Nur weil ich dein Chef bin?

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Es ist wie ein Fieber, gegen das nichts hilft. Seit Parker Garrison versehentlich seine Assistentin Linda unter der Dusche überrascht hat, sehnt er sich nur nach einem: ihre sexy Rundungen und die samtweiche Haut zu berühren - ein Traum, den er während der Geschäftsreise in London wahr machen will. Linda begleitet Parker … und verbringt nicht nur die Tage mit ihm, sondern auch lange leidenschaftliche Nächte. Zurück in Miami, erklärt sie jedoch plötzlich, dass sie sich auf keine Büroaffäre einlassen wird! Spürt Linda denn nicht das Feuer, das zwischen ihnen lodert?


  • Erscheinungstag 03.08.2008
  • Bandnummer 1523
  • ISBN / Artikelnummer 9783863499204
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Parker Garrison betrat den Konferenzraum der „Garrison Incorporated“. Im ersten Moment wurde er von dem gleißenden Sonnenlicht geblendet, das sich auf der Wasseroberfläche der Biscayne Bay brach und durch die riesigen Fenster hindurch ins Zimmer schien. Die Silhouetten seiner Geschwister, seiner Mutter und einiger teurer Anwälte waren nur schwer zu erkennen. Trotzdem fielen Parker sofort drei Dinge auf. Zum Ersten: Es wurde kein Wort gesprochen. Kein einziges. Nicht, dass er bei der Testamentseröffnung seines Vaters eine Partystimmung erwartet hätte. Trotzdem war es einfach unnatürlich, dass eine Zusammenkunft der Garrisons so friedlich verlief. Immerhin waren sie eine, um es behutsam auszudrücken, recht eigenwillige Familie.

Zweitens: Seine Mutter schien relativ nüchtern zu sein. Es war zwar erst acht Uhr dreißig am Morgen, und selbst Bonita Garrison griff selten schon vormittags zur Flasche – wenn man die Bloody Marys nicht mitzählte, die sie in Vorbereitung auf sonntägliche Familiendinner verbrauchte. Doch seit dem Tod ihres Mannes vor zwei Wochen suchte sie immer früher am Tag ihren Trost im Alkohol.

Drittens und ganz besonders bedeutsam: John Garrisons Sessel am Kopf des langen Kirschholztisches war leer. Ein Zustand, den Parker in Ordnung zu bringen gedachte.

Seine Schwester Brittany gab einen erstickten Laut von sich, als er sich lässig auf das butterweiche Leder des Sessels fallen ließ, der seinem Vater gehört hatte, und den elektronischen Organizer vor sich legte.

„Du setzt dich in … in seinen Sessel?“, fragte Brittany empört.

„Er ist schließlich leer.“ Parker ignorierte den Vorwurf, dass er sich in das Revier seines Vaters drängte. Er hatte alles Recht dazu. Er war der Älteste, und er hatte die Dachgesellschaft der Familie in den letzten fünf Jahren geleitet, seit ihm sein Vater zum einunddreißigsten Geburtstag den Vorstandsposten angeboten hatte.

Auch alle übrigen Geschwister waren im Familienkonzern beschäftigt. Jeder von ihnen besaß eine der Immobilien, ob es nun das Grand Hotel war, ein Klub, ein Restaurant oder ein Wohnhauskomplex. Parker hatte sich diesen Sessel verdient, und nicht nur, weil er der Erstgeborene war, sondern vor allem durch harte Arbeit, Mut und ein paar brillante Entscheidungen zum Wohl der Firma.

„Es ist respektlos“, fuhr Brittany ihn an. Ihre braunen Augen funkelten böse. „Unserem Vater gegenüber.“

Brooke tätschelte beschwichtigend die Hand ihrer Schwester. „Beruhige dich, Britt. Irgendwo muss er doch sitzen.“

Parker warf Brooke einen dankbaren Blick zu und wunderte sich nicht zum ersten Mal, wie unähnlich sich die Zwillingsschwestern doch waren. Brooke schenkte ihm ein Lächeln, das ihr hübsches Gesicht noch freundlicher wirken ließ und den Kontrast zu Brittanys harten Zügen umso mehr betonte.

Den Zwillingen gegenüber saß Stephen, der Parker vom Alter her am nächsten war. Stephen verschränkte die Hände hinter dem Kopf und streckte seinen hochgewachsenen muskulösen Körper, der, genau wie die charakteristische Kerbe am Kinn, allen männlichen Garrisons eigen war. Ein amüsiertes Lächeln umspielte seine Lippen. Stephen war noch immer sonnengebräunt von einer Reise, die er erst kürzlich mit seiner Zwanzig-Meter-Jacht unternommen hatte.

„Sitz ruhig, wo du willst, großer Bruder“, sagte er gedehnt. „Er benutzt zwar den Sessel nicht mehr, aber ich denke, wir werden gleich die Hand unseres lieben Vaters in jedem Winkel des Raumes spüren.“

Parker runzelte die Stirn und folgte dem Blick seines Bruders hinüber zu der eindrucksvollen Gestalt von Brandon Washington, dem jungen brillanten Anwalt, der die Angelegenheiten der Familie regelte. Brandon hatte die Lippen fest zusammengepresst, während er konzentriert einige Dokumente ordnete und vor sich auf den Tisch legte. In diesem Moment sah er auf und begegnete Parkers Blick.

Was auch immer Brandon in John Garrisons Testament gelesen haben mochte, der warnende Ausdruck in seinen Augen war eine eindeutige Botschaft: Das wird dir nicht gefallen.

Parker bewegte sich unruhig auf seinem Sessel hin und her und zwang sich, das merkwürdige Gefühl zu ignorieren. Was konnte schon im Testament stehen, das ihm nicht gefallen würde? Nichts außer der Firma war ihm wichtig. Die Immobilien, das Vermögen – all das kam erst an zweiter Stelle nach der Dachgesellschaft, deren Profite in die restlichen Projekte investiert wurden.

Und er, Parker Garrison, hielt den größten Teil dieses Kuchens in den Händen. Sicher hatte Dad seine damalige Entscheidung, ihn zum Vorsitzenden zu machen, nicht bereut. Es gab keinen Grund, sich Sorgen zu machen.

Aber dennoch gefiel ihm die Stimmung nicht, die von dem jungen Anwalt ausging. Offenbar genauso wenig wie seiner Mutter, ihrem sorgenvollen Gesichtsausdruck nach zu urteilen. Bonita Garrison strich sich nervös eine rabenschwarze Haarsträhne aus der Stirn, die sie zwar nicht wirklich störte, ihr aber Gelegenheit gab, etwas mit ihren zittrigen Händen anzufangen.

Vielleicht hätte sie doch besser einen Schluck trinken sollen. Wahrscheinlich hätten sie das alle tun sollen, wenn auch nur, um den tiefen Schmerz über den Verlust des geliebten Vaters zu betäuben. Eine Liebe, dachte Parker missmutig, die leider nicht auch automatisch für unsere Mutter gilt. Bonita war schon immer eine eher kühle und abweisende Frau gewesen.

Adam kam als Letzter. Er betrat den Raum auf seine gewohnt ruhige und distanzierte Art, das lange dunkle Haar mit einer Hand lässig nach hinten streichend. Ein Besuch beim Friseur wäre dringend nötig gewesen, um ernster genommen und nicht nur als Besitzer eines Nachtklubs angesehen zu werden – selbst wenn das „Estate“ einer der beliebtesten Klubs von Miami Beach war. Adam war der jüngste der Garrison-Männer, nur die Zwillinge kamen in der Geburtenfolge nach ihm.

Der Anwalt stand auf, was Parker aus seinen Gedanken riss. Die Geschwister und er würden mit jedem Problem fertig werden, da war er sicher. Und gerade er, der Älteste, war mehr als irgendjemand sonst in der Lage, die Probleme der Firma zu meistern, die zur Zeit weder Investoren noch Geschäftspartner glücklich machten.

Er würde schon eine Lösung finden, wenn er nur weiterhin die meisten Firmenanteile besaß! Parker wandte sich Brandon zu und hatte die Selbstsicherheit eines Mannes wiedergewonnen, der das Wesentliche im Auge behielt. Dieses Talent hatte ihn an die Spitze der Geschäftswelt gebracht, und es würde ihm auch weiterhin helfen.

Der Anwalt begann mit monotoner Stimme das Testament vorzulesen. Stephen warf Parker einen ungeduldigen Blick zu, und der antwortete mit einem schiefen Lächeln. Brittany krakelte auf ihrem Notizblock herum und brachte Parker in Versuchung, ihr unter dem Tisch einen Tritt gegen das Schienbein zu geben. Brooke und Adam beobachteten den Anwalt gespannt, und Bonita seufzte leise, während die Besitztümer genauso verteilt wurden, wie sie es alle erwartet hatten.

Plötzlich hielt Brandon inne. Er holte tief Luft und sah Bonita mitleidig an, bevor er den Blick direkt auf Parker lenkte.

„Der nächste Abschnitt handelt von den Aktien der Muttergesellschaft, der ‚Garrison Incorporated‘. Mr. Garrison hat entschieden, dass sie unter seinen sechs Kindern aufzuteilen sind.“

Parker zuckte zusammen. Brittany blinzelte. Stephen beugte sich vor und brachte ein leises „Was?“ hervor.

Hatte er „sechs“ gesagt? Der Mann arbeitete zu viel.

„Wir sind fünf, Brandon“, verbesserte Parker ihn mit einem leichten Lächeln. „Wie Sie sicher sehen können.“

Brandon antwortete nur mit einem langen, ernsten Blick. Einem seiner jungen Mitarbeiter entfuhr ein nervöses Lachen, das er hastig in ein Husten zu verwandeln suchte.

„Fünf sind es in diesem Raum“, sagte Brandon langsam. „Sechs insgesamt.“

Für den Bruchteil einer Sekunde sagte niemand etwas, zu groß war der Schock. Parker starrte den Anwalt finster an, während er versuchte, die Worte zu verarbeiten.

Dann herrschte Chaos. Stephen brüllte: „Das ist lächerlich!“, Brittany stieß einen empörten Schrei aus, und Brooke erhob sich halb, um eine Erklärung zu verlangen. Ihre Mutter atmete so schwer, dass es wie ein Stöhnen klang. Nur Adam blieb ruhig, auch wenn seine Miene völlige Ungläubigkeit ausdrückte.

Der Anwalt hob eine Hand, wurde aber ignoriert. Der Lärmpegel stieg gefährlich an, Fassungslosigkeit und Wut machten sich breit.

„Aufhören!“, rief Parker schließlich und schlug mit einer Hand auf den Tisch. „Lasst ihn zu Ende reden.“

Wie meistens, brachte auch jetzt ein einziger Befehl des Ältesten die Geschwister zur Räson. Als wieder Stille herrschte, sagte er ruhig: „Wie Sie sich denken können, verlangen wir eine Erklärung, Brandon.“

Der Anwalt nickte und las weiter aus dem Dokument vor. „Die Aktien der ‚Garrison Incorporated‘ werden unter meinen sechs Kindern aufgeteilt, und zwar wie folgt: Fünfzehn Prozent zu gleichen Teilen an Stephen, Adam, Brooke und Brittany.“

Parker hielt gespannt den Atem an, während er darauf wartete, dass Brandon fortfuhr.

„Die verbleibenden vierzig Prozent gehen zu gleichen Teilen an meinen Sohn Parker und meine Tochter Cassie Sinclair, die auch das volle Eigentumsrecht am Hotel ‚Grand-Bahamas‘ erhält.“

Das Blut rauschte so laut in Parkers Ohren, dass es fast den Lärm übertönte, der jetzt wieder ausbrach.

„Cassie Sinclair ist seine Tochter?“

„Die Leiterin des Bahamas-Hotels ist jetzt die Besitzerin?“

„… und bekommt auch noch zwanzig Prozent der Muttergesellschaft?“

„Sie kann nicht seine …“

Bonita Garrison stand langsam auf. Ihr Gesicht war leichenblass, die Hände zitterten. Plötzlich wurden die Geschwister ganz still und sahen ihre Mutter beunruhigt an.

„Dieser Mistkerl“, zischte sie, ohne jemanden anzusehen. „Dieser hinterhältige Mistkerl. Ich bin froh, dass er tot ist.“

Damit drehte sie sich um und verließ den Raum. Ihre Schultern bebten bei dem Versuch, Haltung zu wahren. Kaum war sie gegangen, stürmten neue Fragen und Vorwürfe auf den Anwalt ein.

Jetzt sieht es schon eher nach einer typischen Familienzusammenkunft aus, dachte Parker bitter. Sein Herz schlug laut und heftig, und er musste alle Kraft zusammennehmen, um die für ihn ganz uncharakteristische Wut in den Griff zu bekommen.

Kein Wunder, dass Brandon ihn vorhin so mitleidig angesehen hatte. Kein Wunder, verdammt noch mal, dass sein Vater sich so sehr für das Hotel auf den Bahamas eingesetzt hatte!

„Kann man es fassen?“, raunte Stephen so leise, dass nur Parker es hören konnte. „Der alte Herr hatte doch tatsächlich eine kleine Freundin.“

Parker schloss die Augen vor Abscheu. Nicht etwa, weil sein Vater eine Affäre hatte, und auch nicht, weil daraus ein sechstes Kind entstanden war. Sondern weil John Garrison aus irgendeinem Grund, den Parker niemals begreifen würde, eine ganze Welt zum Einsturz gebracht hatte. Ein beträchtlicher Firmenanteil war an irgendeine Hotelleiterin verschenkt worden – eine Hotelleiterin, die jetzt die Besitzerin dieses Hauses und noch dazu seine Halbschwester war!

Er schob den Sessel zurück, entschlossen, sich nicht von seiner Wut beherrschen zu lassen. Ohne das Chaos um sich herum zu beachten, wandte er sich kühl an den Anwalt. „Wir unterhalten uns noch, Brandon. Aber ich muss in der Zwischenzeit eine Firma leiten.“

Brittany schnaubte spöttisch. „Du musst den Teil einer Firma leiten.“

Er weigerte sich, auf ihre Bemerkung einzugehen, griff nach seinem Organizer und nickte knapp. „Noch viel Spaß, Leute.“

Ohne auf eine Antwort zu warten, verließ er den Raum. Er war froh, dass er im Gegensatz zu seinen Geschwistern, die alle weiter weg in den diversen Garrison-Immobilien lebten, nur bis zu seinem Büro am Ende des Flurs zu gehen brauchte. Hier, im zweiundzwanzigsten Stock des imposanten Geschäftshauses in der Brickell Avenue, waren alle Räumlichkeiten der „Garrison Incorporated“ untergebracht.

In seinem Büro würde er Zuflucht finden und vielleicht die nötige Ruhe, um die überbordende Wut an irgendeinem unschuldigen Objekt auszulassen. Linda durfte keinen Anruf zu ihm durchstellen, am besten sagte sie alle Termine für heute ab. Erst einmal musste er die Neuigkeiten verarbeiten und … eine Lösung finden. Das war schließlich das, was er immer tat. Er war einer der gerissensten und gleichzeitig cleversten Geschäftsmänner von New York. Er kontrollierte ein Millionenimperium, also würde er es ja wohl schaffen, diese Situation unter Kontrolle zu bringen!

Er übersah das herausfordernde Lächeln von Sheila McKay, der stark geschminkten Empfangsdame an der Rezeption, und eilte zielstrebig den Flur hinunter. Nur mit größter Disziplin gelang es ihm, sich nicht fluchend die Krawatte herunterzureißen, und doch stieg sein Zorn mit jedem seiner Schritte.

Als er um die Ecke bog, erwartete er eigentlich, seine Assistentin an ihrem Schreibtisch vorzufinden. Seit einigen Monaten organisierte Linda von hier aus seine Termine und schirmte ihn erfolgreich von allen unerwünschten Belästigungen ab. Doch ihr Platz war leer.

Und das um neun Uhr morgens?

War denn heute nichts so, wie es sein sollte? Parker atmete tief durch, stieß die Tür zu seinem Büro auf und schloss sie hinter sich, ohne der Versuchung nachzugeben, sie mit aller Kraft zuzuknallen.

In diesem Moment hörte er ein Geräusch, das irgendwie nicht hierher passte. Jemand … sang!

Parker blieb unschlüssig stehen und sah sich nach der Quelle um. Die Stimme kam eindeutig aus der Richtung seines Badezimmers, das sich am anderen Ende des Raumes befand. Wer bitte schön sang da?

Wenn man das überhaupt Singen nennen konnte. Er hörte einen sündhaft schrägen Sopran, der ohne nennenswertes Melodiegefühl etwas aus der „West Side Story“ schmetterte. Oh, so pretty … Ach, die Sängerin fühlte sich also hübsch?

Vor Wut immer noch kochend, ging er weiter, und je näher er der halb geöffneten Badezimmertür kam, desto intensiver duftete es nach Blumen und Badepuder.

Zögernd blieb Parker stehen. Vorsichtig steckte er den Kopf durch den Türspalt, um sicherzugehen, dass er sich das alles nicht nur einbildete, und starrte dann fassungslos auf …

Beine.

Nein, dieser Ausdruck war nicht korrekt. Das waren keine Beine, sondern wahre Kunstwerke – endlos, nackt, fest, zart und jeder Strip-Bar würdig. Der dazugehörige Oberkörper wurde von einem knappen Seidenhemdchen nur dürftig bedeckt.

Parker blieb regelrecht die Luft weg. Er war verzaubert – und ein wenig taub von dem schiefen Gesang und dem Lärm des Föhns, den die junge Frau auf ihr langes dunkles Haar richtete. Sie hatte sich leicht nach vorn gebeugt und die Haare über den Kopf geworfen, sodass sie Parker nicht bemerkte.

Sie sang wirklich so schlecht, dass einem die Ohren wehtaten, doch wenn Parker hier noch länger stand und sie mit den Blicken verschlang, würde das bei Weitem sein kleinstes Problem sein …

Plötzlich richtete sich die Frau auf, warf das noch feuchte Haar über die Schultern und sah in den Spiegel. Wie gebannt starrte Parker auf die vollen Brüste, die sich unter dem dünnen Seidenstoff verführerisch abzeichneten.

„Oh mein Gott!“, rief sie erschrocken, wirbelte herum und hielt die Hände vor sich, ohne auch nur das Geringste verstecken zu können. Parker ließ den Blick langsam über die schmale Taille und den winzigen Slip gleiten, der gerade eben die verführerische Stelle zwischen ihren herrlichen Schenkeln bedeckte.

Lieber Himmel, seine Sekretärin versteckte die ganze Zeit so viel Schönheit unter marineblauen Hosenanzügen und gestärkten weißen Blusen?

„Linda?“ Seine Stimme klang plötzlich heiser, und er musste schlucken.

„Was machen Sie hier?“, fragte sie mit zittriger Stimme.

Bei der Frage zwang er sich, den Blick von ihrem Körper abzuwenden und ihr ins Gesicht zu sehen. Ihre Wangen hatten die zartrosa Farbe ihrer Unterwäsche angenommen, und die grünen Augen blitzten empört.

„Was ich hier mache?“ Er hatte nicht so amüsiert lächeln und sie schon gar nicht so anstarren wollen, aber … er war auch nur ein Mann. Und sie war … einfach unglaublich. „Wenn ich mich nicht irre, ist das noch immer mein Büro.“

Linda verdrehte ungeduldig die Augen. „Ich meine, so früh schon. Was machen Sie so früh schon hier? Sind Sie nicht in einem Meeting? Mit Ihrer Familie? Wegen der Testamentseröffnung?“

Die Testamentseröffnung. Die Erinnerung daran traf ihn wie ein Schlag in den Magen. „Ich bin früher gegangen.“

Sie warf einen flehenden Blick auf das Regal mit den Badetüchern gleich hinter ihm. Er aber wollte Antworten – und noch ein paar kostbare Minuten, in denen er sich jeden köstlichen Zentimeter ihres Körpers einprägen konnte.

„Ich habe noch nicht mit Ihnen gerechnet“, sagte sie und bemühte sich, kühl und gelassen zu klingen – ganz die professionelle Mitarbeiterin.

„Was Sie nicht sagen.“ Er konnte sich nicht zurückhalten, er musste grinsen. Endlich mal ein Lichtstreifen an diesem sonst so düsteren Morgen.

„Ich war joggen“, erklärte sie und sah ein weiteres Mal verzweifelt zum Regal hinüber. „Und ich wollte kurz duschen, weil ich dachte, Sie kommen eine ganze Weile noch nicht zurück.“

Sein Blick wanderte wieder zu ihren Brüsten. Wie hatte seine seriöse und allzeit tüchtige Assistentin es nur geschafft, diesen göttlichen Körper vor ihm zu verbergen? Und warum hatte sie es getan? Die meisten Frauen, die so gebaut waren, würden es der Welt zeigen wollen.

„Das Meeting war schnell zu Ende“, sagte er ruhig und ließ den Blick weiter hinabgleiten. Für einen Moment verweilte er bei ihren wunderschönen Beinen. Unendlich lang, mit schlanken Fesseln und festen Waden. Dann zog ihn das Dreieck zwischen ihren Schenkeln wieder in seinen Bann. Er konnte sich von diesem Anblick kaum losreißen. Linda schnappte empört nach Luft.

„Wenn es Ihnen nichts ausmacht, hätte ich jetzt gern ein Handtuch“, sagte sie knapp.

War sie etwa wütend? Vielleicht sollte er ihr eine Lektion in Sachen Professionalität erteilen und ihr sagen, dass sie sich in seinem Büro nicht wie zu Hause zu fühlen habe. Er könnte sie wie die Angestellte behandeln, die sie schließlich war, und sie dafür tadeln, dass sie nicht an ihrem Schreibtisch saß, sondern stattdessen sein Büro für private Zwecke nutzte.

Parker lächelte nur und reichte ihr ein Handtuch. „Tolle Dusche, was?“

Sie sah ihn erstaunt an und wickelte sich hastig in den weichen Stoff. „Ja.“ Dann zog sie die Schultern zurück und hob energisch das Kinn. Offenbar tat sie ihr Bestes, wieder in die Rolle der kompetenten Assistentin zu schlüpfen, die ihn schon beim ersten Gespräch mit ihrer Professionalität beeindruckt hatte. Und sie hätte es auch fast geschafft, wäre da nicht ihr offenes langes Haar gewesen, das ihr weich über die Schultern fiel, und die Tatsache, dass das Handtuch immer noch zu wenig bedeckte, um seine Fantasie in Schach zu halten.

Parker räusperte sich und gab sich Mühe, eine ernste Miene aufzusetzen. „Linda“, sagte er streng.

„Ja?“

Er hatte noch immer stechende Kopfschmerzen von dem morgendlichen Schock und dem überraschenden Angriff auf seine Libido. Aber das war beides kein Grund, seine Wut an einer jungen Frau auszulassen, deren einziger Fehler es war, sich in der Zeit vertan zu haben. Schlechtes Timing. Oder auch gutes Timing, kam ganz darauf an.

„Geben Sie Ihren Job bitte nie auf, um Sängerin zu werden.“

Ihr Lächeln erhellte augenblicklich ihr ganzes Gesicht, und was ihm bis heute bestenfalls niedlich vorgekommen war, wurde plötzlich atemberaubend schön. „Keine Sorge, Mr. Garrison.“

Doch, er machte sich sehr wohl Sorgen. Er hatte bis jetzt nicht nur ihren herrlichen Körper ignoriert, sondern auch ihre samtweiche Haut, ihre zart geschwungenen Lippen, die hübschen Zähne, die Art, wie ihre grünen Augen blitzten, wenn sie lächelte. Er hatte nicht bemerkt, was für eine reizende Frau die ganze Zeit direkt vor seiner Nase saß. War er denn blind geworden? Konzentrierte er sich so sehr auf das Geschäft, dass ihm selbst eine Frau wie Linda nicht weiter auffiel?

Er wandte sich ab und verließ das Bad, damit sie sich in Ruhe anziehen konnte, und gratulierte sich zur Rückkehr seiner Vernunft und Selbstbeherrschung.

Sie war also hübsch und besaß einen Körper, der jeden Mann in die Knie zwingen konnte. Na und? Das war völlig egal. Was gerade vorgefallen war, war eine etwas peinliche Begegnung, die Linda bedauern und er sehr bald vergessen würde. Sie war eine ausgezeichnete Mitarbeiterin, und er musste ein Unternehmen leiten, ein Testament anfechten und ein Imperium schützen. Er brauchte mehr denn je all seine Kraft und seine ganze Konzentration.

Allerdings würde es ihm schwerfallen, diese Beine zu vergessen …

Linda überquerte den orientalischen Teppich, der die Besucher ins Vorstandszimmer führte, stellte die Klimaanlage auf frostige achtzehn Grad, und setzte sich hinter ihren Schreibtisch. Sie brauchte dringend eine Abkühlung, aber selbst die frische Luft würde ihren vor Verlegenheit brennenden Wangen vermutlich keine Linderung verschaffen. Wenn es überhaupt Verlegenheit war, die ihren Körper so erhitzte. Linda dachte verwirrt an Garrisons Blick, mit dem er sie von oben bis unten gemustert hatte.

Ein vertrautes, ganz und gar ungehöriges Gefühl erwachte tief in ihr. Sehr tief, sehr vertraut, sehr ungehörig. Und völlig dumm. Wie konnte sie sich so von ihrem Chef aus der Fassung bringen lassen?

„Dummkopf“, schimpfte sie mit sich, während sie ihren Computer einschaltete und den Hörer aufnahm, um die eingegangenen Gespräche abzuhören. Wie hatte sie so unvorsichtig sein können? Und das für nur fünf weitere Minuten unter dem herrlichen Massageduschkopf. Wenn er wüsste, wie oft sie sich diesen Luxus schon erlaubt hatte, wäre sie jetzt wahrscheinlich dabei, sich einen neuen Job zu suchen. Und es war gar nicht so sicher, dass sie auch einen finden würde. Wie viele Leute stellten schon eine Sekretärin ein, ohne sie vorher genau unter die Lupe zu nehmen? Linda wusste nur allzu gut, was geschah, wenn man im Internet den Namen Linda Cross eingab.

Der Wirtschaftsspionage beschuldigt

Nein, sie durfte auf keinen Fall etwas tun, das ihren Job gefährdete. Und sie konnte nur hoffen, dass Mr. Garrison das Benutzen seiner Dusche nicht für einen Kündigungsgrund hielt.

Sie schluckte, als die Stimme auf dem Anrufbeantworter ankündigte, dass ihr Chef siebzehn Nachrichten erhalten hatte. Siebzehn? Was zum Kuckuck war denn los?

Spätestens als sie die fünfte Nachricht notierte, wusste sie es. Zumindest wusste sie, dass beim morgendlichen Meeting etwas wirklich schiefgelaufen sein musste. Die Garrison-Geschwister und ein, zwei Anwälte gaben keine Einzelheiten preis, aber ihr Tonfall versprach nichts Gutes.

Die Tür zu Parkers Büro war verschlossen, seit Linda das Zimmer mit so viel Würde wie möglich verlassen hatte. Sie spürte seine Blicke noch immer auf sich. Verdammt! Seit sie vor vier Jahren hier angefangen hatte, war sie immer bemüht gewesen, unauffällig zu bleiben und höchstens durch hervorragende Arbeit zu glänzen. Und jetzt das. Sie hatte sich ihrem Chef fast nackt gezeigt!

Tatsächlich war sie in ihrem ersten Job in der Personalabteilung von „Garrison Incorporated“ so gut gewesen, dass sie vor drei Monaten zu Parker Garrisons persönlicher Assistentin befördert worden war. Jetzt fragte sie sich, ob es in Anbetracht ihrer Vorgeschichte nicht besser gewesen wäre, wenn sie einfach abgelehnt hätte.

Auf der anderen Seite – sie hatte sich nicht umsonst vier lange Jahre auf einem der unteren Stockwerke versteckt. Nach all dieser Zeit konnte man wohl davon ausgehen, dass endlich Gras über die Sache gewachsen war.

Trotzdem hatte sie sich angewöhnt, nicht auf sich aufmerksam zu machen. Bis vor zehn Minuten hatte sie sich wirklich sehr bedeckt gehalten … bedeckt! Linda stieß ein frustriertes Lachen aus.

Sie notierte die restlichen Nachrichten auf einem Papier, das sie Parker stündlich vorlegte, und tröstete sich ein wenig mit dem Gedanken, dass ihr Chef genug eigene Problemen hatte und bestimmt nicht länger an die peinliche Situation von vorhin dachte.

Die Gegensprechanlage summte.

„Ja, Mr. Garrison?“

„Ich brauche Sie, Linda.“

Ihr Magen zog sich nervös zusammen. „Ich komme sofort, Mr. Garrison.“

„Ich finde …“ Seine Stimme klang so leise, dass Linda sich anstrengen musste, ihn zu verstehen. „Sie können mich ab jetzt Parker nennen.“

Jetzt, da ich Sie in Ihrer Unterwäsche gesehen habe. Ihr Herz begann schneller zu schlagen. „Aber natürlich, Mr. … äh, Parker.“

Er lachte amüsiert, und sie legte auf.

„Komm schon, Linda!“, sagte sie sich energisch und griff nach Organizer und Kugelschreiber. Parker machte nicht den Eindruck eines Mannes, der irgendwelchen Frauen nachstellte oder glaubte, er könne mit einer seiner Angestellten schäkern …

Sie blieb abrupt stehen, und die Knie wurden ihr weich. Mit ihnen schäkern. Was für ein dummer, altmodischer Ausdruck, der ihr trotzdem einen Schauer über den Rücken jagte. Na schön, es hatte also einen etwas peinlichen Moment gegeben, bei dem sie die sexuelle Seite eines Mannes entdeckt hatte, den sie attraktiv fand. Zugegeben, nicht nur attraktiv, sondern umwerfend.

Trotzdem war sie immer noch eine erstklassige Assistentin, die sehr gut wusste, dass Büroaffären nur etwas für Dummköpfe waren, denen es nichts ausmachte, den Job zu verlieren. Und Parker Garrison war ein sehr wichtiger, viel beschäftigter Geschäftsmann, in dessen kleinem elektronischen Adressbuch die Telefonnummern der schönsten Frauen der Stadt standen.

Sie war die Angestellte, er der Boss. Mehr gab es dazu nicht zu sagen.

Sie klopfte leicht und öffnete fast im selben Moment die Tür, so wie sie es immer tat. An diesem Morgen hatte sie allerdings das beklemmende Gefühl, unerlaubt in Parkers Privatsphäre einzudringen. Er stand am Fenster, das Handy am Ohr, den Blick auf die Postkartenidylle von Biscayne Bay gerichtet. Das Sonnenlicht schimmerte auf dem blauvioletten Wasser, auf dem um diese Uhrzeit etliche Vergnügungskreuzer ihre Runden drehten. Das Ufer war von Palmen gesäumt, und am Horizont konnte man die pastellfarbenen Hochhäuser von Miami Beach erkennen.

Aber die wahre Attraktion befand sich nicht dort draußen, sondern hier, mitten im Raum, und wie immer gönnte sich Linda einen verstohlenen Blick. Parker hatte das Jackett ausgezogen. Darunter trug er ein schneeweißes Designerhemd allerfeinster Qualität, das gerade schmal genug geschnitten war, um eine Ahnung von seinem muskulösen Oberkörper zu bekommen. Das Hemd war ordentlich in eine schwarze Hose gesteckt, die Parkers festen Po betonte.

Dieser Mann war ein zum Leben erwachter griechischer Gott …

In diesem Moment drehte er sich um, und Linda wandte hastig den Blick ab.

„Erspar mir den ganzen Juristenquatsch, Brandon“, sagte er in den Hörer und fuhr sich mit der Hand durch das kurze, aber dichte schwarze Haar. „Es ist mir völlig egal, was der DNA-Test ergeben wird. Können wir das Testament anfechten oder nicht?“

Linda runzelte die Stirn, aber Parker gab ihr durch ein knappes Nicken das Zeichen, sich in einen der Gästesessel vor seinem Schreibtisch zu setzen. Wie immer war er vollkommen gelassen, und die Autorität, die er auch sonst ausstrahlte, schien unangetastet zu sein. Trotzdem lag etwas Ungewohntes in seiner Stimme und in der Art, wie er seine Gesichtszüge anspannte. Offenbar kostete es ihn heute enorme Anstrengung, sich zu beherrschen.

Autor

Roxanne St Claire
<p>Roxanne St. Claire ist eine New York Times Bestsellerautorin, die 27 Romane veröffentlicht hat. Sie ist fünfmal für den RITA® Award nominiert worden und hat ihn einmal gewonnen. Ihre Bücher sind Gewinner des „National Readers‘ Choice Award“, dem „Daphne du Maurier Award“, der „Holt Medaille“, dem „Maggie Award“, dem „Booksellers’Best...
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