sexy3

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Zum Küssen schön
Was für ein hübscher Hintern! Schade nur, dass ein wütender Hund zugebissen hat. Und noch mehr bedauert Dr. Daniel Sawyers, dass dieser wohlgerundete Po ausgerechnet seiner größten Feindin, der Sextherapeuten Lace McGee, gehört - der er mit Nadel und Faden plötzlich erfreulich nah ist.

Stilettos für Anfänger
Es reicht: Annie ist es leid, von Guy Donovan wie eine kleine Schwester behandelt zu werden! Verführung ist angesagt - wozu hat sie schließlich Sexratgeber in ihrer Buchhandlung? Sicher findet sie dort die perfekte Lösung für ihr Problem namens Guy!

Mann mit Hund sucht Frau mit Herz
"Du bist neurotisch statt erotisch!" Dieser Vorwurf ist zuviel: Maddie setzt Troy kurzerhand vor die Tür und beschließt ihn zu wiederlegen. Zum Beispiel mit Max, von dem es heißt, er sei ein Mann, der die Frauen sehr liebt


  • Erscheinungstag 01.06.2014
  • ISBN / Artikelnummer 9783955763688
  • Seitenanzahl 480
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

sexy3

Lori Foster

Zum Küssen schön

Aus dem Amerikanischen von Eleni Nikolina

Lori Foster

Stilettos für Anfänger

Aus dem Amerikanischen von Sarah Falk

Lori Foster

Mann mit Hund sucht Frau mit Herz

Aus dem Amerikanischen von Renate Moreina

image

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright dieser Ausgabe © 2014 by MIRA Taschenbuch

in der Harlequin Enterprises GmbH

Titel der nordamerikanischen Originalausgaben:

Little Miss Innocent

Copyright © 1999 by Lori Foster

erschienen bei: Silhouette Books, Toronto

Annie, Get Your Guy

Copyright © 2001 by Lori Foster

erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto

Messing Around With Max

Copyright © 1999 by Lori Foster

erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto

Published by arrangement with

HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Mareike Müller

Titelabbildung: Jupiterimages GmbH, München

pecher und soiron, Köln

ISBN eBook 978-3-95576-368-8

www.mira-taschenbuch.de

Werden Sie Fan von MIRA Taschenbuch auf Facebook!

eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

Lori Foster

Zum Küssen schön

Aus dem Amerikanischen von Eleni Nikolina

image

1. KAPITEL

Nein, das konnte nicht wahr sein. Daniel blinzelte und mochte kaum glauben, was er sah. Aber als er wieder hinschaute, war Lacy McGee immer noch da.

Es war eine lange, endlose Nachtschicht gewesen und ein noch längerer Tag. Jetzt war es fast neun Uhr und Zeit für ihn, nach Hause zu fahren. In der Notaufnahme herrschte zwar noch hektische Betriebsamkeit, aber Daniel war jetzt hundemüde. Er wollte nur noch aus dem Krankenhaus hinaus und zu seinem Wagen gehen, aber nun stand sie im Ausgang, und er war wie gebannt und konnte sich nicht von der Stelle rühren. Schon ihr Anblick war verführerisch und herausfordernd. Sie war ihm ein Dorn im Auge, eine Nervensäge, die ihm ständig Kopfschmerzen bereitete. Im Grunde gab es keinen Teil seines Körpers, der nicht auf die eine oder andere Weise viel zu heftig auf Lacy reagierte.

Er würde sie einfach übersehen. Und so verabschiedete er sich von den Krankenschwestern, die in der Nähe waren und ihm sehnsüchtige Blicke zuwarfen. Sie waren beharrlich, aber wenigstens nicht auf aufdringliche Art. Sie respektierten den Wunsch eines Junggesellen, Junggeselle zu bleiben. Nicht wie Lacy, die mal wieder seine Gedanken beherrschte, ob er das nun wollte oder nicht. Bestimmt gefiel es ihr nicht, dass er sie jetzt zu ignorieren versuchte. Als ob irgendein Mann sie tatsächlich übersehen könnte. Dafür war sie viel zu aufsehenerregend.

Also sah er wie magisch angezogen wieder in ihre Richtung und konnte dann den Blick nicht mehr von ihr nehmen. Seine Handflächen wurden feucht, seine Brillengläser beschlugen.

War sie hier, um ihn erneut zu reizen, bis sein Körper den Kampf gegen die Vernunft verlieren und seine Willenskraft endgültig nachgeben würde? Sein Herz schlug unwillkürlich schneller, und er runzelte die Stirn, wie immer in ihrer Gegenwart. Nein, er würde nicht zulassen, dass sie gewann.

Sie kam nun herein, und die Tür schloss sich hinter ihr.

Jetzt, im grellen Licht, fiel ihm auf, dass Lacy nicht so selbstbewusst zu sein schien wie gewöhnlich. Ihr Gesicht war eher blass als strahlend, ihr langes hellblondes Haar ungepflegt, und als sein Blick tiefer glitt, sah er einen großen Riss in ihrer schwarzen Hose und Blut auf ihrem Bein. Sein Herz zog sich schmerzvoll zusammen beim Anblick ihres schlanken zarten Beins.

Eine Krankenschwester war schon an ihrer Seite, als er nun zu Lacy lief.

“Lacy, was zum Teufel ist geschehen?”

Die Schwester sah ihn erstaunt an, aber Lacy warf ihm nur ein halb spöttisches, halb verführerisches Lächeln zu, das allerdings nicht ganz auf der Höhe ihres üblichen Maßstabs lag.

“Hallo, Danny.” Ihr Blick glitt von seinem Gesicht zu seinem Körper, und ihre Stimme wurde zu einem heiseren Flüstern. “Mann, siehst du heute aber fit aus!”

Sie machte ihm immer absichtlich lächerliche Komplimente, um ihn aus der Fassung zu bringen, und das gelang ihr auch noch. Zum Teufel mit ihr! Aber diesmal nicht. Nicht wenn sie offensichtlich verletzt war. Er nahm ihren Arm, um sie zu stützen, und hob ihr Cape hoch.

Lacy klopfte ihm auf die Finger.

Er ließ das Cape los und fragte mit sanfter Stimme: “Was ist passiert, Lacy?”

Sie lehnte sich leicht an ihn, was ihn nicht überraschte, da das zu ihren üblichen Tricks gehörte. Doch dieses Mal wich er nicht vor ihr zurück, sondern hielt sie fest. Ihr Körper fühlte sich warm und weich an. Als sie jetzt jedoch hochblickte, war der Ausdruck in ihren Augen ernst, nicht kokett. Das gefiel ihm ganz und gar nicht. Das war nicht die Lacy, die er kannte.

“Ich bin gebissen worden. Von einem großen, blöden Nachbarshund.”

Sofort war er besorgt. Dabei wollte er keine Besorgnis für Lacy empfinden, verflixt noch mal! Er wollte überhaupt nichts für sie empfinden. Er mochte die Frau ja nicht einmal.

Er begehrte sie nur.

Ihre Hose war hinten über dem rechten Oberschenkel bis vorn zum Knie zerrissen. Die Krankenschwester kam mit einem Rollstuhl herbeigeeilt, aber er winkte ab. “Ich glaube nicht, dass sie sitzen kann. Besser, wir holen eine Trage.”

“Ich schaff es schon allein.”

Er kannte diesen störrischen Zug um Lacys Mund. Sie hatte ihn immer in seiner Anwesenheit. Und da sie die beste Freundin seiner Schwester war, die ihm sehr nahestand, geschah das ziemlich häufig. In letzter Zeit immer öfter, und damit erklärte er sich auch, warum er allmählich verrückt wurde.

Einen Arm um ihre schmale Taille gelegt und eine Hand an ihrem Ellbogen, brachte er Lacy in das nächste Untersuchungszimmer. Dort half er ihr, sich auf einem Bett auf den Bauch zu legen.

“Wo genau bist du gebissen worden?” Er musste sich zusammenreißen, um gelassen zu bleiben. Doch bei dem Gedanken, dass ein Tier sie angegriffen hatte, zog sich ihm der Magen zusammen, und sein Herz klopfte wild. Er mochte sie nicht und war mit ihrer Lebenseinstellung nicht einverstanden, aber sie war eine so zierliche Person, und dass ihre zarte Haut von scharfen Zähnen verletzt worden sein könnte, war eine entsetzliche Vorstellung.

Erstaunlicherweise errötete sie. “In den Po.”

Er hätte nie erwartet, Lacy in Verlegenheit zu sehen. Die Frau war schließlich Psychologin, bekannt für ihre Bücher über die sexuelle Revolution und für ihre nächtliche Radio-Talkshow. Als Expertin für Partnerschaftsfragen sprach sie offen und ohne Scham über jedes intime Thema, das man sich denken konnte.

Also hätte es ihr eigentlich nichts ausmachen dürfen, diesen etwas delikaten Körperteil zu erwähnen. Aber er versuchte nicht einmal, sie zu verstehen. Er hatte es viele Male getan, und es hatte ihn nur aufgeregt und ihm Kopfschmerzen verursacht.

Daniel nahm seine Brille ab und wischte sie an einem Ärmel sauber, um etwas Zeit zum Nachdenken zu haben. “Sag mir jetzt, was genau passiert ist.”

“Ich war gerade von einer späten Verabredung zurückgekommen ...”

“Einer Verabredung?” Er setzte die Brille wieder auf.

“Desinfizieren Sie mal Ihre Gedankengänge, Doktor. Oder ist es Ihre Libido, die sich unters gemeine Volk gemischt hat?”

Er runzelte die Stirn. Lacy hatte immer irgendeine freche Erwiderung parat, die seine sachlichen Bemerkungen vollkommen ignorierte. Sie gab ihm nie eine richtige Antwort, wozu sie natürlich auch nicht im Geringsten verpflichtet war.

“Ich hatte gerade meine Handtasche hingelegt und ging wieder hinunter ins Treppenhaus, um nach der Post zu schauen. Irgendwie war eine Katze ins Gebäude gekommen und genau hinter mir. Der Hund des Nachbarn lief an mir vorbei und auf sie zu, und als ich Dummkopf der Katze helfen wollte, rastete er natürlich aus. Bisher hatte der blöde Hund nie Anzeichen von Aggressivität gezeigt, also hatte ich wirklich nicht erwartet, dass er mich beißen würde.”

“Halt still.”

“Nein.” Sie starrte ihn fast panikartig über die Schulter an. “Was machst du da?”

“Ich schneide die Hose auf, damit wir uns den Schaden ansehen können.”

“Wir?” Ihre Stimme triefte vor Sarkasmus. “Benutzt du hier den ‘Pluralis Majestatis’? Denn du bist der Einzige, der etwas sehen kann. Ich jedenfalls kann nichts sehen.”

“Sei still, Lacy. Die Schwester ist gleich wieder da.”

“Ich will aber nicht still sein!” Ihre Stimme überschlug sich fast, als er ihr die blutige Hose herunterzog. “Ich verlange einen anderen Arzt!”

“Du hast aber nun mal nur mich.” Beim Anblick ihrer Verletzung zuckte er zusammen. Lacys Slip war dunkel von Blut. Die Zähne des Hundes hatten sich an mehreren Stellen in ihre Haut gebohrt und Reißwunden hinterlassen, wahrscheinlich als Lacy sich dem Hund entziehen wollte.

Behutsam wischte Daniel das Blut ab. Seine Hand zitterte dabei, und er hasste sich dafür. Er hatte unzählige weibliche Pos gesehen, aber niemals Lacys. Natürlich hatte er sich in all den Nächten, in denen er von ihr geträumt hatte, vorgestellt, ihrem vollkommen geformten Po so nah zu sein wie jetzt. Aber da war Lacy außer sich vor Sehnsucht nach ihm gewesen. In seiner Fantasie hatte sie jedenfalls niemals Schmerzen gelitten.

Er berührte eine besonders tiefe Wunde, und Lacy schrie auf.

Daniel stöhnte innerlich. Alle früheren Ärgernisse Lacys wegen waren vergessen. Es tat ihm weh, sie leiden zu sehen. Aber da sie die beste Freundin seiner Schwester war, erklärte er sich seine starke Reaktion damit.

“Ich weiß, dass es brennt. Es wird auf jeden Fall genäht werden müssen, denn die Wunden sind recht tief.”

“Verdammt, Daniel, hör auf, meinen Po anzusehen!”

“Ich muss ihn ansehen, wenn ich deine Verletzung richtig behandeln will.”

“Ich verlange einen plastischen Chirurgen!”

Daniel hielt inne. “Lacy, die Narbe wird minimal sein, und dort, wo sie sich befindet, wird sie nicht einmal von einem gelegentlichen ... Besucher bemerkt werden.” Er räusperte sich. “So schlimm wird es schon nicht sein. Selbst der knappste Badeanzug wird die Stelle bedecken. Aber das ist gar nicht der Punkt, nicht wahr?” Er betrachtete ihr halb abgewandtes Gesicht. “Ich gebe zu, wenn man besonders fantasievoll vorgeht, könnte man die Narbe eventuell sehen. Wie oft gedenkst du denn diesen Teil deiner Anatomie männlichen Blicken vorzuführen, Lacy?”

Sie hatte bei seinen ersten Worten nach Luft geschnappt, jetzt waren ihre Wangen hochrot. “Das geht dich einen feuchten Kehricht an, du verdammter Lustmolch!”

In diesem Moment kam die Schwester herein und blieb abrupt stehen bei Lacys aufgebrachten Worten. Zu Daniels Erleichterung presste Lacy jetzt die Lippen zusammen und machte keine weitere Bemerkung. Sie wandte das Gesicht ab und verschränkte die Arme über dem Kopf.

Daniel bemühte sich um Geduld, die ihm immer dann zu fehlen schien, wenn er in Lacy McGees Nähe war. Sie hatte das seltene Talent, immer das Schlimmste in ihm wachzurufen, und es ärgerte ihn ungemein, dass er das mit sich geschehen ließ. Er hatte vor langer Zeit lernen müssen, sich zu beherrschen, und war ein Meister darin geworden, seine Gefühle zu verbergen und sich nur um seine Arbeit zu kümmern, weil das lebensnotwendig gewesen war. Nachdem seine Mutter gestorben und sein Vater zusammengebrochen war, hatte sich jemand um seinen jüngeren Bruder und seine kleine Schwester kümmern müssen. Und nur er, Daniel, hatte das übernehmen können.

Aber um seine Selbstdisziplin war es jedes Mal geschehen, wenn diese Frau, Lacy McGee, auf der Bildfläche erschien.

Er holte tief Luft und nickte der Schwester zu. “Helfen Sie ihr dabei, die Hose auszuziehen, damit wir sichergehen können, dass es nicht noch mehr Bisse gibt. Ich bin gleich wieder da.”

Daniel verließ den Raum und lehnte sich atemlos gegen die Wand neben der Tür. Seine Müdigkeit nach der langen Nacht war verflogen. Er fühlte sich jetzt hellwach und voller Entschlossenheit. Nur der Grund, den diese neue Lebendigkeit in ihm verursacht hatte, wollte ihm nicht behagen.

Lacy war eine freizügige Frau, eine sündhaft verführerische, aufregende Frau, und sie übte einen schlechten Einfluss auf seine Schwester Annie aus. Nach fünfundzwanzig Jahren, in denen Annie ein niedlicher lieber Wildfang gewesen war, wurde sie plötzlich dickköpfig und eigensinnig. Und sie sah außerdem viel zu ... weiblich aus. Er scheute vor dem Wort “sexy” zurück, wenn er an seine kleine Schwester dachte.

Aber es stimmte. Annie zog die Männer jetzt an wie das Licht die Motten, und das gefiel ihm ganz und gar nicht. Annie war über ihre Entwicklung allerdings mehr als zufrieden. Erst vor Kurzem war sie in einer Bar, in der sich vor allem Singles trafen, in einen Streit verwickelt und von der Polizei aufgegriffen worden. Bis dahin war sie überhaupt noch nie allein in einer Bar gewesen, und er wusste immer noch nicht, was sie dort eigentlich zu suchen gehabt hatte.

Aber er wusste, dass es irgendwie Lacys Schuld gewesen war. Sie hatte seine Schwester in eine eigensinnige Femme fatale verwandelt, und sie hatte auf ihn selbst eine solch starke Wirkung, dass er sich nicht wieder erkannte. Sie sprach offen über Sex, sie flirtete mit ihm, nur um ihn auf die Palme zu treiben, und mit der Wahl ihrer Kleidung wollte sie ihn bewusst provozieren. Es machte ihr Spaß, ihn sich winden zu sehen. Sie waren in jeder Hinsicht das Gegenteil voneinander, und Lacy betonte diese Tatsache, wann immer sie konnte.

Aber ihr war nicht bewusst, dass er nach ihrer einzigartigen Art, ihn zu quälen, süchtig geworden war. Immerhin war er ein Mann, und er konnte nicht anders, als auf ihre Reize zu reagieren. Wenn sie nicht da war, dachte er an sie und träumte von ihr. Obwohl er nicht einverstanden war mit dem Leben, das sie führte. Als intelligenter, verantwortungsvoller Mann lehnte er offene Beziehungen mit wechselnden Partnern ab, aber Lacy verteidigte diesen Lebensstil mit jedem Atemzug, den sie tat. Wenn er sich von seiner Vernunft leiten ließ, konnte er Lacy nicht ausstehen.

Aber das hielt ihn nicht davon ab, sie zu begehren. Von allen Frauen auf der Welt sehnte er sich so sehr nach Lacy McGee, dass er nachts kaum noch schlafen konnte. Er verzehrte sich vor Verlangen nach ihr, und jeden Tag fiel es ihm schwerer, ihr zu widerstehen.

Und jetzt, zum ersten Mal in seinem Leben, war er nicht in der Lage gewesen, einem Patienten bei der Behandlung vollkommen neutrale Gefühle entgegenzubringen. Mit jeder Faser seines Körpers war er sich bewusst gewesen, dass es Lacy war, die er berührte. Diese Tatsache verletzte seinen beruflichen Stolz. Er sollte sich aus dem Staub machen, bevor er noch total die Beherrschung verlor. Aber er wollte verdammt sein, wenn er es einem anderen Arzt erlaubte, Lacy zu behandeln.

Lacy wünschte, sie könnte sich irgendwo verstecken. Egal, wo. Unter einem moosbedeckten Stein wäre perfekt. Warum musste es von allen Ärzten auf der ganzen Welt ausgerechnet Daniel sein, der sie untersuchte? Und warum, wenn er doch so offensichtlich alles an ihr verabscheute, bestand er darauf, sich um sie zu kümmern? Wenn er wüsste, wie unendlich peinlich ihr die ganze Sache war, wäre er sicher höchst amüsiert.

Dieser verflixte Höhlenmensch! Er hielt sie für eine Frau mit lockeren Moralvorstellungen. Sie erinnerte sich noch gut an das erste Mal, als sie ihn getroffen hatte – nicht weil diese Begegnung sie besonders angeregt hätte, sondern weil das engstirnige Urteil, das Daniel sofort über sie gefällt hatte, sie so aufgebracht hatte.

Daniel hatte nicht die Freundlichkeit, Höflichkeit und Intelligenz an den Tag gelegt, die Annie immer so gepriesen hatte. Nein, der unmögliche Flegel hatte die Nase über sie gerümpft und sich aufgrund ihrer Arbeit und ihres Aussehens jede Menge Vorurteile über sie gebildet.

Natürlich war sie es gewohnt, dass Männer das taten. Die meisten nahmen an, sie wäre leicht zu haben, und versuchten sich an sie heranzumachen. Doch sie hatte in all den Jahren gelernt, die Erwartungen dieser Männer schnell zu korrigieren.

Aber Daniel hatte sie für unwert befunden und sie nicht nur nicht in seinem Bett haben wollen, er billigte auch nicht die Freundschaft seiner Schwester zu ihr. Zu ihrem Glück entwickelte Annie jedoch einen eigenen Willen und gehorchte den Befehlen ihres großen Bruders nicht mehr. Und das gab Daniel natürlich die Gelegenheit, ihr, Lacy, auch noch vorzuwerfen, sie würde seine kleine Schwester – Annie war fünfundzwanzig! – gegen ihn aufhetzen.

Allerdings hatte sie ihrerseits nichts getan, um Daniel von seinen lächerlichen Vorstellungen abzubringen. Sie hatte ihn in seinem Glauben gelassen, weil es sie geärgert hatte, dass er so wenig von ihr hielt. Als ob sie etwas für ihr Aussehen gekonnt hätte. Sie hatte nun einmal die hellblonden Haare, die grünen Augen und die wohlgerundeten Formen ihrer Mutter geerbt, was ihr schon viel Ärger, aber keine Schande bereitet hatte.

Was ihre Arbeit betraf, so war die ihr sehr wichtig, und sie war ebenso stolz darauf wie Daniel auf seine Arbeit. Sie half den Menschen, mit ihren Problemen fertig zu werden. Aber das würde er natürlich niemals so sehen.

Sie fand, dass er viel zu ernst, im Grunde sogar trübselig war. Ihn zu piesacken war wie eine Art Vergeltung für sein griesgrämiges Verhalten. Aber in letzter Zeit war es zu einem richtigen Wettkampf geworden. Nur ein einziges Mal wollte sie ihm eine andere Gefühlsäußerung entlocken als kalte Verachtung und Sarkasmus. Sie wollte ihn leidenschaftlich brüllen hören oder voller Feuer reagieren sehen. Aber das würde wohl niemals geschehen. Der gute Doktor besaß offenbar ein Patent auf Nüchternheit.

Daniel kam wieder herein, und ohne ein Wort an sie zu richten, fing er an, eine Spritze vorzubereiten. Sie spürte die kühle Luft an ihrem Po und atmete erleichtert auf, als die Schwester, die Daniel mit einem nachdenklichen Blick betrachtete, schnell wieder das Laken über ihre Kehrseite zog.

“Was tust du da?”, fragte sie Daniel misstrauisch.

“Ich werde dir eine Injektion geben, um deinen ... um den verletzten Bereich zu betäuben, und dann werde ich die Wunde nähen.”

“Daniel ...”

“Kennst du den Namen des Hundebesitzers? Die Polizei wird ihn wissen wollen, und wir müssen ihnen einen Bericht geben.”

“Vergiss es. Ich kenne den Mann und den Hund auch, und das Tier ist nicht wirklich böse. Es hat sich einfach nur schrecklich aufgeregt.”

“Lacy.” Ernst sah er sie an. “Und wenn der Hund sich aufregt, wenn ein Kind in der Nähe ist? Was dir passiert ist, könnte für ein Kind zehnmal schlimmer ausgehen.”

“Du hast recht. Tut mir leid.”

Daniel wirkte überrascht, als sie so schnell einwilligte, und nickte dann.

Sie überlegte angestrengt. Irgendetwas musste geschehen. Denn schon der Gedanke, der Hund hätte seine Zähne in den Körper eines kleinen Kindes bohren können, ließ sie erschaudern. Der Hund war zwar ein ständiges Ärgernis, ewig bellend und offensichtlich ohne die geringste Disziplin, aber er gehörte einem Mann, der sehr einsam war und dessen einziger Freund er war.

“Was werdet ihr unternehmen?”, fragte sie.

“Ich bin nicht sicher. Zunächst einmal müssen wir sehen, ob er alle nötigen Impfungen erhalten hat.”

“Das hat er. Sein Besitzer hat es mir versichert, nachdem er seinen Hund von mir loskriegen konnte.”

Daniel zuckte zusammen und fluchte leise, und sie glaubte fast, so etwas wie Mitgefühl in seinem Gesicht zu erkennen. Unmöglich, dachte Lacy verblüfft.

“Ich kann nicht glauben, dass du nicht wütend bist.” Während er sprach, trat er hinter sie und hob das Laken hoch.

Sie wünschte, sie wäre tot gewesen. Sie wollte ihm befehlen, die Augen zu schließen oder den Blick abzuwenden. Sie hasste es, vor diesem Mann so hilflos zu sein. Also fing sie an draufloszuplappern, um sich abzulenken.

“Ich bin natürlich nicht froh darüber, dass ich gebissen wurde, aber es war ein Unfall. Der Hund ist normalerweise nicht gefährlich. Im Grunde ist er noch gar nicht ausgewachsen, nur eben so verflixt groß. Vielleicht sollte er zu einem Hundetrainer gebracht werden, um Disziplin zu lernen. Er ist sonst immer ein so netter Hund. Und ... au!”

“Tut mir leid.”

Er klang ganz und gar nicht so, als ob es ihm leidtäte, und sie sah ihn vorwurfsvoll an. “Das hat wehgetan!”

“In einer Minute spürst du nichts mehr.” Zum Kuckuck mit ihm, er nahm den Blick einfach nicht von ihrem Po. “Übrigens, wie bist du hierhergekommen?”

Sie wusste, er fragte sie das nur, um sie abzulenken, und sie war ihm dankbar für seinen Versuch. Es sah Daniel sonst überhaupt nicht ähnlich, sie mit Rücksichtnahme zu behandeln, aber wahrscheinlich tat er das jetzt auch nur in seiner Eigenschaft als Arzt.

“Ein netter Mann, der zufällig in der Nähe war, bot mir an, mich in seinem Auto mitzunehmen. Ich konnte ja nicht selbst fahren, und er hatte einen breiten Rücksitz und Vinylpolsterung, sodass ich keinen allzu großen Schaden anrichten konnte.”

“Du bist mit einem Unbekannten hergefahren?”

Die Schwester war ganz Ohr, deswegen wollte Lacy nicht das aussprechen, was ihr auf der Zunge lag. Am liebsten hätte sie Daniel eine saftige Ohrfeige verpasst für seine unverschämten Vermutungen. Aber da das noch weniger ging, tat sie das Nächstbeste. Sie grinste ihn frech an.

“Genau. Er war ein wirklicher Schatz. Er bot sogar an, auf mich zu warten, doch ich sagte ihm, das sei nicht nötig. Aber ich gab ihm meine Telefonnummer, falls er später nach mir schauen möchte.”

Daniel starrte sie nur fassungslos an. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war eine Mischung aus Wut, Ungläubigkeit und Abscheu. Seine Entrüstung war eindeutig. Gleichzeitig wirkte er irgendwie resigniert, als ob er nichts anderes von ihr erwartet hätte. Sie versuchte zu lachen, schaffte es aber nicht ganz. Verflixt, warum musste dieser Mann sie immer verurteilen? Der Mann, der sie in seinem Auto mitgenommen hatte, war um die siebzig gewesen, und er hatte seine Frau bei sich gehabt. Sie hatte beide viele Male in ihrem Apartmenthaus gesehen, und auf der Fahrt zum Krankenhaus hatten sie sich rührend um sie gekümmert, als ob sie ihr einziges Enkelkind wäre.

Daniels Reaktion tat weh, und Lacy hörte sich sagen: “Es ist nicht so, wie du denkst ...”

Aber er unterbrach sie. “Das ist nicht wichtig, Lacy. Wie du dein Leben lebst, ist nicht meine Sache.”

Sie hätte klüger sein sollen, als zu versuchen, diesem prüden Besserwisser etwas zu erklären. Er wollte die Wahrheit über sie ja gar nicht wissen, und bis zu diesem Moment hatte es ihr auch nie etwas ausgemacht. Doch offenbar war sie durch den Blutverlust vorübergehend überempfindlich geworden. Dabei war er nur ein schrecklich konservativer Mann wie so viele andere Männer, und seine Meinung war ihr schnurzegal.

“Wann hast du das letzte Mal eine Tetanusspritze erhalten?”

“Keine Ahnung.”

Er gab ihr eine Tetanusspritze, ohne weitere Fragen zu stellen, und diesmal zuckte sie nicht einmal zusammen. Daniels Miene war immer noch finster, aber er schien auch besorgt zu sein, und sie war überrascht von diesem seltenen Anblick. Sie wusste, dass er ein hervorragender Arzt war. Annie rühmte ihn ständig. Ein paarmal hatte sie ihre Freundin ins Krankenhaus begleitet und dabei festgestellt, dass man ihm dort tatsächlich sehr viel Respekt entgegenbrachte und die Patienten ihm vertrauten. Er war also ein wundervoller Arzt und ein sündhaft gut aussehender Mann – aber er missbilligte sie.

In diesem Moment untersuchte er gerade ausführlich ihren Po. Sie hätte im Erdboden versinken mögen.

“Du bist in einem ziemlich üblen Zustand, Lacy. Etwa fünfzig Wunden müssen genäht werden. Du wirst eine ganze Weile nicht sitzen können, und du wirst versuchen müssen, diese Körperregion für eine Weile nicht zu überanstrengen.”

“Keine tiefen Kniebeugen, was?” Sie war oft patzig, wenn sie nervös war, aber sie konnte nichts dagegen tun.

Daniel schien es diesmal nichts auszumachen. “Ich werde dir ein Antibiotikum und etwas gegen die Schmerzen verschreiben. In zwei Tagen muss ich dich wieder sehen, um den Verband zu wechseln, und wenn alles in Ordnung ist, kannst du es danach allein tun. Achte auf Zeichen einer Infektion, zunehmenden Schmerz, zunehmende Rötungen oder Schwellungen. Du wirst viele Blutergüsse haben.”

“Ach, das verpatzt mir jetzt meinen Fototermin!”

Daniel stieß einen gereizten Laut aus, und sie verbarg ein Lächeln. Er hatte angefangen, ein wenig zu gelassen zu klingen, aber das hatte sie sehr leicht wieder behoben. Jetzt gab er der Schwester einige Anweisungen und begann danach mit dem Nähen der Wunden. Sie versuchte an andere Dinge zu denken. Doch leider drehte sich jeder andere Gedanke auch um eine Situation, in der Daniel sich ausführlich ihrem Körper widmete.

“Wenn dein Retter schon gegangen ist, wie hast du dann vor, nach Hause zu kommen?”

“Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Mir war zunächst einmal wichtiger, irgendwie herzukommen. Aber ich freue mich nicht gerade darauf, mich bäuchlings in ein Taxi zu werfen, wenn es das ist, was du wissen willst. Besonders da du meine Hose vollkommen ruiniert hast.”

“Falls du dich erinnerst, es war der Hund, der ein Stück aus dir und deiner Hose gebissen hat, nicht ich. Aber ich kann dir eine unserer OP-Hosen geben. Kein Problem.”

Er starrte sie nachdenklich an, während sie sich abmühte, sich auf die Seite zu drehen, ohne dass das Laken dabei herunterrutschte. Er wirkte verärgert und gereizt und seufzte schließlich. “Dann werde ich dich eben nach Hause fahren.”

Sie war ganz und gar nicht erfreut. “Du machst Witze, nicht wahr?”

“Meine Schicht war gerade zu Ende, als du hereinkamst. Ich wollte sowieso gehen, also ist das kein Problem. Und wie du schon so viele Male betont hast, besitze ich einen ekelhaft biederen Wagen mit Rücksitzen, als ob ich einen ganzen Kindergarten darauf unterbringen müsste. Für dich also gerade ausreichend.”

Sie wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Auf der einen Seite war Daniel ein sehr gewissenhafter Typ. Wahrscheinlich fühlte er sich verpflichtet, trotz seiner Abneigung gegen sie, sie sicher nach Hause zu bringen. Immerhin war sie seine Patientin, und sie und Annie waren sehr gute Freundinnen. Er liebte seine Schwester, und so würde er nicht wollen, dass die sich sorgte. Aber sie, Lacy, wollte unter keinen Umständen in ihrem geschwächten Zustand mit Daniel allein bleiben. Er würde verbal Hackfleisch aus ihr machen, und sie war nicht bereit, eine Niederlage einzustecken. Im Moment tat ihr der ganze Körper weh, und sie litt immer noch an akuter Demütigung. Sie war nicht in der richtigen Verfassung, sich mit diesem großen, unausstehlichen Doktor abzugeben.

“Ich könnte Annie anrufen”, sagte sie schließlich.

“Annie und Max sind unterwegs, um Weihnachtseinkäufe zu machen. Die Einkaufszentren haben bis Mitternacht geöffnet, und Annie wird schon dafür sorgen, dass Max die Zeit bis zur letzten Minute nutzt.”

Max war der mittlere Bruder, ein wahrer Herzensbrecher, aber auch ein wirklich netter Kerl, wenn man ihn zu nehmen wusste. “Oh, das hatte ich vergessen.”

“Ach, du wusstest es schon?”

Lacy nickte geistesabwesend. “Max hatte mich auch dazu eingeladen.” Sie warf Daniel einen Seitenblick zu, als ihr klar wurde, wie er das wahrscheinlich sehen würde, und wie immer reagierte sie patzig auf seine unterschwellige Kritik. “Max glaubt, er sei an mir interessiert, und lässt sich offenbar nicht durch Skrupel, wie du sie hast, zurückhalten. Dein Bruder gehört nicht zu denen, die leicht aufgeben.”

Daniel wirkte, als ob er gleich explodieren würde. Seine Miene wurde noch finsterer, und ohne ein Wort trat er einige Schritte von ihr weg und drehte sich um. Er blieb eine Weile mit dem Rücken zu ihr stehen. Als er sich dann umwandte, schien er sich wieder im Griff zu haben.

Langsam nahm er seine Brille ab und putzte sie an seinem Ärmel. “Max fehlt noch die Reife. Ich bin sicher, mit der Zeit wird er ein besseres Urteilsvermögen entwickeln.”

Sie verzog in komischer Verzweiflung das Gesicht. “Du zielst immer direkt unter die Gürtellinie, was? Und ich arme Frau liege da, ohne mich deiner erwehren zu können.” Sie klimperte theatralisch mit den Wimpern.

Daniel drehte demonstrativ den Kopf zur Seite und wandte sich an die Schwester. “Geben Sie Ms. McGee eine OP-Hose, und helfen Sie ihr hinein. Ich werde meinen Wagen vorfahren.”

Lacy hätte ihm am liebsten einen Tritt gegeben, wenn sie sich dabei nicht selbst wehgetan hätte. “Ich habe nicht zugestimmt, mit dir zu fahren.”

Er hielt keinen Moment auf seinem Weg zur Tür inne. “Ich erinnere mich nicht, dich um deine Zustimmung gebeten zu haben.”

Sie seufzte. Jetzt saß sie ihn der Falle. Selbst mit ihrem Spott hatte sie ihn nicht verjagen können, wie sonst immer. Warum wollte Daniel ihr plötzlich einen Gefallen tun? Es ging ihr auf die Nerven, aber schließlich ging der ganze Mann ihr auf die Nerven. Trotzdem gefiel ihr die Art, wie er seine Brille putzte und wie er die Schultern gerade hielt. Tatsächlich gefiel ihr sehr viel an ihm.

Was für ein Pech, dass er so fest von seiner männlichen Überlegenheit überzeugt war.

2. KAPITEL

“Dein Wagen riecht wie du, Daniel. Würzig, männlich und ...”, Lacy atmete tief ein, “... nett.”

Daniel hatte Mühe, sich auf den Weg zu konzentrieren. Seit er Lacy sehr sanft auf den Rücksitz gelegt hatte, piesackte sie ihn mit Bemerkungen dieser Art. Es fiel ihm immer schwerer, sie zu überhören. Seine oft gerühmte Selbstbeherrschung hing an einem seidenen Faden.

Er warf einen Blick in den Rückspiegel. Lacy hatte sich auf die Seite gedreht und versuchte in der abgetragenen hellgrünen OP-Hose und ihrem schwarzen Cape, das er wie eine Decke über sie geworfen hatte, elegant und sexy auszusehen. Lacy trug sonst fast ausschließlich Schwarz. Um Aufsehen zu erregen, da war er sicher, und er musste ja auch zugeben, dass sie hinreißend darin aussah. Der Gegensatz zwischen ihrem hellblonden Haar, den grünen Augen und dem Schwarz war atemberaubend.

Aber sie würde genauso atemberaubend aussehen, wenn sie nichts anhätte.

Hastig drängte er den Gedanken zurück und räusperte sich. “Das ist das Leder. Mein Wagen ist vielleicht bieder, wie du es ausdrückst, aber er ist auch allererste Güte.”

“So wie du, Daniel?”

Zum Teufel mit ihr, warum konnte sie ihn nicht in Ruhe lassen? Er versuchte das Thema zu wechseln. “Wie fühlst du dich?”

“Mach dir nicht solche Sorgen um mich, sonst bekomme ich noch einen Herzinfarkt. Ich bin so etwas nicht von dir gewohnt. Der Schock könnte mich töten.”

“Lacy ...”

“Es geht mir prima. Ich bin nur ein bisschen benommen.”

Sie klang auch so, und in seiner leider ungezügelten Fantasie hatte er das erotische Bild vor Augen, wie Lacy am Morgen nach einer langen leidenschaftlichen Nacht aufwachte. Er musste die Zähne zusammenbeißen.

Mit leicht heiserer Stimme sagte er: “Wir sind bald bei dir. Du hast Schmerzen und brauchst Ruhe.”

Mit einem kleinen Seufzer wechselte sie ein wenig ihre Stellung. Sie war sichtlich bestrebt, so gut es ging, ihre Beschwerden vor ihm zu verbergen, und das machte ihn seltsamerweise noch wütender. Er wollte nicht, dass sie tapfer war, er wollte ihre Rücksichtnahme nicht. Er wollte seine Abneigung gegen sie verstärken.

Er hatte ihr ein Schmerzmittel verschrieben, aber jetzt fiel ihm ein, dass sie keine Möglichkeit hatte, es sich zu besorgen. Er und Annie sprachen zwar nicht mehr über Lacy, da sie zu einer Art Zankapfel zwischen ihnen geworden war, aber er wusste von seiner Schwester, dass Lacy allein lebte. Sie konnte jetzt aber nicht gut selbst zur Apotheke gehen, und da Max und Annie momentan nicht zur Verfügung standen, gab es vielleicht niemanden, den sie schicken konnte. Die nächsten Tage würden schwierig für sie sein.

Sie brauchte ihn.

Also würde er die Tabletten für sie besorgen. Er brauchte morgen nicht zu arbeiten und hatte auch nichts Wichtigeres vor, als einige Weihnachtseinkäufe zu erledigen. Da es bis Weihnachten nur noch zwei Wochen waren, blieb ihm nicht mehr viel Zeit. Aber ein, zwei Tage konnte er für Lacy erübrigen. Immerhin, sagte er sich, um seinen Entschluss zu rechtfertigen, gehört Lacy für Annie zur Familie. Und obwohl sie sich in letzter Zeit dank Lacys Einmischung oft in die Haare gerieten, lag ihm sehr viel an der Meinung seiner Schwester über ihn.

Daniel parkte vor Lacys Apartmenthaus und stieg aus. Er war einmal hiergewesen, um Annie abzuholen, als ihr Wagen nicht angesprungen war. Er war zwar nicht hineingegangen, wusste aber von Annie, dass Lacys Apartment sich im zweiten Stockwerk befand.

Lacy balancierte mehr oder weniger erfolgreich ihr Gewicht auf der gesunden Hüfte, um hochzukommen. Die Anstrengung ließ sie erblassen und das Gesicht vor Schmerz verziehen.

Er schimpfte innerlich über ihre Dickköpfigkeit. “Bleib liegen, Lacy. Ich trage dich hinauf.”

Er hörte ihr gezwungenes Lachen, beachtete es aber nicht. Sein Entschluss war gefasst, und er würde ihn in die Tat umsetzen, so unangenehm es für ihn auch sein mochte. Wem machte er hier etwas vor? Lacy zu berühren würde ihm nicht im Geringsten unangenehm sein. Er mochte sie nicht, aber er war nicht tot, und als Mann spürte er ihre Anziehungskraft mehr, als ihm lieb war.

Als er ihr die Beifahrertür öffnete, warf sie ihm einen misstrauischen Blick zu. “Daniel, wirklich, das ist nicht ... Wag es ja nicht! Lass mich sofort runter!”

Er gab ihr nicht die Gelegenheit, mit ihm zu streiten, sondern legte eine Hand oben auf ihren Rücken und die andere unten an ihre Beine, damit er ihr keine Schmerzen verursachte, als er sie nun aus dem Wagen hob. Mit ihr auf den Armen richtete er sich wieder auf, während sie wütend schimpfte.

“Bist du denn verrückt geworden?” Sie versuchte erfolglos, sich aus seinem behutsamen Griff zu befreien. “Was werden meine Nachbarn sagen?”

“Das ist mir vollkommen egal.” Er schloss die Beifahrertür mit der Hüfte, wobei er Lacy leicht dagegen stieß.

Lacy keuchte leise auf, schlang die Arme um seinen Nacken und klammerte sich so fest an ihn, dass es fast wehtat. “Du bist total lächerlich, Daniel!”

“Wenn du aufhören würdest, so einen Lärm zu machen, würde keiner deiner Nachbarn uns bemerken. Sei still, und zapple nicht so, damit du dir nicht wehtust.”

Er betrat das Gebäude, und prompt begegneten sie drei Leuten. Lacy verbarg das Gesicht in seiner Halsbeuge. Weiches Haar berührte seine Wange, und es blieb ihm nichts anderes übrig, als ihren aufregenden weiblichen Duft einzuatmen. Sie fühlte sich so gut an ... einfach perfekt. Ihre vollen weichen Brüste pressten sich an seine Rippen. Verdammt, er durfte nicht zulassen, dass ihre körperliche Anziehungskraft ihn um den Verstand brachte!

Er starrte die drei Leute herausfordernd an, während einer der Männer händeringend näher kam.

“Geht es ihr gut? Lacy, Liebes, wie schlimm ist es?”

Der Hundebesitzer, sagte sich Daniel und runzelte die Stirn. Der Mann war etwa Mitte vierzig. Er trug drei dicke Goldketten um den Hals und schien sich sehr fürs Gewichtheben zu interessieren.

Daniel drückte Lacy besitzergreifend an sich. “Die Bisswunden mussten mit etwa fünfzig Stichen genäht werden. Der Angriff des Hundes ist natürlich gemeldet worden.”

Lacy biss ihm sanft ins Ohr. Daniel hätte sie in seiner Überraschung fast fallen lassen. Es hatte nicht wehgetan, da sie ihn nur ganz zart berührt hatte, aber beinahe hätten seine Knie nachgegeben. Das Gefühl ihrer weichen Lippen, ihrer scharfen kleinen Zähne auf seiner Haut und ihr warmer Atem ließen ihn das Ganze eher wie die intime Geste einer Geliebten empfinden, und von einer Sekunde zur nächsten geriet sein Körper in Aufruhr.

Lacy hob den Kopf und lächelte den Mann an. “Hallo, Frank. Ich komme schon wieder in Ordnung, also brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Und ich werde auch keine Anzeige erstatten. Aber ich muss darauf bestehen, dass du dem Hund irgendwie Disziplin beibringst. Er kann nicht einfach frei herumlaufen. Von jetzt an sorge bitte dafür, dass er an der Leine ist.”

Frank seufzte erleichtert auf, trotz Lacys strengem Tonfall, und schien bereit zu sein, ihr vor Dankbarkeit vor die Füße zu fallen. “Ich bin schon zu dem gleichen Schluss gekommen, Lacy, Kleines. Und es tut mir aufrichtig leid. Ich schwöre, ich lasse ihn nicht wieder von der Leine, jetzt, da ich weiß, dass es ein Problem mit ihm gibt. Ich weiß nur nicht, was in ihn gefahren sein mag.”

“Die Katze, die mich als Schild vor ihm benutzte und ihn damit bis zur Weißglut reizte, nehme ich an.”

“Ja, schon, er war hinter der Katze her, aber bisher hat er einen Menschen noch nicht einmal angeknurrt.”

Lacy streckte die Hand aus, um Frank tröstend die Schulter zu tätscheln, und überließ es Daniel, ihr Gewicht zu balancieren. “Ich werd schon wieder, Frank, wirklich. Das Wichtigste ist jetzt, dafür zu sorgen, dass so etwas nie wieder passiert.”

Frank wandte sich an die anderen zwei Männer, beide in einem etwas fortgeschrittenen Alter, aber bei Weitem nicht alt. “Wir haben über diese Sache bereits gesprochen, und wenn es irgendetwas gibt, das du brauchst, lass es uns wissen. Wir helfen dir sehr gern, bis du wieder auf dem Damm bist.”

Daniel horchte auf. Hier war die perfekte Lösung und für ihn die Möglichkeit, Lacy in guten Händen zu lassen, sich selbst aus dem Staub zu machen und nach einem langen Arbeitstag die verdiente Ruhe zu finden.

Aber er sagte stattdessen: “Das wird nicht nötig sein. Ich werde mich um sie kümmern.”

Einen Moment herrschte Stille. Daniel hatte die Worte noch im Ohr, wusste, dass er es war, der sie ausgesprochen hatte, und hätte fast den Kopf geschüttelt, um sie zu leugnen. Er wollte sich nicht um Lacy kümmern. Himmel noch mal, er mochte die Frau doch gar nicht. Er fand sie sogar augesprochen lästig! Vor allem missbilligte er ihre Lebensart und die heftige Wirkung, die Lacy auf ihn ausübte. Während er sich noch den Kopf darüber zerbrach, was er hätte sagen können, um aus der Situation wieder herauszukommen, in die er sich hineingebracht hatte, lehnte Lacy sich zurück und sah ihm forschend ins Gesicht.

Sie schien selbst erschrocken zu sein und bereit, gegen seinen Vorschlag zu protestieren, und das machte ihn nur noch wütender. Gegen jede Vernunft war er jetzt erst recht entschlossen, auf jeden Fall zu bleiben, ob sie es nun wollte oder nicht!

“Kein Wort von dir, junge Dame. Und wenn du nun genug geplaudert hast, würde ich dich gern zu deiner Wohnung bringen. Du bist zwar nicht schwer, aber auch kein Federgewicht.”

Die Männer machten ihm hastig Platz und wünschten Lacy eine gute Nacht.

Lacy grinste und streichelte mit den Fingerspitzen Daniels Nacken. Daniel überlief es heiß.

“Ich bin eine schwere Last für deinen Rücken, was?”

“Eher für meine Geduld”, sagte er leise und fügte hinzu: “Bei all dem männlichen Wirbel um deine schöne Person kann einem ja übel werden. Jetzt weiß ich auch, warum du dir gerade dieses Apartmenthaus ausgesucht hast. Wohnen hier eigentlich auch Frauen?”

Lacy hob erstaunt die Brauen. “Schöne Person? War das tatsächlich ein Kompliment, Daniel?”

Er zögerte auf der nächsten Stufe und sah auf Lacy hinunter. Ihr Lächeln war spöttisch. Ihre Fingerspitzen lagen immer noch zart in seinem Nacken.

“Ich habe es nicht ernst gemeint”, brummte er und ging weiter die Treppe hinauf. Vor ihrer Haustür fragte er: “Wo ist dein Schlüssel?”

“In meiner Umhängetasche. Einen Moment.” Sie holte ihn heraus, beugte sich vor und schloss auf. Aber sie drückte die Klinke nicht hinunter, um zu öffnen. “Ich danke dir, dass du mich nach Hause begleitet hast, Daniel. Ich weiß das zu schätzen. Wenn deine Schwester wieder einmal von deinen Tugenden zu schwärmen anfängt, werde ich wohl ein wenig zustimmen müssen – zu seltenen, außergewöhnlichen Gelegenheiten.”

Sie lächelte ihn honigsüß an, aber er blieb eisern. Was für eine anstrengende Frau, dachte Daniel. “Mach die Tür auf, Lacy.”

Sie runzelte die Stirn. “Du kannst mich jetzt absetzen. Ich bin sehr gut in der Lage, allein zu gehen.”

“Mach die Tür auf. Ich habe dich hergebracht, da kann ich genauso gut auch den letzten Schritt tun. Außerdem wirst du Hilfe brauchen.”

“Oh! Begleitest du alle deine weiblichen Patienten nach Hause und bietest ihnen deinen persönlichen Beistand an?”

Es fiel ihm schwer, aber er schaffte es, ruhig zu bleiben. Nein, er würde sich nicht von ihr provozieren lassen. “Nur denjenigen, die sich bei meiner Familie einschmeicheln. Annie würde es mir nie verzeihen, wenn ich dich jetzt dir selbst überließe. Und nun mach die Tür auf.”

“Ich möchte dich aber nicht in meiner Wohnung haben.”

Sie senkte den Blick, als sie das sagte, und sein Misstrauen wuchs. Er stellte sich schon die wildesten Dinge vor: Spiegel an der Decke, überall Sexmagazine, vielleicht sogar ein Mann oder zwei, die ihre Anweisungen erwarteten. Seine Laune wurde nicht besser, und er griff ungeduldig selbst nach der Klinke.

“Verdammt, Daniel, das ist meine Wohnung, und du bist nicht eingeladen!”

“Halt den Mund, Lacy.”

“Das ist ein Leitmotiv bei uns, was? Jedes Mal, wenn ich Vernunft in deinen Dickschädel bringen will, sagst du mir, ich soll den Mund halten.”

Er trat ein – und blieb abrupt stehen. So hatte er sich Lacy McGees Zuhause nicht vorgestellt – Lacy McGee, die große Expertin für Liebe, Sex und Partnerschaft. Es gab keinen einzigen schwarzen Gegenstand zu sehen, keine Lektüre bestimmter Art – nichts, das auf die Frau hindeutete, die er kannte.

Es sah hier eher wie im Salon einer Großmutter aus. Spitzendeckchen lagen auf fast allen antiken Möbeln, und Tiffany-Lampen schenkten dem Raum den sanften Schein bunter Farben. Das Sofa war mit einem Stoff bezogen, der ein lebhaftes Blumenmuster aufwies. Der polierte Holzfußboden wurde hier und da von handgewebten Teppichen bedeckt.

Daniel sah sich fassungslos um. Einen Augenblick vergaß er fast, dass er Lacy auf den Armen hielt. “Ich bin gerade aus dem Wirbelsturm gekommen und ins Land des Zauberers von Oz geraten.”

Lacy wand sich in seinen Armen. “Halt den Mund, Daniel, und lass mich runter.”

Langsam ließ er sie hinunter. Sein Blick ruhte nachdenklich auf ihr. Ihre Wangen waren gerötet, und sie wich seinem Blick aus. Er hielt sie vorsichtig fest, bis er sicher war, dass sie ihr Gleichgewicht nicht verlor.

Er musste Annie falsch verstanden haben. “Wohnt deine Mutter oder eine Tante mit dir zusammen, Lacy?”

“Ich habe keine Tante.”

Sie sah ihn immer noch nicht an, und das reizte ihn immer mehr. Zuerst warf sie ihm alle möglichen Zweideutigkeiten an den Kopf, und nun spielte sie die Schüchterne.

“Wer hat denn diese Wohnung eingerichtet?”

Sie schlug ihm mit ihrer kleinen Faust gegen die Schulter. “Ich, du Idiot! Und es ist nichts falsch an meiner Wohnung. Hör also auf, so zu stieren.” Lacy wandte sich ab und ging hinkend den Flur hinunter.

“Aber es ist alles so farbenfroh”, sagte er und folgte ihr.

“Na und? Ich liebe Farben.”

Sie klang ziemlich kampflustig, und er runzelte die Stirn. “Stimmt doch gar nicht. Du liebst Schwarz. Du trägst immer Schwarz. Dein Wagen ist schwarz. Sogar deine Koffer sind schwarz. Ich wette, dein Slip heute war auch schwarz, obwohl ich nicht sicher sein kann, da er mit Blut befleckt war.”

Lacy warf ihm einen vernichtenden Blick zu, bevor sie in ihr Schlafzimmer humpelte, aber der Blick verfehlte seine Wirkung. Es war Daniel klar, dass Lacy große Schmerzen hatte, denn die Betäubung ließ sicher allmählich nach. Er musste Lacy sagen, dass er ihr das Schmerzmittel besorgen würde. Als er nun hinter ihr das Schlafzimmer betrat, blieb er wie vom Donner gerührt stehen.

Nein, das konnte nicht wahr sein. Wenn das Wohnzimmer schon eine Überraschung gewesen war, so warf ihn dieser Anblick fast um.

Mindestens ein Dutzend kleiner Samtkissen in verschiedenen Pastelltönen war auf einer gestreiften Bettdecke mit altrosafarbenen Rüschen verteilt. Ein durchsichtiges hauchfeines Material, ebenfalls in Pastelltönen gehalten, diente als Gardine. Er konnte sich gut vorstellen, dass das Zimmer jeden Morgen, wenn die Sonne hereinschien, in das Licht eines zartbunten Regenbogens getaucht wurde.

Lacy war offenbar nicht besonders ordentlich. Schwarze Kleidungsstücke lagen auf den Stühlen und dem Fußende des Bettes. Und unter dem Bett lugte auch etwas hervor. Daniel bückte sich, um den schimmernden Stoff aufzuheben, und hielt ihn hoch. Ein Slip, ein winziger, schimmernder zitronengelber Slip. Er versuchte sich Lacy darin vorzustellen, und leider gelang ihm das nur allzu gut.

Lacy riss ihm den Slip mit einem wütenden Schrei aus der Hand. “So, Daniel, ich bin jetzt zu Hause. Ich werde mich umziehen und zu Bett gehen und bissige Hunde und aufdringliche Ärzte vergessen. Du kannst jetzt gehen. Deine Pflicht ist getan.”

“Du trägst zitronengelbe Unterwäsche?”

“Um Himmels willen!” Sie schien am Ende ihrer Geduld zu sein. “Was macht es dir aus, welche Farbe meine Unterwäsche hat?”

Er runzelte verwirrt die Stirn. Seine Welt stand Kopf. Er begriff gar nichts mehr. Und das war alles ihre Schuld, die kleine Hexe. Warum tat sie ihm das an? “Ich verstehe das nicht, Lacy.”

Sie stieß ungeduldig den Atem aus. “Ich kann Farben nicht gut aufeinander abstimmen. Du brauchst dich nur mal umzuschauen. Es sieht hier aus wie auf einem Rummelplatz. Aber ich liebe nun mal Farben. Alle Farben, jeden Ton, dunkel und sündig, hell und verspielt. Ich brauche Farben um mich herum. Aber ich habe einfach nicht den Dreh heraus, welche Farben zusammenpassen und welche nicht, und da ich häufig bei gesellschaftlichen Anlässen erscheinen muss, dachte ich, es ist einfacher, mich ans simple Schwarz zu halten. Auf diese Weise kann ich, wenn ich es eilig habe, mein Ensemble zusammenstellen, ohne Angst zu haben, dass ich mich lächerlich mache.”

“Du trägst Schwarz, weil du keinen Farbsinn hast? Nicht weil es dramatisch ist und dein blondes Haar und deine grünen Augen unterstreicht?”

Ein provozierendes Lächeln spielte nun um ihre Mundwinkel, und sie sah ihn unter halb gesenkten Lidern an. “Na, so etwas, Daniel. Dir sind meine Augen aufgefallen? Und mein Haar? War das etwa noch ein Kompliment?”

Er biss die Zähne zusammen. Sie grinste ihn herausfordernd an, und er fand es sicherer, das Thema zu wechseln. “Ich fahre eben mal los und hole dir deine Tabletten, während du zu Bett gehst. Und zieh bitte keinen Pyjama an.”

“Ich soll nackt schlafen?”

Er hätte sie am liebsten dafür erwürgt, dass sie dieses quälend erotische Bild vor seinem inneren Auge heraufbeschwor. “Zieh ein Nachthemd an. Aber keine Unterwäsche.”

“Ich schlafe nie in Unterwäsche.”

Der gurrende Klang ihrer Stimme sandte ihm ein heißes Prickeln über die Haut, und nur mit einiger Anstrengung hielt er seinen Blick auf ihr Gesicht gerichtet. “Brauchst du Hilfe beim Umziehen, Lacy?”

“Ich schaff es schon allein. Aber nimm den Ersatzschlüssel von der Wand in der Küche, damit du wieder hereinkommen kannst. Ich mache es mir inzwischen im Bett bequem – und warte auf dich.”

Zum Teufel mit ihr, sie amüsierte sich anscheinend köstlich. Im Grunde hätte er sie einfach allein lassen sollen. Sie verdiente ein wenig Unbehagen. Irgendwann würde ihr schon jemand die Tabletten bringen, und sie könnte sich einen Spaß daraus machen, einen anderen armen Kerl als ihn zu quälen.

Aber er konnte es nicht tun. Lacy brauchte ihn, dieses dickköpfige, aufregende kleine Ding, und er redete sich ein, dass seine Entscheidung nichts mit seiner Lust auf sie zu tun hatte. Es war nur so, dass er sich schon immer um andere gekümmert hatte. Es war ihm zur Gewohnheit geworden von dem Tag an, als seine Mutter starb und sein Vater weder seinen eigenen Kummer überwinden noch seinen Kindern bei ihrem helfen konnte. Aber jemand hatte seine kleine Schwester umarmen müssen, wenn sie nachts weinend aufwachte. Und seinen Bruder Max aufmuntern müssen, als er verschlossen und mürrisch wurde.

Annie und Max hatten ihn damals gebraucht. Sie brauchten ihn immer noch. Sie suchten seinen Rat, fast als ob er ihr Vater wäre. Er wusste, dass sie Lacy sehr gern mochten, und so war es seine Pflicht, dafür zu sorgen, dass Lacy es so behaglich wie möglich hatte.

Die Rechtfertigung klang selbst in seinen Ohren ziemlich an den Haaren herbeigezogen, aber er hatte nicht vor, seine eigentlichen Motive zu ergründen. Das konnte ihm nichts Gutes einbringen.

Nach einem letzten Blick auf Lacys Schlafzimmer eilte Daniel, von den widersprüchlichsten Gefühlen geplagt, hinaus.

“Ich habe extra ein altes schwarzes T-Shirt herausgekramt, um dich nicht schon wieder zu enttäuschen.”

Lacy wartete auf eine Antwort, aber Daniel nickte nur. Er war abwesend und fast argwöhnisch, seit er vor einigen Minuten zurückgekehrt war. Seine Wangen waren gerötet von der Kälte, und sein dunkles Haar war zerzaust vom Wind. Er nahm die Brille ab und putzte mit dem Ärmel die Schneeflocken ab. Lacy mochte seine hellbraunen Augen mit den dichten Wimpern. Sie konnten so intensiv schauen, so ernst. Er setzte die Brille wieder auf die Nase und ging in die Küche, um ein Glas Wasser zu holen.

Lacy hatte die Bettdecke bis zum Hals hochgezogen. Sie lag auf dem Rücken mit einem Kissen unter der Verletzung. Daniels Gegenwart machte sie verlegen und unsicher. Doch als er sich nun herabbeugte und ihr die Tablette und das Wasser reichte, sah er sie so starr an, dass es sie ärgerte. Er benahm sich immer so, als ob er erwartete, sie könnte ihn jeden Augenblick sexuell anmachen – und als ob er das entsetzlich finden würde, dieser Widerling!

Obwohl sie Schmerzen litt, brachte sie ein kleines, verführerisches Lächeln zustande. Langsam ließ sie die Fingerspitzen über seine Handfläche streichen, als sie die Pille entgegennahm, und statt ihm das Glas Wasser abzunehmen, umfasste sie sein Handgelenk, sodass er gezwungen war, ihr das Glas an die Lippen zu halten.

Sein Blick blieb an ihrem Mund hängen, seine Nasenflügel bebten leicht. Elender Heuchler! Er mochte ja ihren angeblichen Mangel an Moral verachten, aber trotz allem ging seine Fantasie offensichtlich mit ihm durch. Es waren Männer wie er, die ihre Arbeit als Beraterin in Partnerschaftsfragen so nötig machten. Ihre antiquierten Ansichten über das, was für eine Frau richtig war, brachten sie auf die Palme. Mindestens die Hälfte aller Anrufe in ihrer Radiosendung bezeugten die Doppelmoral der Männer, die den Frauen nicht die gleichen sexuellen Freiheiten zustanden, die sie sich selbst herausnahmen.

Sie sah ihm tief in die Augen und lächelte. “Danke, Daniel.”

“Keine Ursache.”

Er klang ziemlich heiser, und sie musste sich zusammenreißen, um nicht zufrieden aufzulachen. “Mir ist vorher nie aufgefallen, was für große Hände du hast.” Sie gab vor, seine Hände zu betrachten – und stellte fest, dass er tatsächlich große Hände hatte. Seine Finger waren lang und kräftig. Es waren die fähigen Hände eines Arztes. Sie erschauerte unwillkürlich.

“Ist dir kalt?” Daniel trat ein wenig von ihr zurück, während er sprach. “Ich kann dir noch eine Decke holen.”

“Nein, nein, nicht nötig, danke. Wird die Tablette mich müde machen?”

“Wahrscheinlich.” Er sah sich noch einmal in ihrem Schlafzimmer um und schüttelte leicht den Kopf.

Seine Missbilligung war nur allzu deutlich. Ihrer Meinung nach gab es zwei Sorten von Männern. Jene, die ihre Fähigkeiten als “Sex-Expertin” ausnutzen wollten, und jene, die sie gerade deswegen verachteten. Ihre Mutter hatte ein ähnliches Problem mit Männern, mit denen, die sie wegen ihres Geldes wollten, und mit denen, die glaubten, Klasse könnte sie sich mit ihrem Geld nicht kaufen. Trotzdem hörte ihre Mutter nicht auf, ihr Glück zu versuchen. Sie, Lacy, hatte nicht die Absicht, den gleichen Fehler zu begehen.

Deshalb provozierte sie Daniels Verachtung geradezu. Sie benutzte sie als Abwehr gegen ihn, und Annie unterstützte sie dabei und ließ es zu, dass ihre Freundin sich in einem falschen Licht zeigte, solange sie nicht gezwungen war, ihren Bruder anzulügen. Aber da Daniel sich nie die Mühe machte nachzufragen, war es ihr ein Leichtes, ihn seinen lächerlichen Vorstellungen zu überlassen. Daniel würde sie, Lacy, nie wirklich akzeptieren und das machte sie ein wenig traurig, weil sie Annie sehr gern hatte. Annie war die beste Freundin, die sie jemals gehabt hatte. Auch Max war sehr nett, wenn man sich erst einmal an seinen völligen Mangel an Umgangsformen gewöhnt hatte. Er liebte es, Menschen ein wenig vor den Kopf zu stoßen, besonders seinen älteren Bruder, was sie in diesem Fall mochte. Darin waren Max und sie sich ähnlich.

Aber Daniel und sie ... Er war immer noch dabei, sich mit verwirrtem Ausdruck in ihrem Schlafzimmer umzusehen.

“Weitere Slips habe ich nicht herumliegen lassen, falls du danach suchst.”

Er drehte sich um. “Wie bitte?”

“Wenn du wirklich so neugierig bist, ich bewahre meine Unterwäsche in der dritten Schublade der Kommode auf.” Sie wies vage in die Richtung. “Bedien dich.”

Tiefe Röte überzog sein Gesicht, und er hob verärgert die Brauen. “Du besitzt keine Spur von Anstand, was?”

“Ich?” Sie hatte zwar ihr Ziel erreicht, aber jetzt wurde sie wütend. “Du bist es doch, der hier gafft! Du hast dir gewaltsam Zugang zu meiner Wohnung verschafft, meine Unterwäsche aufgehoben und beäugst hier alles, als ob du Sherlock Holmes wärst, der verräterische Indizien für mein schmutziges Liebesleben sucht.”

Ihr Wutausbruch schien ihn zu erstaunen, aber sie war nicht weniger erstaunt. Gewöhnlich war sie ausgeglichen und erhob fast nie die Stimme. Daniel brachte jedoch immer das Schlimmste in ihr hervor.

Sie seufzte tief auf. “Tut mir leid.”

Daniel schüttelte den Kopf. “Nein, es war mein Fehler. Ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen, und ich hatte ganz bestimmt nicht vor zu gaffen. Ich hätte nur nie erwartet ...”

“Ich weiß. Du dachtest, ich mag keine Farben.”

Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben ihr Bett. “Deine Wohnung gefällt mir, Lacy. Sie ist sehr hübsch.”

“Und bunt.”

Er lachte. “Das schon, aber auf sehr nette Weise.”

Sie sah ihn überrascht an. Es war das erste Mal, dass er mit ihr zusammen gelacht hatte. “Mir gefällt dein Lachen, Daniel. Du solltest öfter lachen. Annie versichert mir immer, dass du ein fröhlicher Typ bist, aber in meiner Nähe bist du immer so ernst und bedächtig.”

Zuerst schien er sich verteidigen zu wollen, doch dann seufzte er. “Ich nehme an, ich bin wirklich manchmal etwas zu ernst. Aber so ist das bei einem Arzt, besonders in der Notaufnahme. Da kann man es sich nicht leisten, das Leben auf die leichte Schulter zu nehmen.”

Sie dachte an Daniels Leben. Er hatte keine einfache Kindheit gehabt. Seine Mutter war früh gestorben. Annie sagte, damals habe er beschlossen, Arzt zu werden. Er war zwölf Jahre alt gewesen, als er sich schwor zu lernen, die Qualen der Menschen zu lindern. Vielleicht hatte ihn das zu einem so ernsthaften Mann werden lassen.

Impulsiv beugte sie sich vor und nahm Daniels warme große Hand in ihre. “Ich mach es dir nicht leicht, was?”

Er blickte nachdenklich auf ihre Hände hinunter. “Es gefällt dir, mich zu ärgern, glaube ich.”

“Nein, ich liebe es, dich zu ärgern.” Sie lachte leise. Die Tablette machte sie ein wenig schläfrig, und sie fühlte sich etwas zu entspannt. “Du lässt dich so einfach provozieren.”

“Du liebst also Farben und quälst mich gern. Was liebst du sonst noch, Lacy?”

Sie hatte das Gefühl, dass er sich zum ersten Mal tatsächlich Mühe gab, sie zu verstehen. Dennoch zögerte sie, sich ihm mitzuteilen, obwohl sie das Missverständnis zwischen ihnen gern aus der Welt schaffen wollte. Aber sie wagte es nicht. Was immer sie ihm sagen würde, sie und er würden die Dinge niemals mit den gleichen Augen sehen. Daniel und sie waren zu unterschiedlich.

Es war besser, die Atmosphäre unbeschwert zu lassen. Daniel würde sie immer missbilligen, und sie konnte sich keinem Mann anvertrauen, der sie nicht verstand. Also meinte sie achselzuckend: “Ich liebe kleine Kinder, ihre Ehrlichkeit, ihr Lachen und ihre rosigen Pausbäckchen. Und ich liebe Werbespots. Sie sind viel besser als manches andere im Fernsehprogramm.”

“Babybäckchen und Werbung, was?”

Sie hörte die Belustigung in seiner Stimme und lächelte. “Ich liebe den Sonnenschein und das Meer, aber auch die Reinheit des Schnees. Ich liebe es, mich mit Menschen zu unterhalten und ihnen manchmal helfen zu können. Ich liebe dicke Wollsocken, die an kalten Tagen meine Füße warm halten, und frische Laken und kühle Frühlingsbrisen. Und vor allem liebe ich Weihnachtslieder.”

Daniel nahm nun ihre Hand in seine und sah ihr seltsam beunruhigt ins Gesicht. “Ich mag Weihnachtslieder auch. Meine Mutter fing schon Mitte Oktober an, sie zu singen, und hörte erst nach Neujahr damit auf. Ich besitze eine riesige Sammlung von Weihnachtsmusik.”

“Singst du manchmal mit?”

“Wenn niemand da ist, der sich durch meine Stimme belästigt fühlt.”

“Ich auch. Aus voller Kehle.”

Er streichelte mit dem Daumen ihre Fingerknöchel und sagte leise: “Du hast keinen Weihnachtsbaum.”

Sofort entzog sie ihm ihre Hand und zog geflissentlich die Bettdecke glatt. Das Gespräch drohte zu persönlich zu werden. Draußen war es dunkel geworden, und nur ein wenig Mondschein drang durch das Fenster ins Zimmer. Stille umgab sie, und die Situation wurde ihr viel zu intim.

Ohne ihn anzusehen, sagte sie: “Ein Baum macht einfach zu viel Umstände nur für eine Person.” Hoffentlich klang sie gelassen und nicht wehleidig. Weihnachten war eine ziemlich harte Zeit für einen Menschen, der allein lebte, aber sie wollte nicht, dass Daniel das merkte.

“Lädst du niemals jemanden ein zu Weihnachten? Kommt kein Verwandter zu Besuch?”

“Meine Mutter lebt in Florida, und sie reist in den Weihnachtsferien herum, um all ihre ... Freunde zu besuchen.” Diese Wahrheit tat sehr weh, und Lacy schloss die Augen, um ihre Gefühle vor Daniel zu verbergen.

Trotzdem hörte sie sich flüstern: “Ich weiß, du wirst mir nicht glauben, aber ich habe nicht sehr oft Gäste. Mir liegt nicht sehr viel an Partys.”

Daniel erwiderte nichts, und schließlich sah sie ihn an, wenn es ihr auch schwerfiel, die Lider offen zu halten, weil die Tablette sie immer benommener machte. Statt Ungläubigkeit lag Verwirrung in seinem Blick.

“Daniel?” Sein Name kam nur undeutlich über ihre Lippen, und sie runzelte die Stirn.

Er beugte sich vor und strich ihr eine Locke aus dem Gesicht. Diese leichte Berührung brachte ihren Puls zum Rasen. Sie spürte ein Pochen hinter den Schläfen, und ihr Magen zog sich nervös zusammen.

Eine simple Reaktion auf die Tablette, sagte sie sich. Sie hatte noch nie gut auf Medikamente angesprochen.

“Schlaf jetzt, Lacy. Alles wird gut werden.”

Sie verstand nicht ganz, was er damit sagen wollte, aber ihre Aufnahmefähigkeit ließ von Sekunde zu Sekunde nach. Die Augen fielen ihr zu, und ihr Körper schien immer schwerer zu werden und in der Matratze zu versinken.

Wie aus weiter Ferne hörte sie Daniel sagen: “Wenn du etwas brauchst, ich werde hier sein.”

“Hier?”

“Ich bleibe über Nacht, Lacy.” Er streichelte ihr kurz die Wange. “Ich möchte dich nicht allein lassen.”

Sie versuchte die Augen zu öffnen, aber es gelang ihr nicht. Sie wollte ihn nicht die ganze Nacht in ihrer Wohnung haben. Sie wollte ihm nichts schuldig sein. Und vor allem wollte sie ihm nicht so ausgeliefert sein. Er könnte sie beobachten, während sie schlief, ihre Wohnung durchstöbern, ohne dass sie etwas dagegen tun könnte. Aber jetzt war es zu spät.

Sie schlief mit seinem Versprechen im Ohr ein. Seine große warme Hand hatte sich wieder um ihre gelegt. Und seltsamerweise tröstete es sie, dass Daniel da war.

3. KAPITEL

Es war keine besonders erholsame Nacht gewesen, trotz der Schmerztablette. Aber Daniel hatte sein Bestes getan, um Lacy Erleichterung zu verschaffen. Und vielleicht war genau das das Problem für Lacy: Daniel.

Sie hatte sich nur ein wenig bewegen müssen, und schon war Daniel an ihrer Seite gewesen und hatte ihr mit beruhigender Stimme gut zugeredet. Dieser Mann war so anders als der Daniel, den sie kannte. So verführerisch.

Das Gehen war am Morgen eine wahre Herkulesarbeit für Lacy. Sogar der Rücken und die Hüfte taten ihr weh. Sie zog einen rosa Morgenmantel an, der ihr schwarzes T-Shirt vollkommen verbarg, und fragte sich, ob die Farbe oder die Rüschen Daniel reizen würden. Immerhin schien es ihm etwas zu bedeuten, sie sozusagen in Farbe zu sehen.

Sie zuckte die Achseln und zog entschlossen den Gürtel fester zu. Nachdem sie die Zähne geputzt und sich gewaschen hatte, machte sie sich behutsam auf den Weg in die Küche, um Kaffee zu kochen.

Als sie am Wohnzimmer vorbeikam, hörte sie leises Schnarchen und blieb abrupt stehen. Noch nie hatte ein Mann in ihrer Wohnung geschlafen. Es war ein seltsames Gefühl, zu wissen, dass Daniel jetzt auf ihrer Couch lag – ein Gefühl, das sie nicht analysieren konnte. Jedenfalls nicht so früh am Morgen, ohne eine Tasse Kaffee im Magen und nach so wenig Schlaf.

Langsam ging sie weiter und folgte dem leisen Schnarchen, bis sie neben der Couch stand. Daniel, für den das Möbelstück viel zu kurz war, lag auf dem Rücken, ohne Hemd und ohne Gürtel, mit aufgeknöpftem Hosenbund. Seine nackten Füße hingen über das eine Ende der Couch. Sein Gesicht war ihr zugewandt, die Lippen waren leicht geöffnet, sein zerzaustes braunes Haar hing ihm in die Stirn. Ein leichter Bartschatten bedeckte sein Gesicht, und die dichten Wimpern berühren seine hohen Wangenknochen.

Lacy vergaß ihre Schmerzen. Sie vergaß ihren Kaffee.

Daniels Brust war mit feinen hellbraunen Härchen bedeckt. Seine Schultern waren breit und muskulös. Ein Arm lag hinter seinem Kopf, und sie konnte den harten Bizeps sehen.

Aber sie hatte ja schon vorher gewusst, dass Daniel stark war, zumindest auf die Art, die am wichtigsten war. Er hatte sich um seine Familie gekümmert, als niemand sonst es gekonnt hatte, und kümmerte sich auch jetzt noch um sie. Er wurde im Krankenhaus auf seine sichere, selbstbewusste Art tagtäglich mit Krisen fertig. Er besaß Überzeugungskraft und Entschlossenheit. Sie bewunderte ihn dafür, obwohl sie es nicht wollte.

Auch sein Anblick hätte sie jetzt nicht so erregen dürfen. Ihr Herz hätte nicht so heftig schlagen und ihr Magen nicht vor Aufregung flattern dürfen. Sie blickte von seiner Brust zu seinem flachen Bauch. Am offenen Bund seiner Hose konnte sie eine dünne Linie schwarzen Haars sehen, den Gummizug eines weißen Slips und darunter ... Sie atmete tief durch.

“Guten Morgen.”

Erschrocken blickte sie auf. Daniel war aufgewacht und musterte sie äußerst eindringlich.

Verlegen sah sie an ihm vorbei zur Küche. “Ich wollte gerade Kaffee machen.”

Er bewegte sich nicht. Seine Stimme klang amüsiert. “Du hast mich angesehen.”

“Du schnarchst.”

Er lachte und streckte sich wie eine große, lässige Wildkatze, und gegen ihren Willen wanderte ihr Blick wieder über seinen Körper. Hastig riss sie sich zusammen und sah Daniel ins Gesicht. Sie mochte seine Brille, aber ohne sie sah er weicher aus, nicht so streng. Und das machte sie richtig nervös.

Daniel setzte sich auf, und ihr fiel das Spiel seiner Brust- und Schultermuskeln auf. Er gähnte ausgiebig, und dann grinste er sie an, was keineswegs seiner üblichen abweisenden Art entsprach. “Diese Couch eignet sich nicht zum Schlafen.”

“Vielleicht, weil sie nie zum Schlafen gedacht war.”

“Nach gestern Nacht kann ich verstehen, warum nicht.” Er stand auf, und da sie nicht zurücktrat, standen sie plötzlich sehr dicht voreinander. Er streckte die Hand aus und strich ihr eine Strähne hinters Ohr und streichelte ihr die Wange. “Hast du ein wenig Schlaf finden können?”

Sie nahm seinen Duft wahr, einen herben männlichen Duft, der wundervoll und verlockend war. Warum war Daniel auf einmal so nett zu ihr? Gehörte es noch zu seiner Arztrolle? Aus irgendeinem Grund glaubte sie das nicht.

“Ich habe gut geschlafen.” Ihre Stimme klang plötzlich etwas heiser.

“Lügnerin, und du hättest eigentlich gar nicht aus dem Bett steigen dürfen. Du hättest mich wecken müssen, wenn du Kaffee haben willst. Deswegen bin ich doch hier.” Er legte ihr die Hände auf die Schultern und drückte sie sanft zur Couch hinunter. “Leg dich hin.”

Sie wollte protestieren, aber er hielt sie fest. In ihrem ganzen Leben hatte sie nicht erlebt, dass sie zu stammeln anfing. “Daniel ...”

“Wie trinkst du deinen Kaffee?” Er hob ihre Beine behutsam auf die Couch und bettete die Kissen so, dass sie bequem liegen konnte. “Ich hoffe, stark. Ich brauche dringend etwas Koffein.”

Sie auch. Die verflixte Couch war noch warm von seinem Körper, und sein Duft verwirrte sie und weckte die seltsamsten Gefühle in ihr. Das Bedürfnis, Daniel die Arme um den Nacken zu legen und ihn zu sich herunterzuziehen, war so stark, dass sie sich in eine sarkastische Bemerkung flüchtete. “Ich bin keine Invalidin, und du bist nicht meine Großtante, also kannst du damit aufhören, mich so zu verhätscheln. Es geht mir gut.”

Seufzend fuhr er sich mit den Fingern durchs Haar. “Es geht dir nicht gut. Ich will, dass du es langsam angehst – sehr langsam. Und zwar für mindestens achtundvierzig Stunden. Danach sehen wir weiter.”

“Du kannst ja vielleicht Annie und Max herumkommandieren, aber du bist nicht mein Bruder.”

“Nein, weder deine Großtante noch dein Bruder.” Er berührte spielerisch ihre Nasenspitze, aber ohne zu lächeln. Sein Blick war intensiv und beunruhigend. “Glaub mir, ich habe nie brüderliche Gefühle für dich gehegt.”

Damit drehte er ihr den Rücken zu und ging in die Küche. Sie hörte das Wasser laufen und das Auf- und Zuklappen der Schranktüren. Seufzend ließ sie den Kopf ins Kissen sinken und starrte an die Decke. Wie seltsam es doch war, dass Daniel Sawyers in ihrer Küche war. Es war nicht nur seltsam, es war unvorstellbar und lächerlich. Vielleicht bildete sie sich das Ganze überhaupt nur ein.

“Ich gehe kurz unter die Dusche. Bleib ruhig da liegen. Ich bin fertig, bevor der Kaffee durchgelaufen ist.”

Sie schluckte erregt. Daniel in ihrer Dusche? Nackt? Sie würde nie wieder ihre Dusche benutzen können, ohne sich dabei die unanständigsten Dinge vorzustellen. Wie unfair von ihm, sich so in ihre Gedanken zu drängen und in ihrer Wohnung das Kommando zu übernehmen.

Sie war es gewohnt, für sich selbst zu sorgen, und wollte Daniel nicht erlauben, dass er ihr sagte, was sie zu tun und zu lassen hätte. Sie wartete, bis sie die Dusche rauschen hörte, und humpelte in die Küche. Schmerzen hin, Schmerzen her, Daniel sollte sich nicht um sie kümmern, sie wollte ihm nichts schulden. Wer konnte sagen, wann er diese Schwäche gegen sie benutzen würde?

Sie holte ein paar Zimtrollen aus dem Kühlschrank und legte sie in den Backofen. Der Kaffee war fast fertig, also holte sie zwei große Becher, Löffel, Zucker und Milch heraus.

“Was, zum Teufel, machst du da?”

Erschrocken zuckte sie zusammen, ließ beinahe die Servietten fallen und stieß so heftig mit dem Bein gegen den Tisch, dass sie vor Schmerz das Gesicht verzog. Daniel stand stirnrunzelnd in der Tür, das Haar nass und nach hinten gekämmt und die Brust noch feucht. Aus irgendeinem blödsinnigen Grund fühlte sie sich fast schuldbewusst. Die Situation erschien ihr vollkommen unwirklich. Kein Mann hatte je halb nackt in ihrer Küche gestanden, aber sie hätte sich jeden anderen Mann eher vorstellen können als Daniel.

Schnell kam er auf sie zu und legte ihr einen Arm um die Taille. Die Wärme seiner nackten Brust machte sie nur noch nervöser.

“Soll ich dich tragen?”

Er sollte weggehen, damit sie sich nicht noch lächerlich machte. “Nein. Fass mich nicht an.”

Er lachte. “So viel Schüchternheit von Lacy, der Sex-Expertin? Lacy, der Hemmungslosen?”

Feindselig sah sie ihn an. “Und so viel Fürsorge von Daniel, dem Eiszapfen? Daniel, dem Miesepeter?”

Sie glaubte, so etwas wie Bedauern in seinen Augen gelesen zu haben, bevor seine Miene wieder undurchdringlich wurde.

Wortlos standen sie da und musterten sich gegenseitig, dann seufzte Daniel. “Ich verstehe, wie du dich fühlst, Lacy. Wirklich. Ich weiß, dass du mich verabscheust. Aber du hast jetzt keine andere Wahl. Erstens bin ich dein Arzt, und ich sage dir, dass du auf dich achtgeben musst. Und das bedeutet, dass du im Bett bleibst und so wenig Druck auf deine Wunden ausübst wie möglich. Zweitens bist du die Freundin meiner kleinen Schwester, und das kann ich nicht ignorieren. Annie würde einen Anfall bekommen, wenn ich dich jetzt allein ließe. Und drittens, wir sind beide erwachsene Menschen. Sicher kannst du dich auch wie einer benehmen.”

Einige beißende Erwiderungen lagen Lacy auf der Zunge. Sie öffnete schon den Mund, um Daniel mit ihrer Verachtung zu treffen und den Worten, die sie für abscheuliche Männer wie ihn reserviert hatte, und hörte sich dann sagen: “Ich verabscheue dich nicht.”

Er blinzelte überrascht, und sie konnte sich vorstellen, dass sie genauso überrascht aussah wie er.

Daniel erholte sich als Erster von seiner Verblüffung. “Dann, dann ...”

“Ich habe Dinge zu erledigen, Daniel.” In diesem Moment schien Flucht die einzige Rettung zu sein. “Ich muss meine Post lesen und beantworten, eine Sendung vorbereiten. Ich habe Verabredungen.”

“Du kannst nicht ausgehen. Nein, Lacy, werd nicht wieder bockig. Als Arzt muss ich dir befehlen, dich zu schonen. Außerdem friert es draußen. Wenn du ausrutscht und hinfällst, reißen die Nähte. Was deine Post angeht, bringe ich sie dir ans Bett. Ich habe einen Laptop, den du benutzen kannst, wenn du willst.”

Sie zögerte, und er verlor die Geduld. “Verdammt, sei kein Dummkopf! Deine Gesundheit steht auf dem Spiel.”

“Ich muss Anrufe erledigen, meine Wäsche in die Waschmaschine werfen ...”

“Das werde ich tun.”

Sie musste lachen, hielt sich prustend die Hand vor den Mund und sah ihn amüsiert an. “Wie bitte?”

Er räusperte sich verlegen. “Ich habe heute meinen freien Tag. Ich fahre nur rasch nach Hause und wechsle meine Sachen, hole meinen Laptop, besorge deine Post und uns beiden etwas zum Essen. Während du deine Anrufe erledigst, kann ich die Wäsche in die Waschmaschine werfen.”

Sie wedelte sich mit der Hand Luft zu, als ob sie Angst hätte, ohnmächtig zu werden. “Ich glaube, ich muss mich hinsetzen.”

“Hinsetzen ist nicht erlaubt. Komm her, und zuck nicht immer so vor mir zurück. Stell dir einfach vor, ich sei einer deiner Fans.” Er zögerte. “Oder einer deiner Liebhaber.”

“Ha! So fantasiereich bin ich nicht.” Sie fügte nicht hinzu, dass es ihr nicht möglich war, sich überhaupt den richtigen Liebhaber für sich vorzustellen.

Daniel lachte. “Ich weiß. Das übersteigt jede Vorstellungskraft, nicht wahr?” Er nahm ihren Arm und führte sie wieder zur Couch. “Leg dich hin, und diesmal bleib liegen.”

“Ich bin kein ungehorsames Haustier.”

“Kein Haustier würde es wagen, dermaßen ungehorsam zu sein. So, ich hole dir noch ein paar Kissen, und wenn du etwas brauchst, dann bitte mich gefälligst darum.”

Ihr wirbelte der Kopf. Sie versuchte sich zu erklären, warum Daniel das alles für sie tat, warum er freiwillig seinen freien Tag damit zubrachte, bei ihr zu sein und ihr auf die Nerven zu gehen. Aber kein logischer Grund kam ihr in den Sinn.

Daniel brachte zwei gelbe Kissen und legte sie unter ihren Kopf und ihr Bein. “Wie ist das? Bequem?”

Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen, sondern nickte nur. In ihrem ganzen Leben hatte man sie noch nie so sehr verwöhnt. Das Gefühl war beunruhigend, um es milde auszudrücken. “Danke.”

“Lacy?”

Sie hob den Kopf. Daniel war immer noch über sie gebeugt, eine Hand auf der Couch, die andere auf dem Kissen, und sie sahen sich wortlos in die Augen. Sekundenlang rührten sie sich nicht, dann beugte Daniel sich langsam, kaum merkbar tiefer. Sein Blick glitt zu ihrem Mund. Sie öffnete unwillkürlich die Lippen, um tief Luft zu holen, und in diesem Moment riss die Wirklichkeit sie aus ihrem Traum heraus.

“Es riecht so komisch.”

Daniel hob die Augenbrauen. “Hm?”

Oh, diese wundervoll aufregende, tiefe Stimme, und sie erkannte jetzt, wie gefährlich die Situation geworden war. Irgendwie war ihre gegenseitige Abneigung in einer einzigen Nacht zu etwas ganz anderem geworden, etwas, das sie nie für sich in Betracht gezogen hatte. Etwas, das aber schon die ganze Zeit zwischen ihnen bestanden haben musste.

Sie räusperte sich. “Ich habe Zimtrollen in den Backofen gelegt. Sie brennen an.”

Daniel richtete sich abrupt auf.

Lacy konnte noch immer nicht den Blick von ihm nehmen. Sie hatte das Gefühl, nicht mehr richtig atmen zu können. Obwohl ihr die bedenklichen Folgen klar waren, konnte sie es nicht länger leugnen. So wenig sie auch zusammenpassten, sosehr er ihr auch auf die Nerven ging und sosehr es ihr auch Spaß machte, ihn zu reizen, die Wahrheit war, dass sie Daniel Sawyers begehrte.

Diese neue Erkenntnis nahm sie derartig mit, dass sie es kaum mitbekam, als Daniel hinausging, um die Zimtrollen zu retten. Er fragte mit leicht rauer Stimme, wie sie ihren Kaffee trank, und sie antwortete ihm so gelassen sie konnte. Er brachte ihr ihre Tasse zusammen mit einer Schnecke, und sie aßen gemeinsam in unbehaglichem Schweigen.

Der intime Augenblick von eben war vorüber, und Vernunft und ein Anflug von Panik beherrschten Lacy nun. Sie nippte an ihrem heißen Kaffee und erinnerte sich an all die Beziehungen, die auf der wackeligen Basis körperlicher Lust entstanden waren. Viele davon waren Beziehungen ihrer glücklosen Mutter. Und sie dachte an Daniels nicht sehr schmeichelhafte Meinung über sie selbst.

Und trotzdem begehrte sie ihn.

“Du hast wieder Schmerzen, nicht wahr?”

Sie zuckte mit den Achseln. “Ein bisschen.” In Wirklichkeit mehr als nur ein bisschen. Der dumpfe, pochende Schmerz hatte sich so verschlimmert, dass sie kaum wagte, sich zu bewegen.

“Du brauchst noch eine Schmerztablette.”

Sie hasste es, zugeben zu müssen, dass er recht hatte, aber es lag ihr auch nicht viel an der Rolle einer Märtyrerin.

Daniel hielt sie auf, als sie sich aufrichten wollte. “Ich hole sie, und dann muss ich los. Versprich mir, dass du brav bist, bis ich wiederkomme.”

Er hatte also tatsächlich vor, die aufregenden Momente von vorhin einfach zu ignorieren? Nun, sie hatte nichts anderes erwartet. “Und du bist sicher, es macht dir nichts aus?”

“Ich glaube, ich habe meine Meinung klargemacht.”

“In Ordnung. Wie du willst. Es kommt nicht oft vor, dass man wie eine Königin behandelt wird. Vielleicht finde ich sogar eine kleine Klingel, mit der ich nach dir läuten kann, wenn ich dich brauche. Ich werde einfach so tun, als ob du mein Sklave wärst, der meine Befehle erwartet. Was meinst du?”

“Ich meine, du treibst es zu weit.”

Sie lachte. “Ich mache nur Spaß. Ich werde eine brave Königin sein und mich hier ausruhen, während ich meine Anrufe tätige. Das sollte mich wenigstens eine Stunde beschäftigen.”

Er brachte ihr das Telefon, ihr Adressbuch, einen Kugelschreiber und Papier. Sie konnte nur staunen. Schließlich zog er sein Hemd an, und fasziniert beobachtete sie ihn bei dieser Prozedur. Männer taten gewisse Dinge anders als Frauen, sie bewegten sich anders, atmeten sogar anders. Sie wünschte, sie könnte ihm auch dabei zusehen, wie er sich rasierte, obwohl er sehr gut aussah mit dem leichten Bartschatten auf Wangen und Kinn.

“Was möchtest du gern essen? Ich kann uns auf dem Weg etwas besorgen.”

“Mexikanisches Essen. Etwas Scharfes, Pikantes mit viel Sauce.”

Daniel lachte. “Das zumindest überrascht mich nicht. Irgendwie wusste ich, dass du der pikante Typ Frau bist.” Als sie ihn stirnrunzelnd ansah, grinste er amüsiert. “Nimm’s nicht übel, Lacy. Es war nur ein Scherz.”

“Und was ist mit dir? Was wirst du essen?”

“Mexikanisch klingt gut.”

“Aha! Wenn das nicht eine Überraschung ist! Ich habe dich nämlich ganz bestimmt nie für den pikanten Typ Mann gehalten.”

Daniel schlüpfte gerade in seinen Mantel. Auf dem Weg zur Tür blieb er stehen und warf ihr einen Blick über die Schulter zu. “Irgendwann werde ich dich vielleicht doch noch überraschen.”

Lacy sah ihm sprachlos nach.

“Alles hängt von dir ab, Renee. Wenn es dir gefällt, dass er die dominante Rolle übernimmt, ist alles in Ordnung.”

Autor