrach damit seinen Gedankengang.

„Wie bitte?“

„Lass mich zwei Wochen lang auf Probe arbeiten, du brauchst mir auch nichts zu zahlen. Wir können es als Praktikum betrachten. Ich beweise dir, was ich kann. Ich arbeite doppelt so hart wie alle anderen. Ich … ich …“

Sie verstummte hilflos. Offensichtlich gingen ihr die Argumente aus. Gott sei Dank hatte sie ihm keine Zusatzleistungen angeboten, sonst wäre er womöglich noch darauf eingegangen.

Ihr Angebot stimmte ihn nachdenklich. Das einzige Problem bei dem anderen Grafiker war seine Gehaltsvorstellung. Die Agenturgründung war weitaus kostspieliger gewesen, als er anfänglich gedacht hatte. Sein Cousin Reece, ein Bilanzbuchhalter, der sich auch um seine Finanzen kümmerte, bekam allmählich Zustände angesichts der sich stapelnden Rechnungen für die Renovierung. Eine kostenlose Grafikerin würde ihm über das Finanzloch hinweghelfen.

Ein verlockender Gedanke, doch er verwarf die Idee gleich wieder. Es wäre Jane gegenüber nicht fair. Sie brauchte offensichtlich dringend einen Job. Und er brauchte den besten Grafiker, den er kriegen konnte.

Max erhob sich, um ihr zu signalisieren, dass das Gespräch beendet war. „Es war schön, dich wiederzusehen, Jane. Wie schon gesagt, ich habe mich noch nicht endgültig entschieden. Du hörst von mir.“

„Du willst mich nicht, oder?“

„Ich erwäge noch immer alle …“

„Mein Ex-Mann und ich haben uns nur deinetwegen scheiden lassen, weißt du das eigentlich“, platzte sie unvermittelt heraus. „Du schuldest mir etwas.“

Darauf war er nicht gefasst gewesen. Ganz schön dreist! „Ach wirklich? Ich dachte, ich hätte dir damals gewissermaßen einen Gefallen getan.“

„Nein, keineswegs. Ich habe dir einen Gefallen erwiesen. Wenn ich Scotts miesen Unterhaltsbedingungen nicht zugestimmt hätte, hätte er überall verkündet, du und ich hätten eine Affäre. Er hätte deinen Namen in den Dreck gezogen. Er wollte dich und deine Firma ruinieren, bevor du überhaupt Fuß fasst. Und er hat die nötigen Mittel dazu, glaub mir!“

Max ließ sich geschockt in den Stuhl zurückfallen. „Scott hat mir zwar gedroht, aber ich habe das nicht weiter ernst genommen. Hat er denn wirklich gedacht, wir zwei hätten etwas miteinander gehabt? Wir haben uns doch nur einmal unterhalten.“

„Er hat mir Affären mit jedem angehängt, aber du warst der Erste, dem er wirklich ernstlich schaden wollte, und das nicht nur körperlich. Er wusste genau, wo du herkommst und aus welcher Familie du stammst. Er hätte dir mit seinen Lügen große Schwierigkeiten bereiten können.“

„Warum hast du ihn nicht einfach gewähren lassen? Du kennst mich doch kaum. Er hätte ohnehin nichts beweisen können.“

Jane atmete tief ein und massierte sich die Schläfen mit zwei manikürten Fingern. „Ich hielt dich für einen netten Kerl, der Scotts Feindschaft nicht verdient hat. Und auch ohne Beweise hätte das deinen Ruf ruiniert.“

Eine Weile saßen sie schweigend da. Max dämmerte allmählich, dass Jane wahrscheinlich recht hatte – er schuldete ihr wirklich etwas. Trotzdem …

„Ich kann nicht fassen, was ich da gerade getan habe“, sagte sie plötzlich betroffen. „Ich habe versucht, dich zu einer Entscheidung zu meinen Gunsten zu zwingen. Bitte entschuldige, dass ich das alles überhaupt zur Sprache gebracht habe.“ Sie stand auf und raffte ihre Unterlagen zusammen. „Ich will gar nicht, dass du mich einstellst, wenn ich wirklich unterqualifiziert bin.“

„Warte einen Moment, Jane …“

„Nein, wirklich, es ist schon okay. Es hätte ohnehin nie funktioniert, nicht mit unserer Vergangenheit. Ich hätte dir gar nicht erst meine Bewerbung schicken dürfen. Lass nur, ich finde allein hinaus.“

Sie floh geradezu aus seinem Büro. Max ließ sie gehen, bevor er noch etwas tat, was er später bereuen würde. Verstohlen beobachtete er ihren Hüftschwung. Sie war die schärfste Frau, die er je gesehen hatte, aber das durfte bei seiner Entscheidung keine Rolle spielen. Er musste an die Firma denken.

Jane tat ihm leid. Sie musste in einer ernsten Notlage sein, wenn sie sogar an sein Schuldgefühl appellierte, um den Job zu bekommen.

Sie hatte Talent – viel Talent sogar. Und sie brauchte den Job. Das bedeutete, sie würde hart arbeiten, um ihn und seine Kunden zufriedenzustellen. Ihre Gehaltsvorstellung in den Bewerbungsunterlagen war bescheiden, ganz anders als bei dem anderen Bewerber.

Max trank einen Schluck seines inzwischen kalten Kaffees und verzog angewidert das Gesicht.

Trug er wirklich die Mitschuld an ihrer Scheidung? Allie war bisher nicht gerade mitteilsam gewesen, wenn es um Jane ging, aber sie hatte durchblicken lassen, dass ihre Ehe schon lange vor dem unheilvollen Flirt kaputt war, der für ihn mit einem blauen Auge und einer geschwollenen Lippe endete.

Nachdenklich schlenderte Max zum Empfang, wo Carol über die Kaffeemaschine wachte.

„Was um alles in der Welt haben Sie mit dem armen Mädchen gemacht?“, fragte sie. „Sie rannte hier raus wie von wilden Hummeln gestochen.“

„Jane und ich kennen uns von früher“, antwortete er ausweichend. Carol war unerträglich neugierig und interessierte sich glühend für sein Liebesleben.

Sie nahm ihre Lesebrille ab und hob eine ihrer makellos gezupften Augenbrauen. „Habe ich mir fast schon gedacht. Sie werden sie doch nicht etwa einstellen, oder?“

„Eigentlich … denke ich noch darüber nach.“

„Hm! Mr. Remington, ich hoffe, Sie überlassen Ihre Entscheidung nicht Ihren Hormonen. Jane Selwyn ist zugegebenermaßen eine schöne Frau, aber …“

„Sie hat Talent, und sie braucht den Job.“ Das müsste Carol eigentlich verstehen. Sie war selbst erst seit Kurzem geschieden, und auch sie war nicht die qualifizierteste Bewerberin gewesen. Er war bei ihr seinem Instinkt gefolgt, und der trog ihn nur selten.

Was sagte sein Instinkt zu Jane?

„Vielen Dank, dass du auf Kaylee aufgepasst hast.“ Jane lächelte ihre Freundin Sara an, die zufällig mit Reece Remington, einem weiteren Cousin von Max, verheiratet war. Port Clara war im Frühling geradezu von einer Remington-Invasion heimgesucht worden, nachdem die drei Cousins das Angelchartergeschäft ihres Onkels geerbt hatten.

Jane hatte sich noch immer nicht daran gewöhnt, dass zwei ihrer besten Freundinnen plötzlich mit Remingtons verheiratet waren, aber sie wirkten beide sehr glücklich.

„Keine Ursache.“ Sara ließ die Hand von Janes dreijähriger Tochter nur widerwillig los. „Kaylee ist so lieb. Außerdem rechne ich fest damit, dass du mir den Gefallen erwiderst, wenn mein Baby erst einmal da ist.“

Sie tätschelte sich den Bauch, obwohl man ihr die Schwangerschaft bisher überhaupt noch nicht ansah.

Seufzend ließ Jane sich in einen der weich gepolsterten Sessel des „Sunsetter Bed and Breakfast“ sinken, das Sara und Reece erst kürzlich erworben hatten. „Wie viel könnte ich wohl als Babysitterin in Port Clara verdienen? Das scheint meine letzte Chance zu sein.“

„Ist das Vorstellungsgespräch etwa nicht gut gelaufen?“

„Es war eine Katastrophe. Zunächst einmal hat Max sich sowieso schon für jemand anders entschieden und mich nur aus Höflichkeit empfangen, wahrscheinlich wegen meiner Bekanntschaft mit Allie und Cooper. Dann habe ich total versagt. Ich habe mich benommen wie eine Furie und ihn unter Druck gesetzt, weil es schließlich seine Schuld war, dass Scott und ich …“ Sie brach abrupt ab, da sie vor Kaylee nicht offen über Scott oder die Scheidung reden wollte. Ihre Tochter, fast vier Jahre alt, wurde von Tag zu Tag größer und verständiger. Wie ein Schwamm saugte sie alles auf, was sie hörte, und plapperte es oft nach.

Sara verstand sie auch ohne Worte. Ihre Augen weiteten sich entsetzt.

„Wirklich?“

„Es platzte einfach so aus mir raus.“

„Es war doch nicht wirklich Max’ Schuld, oder?“

„Nein. Scott und ich wollten uns an dem Wochenende damals zwar eigentlich versöhnen, aber das hätte sowieso nicht funktioniert. Die Scheidung war wahrscheinlich unausweichlich. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich dringend einen Job brauche, und gerade habe ich meine letzte Chance vermasselt.“

„Weißt du“, sagte Sara vorsichtig und löste Kaylees Hand aus ihren dunklen Locken, „ich könnte Reece bitten, ein gutes Wort …“

„Auf keinen Fall! Die ganze Sache war auch so schon demütigend genug. Ich bin eine intelligente verantwortungsbewusste Frau mit einer guten Collegeausbildung. Ich sollte eigentlich imstande sein, allein einen Job zu finden. Ich will meine guten Beziehungen nicht ausnutzen.“

Sara setzte sich ebenfalls hin und nahm Kaylee auf den Schoß. „Ich war mir so sicher, dass du den Job bekommst. Du bist genau, was Max braucht. Glaubst du wirklich, dass du keine Chance hast?“

„Max würde mich noch nicht einmal einstellen, wenn die Hölle zufröre.“ Jane schwieg einen Moment. „Ich werde wohl das Boot verkaufen müssen.“

„Oh nein! Du liebst es doch.“

„Das Boot zu halten ist die reine Extravaganz, und ich kann es noch nicht einmal ohne Hilfe fortbewegen. Wenn ich es verkaufe, habe ich genug Geld, um mich für eine Weile über Wasser zu halten.“

Ihr Handy klingelte. Wie von der Tarantel gestochen, schoss Jane hoch. Vielleicht bot sich ja doch noch ein anderer Job. Sie hatte ihre Unterlagen schließlich überall in der Stadt verteilt, einige sogar in Corpus Christi, das fast eine Stunde Autofahrt von Port Clara entfernt lag.

„Jane Selwyn“, meldete sie sich.

„Jane, hier ist Max Remington. Der Job gehört dir, wenn du willst.“

2. KAPITEL

Bereits um elf Uhr an ihrem ersten Arbeitstag hatte Jane Panik, dass Max sie noch vor der Mittagspause feuern würde.

Ihre Computerfähigkeiten waren schon zu Collegezeiten nicht berauschend gewesen, und das bisschen, was sie gelernt hatte, war inzwischen total veraltet. Ihr erster Auftrag war der Entwurf einer einfachen Anzeige für ein neues Restaurant. Max hatte ihr dafür alles Nötige gegeben, und sie konnte die Anzeige auch bereits vor ihrem inneren Auge sehen, aber das Grafikprogramm war einfach nur frustrierend. Bisher hatte sie mehr Zeit mit der Bedienungsanleitung verbracht als mit dem eigentlichen Entwurf.

Als sie endlich herausgefunden hatte, wie sie das Foto des Restaurants vergrößern und farblich anpassen konnte, klopfte Max an ihre offene Bürotür und streckte den Kopf herein.

„Ist die Anzeige fertig?“

„Noch nicht ganz. Bis wann brauchst du sie denn?“

„Bis spätestens fünf Uhr.“

„Okay.“

„Soll ich dir etwas zum Mittagessen mitbringen?“

„Ja, das wäre toll.“ Auf keinen Fall würde sie zum Essen außer Haus gehen können. Sie konnte von Glück sagen, wenn sie überhaupt fertig wurde, bevor sie Kaylee um drei Uhr aus dem Kindergarten abholen musste. Für die Zeit danach hatte sie eine Babysitterin engagiert, doch Mrs. Billingsly konnte erst nächste Woche anfangen. Max hatte nicht gerade verständnisvoll reagiert, als sie ihm ihr Problem geschildert hatte. Wahrscheinlich bereute er schon jetzt, sie eingestellt zu haben.

Jane holte ihre Handtasche aus der Schreibtischschublade, um ihm etwas Geld zu geben, aber er winkte ab.

„Lass nur. Wirst du denn rechtzeitig fertig?“

„Ich gebe mein Bestes.“

Er lächelte verkrampft. „Okay.“

Um viertel vor drei hatte Jane die Anzeige ungefähr so hinbekommen wie in ihrer Vorstellung, wollte jedoch noch ein paar Kleinigkeiten nachbessern. Allmählich fand sie sich mit dem Programm einigermaßen zurecht. Bis fünf Uhr würde sie auf jeden Fall fertig werden, aber erst einmal musste sie Kaylee abholen.

Sie nahm ihre Handtasche und wollte gerade unbemerkt das Büro verlassen, als just in diesem Augenblick Max zurückkam.

„Ah, Jane! Hast du die Anzeige fertig?“

„So gut wie. Ich muss jetzt nur rasch Kaylee abholen, danach komme ich wieder. Bis fünf Uhr bin ich auf jeden Fall fertig.“ Sie drehte sich um und ging Richtung Ausgang.

„Warte! Willst du etwa deine Tochter mit ins Büro nehmen?“

Langsam drehte sie sich zu ihm um. „Das hatte ich vor, ja.“

„Jane, das hier ist eine Agentur, keine Kinderbetreuungsstätte.“

„Es handelt sich um einen Notfall. Ab nächster Woche habe ich eine Babysitterin. Ich dachte, das hätte ich dir schon erklärt.“

„Stimmt, aber da wusste ich auch noch nicht, dass du den ganzen Tag für eine Anzeige brauchen würdest, die man eigentlich in zwei Stunden erledigen müsste.“

„Ich habe meine Zeit nicht verplempert, wenn du das meinst. Ich musste mich erst in das Programm einarbeiten. Außerdem brauche ich nur noch ein paar Minuten, und Kaylee wird bestimmt nicht stören, versprochen.“ Hoffentlich irrte sie sich da mal nicht. Kaylee war zwar die meiste Zeit über sehr lieb, hatte aber durchaus auch ihre Anfälle. Bitte nicht heute!

Max gab sich noch nicht geschlagen. „Die Agentur ist für Kinder kein sicherer Ort.“

„Es wird schon alles gut gehen. Ich nehme sie einfach mit in mein Büro. Du wirst gar nicht merken, dass sie hier ist.“

Max gab es auf. „Mailst du mir die Anzeige bis fünf Uhr?“

Autor

Kara Lennox
Kara Lennox hat mit großem Erfolg mehr als 50 Liebesromanen für Harlequin/Silhouette und andere Verlage geschrieben.
Vor ihrer Karriere als Liebesromanautorin verfasste sie freiberuflich Hunderte Zeitschriftenartikel, Broschüren, Pressemitteilungen und Werbetexte. Sogar Drehbücher hat sie geschrieben, die das Interesse von Produzenten in Hollywood, New York und Europa weckten.
Wegen ihrer bahnbrechenden, sehr...
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