Sag mir doch: Ich liebe dich

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Beinahe hätte David Falcon den größten Fehler seines Lebens gemacht und die hübsche Valerie wieder nach Hause geschickt. Bei der Jobagentur hatte er ausdrücklich eine ältere Dame angefordert. Trotzdem gibt er der jungen Mutter eine Chance - und ist begeistert: Während Valerie für perfekte Ordnung in Büro und Haushalt sorgt, bringt ihre kleine Tochter Sonnenschein in das stressige Leben des Unternehmers. Fast eine Familienidylle, aber davor schreckt David zurück. Zu groß ist seine Angst, wieder enttäuscht zu werden. Nach einem romantischen Abend mit Valerie geht er auf Distanz …


  • Erscheinungstag 18.04.2010
  • Bandnummer 1728
  • ISBN / Artikelnummer 9783862952984
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

David Falcon lehnte sich seufzend zurück, als eine Frau auf der anderen Seite des Schreibtisches Platz nahm.

„Nun?“, fragte sie.

„Was soll ich dazu sagen? Gerade eben habe ich das zwölfte Vorstellungsgespräch innerhalb von zwei Tagen geführt. Ich habe gehofft, jemanden zu finden, der meinen Anforderungen entspricht, aber da habe ich mich wohl getäuscht.“ Stirnrunzelnd betrachtete er Denise Watson, die Leiterin von „At Your Service“, einer namhaften Agentur für Haushalts- und Bürokräfte, welche von vielen Kunden „unsere Hausfeen“ genannt wurden. Sie saßen im Konferenzzimmer.

„Worauf könnten Sie denn zur Not verzichten?“, fragte Denise.

In der letzten Zeit – genau genommen in den letzten drei Jahren – hatte er auf so manches verzichten müssen. Er hatte genug davon. „Sie haben doch weitere Bewerberinnen, oder?“, fragte er.

„Eine noch.“

„Das waren alle?“

„Alle aus meiner Kartei. Sie haben ja darauf hingewiesen, dass Sie ganz bestimmte Anforderungen stellen. Ich würde gern eine Anzeige für Sie schalten und eine Vorauswahl treffen.“

„Was halten Sie von der verbleibenden Bewerberin?“

Denise legte einen Ordner auf den Tisch hin und lächelte. „Ich habe gelernt, für Kunden keine Voraussagen zu treffen.“

David erwiderte ihr Lächeln. „Bitte schicken Sie sie herein.“ Er überflog den Lebenslauf der Bewerberin: Zehn Jahre Erfahrung als Hausangestellte und sieben im Bürobereich. Wie alt war sie wohl? Vielleicht zwischen Mitte dreißig bis vierzig? Ihm waren die Hände gebunden, da es zu viele Fragen gab, die er von Gesetzes wegen nicht stellen durfte, und so konnte er sich nur auf seine Intuition verlassen. Er selbst war neunundzwanzig. Sie musste älter sein, das war überaus wichtig.

„Valerie Sinclair, guten Tag.“ Er vernahm eine Stimme, leise und dennoch gelassen, und blickte auf. Entweder hatte sie sich über die Jahre erstaunlich gut gehalten, oder sie hatte ihre Berufserfahrung sehr großzügig bemessen, denn sie sah keinen Tag älter aus als fünfundzwanzig.

Sie trug ein Kleid und eine Kostümjacke, die für diesen Anlass viel zu formell und für einen heißen Augusttag in Sacramento unpassend waren, so als ob sie versuchte, älter auszusehen. Ihr Haar war von einem glänzenden, satten Kastanienbraun und zu einer Art Dutt hochgesteckt, wodurch sie aber ihr junges Alter nicht verbergen konnte. Ihr Blick aus haselnussbraunen Augen war offen und ehrlich. Sie trug keine Ringe an ihren schlanken Fingern. Ihre Fingernägel waren kurz, sauber und unlackiert.

„David Falcon. Nehmen Sie doch bitte Platz“, begrüßte er sie und überlegte, weshalb die Prüfung ihrer Angaben durch „At Your Service“ ohne Beanstandungen verlaufen war. Sie musste gelogen haben …

Zum Teufel mit dem Gesetz. Wenn sie mit Lügen über ihre Berufserfahrung durchgekommen war, dann konnte er auch die Fragen stellen, die er stellen wollte. „Wie alt sind Sie, Miss Sinclair?“

Sie erstarrte. „Sechsundzwanzig.“

„Wie kommt es, dass Sie über siebzehn Jahre Berufserfahrung verfügen? Haben Sie mit neun angefangen zu arbeiten?“

„Eigentlich mit acht. Natürlich war das nicht legal, aber meine Mutter arbeitete seit meinem fünften Lebensjahr als Haushälterin für eine Familie in Palm Springs. Mir wurden schon früh Arbeiten übertragen.“

„Zum Beispiel?“

„Anfangs Staub wischen und fegen. Neue Aufgaben kamen in dem Maße hinzu, wie ich sie bewältigen konnte.“

„Ihre Mutter hat zugelassen, dass Sie so ausgenutzt wurden?“

„Ausgenutzt?“ Valerie lächelte. „Hatten Sie denn als Kind keine Arbeiten zu erledigen? Wir wohnten auf dem Grundstück. Es war mein Zuhause.“

David wusste nicht, was er davon halten sollte. Einerseits war hier offenbar das Gesetz gegen Kinderarbeit missachtet worden. Andererseits konnte er ihren Standpunkt gut nachvollziehen – bis zu einem gewissen Punkt. „Wurden Sie bezahlt?“

„Meine Mutter hat mir ein Taschengeld gegeben. So wie ich verstanden habe, suchen Sie eine Assistentin, die auch Ihren Haushalt führt. Ich habe mich als Hausangestellte ausgegeben, damit Sie wissen, dass ich in diesem Bereich über Erfahrung verfüge.“

David beobachtete sie. Sie strahlte Ruhe aus. Anscheinend war sie nicht leicht aus der Fassung zu bringen.

„Darf ich fragen, was Sie geschäftlich machen?“, fragte sie.

„Meinem Bruder und mir gehört Falcon Motorcars.“

„Von der Firma habe ich noch nie gehört.“

„Wir stellen Sonderanfertigungen her. Weil die meisten Kunden aus Europa kommen, habe ich in den letzten Jahren mehr Zeit unterwegs als zu Hause verbracht. Deshalb suche ich jemanden, der hier meine häuslichen und beruflichen Angelegenheiten übernimmt.“

„Denise meinte, Sie wollen, dass man bei Ihnen wohnt.“

Was er wollte, war eine Partnerschaft für den häuslichen und beruflichen Alltag – und nicht mehr. Mit einer tüchtigen und erfahrenen Frau, die in einem gewissen Alter war. „Das ist eine der Voraussetzungen. Wäre das ein Problem für Sie?“

„Überhaupt nicht.“

„In Anbetracht des Zeitunterschieds zwischen Kalifornien und Europa könnten Sie mitten in der Nacht geweckt werden, um für mich geschäftliche Dinge zu erledigen. Oder Sie würden bis Mitternacht arbeiten oder um vier Uhr morgens aufstehen müssen.“

„Kein Problem.“

„Wie gut sind Ihre Computerkenntnisse?“

„Denise hat meine Kenntnisse über fünf verschiedene Programme getestet. Die Ergebnisse sind wohl im Ordner abgelegt.“

Um ihre Geduld auf die Probe zu stellen, ließ er sie warten, bis er die Auswertung gelesen hatte. Sie blieb ruhig. „Warum haben Sie Ihren letzten Job gekündigt?“

„Wegen sexueller Belästigung.“ Die Worte kamen Valerie so leicht über die Lippen, als ob sie über einen Einkauf im Laden an der Ecke sprechen würde.

„Haben Sie Anzeige erstattet?“

Wieder huschte ein leichtes Lächeln über ihr Gesicht. „Ich wurde der sexuellen Belästigung beschuldigt.“

David musterte sie aufmerksam. Warum dieser hochgeschlossene Aufzug? Unter ihrer Kleidung konnte er eine schlanke, attraktive Figur erkennen. Und mit aufgelöstem Haar und etwas Make-up würde sie richtig sexy aussehen. Wollte sie diesen Eindruck vermeiden? „Wurden Sie zu Recht beschuldigt?“

„Ganz im Gegenteil.“

David ließ die Informationen auf sich wirken. „Er hat Sie belästigt?“

Sie nickte heftig. Es war das einzige Mal, dass sie sich anmerken ließ, wie sehr ihr die Angelegenheit zu schaffen machte.

„Warum haben Sie ihn nicht angezeigt?“

„Das habe ich ja getan, aber da drehte er den Spieß um. Hören Sie, das ist für mich längst vergessen.“

„Wirklich? Ich könnte mir vorstellen, dass es Sie begleitet und Ihnen die Jobsuche erschwert hat“, sagte David.

Sie lächelte gequält.

Er verstand sie nur allzu gut. „Ich erzähle Ihnen mal, was mir in letzter Zeit passiert ist“, begann er. „Meine letzte Haushälterin hat mich bestohlen. Meine letzten vier Assistentinnen haben wegen ihrer Schwangerschaft oder Problemen mit der Kinderbetreuung aufgehört, und zwar immer genau dann, wenn sie voll eingearbeitet waren. Daher steht mein Entschluss so gut wie fest, dass ich dieses Mal eine Frau einstelle, die nicht mehr im gebärfähigen Alter ist. Sie erfüllen diese Voraussetzung nicht.“

Sie wirkte sichtlich enttäuscht, aber David durfte sich davon bei seiner Entscheidung nicht beeinflussen lassen. „So gern ich Sie auch einstellen möchte …“

Sein Handy klingelte. Er hätte es klingeln lassen, wenn sein Bruder Noah nicht dran gewesen wäre – der Einzige, bei dem David das nicht tun konnte. „Entschuldigen Sie mich bitte für einen Moment“, sagte er und verließ den Raum.

Valerie wartete, bis die Tür hinter David Falcon zufiel, bevor sie die Augen schloss. So gern ich Sie auch einstellen möchte. Sein Entschluss stand offenbar fest. Ihre Hände zitterten, und ihr Mund wurde trocken. Sie war mit ihrem Latein am Ende. Wenn sie diesen Job nicht bekam, wusste sie nicht, was sie tun sollte. Jeden Penny ihrer mageren Ersparnisse hatte sie verbraucht, und ihr Kreditkartenlimit war ausgereizt. Wie konnte sie ihn nur dazu bringen, sie einzustellen?

Sie stand kurz davor, ihr Dach über dem Kopf zu verlieren, obwohl ein Platz unter der Brücke besser als ihr bisheriges Zuhause wäre, eine Wohnanlage in einem Stadtteil, in dem Schüsse auf offener Straße keine Seltenheit waren. Durch diesen Job hätte sie ein geregeltes Einkommen und ein sicheres Heim. Für sich und …

„Entschuldigen Sie bitte“, sagte David, als er zurückkehrte. „Was ich sagen wollte: So gern ich Sie auch angesichts Ihrer Fähigkeiten einstellen möchte, es bleiben bei mir Zweifel. Sie müssen mir versichern, dass Sie nicht vorhaben, demnächst zu heiraten. Ich muss wissen, dass Sie nicht schwanger sind oder nicht vorhaben, es in naher Zukunft zu werden. Ich stelle Sie ein, damit Sie sich um mich kümmern, also um mein Haus und meine geschäftlichen Angelegenheiten.“

Valerie ballte die Fäuste. Noch war nicht alles verloren. Sag jetzt bloß nichts Falsches. Sag das Richtige. „Ich habe nicht einmal einen Freund. Heiraten ist für mich also kein Thema, und somit rechne ich auch nicht damit, schwanger zu werden. Aber ich habe eine Tochter. Sie heißt Hannah und ist acht Jahre alt.“ Valerie sah, wie Enttäuschung seinen Blick trübte. „Ich versichere Ihnen, dass sie ein ruhiges und braves Kind ist. Sie braucht nicht die Zuwendung, auf die ein Baby angewiesen ist. Sie werden ihre Anwesenheit nicht einmal bemerken.“

Valerie hatte ohnehin ihre eigenen Gründe, Hannah von ihm fernzuhalten. „Geben Sie mir doch die Chance, mich zu bewähren“, sagte sie und versuchte, nicht wie eine Bittstellerin zu wirken.

Er lehnte sich zurück, wobei er sie nie aus den Augen ließ.

Auch sie brach den Blickkontakt nicht ab. Bitte stellen Sie mich ein. Bitte.

„Versuchen wir’s für einen Monat“, sagte er schließlich.

Die Gefühle, die sie überschwemmten, waren unbeschreiblich. Es war wie ein Lichtstrahl, der ihr bisher tristes Leben erhellte. Sie brachte kein Wort heraus.

„Ich werde die Miete für Ihre derzeitige Wohnung zahlen, sodass Sie eine Bleibe haben, falls es mit uns nicht klappt.“

Keine zehn Pferde würden Valerie in diese Bruchbude zurückbringen. Sie kämpfte gegen ihre immer noch aufgewühlten Gefühle. „Das ist nicht nötig. Ich wollte mich ohnehin nach etwas Neuem umsehen.“

„Na gut. Sie werden im Cottage hinter dem Haupthaus wohnen. Es ist voll möbliert, auch die Küche ist komplett ausgestattet. Ich organisiere ein paar Umzugshelfer und Transportkisten für Ihre Sachen.“

Ein Haus für uns allein? „Meine Wohnung war beim Einzug möbliert. Ich habe nur sehr wenig zum Mitnehmen.“ Sie und Hannah waren schon so oft umgezogen, dass sie den Umzug spielend allein bewältigen würden.

„Sie machen es mir sehr leicht, Miss Sinclair.“

„Nennen Sie mich Valerie. Es ist mein Job, Ihnen das Leben zu erleichtern.“

„Wenn Sie das schaffen, dann vollbringen Sie wahre Wunder.“ Er stand zuerst auf. „Wie schnell könnten Sie anfangen?“

„Ich kann heute Abend dort sein. Wo befindet sich Ihr Haus?“

„In Chance City nahe Grass Valley. Kennen Sie die Gegend?“

„Nicht gut. Mir ist bekannt, dass sie in der Nähe der Hauptader aus der Zeit des Goldrauschs liegt.“

„Genau. Eine schöne Gegend, aber das Haus selbst ist etwas abgelegen.“

„Es macht mir nichts aus, in der Abgeschiedenheit zu leben.“ Sie würden etwa eine Stunde nördlich von Sacramento entfernt wohnen. Klare Luft, Bäume und nachts ein Sternenhimmel. Unser eigenes Heim.

„Ich schicke jemanden, der Ihnen beim Umzug hilft.“

„Ich komme zurecht, danke.“ Valerie lächelte und hoffte, dass er mit seinen Hilfsangeboten aufhörte. Sie wollte wirklich nicht, dass jemand aus seinem Umfeld sah, wo sie wohnte.

Der müde Ausdruck verschwand aus seinem ausgesprochen attraktiven Gesicht. Fasziniert betrachtete sie seinen hochgewachsenen, durchtrainierten Körper.

„Was auch immer der Umzug kostet, ich bezahle. Teilen Sie mir nur die Kosten mit.“

„Danke.“

„Und falls es mit uns klappt, zahle ich die Übernahmekosten an ‚At Your Service‘. Falcon Motorcars wäre dann Ihr Arbeitgeber. Auf diese Weise würden Sie Zusatzleistungen erhalten.“

Zusatzleistungen. Valerie wünschte, er würde den Raum verlassen, damit sie sich hinsetzen konnte. Ein wie von Erdbebenwellen ausgelöstes Zittern erfasste sie. Komisch, dass er nichts davon merkte.

Seit sie ohne feste Arbeit war, war sie nicht krankenversichert. „Setzen Sie den Vertrag für den neuen Job ruhig schon auf“, sagte sie.

„Sie sind sich wohl sehr sicher, dass es klappen wird.“

„Mr. Falcon, Sie werden meine Kompetenz, Zuverlässigkeit und Loyalität kennenlernen. Mir ist auch bewusst, dass ich vor einer Bewährungsprobe stehe.“

„Nennen Sie mich David.“ Er holte einen großen Umschlag aus seinem Aktenkoffer und reichte ihn ihr. „Darin befinden sich eine Anfahrtsskizze zum Haus, einige allgemeine Anweisungen, ein paar Vordrucke, die Sie ausfüllen müssen, und der Schlüssel zum Cottage, falls ich bei Ihrer Ankunft nicht da sein sollte.“ Er deutete auf die Tür. „Ich bringe Sie hinaus.“

„Ich glaube, wir müssen beide wohl mit Denise sprechen.“

„Stimmt. Ich gehe zuerst.“ Er gab ihr die Hand. „Bis später.“

„Ich danke Ihnen für die Chance“, sagte sie. Gehen Sie jetzt.

David verließ den Raum.

Valeries Knie gaben nach, und sie sank auf den Stuhl zurück.

Er steckte den Kopf zur Tür herein. „Mögen Sie Hunde?“

Sie versuchte aufzustehen. „Ja.“

„Bleiben Sie sitzen“, sagte er. Er sah sie aufmerksam an. „Geht’s Ihnen gut?“

„Ja, bestens. Mein Fuß ist an einem Stuhlbein hängen geblieben.“

„Kommt Ihre Tochter mit Hunden zurecht?“

„Sie vergöttert sie, aber einen eigenen Hund hatte sie noch nie.“

„Ich habe eine ganz liebe, betagte Hundedame, um die ich mich zusammen mit meinem Bruder und seinen vier Kindern kümmere, da ich oft nicht da bin. Jedes Mal, wenn ich ohne sie weggehe, straft sie mich mit einem vorwurfsvollen Blick. Wäre es möglich, sie bei mir wohnen zu lassen?“

„Selbstverständlich.“

„Danke.“

„Keine Ursache.“

Er ging, aber sie bewahrte Haltung, falls er noch mal wiederkam.

„Noch etwas“, sagte er. „Kann Ihre Tochter schwimmen?“

„Ja.“

„Gut. Ich habe einen Pool und wollte mir deswegen keine Sorgen um Ihre Tochter machen.“

„Sie wird sich an die Regeln halten.“

„In Ordnung.“ Dann war er wieder weg.

Valerie starrte ins Leere. Er hatte keine Ahnung, was es für sie bedeutete, diesen Job bekommen zu haben. Ihr war es egal, ob sie sieben Tage die Woche rund um die Uhr arbeiten musste, nicht genügend Schlaf bekam, einige Kilos oder ihren Verstand verlor. Na ja, ihr Verstand war ihr dann doch nicht völlig egal.

Es war ein guter Job außerhalb der Stadt. Sie würde für einen – so versicherte ihr Denise – erfolgreichen und in jeder Hinsicht korrekten Mann arbeiten. Er und Valerie müssten einen Vertrag unterzeichnen, in dem ihre Stellenbeschreibung genau dargelegt wurde. Darin stand auch, dass es zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer keine Intimitäten geben durfte. Damit konnte sie leben.

Sie wollte lediglich für ihre Tochter sorgen.

Endlich konnte sie das tun.

2. KAPITEL

„Da drüben, Mom. Siehst du den Briefkasten? Die Adresse stimmt, aber wo ist denn das Haus?“

Valerie hielt neben dem Briefkasten an. In dem Dickicht aus Ästen und Sträuchern machte sie eine Lücke aus – vermutlich war hier die Zufahrt zum Haus. Sie fuhr den Schotterweg hinauf, vorbei an wilden Eichen, duftenden Pinien und stattlichen Zedern, bis sie auf einer Lichtung ein Haus aus Glas, Holz und Stein entdeckte, das in den Himmel aufragte und in dessen Fenstern sich die Baumwipfel spiegelten.

„Toll“, bemerkte Hannah anerkennend. „Und hier wohnen wir dann?“

Valerie war nicht weniger beeindruckt. Sie hatte sich auf einiges eingestellt, aber nicht auf ein Musterhaus für die Zeitschrift „Schöner Wohnen“. „Denk dran, wir wohnen in einem Cottage auf dem Grundstück, nicht im Haupthaus.“

Da niemand aus dem Haus kam, um sie zu begrüßen, fuhr Valerie weiter und entdeckte eine Garage für vier Fahrzeuge, ein Gebäude, das wie ein Stall aussah, und das Cottage.

Das Cottage war eine kleinere Version des Haupthauses mit den gleichen großen Fenstern, aber mit Zedernholzverkleidung an den Seiten. Es verfügte über mehr Platz, als sie und Hannah jemals zuvor zur Verfügung hatten.

„Da, der Pool!“, rief Hannah. „Mom, und ein Whirlpool. Den dürfen wir auch bald benutzen, oder?“

Hannah stieg aus dem Wagen und rannte auf ein Becken zu, das sich scheinbar nahtlos in die Landschaft einfügte. Wasser sprudelte aus einem Wasserfall sowohl in das Becken als auch in den Whirlpool.

Valerie stellte ihren Wagen ab und folgte Hannah zum Pool durch einen Garten, der mangels Pflege offensichtlich verwildert war. War das Absicht, oder hatte David nur wenig Sinn für Gartenarbeit? Er konnte doch bestimmt einen Gärtner bezahlen.

Hannah kniete sich am Beckenrand hin und bespritzte Valerie mit ein paar kühlen Wassertropfen. „Gehen wir schwimmen? Mir ist sooo heiß.“

Sie hatten den Nachmittag damit verbracht, bei gefühlten fünfzig Grad im Schatten ihre Sachen zu packen, sie in ihr kleines Auto zu quetschen und die Wohnung zu reinigen. Sie brauchten ein Bad im kühlen Nass, bevor sie sich ans Auspacken machten. Außerdem schien der Herr des Hauses nicht anwesend zu sein.

„Bitte“, flehte Hannah und zog Valerie an der Hand.

„Brauchst du lange, um deinen Badeanzug rauszusuchen?“

„Ich habe ihn in die Tasche getan, die als Letztes ins Auto kam. Deinen auch, gleich als du gesagt hast, dass es einen Pool gibt.“

„Weißt du, dass du ziemlich clever bist?“ Valerie legte einen Arm um ihre Tochter, als sie zum Auto zurückkehrten.

„Klar weiß ich das.“

Sie holten die Tasche aus dem Auto und gingen dann zum Haus, um sich umzuziehen. An der Haustür klebte eine Notiz: „Willkommen. Um halb acht werde ich zu Hause sein. Das Abendessen bringe ich mit. Danach gehen wir Ihre Aufgaben im Einzelnen durch. D. F.“

Da es erst sechs Uhr war, hatten sie noch jede Menge Zeit, vorausgesetzt, sie konnte Hannah später vom Pool loseisen.

„Voll cool!“, rief Hannah, als sie das Cottage betraten.

Valerie hatte noch nie in einem solchen Haus gewohnt: Es gab einen steinernen Kamin und im hinteren Teil zwei durch ein Bad verbundene Schlafzimmer. Die modernen Möbel sahen ladenneu aus.

„Welches Schlafzimmer willst du haben?“, fragte sie ihre Tochter, aber Hannah rannte schon in eines der beiden Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu.

„Beeil dich, Mom!“, rief sie durch die Tür.

Valerie nahm sich kurz Zeit, um ihr neues Schlafzimmer auf sich wirken zu lassen. Insgesamt war es von einem schlichten, maskulinen Stil geprägt, was Valerie nicht sonderlich überraschte, denn David Falcon war sehr männlich.

„Fertig!“

„Fast fertig!“, rief Valerie, als sie sich ihren schwarzen, einteiligen Badeanzug, der so alt wie Hannah war, überstreifte. Der Badeanzug saß etwas locker, weil sie im letzten Jahr an Gewicht verloren hatte und ihrer Mutter zufolge nur noch aus Haut und Knochen bestand. Valerie war da anderer Meinung, hoffte aber, dass sie ihre weiblichen Rundungen zurückgewann, wenn sie sich jetzt keine Sorgen um ihre Lebenssituation mehr machen musste.

Sie spürte, dass sie hier glücklich werden und diesen Ort ihr Zuhause nennen konnten. Sie würden ihre Haustür nicht dreifach verriegeln müssen und nachts bei offenem Fenster schlafen können.

„Mo-ooom!“

Valerie rannte aus dem Bad, griff nach Hannahs Hand und sprang, ohne zu zögern, in den Pool. Als sie auftauchten, hielten sie sich immer noch an den Händen und lachten.

Heiße Tränen stiegen Valerie unbemerkt in die Augen. Nichts, aber auch gar nichts sollte diesen wunderbaren Zustand zerstören. Sie würde ihrer Tochter ihre Grenzen aufzeigen und sich bei David Falcon unentbehrlich machen. Weder in ihrer Arbeit noch in ihrem Verhalten sollte er einen Makel feststellen. Sie würde sich professionell verhalten und sich rein gar nichts zuschulden kommen lassen …

Eine halbe Stunde lang spielte und tobte Valerie mit Hannah im Wasser. Dann wollte sie aus dem Pool steigen und stützte sich mit ihren Handflächen am Beckenrand ab, doch Hannah griff nach ihren Knöcheln, um sie in den Pool zurückzuziehen. Sie lachten und scherzten miteinander.

Die lockeren Träger von Valeries Badeanzug verrutschten ein wenig. Sie entzog sich Hannahs Griff, stemmte sich keuchend am Beckenrand hoch – und blickte in die Augen eines Golden Retrievers. Und direkt hinter dem Hund stand ihr neuer Chef.

Die zugeknöpfte Valerie Sinclair hat also doch eine – sehr gute – Figur unter all der Kleidung zu bieten, dachte David und vermied den direkten Blickkontakt, als sie die Träger ihres Badeanzugs zurechtrückte, sich mit einem Handtuch bedeckte und sich ununterbrochen entschuldigte.

„Hallo, ich heiße David Falcon“, sagte er zu Hannah, die besorgt aussah.

„Ich bin Hannah. Wie heißt Ihr Hund?“

„Belle. Sie kann übrigens schwimmen.“

„Echt?“

„Von allein geht sie nicht ins Wasser, nur wenn du sie rufst und deine Hand im Wasser hin und her bewegst. Lass sie aber nicht zu dicht an dich herankommen, weil sie groß und stark ist und ziemlich scharfe Krallen hat. Wenn sie genug hat, wird sie wieder bei den Treppen aussteigen.“

„Cool!“ Hannah tauchte mit der Hand ins Wasser. „Komm her, Belle. Komm!“ Belle sah David voller Freude an und sprang ins Wasser.

Valerie stellte sich neben David und beobachtete Hannah und Belle, die im Pool im Kreis schwammen. „Es tut mir leid“, sagte sie schon wieder.

„Was tut Ihnen leid?“

„Dass ich für die Arbeit noch nicht fertig war, als Sie gekommen sind. Ich dachte, wir hätten mehr Zeit.“

„Das habe ich heute Abend auch gar nicht von Ihnen erwartet.“ Endlich sah David sie direkt an. Ein Handtuch, haselnussbraun wie ihre Augenfarbe, war um ihren Körper geschlungen, und das nasse Haar klebte an ihrem Rücken. Er hatte recht behalten: Mit offenem Haar sah Valerie tatsächlich jünger aus. „Ihre Tochter ist Ihnen wie aus dem Gesicht geschnitten.“

„Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie froh sie ist, hier zu sein. Das Haus ist wunderschön.“

„Sind Sie denn schon eingezogen?“

„Wir haben unsere Sachen noch nicht einmal aus dem Wagen geholt.“

Er dachte daran, selbst eine Runde zu schwimmen, wollte aber bis später warten. Valerie würde sicherlich dafür sorgen, dass ihre Tochter ihm nicht die Quere kam, damit Berufliches und Privates strikt getrennt blieben.

Das war David recht. Er hatte nichts gegen Kinder, aber er wusste nicht genau, wie er mit ihnen umgehen sollte, selbst mit seinen Nichten und Neffen nicht.

Da er insbesondere keinen Umgang mit dem Kind einer Angestellten wollte, musste Valerie ihre Tochter aus beruflichen Angelegenheiten so weit wie möglich heraushalten.

„Ich habe eine Pizza geholt. Kommen Sie doch einfach zu meinem Haus hoch, wenn Sie fertig sind, und wir wärmen sie auf. Über die Arbeit sprechen wir danach.“

„Wir sollen beide hochkommen?“

„Ihre Tochter muss doch auch etwas essen, oder?“

„Ich kann einen Teller für sie mitnehmen.“

„Heute machen wir mal eine Ausnahme.“

Valerie nickte. Als er sich entfernte, merkte er, wie die Anspannung von ihr abfiel.

Aufgrund des erfundenen Vorwurfs der sexuellen Belästigung war sie vorsichtiger und achtete viel mehr auf ein korrektes Verhalten als die meisten anderen Menschen.

David hatte dafür Verständnis und wünschte sich ein Arbeitsverhältnis, das von Dauer war. Er würde genauso vorsichtig sein wie sie. Als er die Hälfte des Weges gegangen war, kam Belle angelaufen und schüttelte direkt neben ihm ihr nasses Fell aus.

Hannah kreischte vor Lachen, hielt sich aber dann eine Hand vor den Mund. Valerie stand wie versteinert da und wartete Davids Reaktion ab.

Er beugte sich zu Belle hinunter und umarmte sie, ohne Rücksicht auf ihr nasses Fell zu nehmen. Offensichtlich war er froh, seine Hündin zu Hause zu haben.

So viel zum Thema angemessenes Verhalten, dachte Valerie seufzend, als sie zum Haus zurückkehrten. Er hatte sie im Badeanzug erwischt, als sie kindisch herumblödelte – wie peinlich. Der Beginn ihrer beruflichen Beziehung war alles andere als vielversprechend.

„Belle ist ein toller Hund“, sagte Hannah. „Ich wusste gar nicht, dass Hunde gern schwimmen.“

„Freunde dich lieber nicht zu sehr mit ihr an. Sie gehört dir nicht.“

„Aber du hast gesagt, dass er oft nicht da ist. Belle wird bei uns wohnen, oder? Sie kann doch nicht allein in dem großen alten Haus bleiben. Dann wäre sie doch einsam.“

Valerie musste sich bei Hannahs flehendem Blick beherrschen, um nicht zu lachen.

Die beiden holten ihre Sachen aus dem Wagen, duschten und zogen sich für das erste Abendessen mit dem neuen Chef um. Sie gingen die Treppen zum Hintereingang des Hauses hoch. Durch ein Fenster konnte Valerie in die Küche sehen und freute sich, einen Arbeitsplatz mit einer so eindrucksvollen Aussicht sowohl auf den Pool als auch auf die dicht bewaldeten Hügel zu haben. Als niemand auf ihr mehrmaliges Klopfen öffnete, drehte sie schließlich den Türknauf herum und steckte den Kopf zur Tür herein. „Hallo?“

„Bin gleich da. Fühlen Sie sich wie zu Hause!“, rief David.

„Toll! Unsere alte Wohnung würde hier reinpassen“, sagte Hannah.

Die Edelstahlgeräte verliehen der Küche ein modernes Aussehen. Durch die Schränke aus Kiefernholz wirkte sie gleichzeitig rustikal. Es gab hier nichts, was das schmucklose Aussehen der Küche wohnlicher gestaltet hätte – wie Vorhänge oder Pflanzen. Hier wohnte niemand so richtig, sondern schaute nur ab und zu vorbei.

David eilte ins Zimmer, barfuß und mit Belle im Schlepptau. Er hatte Anzug und Krawatte gegen Jeans und T-Shirt getauscht. Wie alt war er wohl? Dreißig?

Autor

Susan Crosby
Susan Crosby fing mit dem Schreiben zeitgenössischer Liebesromane an, um sich selbst und ihre damals noch kleinen Kinder zu unterhalten. Als die Kinder alt genug für die Schule waren ging sie zurück ans College um ihren Bachelor in Englisch zu machen. Anschließend feilte sie an ihrer Karriere als Autorin, ein...
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