Sinnliche Küsse vor dem Sturm

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Als Debbie aus dem Urlaub abreisen will, verhaftet man sie als Juwelendiebin! Dahinter steckt ihre Jugendliebe Gabe Vaughn. Großzügig bietet er Debbie an, sie freizulassen. Um ihr dann in heißen Nächten zu beweisen, dass sie seinen Heiratsantrag damals hätte annehmen sollen?


  • Erscheinungstag 29.10.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783751504140
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Du lieber Himmel, ich bin tatsächlich im Gefängnis gelandet!“ Debbie Harris umklammerte die Gitterstäbe ihrer Zelle und rüttelte daran. Das rasselnde Geräusch hallte in dem kahlen Raum wider. Es war schrecklich frustrierend. „Man hält mich für eine Kriminelle. Ich werde vorbestraft sein.“

Erschöpft lehnte Debbie die Stirn gegen die kühlen Stäbe, während Angst ihr die Kehle zuschnürte.

Okay, Debbie, ermahnte sie sich, reiß dich zusammen. Das ist ein Missverständnis, das sich ganz schnell aufklären wird. Und so schlimm ist es hier ja nun auch wieder nicht.

Genau genommen war es fast heimelig in ihrer Zelle. Die weiß getünchten Wände waren makellos sauber, und auf dem Bett lag eine rot-weiß gestreifte Tagesdecke. An einer Wand standen Tisch und Stuhl, und versteckt hinter einer Trennwand befanden sich eine Toilette und ein Waschbecken. Die Zelle neben ihrer war leer, und zwischen ihr und dem Büro, wo der Aufseher saß, war eine geschlossene Tür.

Grimmig, weil sie kaum etwas anderes tun konnte, sah Debbie zu ebendieser Tür. Der Mann, der sie hier eingesperrt hatte, war sehr höflich gewesen, allerdings auch völlig desinteressiert an dem, was sie zu sagen hatte. Er hatte einfach ihre Zelle verriegelt und Debbie allein gelassen mit ihrer Verwunderung darüber, wie zum Teufel das alles hatte passieren können.

Hinter dem vergitterten Fenster erstreckte sich der tropische Himmel in strahlendem Blau, und die hellen Sonnenstrahlen zeichneten Streifenmuster auf den roten Betonboden. Einen Moment lang schloss Debbie die Augen und dachte daran, wie es zu ihrem unfreiwilligen Gefängnisaufenthalt gekommen war.

Nach fast vier Wochen Urlaub in der luxuriösen Ferienanlage Fantasies hatte Debbie ihre Koffer gepackt und war zu dem winzigen Flughafen dieser Privatinsel gefahren. Sie wollte zurück nach Hause ins kalifornische Long Beach fliegen. Wo ich vielleicht lieber hätte bleiben sollen, dachte sie jetzt.

Gemeinsam mit all den anderen Gästen, die an diesem Morgen Fantasies verlassen wollten, hatte sie sich durch die Sicherheitsschleuse begeben. Selbst auf dieser kleinen Insel war die Schlange lang gewesen, da die Koffer durchsucht wurden, während deren Besitzer durch einen Metalldetektor gehen mussten.

Schließlich war sie zur Zollabfertigung gekommen, und dort hatte das Schicksal seinen Lauf genommen. Während der Beamte ihren Pass prüfte, registrierte Debbie, dass sich seine freundliche Miene plötzlich veränderte und er sie auf einmal mit einem kühlen Blick musterte. Er sah sie an, kontrollierte noch einmal ihren Namen und runzelte die Stirn.

Es war interessant, dass Debbie, obwohl sie genau wusste, dass sie nichts verbrochen hatte, sich plötzlich vorkam wie eine Diamantenschmugglerin. Sie bekam ein schlechtes Gewissen und begann sich Sorgen zu machen. Und als der Zollbeamte einem uniformierten Polizisten bedeutete, dass er Debbie zur Seite nehmen sollte, verspürte sie zunehmend Angst.

„Was ist los?“ Sie sah den Polizisten an, der sie mit festem Griff aus der Schlange der Wartenden beförderte, um sie zu befragen. „Gibt es ein Problem? Können Sie mir sagen, was das alles soll?“

Er antwortete nicht, sondern zog sie erst einmal von den anderen Fluggästen weg, die vermutlich annahmen, sie sei eine Terroristin.

„Sie sind Deborah Harris?“ Die Stimme des Beamten war ruhig, aber streng.

„Ja.“

„Amerikanische Staatsbürgerin?“

„Ja.“ Debbie vermied es, irgendjemanden anzuschauen, doch sie spürte die neugierigen Blicke auf sich. Entschlossen hob sie ihr Kinn, straffte die Schultern und sah den Zollbeamten direkt an, während sie versuchte, empört und gleichzeitig würdevoll auszusehen.

Was nicht so einfach ist, wenn man Todesängste aussteht.

Am liebsten hätte sie laut gerufen, ich bin unschuldig, aber sie hatte den leisen Verdacht, dass ihr ohnehin niemand glauben würde.

„Offensichtlich gibt es ein Problem mit Ihrem Pass“, erklärte der Beamte.

„Wie bitte? Ein Problem? Was für ein Problem? Er war völlig in Ordnung, als ich herkam.“

„Ich kann nur wiedergeben, was mir vom Zoll mitgeteilt wurde.“

„Das ist lächerlich.“ Debbie versuchte, ihm den Pass abzunehmen, doch er schnappte ihn sich wieder und hielt ihn außer Reichweite. Okay, das war jetzt nicht mehr nur beängstigend, sondern regelrecht Furcht einflößend. „Hören Sie, ich weiß nicht, was hier vor sich geht, aber ich habe nichts verbrochen, und ich muss mein Flugzeug bekommen.“

„Heute leider nicht mehr“, sagte der Gesetzeshüter kopfschüttelnd. „Wenn Sie bitte mit mir kommen würden …“

Das war keine Einladung.

Das war ein Befehl.

Debbie wünschte sich gerade sehnlichst, sie hätte Fantasies schon vor einer Woche zusammen mit ihren Freundinnen Janine und Caitlyn verlassen. Wenn die beiden bei ihr wären, bräuchte sie sich keine Sorgen zu machen. Janine würde eine freche Bemerkung fallen lassen, und Caitlyn würde die Zollbeamten bezirzen. Zu dritt hätten sie diese Angelegenheit in Windeseile geklärt.

Aber ihre Freundinnen waren zu Hause, jede von ihnen zweifellos damit beschäftigt, Vorbereitungen für ihre Hochzeit zu treffen. Es war ja auch wirklich ein ereignisreicher Monat gewesen. Sie waren zusammen nach Fantasies gekommen, um gemeinsam Urlaub zu machen und es sich richtig gut gehen zu lassen.

So ein Rundum-Verwöhnprogramm hatten sie sich auch redlich verdient, denn das vergangene Jahr hatte ihnen allen das gleiche Schicksal beschert. Sie waren verlobt gewesen und dann von ihren Verlobten verlassen worden. Also hatten die drei beschlossen, mit dem Geld, das sie für die Hochzeitsfeiern gespart hatten, sich selbst etwas Gutes zu tun. Allerdings waren aus den geplanten gemeinsamen drei Wochen nur wenige Tage geworden, weil Janine und Caitlyn auf der Insel die Liebe ihres Lebens gefunden hatten.

Caitlyn war jetzt mit ihrem Chef verlobt, vor dem sie hierher geflüchtet war, und Janine … Debbie seufzte ein wenig neidisch. Sie hatte gerade erst am Tag zuvor mit ihrer Freundin gesprochen und erfahren, dass Max, den Janine hier auf Fantasies kennengelernt hatte, von London nach Long Beach gekommen war, um ihr einen Heiratsantrag zu machen. Jetzt bereitete Janine alles vor, um mit ihm nach London ziehen zu können. Und Caitlyn plante die grandiose Hochzeit, von der ihre Mutter immer geträumt hatte. Und Debbie … wanderte ins Gefängnis.

Unfassbar. Ihre Freundinnen schwebten im siebten Himmel, und von ihr machte man Fotos für die Verbrecherkartei.

Das Leben war nicht fair.

„Das muss ein Fehler sein“, beharrte sie und blieb stehen, als der Mann in seiner strahlend weißen Uniform sie zum Ausgang bugsieren wollte. „Wenn Sie das bitte noch einmal überprüfen würden …“

„Das ist kein Fehler, Miss Harris.“ Er war groß, und mit seinen braunen Augen sah er sie an, als wäre sie ein interessantes Insekt unter dem Mikroskop. Er war zudem stärker, als er aussah. Debbies Versuche, sich aus seinem Griff zu befreien, schlugen jämmerlich fehl. „Ich gehöre zum Sicherheitsdienst der Insel. Sie müssen mit mir kommen.“

„Aber meine Koffer …“ Sie blickte noch einmal zur Abfertigungshalle.

„Werden wir aus dem Flugzeug holen lassen, das versichere ich Ihnen.“ Seine Stimme klang melodisch, doch seine Miene blieb ernst. Er ging weiter, während er Debbies Arm fest umschlossen hielt, für den Fall, dass sie versuchen sollte auszureißen.

„Ich bin amerikanische Staatsbürgerin“, erinnerte sie ihn und hoffte, dass diese kleine Information ihr helfen würde.

„Ja“, sagte er und schob sie auf den Beifahrersitz eines rot-weißen Jeeps. „Dessen bin ich mir bewusst.“

Während er um den Wagen herum zur Fahrerseite ging, überlegte Debbie, ob sie aus dem Jeep springen und weglaufen sollte. Aber wohin sollte sie laufen? Wohin konnte sie laufen? Sie befand sich auf einer Insel. Und es gab nur zwei Möglichkeiten, von hier wegzukommen, per Schiff oder per Flugzeug. Es war hoffnungslos. Niedergeschlagen ließ Debbie die Schultern sinken und wartete, bis der Mann vom Sicherheitsdienst neben ihr saß, bevor sie fragte. „Was geht hier vor? Können Sie mir wenigstens das sagen?“

Er warf ihr einen mitleidigen Blick zu, schüttelte aber den Kopf. „Ich muss meinen Vorgesetzten Meldung machen. Sie werden entscheiden, wie es weitergeht.“

„Wer sind sie?

Er antwortete nicht, sondern ließ den Motor an und lenkte den Jeep die Straße entlang, die zum Dorf führte. Debbies Augen tränten vom Fahrtwind, doch sie wusste, dass sie ohnehin kurz davor war, in Tränen auszubrechen. Die merkwürdige Angelegenheit war ihr kräftig auf den Magen geschlagen, ihre Handflächen waren feucht vor Aufregung, und ihre Kehle war wie zugeschnürt.

Sie war ganz auf sich gestellt.

Und sie hatte zu diesem Zeitpunkt nicht die geringste Ahnung, was als Nächstes passieren würde.

Nun, das konnte sie jetzt beantworten. Man hatte sie ins Gefängnis gesteckt. Seufzend sah Debbie sich um. Noch immer verspürte sie schreckliche Angst. Seit zwei Stunden war sie jetzt schon in dieser Zelle eingesperrt. Seitdem hatte sie niemanden gesehen. Man hatte ihr auch nicht gestattet, mit jemandem zu telefonieren.

Was galten auf einer Privatinsel für Gesetze? Hatte sie überhaupt irgendwelche Rechte? Niemand redete mit ihr. Niemanden schien es zu kümmern, dass sie eingeschlossen wurde. Es war so, als hätte man den Schlüssel umgedreht und sie vergessen.

„Ich könnte hier sterben“, murmelte sie und sah sich ihre relativ gemütliche Zelle an, als wäre es ein Kerker, in dem die Ketten von den feuchten, schimmeligen Wänden hingen. „Sterben und verrotten. Niemand würde davon erfahren. Niemand würde sich fragen, was aus mir geworden ist und …“

Sie hielt abrupt inne und zügelte ihre Fantasie. „Du meine Güte, Debbie. Jetzt spiel nicht verrückt“, schalt sie sich. „Janine und Caitlyn werden dich vermissen. Du bist nicht vom Erdboden verschwunden. Das ist doch alles nur ein Missverständnis, und du wirst bald wieder zu Hause sein“, versuchte sie sich selbst Mut zu machen.

Ihre Argumente klangen ziemlich überzeugend.

Sie wünschte nur, sie wäre auch wirklich davon überzeugt.

Plötzlich hörte sie Stimmen im Büro. Es war nur ein leises Gemurmel, doch zumindest hatte sie nicht länger das Gefühl, allein auf der Welt zu sein. „Hallo? Hört mich jemand?“

Dann rüttelte sie an den Gitterstäben und rief, so laut sie konnte: „Wer ist da? Ich muss unbedingt telefonieren! Ich will mit irgendjemandem sprechen!“

Und endlich schwang die Tür zu dem Gang langsam auf. Debbie trat in die Mitte der Zelle zurück und holte tief Luft. Sie würde standhaft bleiben. Sie würde darauf bestehen, mit dem Eigentümer der Insel zu sprechen. Sie würde unnachgiebig fordern, dass man diese unangenehme Sache aufklärte und sie freiließ. Sie würde sich nicht länger selbst bemitleiden. Von nun an würde sie kämpfen. Schließlich sorgte sie seit Jahren eigenverantwortlich für sich selbst. Und jetzt war gewiss nicht der Zeitpunkt, damit aufzuhören.

Sie war auf alles gefasst. Zumindest dachte sie das. Wie hätte sie auch je damit rechnen können, genau diesen Mann durch die Tür spazieren zu sehen? Diesen Mann, der sie frostig mit seinen seegrünen Augen taxierte?

Er trug eine schwarze Hose und ein langärmeliges weißes Hemd, das am Kragen offen stand. Sein langes, von der Sonne aufgehelltes dunkelblondes Haar hing locker fast bis hinunter auf seine Schultern, und als er lächelte, nahm Debbie etwas Heißes und Loderndes in ihrem Inneren wahr, das sie fast zehn Jahre lang nicht mehr verspürt hatte.

„Gabe?“, flüsterte sie und traute ihren Augen nicht. „Gabriel Vaughn?“

„Hallo, Debbie“, erwiderte er nun, und seine Stimme klang genauso tief, wie sie sie in Erinnerung hatte. „Lange nicht gesehen.“

Sie blinzelte und sah zu, wie er lässig auf ihre Zelle zukam. Trotz ihrer misslichen Lage wurde sie auf einmal von einer Flut von Emotionen überrollt, und die Bilder von dem, was sie und Gabe einst gemeinsam erlebt hatten, tauchten vor ihrem inneren Auge auf. Allein sein Anblick genügte, um sie die Jahre, die seitdem vergangen waren, vergessen zu lassen und sie an den Abend zu erinnern, an dem sie ihn zuletzt gesehen hatte.

Es war der Abend, an dem er ihr einen Heiratsantrag gemacht hatte.

Der Abend, an dem sie Nein gesagt und Gabe verlassen hatte.

Jetzt hallten seine Schritte auf dem Betonboden wider. Als er näher zu ihr trat, trafen ihn die Sonnenstrahlen, die durch die vergitterten Fenster hereinfielen, und tauchten sein Gesicht in Schatten. „Sieht so aus, als hättest du Probleme, Debbie.“

„Das kannst du wohl sagen“, gab sie zu, und als er nichts weiter sagte, sondern sie nur anstarrte, redete sie weiter, weil sie das angespannte Schweigen nicht ertragen konnte. „Es ist natürlich alles ein Irrtum. Ich meine, ich habe schließlich nichts verbrochen …“

„Nicht?“

„Nein.“ Ihr gefiel sein spekulativer Ton ganz und gar nicht. Es klang so, als fragte er sich, zu was für einer Art von Kriminellen sie sich entwickelt hatte. „Es geht um irgendeine Verwechselung mit meinem Pass oder so, und sie haben mich hergebracht, damit ich mit dem Eigentümer der Insel sprechen kann. Aber er ist noch nicht aufgetaucht, und ich bin schon seit zwei Stunden hier und …“

Gabe lehnte sich gegen die Gitterstäbe und schaute Debbie leicht amüsiert an.

„Was machst du hier, Gabe?“, fragte sie und wurde auf einmal misstrauisch.

„Hier auf der Insel? Oder hier im Gefängnis?“

„Hier“, erwiderte sie irritiert. „Im Gefängnis. Warum bist du hier?“

„Wenn es ein Problem gibt, werde ich gerufen, um die Sache zu regeln“, sagte er und ging gemächlich vor ihrer Zelle auf und ab.

„Oh.“ Debbie sah ihm hinterher, als er zum Ende des kleinen Vorraumes ging, sich umdrehte und wieder zurückkam, so als hätte er absolut keine Eile. Natürlich, warum sollte er auch gestresst sein? Er war ja nicht derjenige, der in einer verflixten Zelle hockte und keinen blassen Schimmer hatte, wieso. Ungeduldig fuhr sie ihn an: „Bist du etwa der inseleigene Polizeichef oder so etwas?“

Einer seiner Mundwinkel zuckte. „So etwas“, erwiderte er, blieb vor ihr stehen und sah ihr direkt in die Augen. „Wir haben auf der Insel keine richtige Polizei. Nur einen Sicherheitsdienst. Wenn tatsächlich einmal ein echter Krimineller auf Fantasies auftaucht, dann halten wir ihn fest, bis wir ihn hinüber nach Bermuda transportieren können. Aber den Kleinkram, den erledigen wir selbst.“

„Und was bin ich?“, wollte sie wissen. „Kleinkram oder Schwerverbrecher?“

„Nun, das ist etwas, was wir noch herausfinden müssen, nicht wahr?“

„Gabe“, sagte sie entnervt, „du kennst mich. Du weißt, dass ich keine Kriminelle bin. Ich gehe nicht einmal bei Rot über die Straße.“

Sein Lächeln schwand, und er schüttelte den Kopf. „Vor zehn Jahren hätte ich behaupten können, dich zu kennen. Zumindest dachte ich das damals …“

Er ließ diesen Satz einen Moment lang in der Luft hängen, und Debbie wusste, dass auch er an ihren letzten gemeinsamen Abend vor zehn Jahren dachte. Und sie wusste auch, dass ihn diese Erinnerung nicht zum Lachen bringen würde. Sie hatte Gabes Antrag trotz ihrer Liebe zu ihm abgelehnt. Sie hatte ihn verlassen, obwohl es ihr sehnsüchtigster Wunsch gewesen war, bei ihm zu bleiben.

„Gabe“, sagte sie leise.

„Aber jetzt“, unterbrach er sie, „weiß ich gar nichts. Es ist lange her, Debbie. Menschen verändern sich. Vielleicht bist du inzwischen eine Meisterdiebin.“

„Bin ich nicht.“

Er zuckte mit den Schultern. „Oder eine Schmugglerin.“

Gabe …“

Er richtete den Blick auf sie und meinte: „Wie auch immer, auf jeden Fall wirst du nirgendwo hingehen, bis der Eigentümer der Insel dir die Erlaubnis dazu gibt. Er stellt hier die Regeln auf.“

Debbie umklammerte die kalten Gitterstäbe noch fester. Offensichtlich würde ihr ehemaliger Geliebter ihr nicht helfen. An seinen Augen konnte sie erkennen, dass er nicht gerade begeistert war, sie nach so langer Zeit wiederzusehen. Okay, dann würde sie die Sache eben allein bewältigen. Sie brauchte nur fünf Minuten mit dem mysteriösen Inselbesitzer, und dann wäre sie aus dieser unerträglichen Situation befreit. Aber es wäre vielleicht hilfreich, wenn sie Gabe ein paar Informationen über denjenigen, mit dem sie es zu tun bekommen würde, entlocken könnte.

„Es gibt also keine Polizei hier. Keine Gerichte. Nur irgendeinen reichen Typen, der seine eigene kleine Welt geschaffen hat?“

„So ungefähr.“

„Also verhält er sich wie ein Alleinherrscher?“

„Könnte man sagen.“

Er lächelte, und einen winzigen Augenblick lang vergaß Debbie ihre Angst. Gabe war in Ordnung. Unabhängig davon, wie die Beziehung zwischen ihnen geendet hatte, wusste sie, dass er ihr niemals ernsthaft Schaden zufügen würde.

Allerdings saß sie immer noch im Gefängnis.

„Na wunderbar.“ Zu Debbies Sorgen gesellte sich immer mehr Wut. „Ist er ein vernünftiger Mann? Wird er mich anhören?“

„Das hängt vermutlich davon ab, was du zu sagen hast.“

„Verflixt, Gabe, erzähl mir wenigstens, was für ein Mensch er ist. Worauf ich gefasst sein muss.“

Langsam erschien ein spöttisches Lächeln auf seinen Lippen, und seine grünen Augen nahmen die Farbe eines dunklen, schattigen Waldes an. „Ich denke, du solltest dich mit dem Gedanken anfreunden, noch eine Weile auf Fantasies zu bleiben, Debbie.“

„Wie bitte?“ Ihr Magen verkrampfte sich, als sie sah, wie sich seine Gesichtszüge nun anspannten. „Ich kann aber nicht bleiben. Ich habe ein ausgefülltes Leben. Einen Job. Verpflichtungen.“

„All das wird noch warten müssen, bis man dir erlaubt, die Insel zu verlassen.“

Debbie schnaubte, obwohl die Angst ihr die Kehle zuschnürte. „Bis man es mir erlaubt? Was soll das denn heißen? Glaubst du etwa, dass der Inselkönig das Recht hat, mich hier festzuhalten?“

Gabe hob eine Schulter, als wollte er sagen, dass es ihm eigentlich ziemlich egal sei. „Du bist diejenige in der Zelle. Was denkst du denn?“

„Er kann mich nicht einfach einsperren und für längere Zeit hierbehalten. Ich habe schließlich Rechte“, widersprach Debbie. „Er kann nicht einfach Menschen kidnappen und …“

„Er hat dich nicht gekidnappt“, erinnerte Gabe sie. „Du bist freiwillig hergekommen.“

Ihr Griff um die Gitterstäbe verstärkte sich. „Und jetzt möchte ich freiwillig abreisen.“

Gabe lächelte, doch dieses Lächeln wirkte ziemlich aufgesetzt. „Himmel, Debbie, du bist doch diejenige, die mir beigebracht hat, dass man nicht immer das bekommt, was man sich wünscht.“

Trotz ihrer prekären Lage bekam sie Schuldgefühle. „Gabe, hier geht es doch nicht um uns. Aber wie ich sehe, bist du noch immer böse darüber, wie unsere Beziehung endete. Und wenn du möchtest, dass ich dir sage, dass es mir leidtut, dann tue ich das hiermit. Ich wollte dich damals nicht verletzen und …“

Er lachte laut auf, und das Geräusch hallte durch das winzige Gefängnis. Kopfschüttelnd meinte er: „Du bist wirklich erstaunlich, weißt du das, Debbie? Glaubst du tatsächlich, dass ich dir während der letzten zehn Jahre hinterhergetrauert habe?“

Stirnrunzelnd sah sie ihn an und kam sich ein wenig albern vor. „Nein, aber …“

„Ich habe all das damals hinter mir gelassen und bin weitergezogen, Debbie.“ Er musterte sie mit durchdringendem Blick. „Bis du hier aufgetaucht bist, habe ich keinen Gedanken an dich verschwendet.“

Wow. Dieser Seitenhieb saß. Es gefiel Debbie absolut nicht, dass Gabe niemals an damals gedacht und seine Erinnerungen offenbar ausgelöscht hatte. Aber warum erwartete sie etwas anderes? Sie hatte im Laufe der Jahre endlose Nächte damit zugebracht, sich zu fragen, ob ihre damalige Entscheidung, Gabe zu verlassen, ein großer Fehler war. Es waren schreckliche Nächte. Doch das bedeutete ja nicht, dass es Gabe ebenso ergangen war.

Schließlich war sie es gewesen, die die Beziehung beendet hatte. Warum sollte er darüber nachdenken, dass jemand seinen Antrag zurückgewiesen hatte.

Gabe baute sich nun mit gespreizten Beinen vor ihr auf, verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete sie dann eingehend, während sein Lächeln langsam schwand. „Doch in einer Beziehung hast du recht. Hier geht es nicht um uns.“

Debbie ermahnte sich, die vergangenen Zeiten ruhen zu lassen, und nickte. Im Augenblick zählte nur die Tatsache, dass sie im Gefängnis saß.

„Gut.“ Sie ließ das Zellengitter los und stopfte die Hände in die Gesäßtaschen ihrer Jeans. „Warum erklärst du mir dann nicht, wieso der Eigentümer der Insel dich hierhergeschickt hat? Warum ist er nicht selbst gekommen, wenn er so sehr daran interessiert ist, mit mir zu sprechen?“

„Wie kommst du darauf, er sei nicht hier?“, erwiderte Gabe mit eiskalter Stimme.

Sie sah an ihm vorbei, als könnte sie durch die geschlossene Tür in das dahinterliegende Büro schauen. „Ist er dort draußen? Warum …“

„Das habe ich nicht gesagt.“

Debbies Blick wanderte wieder zu Gabe, und auf einmal hatte sie das Gefühl, als hätte ihr jemand einen Schlag in die Magengrube versetzt. Langsam und unaufhaltsam dämmerte ihr die Wahrheit, während gleichzeitig Gabes Blick noch eisiger wurde. „Du meinst …“

Er trat näher an die Zelle heran, musterte Debbie von Kopf bis Fuß, bevor er ihr direkt in die Augen sah und sagte: „Ja, das meine ich. Mir gehört diese Insel samt allem, was darauf ist. Und dazu gehörst im Moment auch du, Baby.“

2. KAPITEL

Blankes Entsetzen spiegelte sich in Debbies Augen, und Gabe musste zugeben – zumindest konnte er es sich selbst gegenüber tun –, dass er diese Minuten genoss. Er konnte fast sehen, wie die Gedanken durch ihren Kopf schossen, während die Gefühle, die sich auf ihrer Miene abzeichneten, innerhalb des Bruchteils einer Sekunde von Erstaunen zu Verwirrung und dann zu Zorn wechselten.

Und da er es hier mit Debbie Harris zu tun hatte, wusste er, dass es nicht lange dauern würde, bis sie explodierte.

„Bist du verrückt geworden?“

Er lachte kurz auf. „Spricht man so mit seinem Gefängniswärter?“

Sie trat vom Gitter zurück und starrte ihn an, als hätte sie ihn noch nie gesehen. Kopfschüttelnd flüsterte sie: „Das meinst du doch nicht ernst, dass du mich hier eingesperrt lassen willst, oder?“

Er meinte es allerdings sehr ernst.

Gabe hatte Debbie seit zehn Jahren nicht gesehen, und es war keine Lüge gewesen, als er sagte, dass er in all der Zeit kaum an sie gedacht hatte. Jedenfalls nicht bis zu dem Augenblick, als sie und ihre Freundinnen hier auf der Insel aufgetaucht waren.

Von dem Moment an allerdings, als er sie erblickt hatte, konnte er an nichts anderes mehr denken. Eine zwar äußerst irritierende, aber leider nicht zu leugnende Tatsache. Eigentlich war er kein Mann, der sich von seinen Hormonen leiten ließ, umso ärgerlicher war es, zugeben zu müssen, wie sehr er Debbie begehrte. Das passte nun so gar nicht in seine Planung. Schließlich war sein Terminkalender randvoll – und das jeden Tag! –, seine Zukunft war durchorganisiert, und für Debbie war darin kein Platz. Und trotzdem …

Er betrachtete über die Gitterstäbe hinweg die Zelle, bevor er sich wieder Debbie zuwandte. „Natürlich meine ich es ernst.“

Sie sah noch immer verdammt gut aus. Das niedliche Mädchen, das sie vor zehn Jahren gewesen war, hatte sich zu einer fantastischen Frau verwandelt. Zu einer Frau mit üppigen Kurven und langem blondem Haar, das in leichten Wellen bis auf ihren Rücken fiel.

Gabe erinnerte sich daran, wie wunderbar sie sich angefühlt hatte, wie sie geschmeckt hatte, und während er erneut einen heftigen Anflug von Begehren verspürte, erkannte er, dass es wohl doch ein Fehler gewesen war, Debbie hierzubehalten. Verdammt, er hätte sie schon längst los sein können. Sie war auf dem Flughafen gewesen, kurz davor abzureisen und erneut aus seinem Leben zu verschwinden, doch als die Möglichkeit zum Greifen nah war … hatte er sie aufgehalten.

Noch immer wusste er nicht, was in diesem Moment in ihn gefahren war.

„Was treibst du für ein Spiel?“, zischte Debbie wütend.

„Das ist kein Spiel“, erklärte er knapp. Das war immerhin die Wahrheit.

„Natürlich ist es ein Spiel“, konterte Debbie. „Der Typ am Flughafen sagte, es gebe Probleme wegen meines Passes. Wir wissen beide, dass das eine Lüge ist.“

„Nein, das ist es nicht. Normalerweise ist es tatsächlich ein Vorwand. Etwas, was die Sicherheitskräfte den Verdächtigen sagen, um sie zu ruhig zu halten, während sie hierhergebracht werden.“

„Den Verdächtigen? Sie kreischte das letzte Wort geradezu, bevor sie innehielt und ihn misstrauisch ansah. „Was heißt normalerweise?

Gabe wanderte vor den Zellen auf und ab und sah sich um, als wollte er das Gefängnis inspizieren, um sich davon zu überzeugen, dass alles in Ordnung war. „Ich wurde darüber informiert“, erläuterte er ruhig und betont lässig, so als wäre ihm Debbies Bestürzung völlig egal, „dass ein Juwelendieb in den Ferienanlagen dieser Gegend sein Unwesen treibt.“

„Was hat das mit mir zu tun?“

Er lächelte und huschte mit seinem Blick über Debbies Körper, bevor er ihr wieder in die Augen schaute. „Dieser Dieb ist ungefähr einen Meter fünfundsechzig groß, hat langes blondes Haar, blaue Augen …“

Sie schluckte, schüttelte den Kopf und entgegnete: „Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich eine Juwelendiebin bin?“

Nein. Das glaubte er nicht. Aber als die Notiz der britischen Behörden auf seinem Schreibtisch gelandet war, hatte er sie als Geschenk des Himmels angesehen. Was ziemlich dumm gewesen war. Er konnte es sich nicht erlauben, Debbie hierzubehalten. Vor allem jetzt nicht.

Andererseits hatte er auch nicht gewollt, dass sie abreiste.

Er hob lässig eine Schulter. „Auf dich passt die Beschreibung.“

„Und auf unzählige andere Menschen auch.“

„Ja“, entgegnete er lächelnd. „Aber du bist hier. Auf der Insel. Und wir wurden gebeten, Ausschau nach einer Frau zu halten, die dieser Beschreibung entspricht, und sie gegebenenfalls festzuhalten.“

Autor

Maureen Child
<p>Da Maureen Child Zeit ihres Lebens in Südkalifornien gelebt hat, fällt es ihr schwer zu glauben, dass es tatsächlich Herbst und Winter gibt. Seit dem Erscheinen ihres ersten Buches hat sie 40 weitere Liebesromane veröffentlicht und findet das Schreiben jeder neuen Romance genauso aufregend wie beim ersten Mal. Ihre liebste...
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