Sinnliche Nacht auf Hawaii

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Ihr heißer Urlaubsflirt auf Hawaii endet abrupt: Nach einer sinnlichen Nacht voller Leidenschaft erwacht Ali allein in ihrem Hotelzimmer. Sie kann es nicht fassen: Ronin hat keine Notiz, keine Adresse hinterlassen, wo sie ihn erreichen kann! Dabei fühlte es sich doch so richtig an, in seinen Armen die Liebe zu genießen … Enttäuscht kehrt sie nach Neuseeland zurück, wo ihre Agentur ein Hilferuf erreicht: Ali wird für die Einrichtung eines Kinderzimmers gebraucht. Und geschockt sieht sie, wer der Auftraggeber ist - ihr Traummann und Urlaubsflirt Ronin!


  • Erscheinungstag 25.08.2015
  • Bandnummer 1886
  • ISBN / Artikelnummer 9783733721343
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Ronin starrte hellwach in die Dunkelheit. Eine fremde Frau schlief in seinen Armen – er spürte die weichen Rundungen ihres Körpers und lauschte ihren regelmäßigen Atemzügen. Obwohl ihr volles, dunkelbraunes Haar ihn am Ohr kitzelte, wagte er es nicht, sich zu rühren. Eine leidenschaftliche Liebesnacht lag hinter ihm.

Dabei war er normalerweise gar nicht der Typ für One-Night-Stands. Der heutige Abend war in jeder Hinsicht eine Ausnahme. Die Frau – Neuseeländerin wie er – war ihm sofort aufgefallen, als sie im Strandrestaurant des riesigen Hotelkomplexes an ihm vorbeigeeilt war. Plötzlich hatten sich ihre Blicke getroffen, und es hatte ihn durchzuckt wie ein Blitz. Ronin hatte so etwas noch nie empfunden. Deswegen hatte er auch keine Einwände erhoben, als die Restaurantmanagerin vorschlug, Ali an seinen Tisch zu setzen. Sie hätte sie sonst fortschicken müssen, denn das Restaurant war bis auf den letzten Platz ausgebucht.

Während des Abendessens hatten Ali und er heftig miteinander geflirtet. Und auch danach verspürten sie nicht die geringste Lust, sich zu trennen. Stattdessen gingen sie anschließend noch tanzen und unternahmen einen romantischen Mondscheinspaziergang am Strand von Waikiki. Schließlich hatte Ali ihn mit auf ihr Hotelzimmer genommen, wo sie hemmungslos miteinander geschlafen hatten.

Seine Freunde wären schockiert, wenn sie wüssten, dass er mit einer praktisch Fremden ins Bett gegangen war, dachte Ronin. Und das nur aus einer Laune heraus. Weil es sich in jenem Moment richtig angefühlt hatte. In seinem Beruf pflegte er Situationen kühl und sorgfältig zu analysieren, bevor er handelte. Sein nüchterner Pragmatismus half ihm dabei. Doch von dem war in dieser Nacht nicht viel zu spüren gewesen. Stattdessen hatte … ein Hauch von Magie in der Luft gelegen. Schon das Wort missfiel ihm. Es war zu luftig für seinen Geschmack und passte so gar nicht in seine Welt, die vornehmlich auf Tabellen, Zahlen und Fakten bestand.

Ali stieß im Schlaf einen leisen Seufzer aus und drehte sich auf die Seite. Dabei rutschte sie ein Stück von ihm weg. Ronin wollte sie gerade wieder in seine Arme ziehen, als das dezente, aber hartnäckige Summen seines Handys ertönte. Er wusste, dass sich das Handy in seiner Hosentasche befand. Und seine Hose lag irgendwo zusammengeknüllt auf dem Boden.

Ronin sprang mit einem Satz aus dem Bett. Er warf einen schnellen Blick auf das Leuchtzifferblatt seiner Armbanduhr. Es war fünf Uhr morgens. Also konnte es auf keinen Fall sein Klient hier in Waikiki sein. Das ließ nur eine Möglichkeit übrig – Neuseeland. Drüben musste es jetzt vier Uhr sein. Wer konnte ihn um diese Zeit anrufen? Vielleicht hatte sich jemand verwählt … oder es handelte sich um einen Notfall. Endlich fand Ronin sein Handy und ging schnell ins Badezimmer.

Nachdem er die Tür hinter sich zugezogen hatte, nahm er ab. Vom anderen Ende der Leitung erklang die gequälte Stimme seines Vaters.

„Dad, sprich langsam“, beschwor Ronin seinen Vater. „Ich kann dich kaum verstehen.“

„Es geht um CeeCee, Ronin. Sie ist tot. Und R. J. auch.“

Mit schrecklicher Klarheit drangen die Worte an sein Bewusstsein. Eisige Kälte durchflutete seine Adern. Das musste alles ein böser Traum sein. Seine schöne, lebenslustige Schwester sollte tot sein? Das konnte nicht sein. Als er sie vor drei Tagen zuletzt gesehen hatte – strahlend schön und im letzten Monat ihrer Schwangerschaft – war sie vollkommen gesund gewesen.

„Was ist passiert, Dad? Wann?“ Seine Stimme versagte. Er stand unter Schock. „Erzähl mir, was passiert ist.“

„Sie bekam Wehen. R. J. hat sie ins Krankenhaus gefahren. Ein betrunkener Fahrer ist über eine rote Ampel gefahren und ist direkt in sie reingerast. Sie hatten keine Chance.“

Sein Vater begann zu schluchzen. Ronin schluckte schwer. Die enorme Tragweite dessen, was geschehen war, drang allmählich zu ihm durch. Seine Schwester und sein Schwager waren tot, und er saß hier auf Hawaii fest, weit weg von seiner Familie, die ihn brauchte.

„Was ist mit dem Baby?“, brachte er mühsam hervor.

„Man hat ihn mit einem Notkaiserschnitt zur Welt gebracht. Er hätte es beinahe nicht überlebt. CeeCee ist während der Operation gestorben. Ihre Verletzungen waren zu schwer. Die Ärzte haben es nicht geschafft, beide zu retten.“

Der Schmerz drohte Ronin in die Knie zu zwingen. Seine Schwester war tot, und er hatte einen Neffen. Und dieses so sehnsüchtig erwartete Baby sollte nun eine Waise sein? Nur mit Mühe gelang es ihm, seine Gedanken zu ordnen. „Was ist mit Mom? Geht es ihr gut?“

„Sie steht noch unter Schock. Das tun wir beide. Ich mache mir Sorgen um sie, Ronin. Das alles ist nicht gut für ihr Herz. Wir brauchen dich, mein Sohn.“

„Ich komme, so schnell ich kann.“

Ronin versprach, sich zu melden, sobald er wusste, wann sein Flug ging. Dann beendete er schweren Herzens das Gespräch. Er presste seine glühende Stirn gegen die kühlen Badezimmerkacheln und atmete tief durch. Es war wichtig, dass er ruhig blieb, überlegt handelte. Normalerweise musste er sich nicht extra daran erinnern, weil er sich automatisch so verhielt. Aber jetzt fiel es ihm unglaublich schwer.

Als er seine Gefühle endlich wieder im Griff hatte, schlich er sich leise zurück ins Hotelzimmer und sammelte seine Kleidungsstücke vom Boden auf. In aller Eile zog er sich an, wobei er versuchte, so wenig Lärm wie möglich zu machen. Als er das Zimmer verließ, ging ihm nur ein einziger Gedanke durch den Kopf: Er musste zurück nach Hause.

Der Rückflug nach Neuseeland war lang. Es gab einen Zwischenstopp in Brisbane. Natürlich hätte er auch einen kürzeren Direktflug wählen können, aber er konnte keine Sekunde länger warten. Er musste sofort nach Hause, und dies war der erste Flug, der infrage kam. Ronin nutzte die Zeit, um eine To-do-Liste zu erstellen mit all den Dingen, die zu Hause zu erledigen waren: Er musste Freunde und Bekannte benachrichtigen, Arrangements für die Beerdigung treffen und Papierkram erledigen. Doch so viele Aufgaben und Unterpunkte er auch notierte, der Schmerz in seinem Innern wollte nicht verschwinden.

Schließlich, nach einem mehr als fünfzehnstündigen Flug, trat er endlich aus dem Zoll. In der Ankunftshalle entdeckte er sofort das blasse Gesicht seines Vaters. Er eilte auf ihn zu und stürzte sich in seine Arme. Es war ein tröstliches Gefühl, von ihm umarmt zu werden. Es erinnerte Ronin an eine Zeit, als er selbst noch ein kleiner Junge gewesen war. Doch im nächsten Moment spürte er, wie sein Vater zitterte, und ihm wurde klar, dass der ältere Mann seinen Trost jetzt dringender brauchte als er seinen.

„Ich bin so froh, dass du wieder da bist, mein Sohn. So froh.“ Die Stimme seines Vaters brach. Er schien um Jahre gealtert zu sein, seit er ihn vor ein paar Tagen zuletzt gesehen hatte.

„Ich auch, Dad. Ich auch.“

Es war weit nach Mitternacht, als sie vom Flughafen zum Apartment seiner Eltern in Mission Bay fuhren. Vorsichtig lenkte sein Vater den Wagen über die regennassen Straßen. Vor jeder Ampel zögerte er einen Sekunde länger als sonst, auch wenn das rote Licht bereits lange auf Grün umgesprungen war. Ronins Gedanken wanderten zu der Frau, die er in Hawaii zurückgelassen hatte. Er musste das Hotel anrufen und ihr eine Nachricht hinterlassen. Erst jetzt kam ihm in den Sinn, welchen Eindruck seine überstürzte Abreise bei ihr hinterlassen haben musste.

Wann hatte sie noch gleich gesagt, flog sie zurück? Er durchforstete sein Gehirn, doch obwohl er normalerweise über ein hervorragendes Gedächtnis verfügte, fiel es ihm nicht ein. Der Schmerz und die Erschöpfung mussten diese Information ausgelöscht haben. Jetzt musste er sich ohnehin erst mal um seine Familie kümmern, dachte Ronin, als sie in die Parkgarage im Apartmentgebäude seiner Eltern fuhren, das am Hafen von Auckland lag.

Der Jetlag machte Ali immer noch schwer zu schaffen, als sie vor ihrem Geschäft Best for Baby vorfuhr. Es war definitiv die richtige Entscheidung gewesen, ihren Urlaub auf Hawaii zu verbringen – ein lang gehegter Traum, den sie sich endlich erfüllt hatte. Für das nächste Mal nahm sie sich jedoch fest vor, eine Airline ausfindig zu machen, deren Flüge zu einer menschlicheren Zeit starteten. Egal, was es kostete.

Natürlich wäre es schöner gewesen, die Reise mit jemandem zusammen zu unternehmen. Andererseits hatte Ali den Luxus genossen, alles in ihrem eigenen Tempo zu machen, ohne auf die Bedürfnisse anderer Rücksicht nehmen zu müssen. Stattdessen hatte sie einfach tun können, wozu sie Lust hatte. In den letzten drei Jahren hatte ihr der Aufbau ihres eigenen Babyeinrichtungsgeschäftes alles abverlangt. Sie hatte sich diesen Urlaub wirklich redlich verdient.

Ali war davon ausgegangen, dass sie voller Energie und Tatendrang zurückkehren würde. Stattdessen leckte sie jetzt ihre Wunden. Dabei war das Ganze, rational betrachtet, eine Lappalie. Schließlich war es nur ein One-Night-Stand gewesen. Sie hatte den Mann kaum ein paar Stunden gekannt. Doch obwohl sie sich ohne alle Erwartungen auf die Sache eingelassen hatte, fühlte sie sich irgendwie betrogen.

Sie wusste, wie lächerlich das klang. Diese Sache war nichts im Vergleich zu dem Schmerz, den sie empfunden hatte, als ihr Ehemann sie vor fünf Jahren verlassen hatte. Er hatte eine Affäre gehabt – ausgerechnet mit der Innenarchitektin, die mit der Renovierung seines Büros beauftragt worden war. Damals hatte es Ali den Boden unter den Füßen weggerissen. Was auf Hawaii geschehen war, erschien im Vergleich dazu harmlos.

Trotzdem versetzte ihr der Gedanke einen Stich, dass der Typ sie einfach sitzen gelassen hatte. Und das nach einem Abend, den zumindest Ali wunderschön gefunden hatte. Indem sie mit Ronin ins Bett gegangen war, hatte sie gegen all ihre Grundsätze verstoßen. Umso unangenehmer war die Überraschung gewesen, am nächsten Morgen in einem leeren Bett aufzuwachen. Hätte es ihn umgebracht, ihr wenigstens eine Nachricht zu hinterlassen?

Vergiss es, Ali, rief sie sich selbst zur Ordnung. Sie hatte schon viel Schlimmeres durchgemacht und überstanden. Dies war eine Lappalie. Schließlich wollte sie ohnehin keine neue Beziehung – nie wieder. Ihre Arbeit füllte sie komplett aus. Romantische Liebe war ihr nicht bestimmt. Es war dumm gewesen, sich von ein bisschen Mondschein und einem attraktiven Fremden so durcheinanderbringen zu lassen. Die ganze Erfahrung zeigte eins deutlich: Sie musste ihrem Grundsatz treu bleiben und sich von Männern fernhalten.

Erhobenen Hauptes schritt Ali durch die Eingangstür und rief ihrer Assistentin und besten Freundin Deb am Empfang einen fröhlichen „Guten Morgen!“ zu. „Hast du mich vermisst?“, wollte sie wissen.

„Oh, mein Gott, ja! Ich hab dir so viel zu erzählen, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll“, sprudelte es aus Deb hervor. „Aber zuerst du. Wie war Hawaii? Ist es so schön wie auf den Bildern?“

„Schöner“, erwiderte sie lächelnd. „Besonders bei Sonnenuntergang. Komm, ich zeig dir ein paar Fotos.“

Mit diesen Worten zog Ali ihr Handy aus der Hosentasche und klickte sich durch ihre Fotodatei. Im nächsten Moment stieß Deb begeisterte Ohs und Ahs aus, während sie die Schnappschüsse der vergangenen Woche betrachtete.

„Bist du dir sicher, dass du nicht einfach eine Postkarte abfotografiert hast?“, fragte Deb scherzhaft. Sie konnte sich gar nicht sattsehen an einem Bild, das den Strand bei Sonnenuntergang zeigte.

Ali erinnerte sich noch gut an diesen Abend. Wie sich der Himmel erst orange, dann pink und schließlich violett verfärbt hatte, während sich die Palmen als schwarze Silhouetten gegen den Horizont abhoben. An diesem Abend war sie Ronin begegnet und hatte zum ersten Mal seit ihrer Scheidung wieder mit einem Mann geschlafen.

Sie wusste noch genau, wie sie im Strandhotel aneinander vorbeigeeilt waren. Als sich ihre Blicke trafen, war sie schon auf dem Weg zur Tür gewesen. Und doch hatte sie die Verbindung zwischen ihnen sofort gespürt. Das Erste, was ihr auffiel, war, wie groß er war. Und wie muskulös. Er strahlte Kraft und Entschlossenheit aus. Als Nächstes nahm sie seinen Geruch wahr. Ein frisch duftendes Eau de Toilette – leicht wie eine Meerbrise.

Ganz flüchtig streiften sich ihre Arme, nur eine zarte Berührung, und doch stockte ihr der Atem. Es war lange her, seit sie sich körperlich zu einem Mann hingezogen gefühlt hatte – dieses Kribbeln im Bauch, der leichte Schwindel. Sie hatte beinahe vergessen, wie sich das anfühlte.

Er entschuldigte sich sofort bei ihr. Doch Ali war zu verblüfft, um etwas zu erwidern. Stattdessen nickte sie nur. Erst als er sich schon ein gutes Stück von ihr entfernt hatte, wurde ihr bewusst, dass sein Akzent genau wie ihr eigener geklungen hatte. Offensichtlich stammte er auch aus Neuseeland. Als sie sich umdrehte, sah sie, wie die Restaurantmanagerin ihn lächelnd zu seinem Tisch an der Strandseite führte. Der Tisch war nur für eine Person gedeckt gewesen.

Schnell verdrängte sie die Erinnerung an diesen Abend, bevor ihre stets neugierige Freundin etwas bemerkte. Ali stieß ein gezwungenes Lachen aus. „Ja, ziemlich sicher.“

„Und hast du irgendwelche heißen Typen kennengelernt? Du musst mir alles erzählen!“

Irgendwie brachte Ali ein Lächeln zustande. „Ich bin nicht nach Hawaii gefahren, um heiße Typen aufzureißen, sondern weil ich dringend Urlaub brauchte. Und jetzt erzähl mir, was während meiner Abwesenheit los war.“ Damit hatte sie Debs Aufmerksamkeit geschickt auf ein anderes Thema gelenkt.

Deb brauchte gut zwanzig Minuten, um Ali – in Kurzfassung – von all den Dingen zu berichten, die sich während ihrer Abwesenheit zugetragen hatten. Best for Baby bot eine breite Palette von Dienstleistungen für werdende Familien an. Ihr Angebot reichte von der Organisation von Babypartys bis zur Einrichtung von Kinderzimmern. Außerdem führten sie bei Bedarf auch Vorstellungsgespräche mit potenziellen Kindermädchen durch. Es hatte eine Weile gedauert, bis das Geschäft in Schwung kam. Doch seit sie vor drei Jahren ihre Pforten geöffnet hatte, war der Umsatz stetig gewachsen. Mittlerweile konnten sie mit der Auftragslage zufrieden sein.

Es war eine bittersüße Arbeit für eine Frau, die wusste, dass sie niemals Kinder bekommen konnte.

Dabei war Ali schon als kleines Mädchen eine begeisterte Puppenmutter gewesen. Sie war ganz vernarrt in Kinder und hatte immer von einer Großfamilie geträumt – einen Traum, den sie mit ihrer Highschool-Liebe Richard geteilt hatte, ihrem späterer Ehemann. Sie hatten geplant, direkt nach der Hochzeit eine Familie zu gründen … doch es hatte nicht sein sollen. Wie sich herausstellte, war Ali unfruchtbar.

Es war ein schwerer Schlag für sie beide gewesen. Dennoch hatte sie nie bezweifelt, dass Richard und sie gemeinsam darüber hinwegkommen würden. Stattdessen musste sie erleben, wie Richard begann, sie mit anderen Augen zu betrachten. Für ihn war sie nun nicht mehr die Frau, die er geheiratet hatte. Im Rückblick war sie sich sicher, dass er damals aufgehört hatte, sie zu lieben. Am Ende hatte er sie für eine andere Frau verlassen.

In den vergangenen Jahren hatte sie gelernt, mit dem Schmerz umzugehen, auch wenn es nicht immer leicht gewesen war. Vor allem, da sie die jüngste von vier Schwestern war, die alle verheiratet waren und Kinder hatten. Aber irgendwie hatte Ali es geschafft. Best for Baby hatte ihr ein Ziel gegeben und ihr über das Schlimmste hinweggeholfen.

„Die Babyparty der Holdens ist wirklich gut gelaufen“, fuhr Deb fort. „Die Spiele waren ein echter Renner und die Muffins auch.“ Ihre Worte holten Ali in die Gegenwart zurück.

„Hast du den Leuten von der Bäckerei Blumen und ein Dankschreiben geschickt? Sie haben uns wirklich gerettet. Es ist unglaublich, wie schnell sie das hingekriegt haben“, sagte Ali. Schaudernd erinnerte sie sich an den hektischen Tag vor ihrer Abreise nach Hawaii. Ihr üblicher Lebensmittellieferant hatte sie in letzter Sekunde im Stich gelassen. Beinahe hätte sie die Reise sausen lassen müssen.

„Das habe ich“, beruhigte ihre Freundin sie. „Der Besitzer hat angerufen und gesagt, dass er in Zukunft gerne wieder mit uns zusammenarbeiten möchte. Oh, und gestern haben wir einen neuen Auftrag reinbekommen.“

„Du meinst einen Folgeauftrag?“

„Nö. Einen nigelnagelneuen, taufrischen Auftrag. Unterschrieben und alles.“

„Wie? Einfach so?“, fragte Ali ungläubig.

„Einfach so.“ Deb wirkte äußerst zufrieden mit sich.

Normalerweise gab es zu Anfang immer eine langwierige Prozedur – man traf sich mit den potenziellen Klienten, erstellte Flipchart-Präsentationen und vereinbarte Bedingungen. Man kriegte nicht einfach so einen neuen Auftrag. Oder zumindest hatte sie das bis jetzt noch nicht. Alis Ungläubigkeit musste sich deutlich in ihrem Gesicht gespiegelt haben, denn Deb sagte:

„Ja, ich weiß. Ich war auch überrascht. Aber wahrscheinlich liegt es daran, dass die Sache eilt. Das Baby ist bereits geboren. Anscheinend hat es Komplikationen bei der Geburt gegeben, denn es liegt noch im Krankenhaus. Der Kunde möchte das Kinderzimmer vollständig eingerichtet haben, bevor das Baby nach Hause kommt. Warte, es wird noch besser.“

„Wie denn das?“, fragte Ali zweifelnd. Bei so viel Glück mussten einem ja Zweifel kommen.

„Du hast völlig freie Hand, was die Gestaltung des Kinderzimmers angeht. Dein Entwurf, dein Budget.“

„Nein! Im Ernst? Bist du sicher, dass die Sache rechtlich in Ordnung ist?“

„Natürlich bin ich das. Ich habe dem Kunden den Vertrag zugemailt, und er hat ihn mir noch am selben Tag in zweifacher Ausfertigung vollständig ausgefüllt zurückgeschickt. Per Kurierdienst. Das Geld ist auch schon aufs Konto eingegangen.“

Ali nahm das von einer Büroklammer zusammengeheftete Dokument entgegen, das Deb ihr reichte, und überflog es. Es schien in Ordnung zu sein. Ihr Blick blieb an der selbstbewusst geschwungenen Unterschrift unten auf dem Vertrag hängen. Der Name sagte ihr nichts. Anscheinend handelte es sich um eine Firma, nicht um eine Privatperson. Sie hatte noch nie von REM Consulting gehört, aber das hieß nichts.

„Nun“, sagte sie langsam. „Es sieht auf jeden Fall echt aus.“

„Sie wollen, dass du möglichst heute noch vorbeikommst und die Dinge ins Rollen bringst. Es klingt, als hätten sie nicht die geringste Ahnung, was sie wollen. Es wirkt alles ein bisschen merkwürdig. Aber anscheinend ist es ihnen wichtig, dass der Job möglichst schnell erledigt wird. Ich hab ihnen gesagt, dass du um drei Uhr bei ihnen bist.“

Ali unterdrückte einen Seufzer. Sie hatte gehofft, den Rest des Tages im Büro verbringen zu können, um ihre E-Mails und ihre Briefpost erledigen zu können. Aber anscheinend musste das bis zum Abend warten. Nun, schließlich war es nicht so, als hätte sie irgendwelche großen Pläne.

„Okay. Dann sollte ich wohl versuchen, mich vorher auf den neusten Stand zu bringen, was?“

„Ich setze Kaffee auf. Dann kannst du deine E-Mails durchgehen.“

„Danke, Deb, du rettest mir das Leben.“

Der Morgen verging wie im Flug. Ali nahm das Mittagessen an ihrem Schreibtisch zu sich, während sie die Bestellungen und Anfragen von Klienten prüfte. Da Deb in der Zwischenzeit alle eingehenden Anrufe entgegennahm, kam sie gut voran. Wenn sie sich noch Arbeit mit nach Hause nahm, würde sie spätestens morgen Nachmittag wieder auf dem neusten Stand sein.

Als Deb das Büro betrat, blickte Ali erstaunt auf. Sie hatte gar nicht gemerkt, wie schnell die Zeit vergangen war.

„Ich habe den Verkehrsbericht geprüft“, sagte Deb. „Auf der Autobahn nach Süden ist der Verkehr ziemlich zähflüssig, also brichst du am besten gleich auf, damit du es rechtzeitig zu deinem Termin nach Whitford schaffst.

Ali nickte. „Du hast recht. Dann mache ich mich jetzt auf den Weg.“

Ali brauchte fast eine Stunde, bis sie ihren Zielort erreicht hatte. Dankbar dachte sie an Debs klugen Rat, früher aufzubrechen. Ali hielt sich normalerweise viel auf ihre Pünktlichkeit zugute, doch manchmal war sie so in ein Projekt vertieft, dass sie die Zeit darüber vergaß. In solchen Situationen war ihr Deb eine unverzichtbare Stütze. Als sie von der Autobahn abfuhr, wurde der Blick auf eine grüne Hügellandschaft frei. Mit einem Mal war Ali aufgeregt.

Es war das erste Mal, dass man ihr bei einem Auftrag völlig freie Hand ließ. Normalerweise wussten ihre Klienten ganz genau, was sie wollten. Dass diese Eltern so gar keine Vorlieben zu haben schienen, kam ihr ein wenig seltsam vor. Andererseits würde das Baby erst in ein paar Tagen aus dem Krankenhaus entlassen werden. Also handelte es sich wahrscheinlich um eine Frühgeburt. Vermutlich hatten die Eltern geglaubt, mehr Zeit zu haben, um die anstehenden Entscheidungen zu treffen.

Ali fragte sich, in welcher Branche die Eltern des Babys wohl tätig waren. Sie mussten ziemlich gut verdienen, wenn sie es sich leisten konnten, hier draußen zu leben. Und auch die Dienste von Best for Baby waren nicht gerade billig. Ihr Navigationssystem machte sie auf eine Abzweigung aufmerksam, die in Kürze folgen würde. Ali drosselte das Tempo und bog in die Einfahrt ein. An der Fernsprechanlage nannte sie ihren Namen, woraufhin die eisernen Pforten geräuschlos aufschwangen.

Die Einfahrt war sehr lang und schlängelte sich eine Anhöhe hinauf. Zu beiden Seiten der Straße grasten Kühe auf einer Weide. Außerdem gab es einen Teich, auf dem ein paar Enten schwammen. Insgesamt wirkte die Landschaft unglaublich idyllisch. Das Kind, das hier aufwachsen durfte, konnte sich glücklich schätzen, dache Ali.

Endlich kam das Haus in Sicht. Mit seinem schrägen, grauen Schieferdach wirkte der cremefarbene Backsteinbau sowohl eindrucksvoll als auch angenehm dezent. Von der Straße aus war er kaum zu bemerken gewesen, doch von Nahem entfaltete er seine volle Wirkung. Vom Haus musste man einen schönen Blick auf den Waitemata Harbour und den Hauraki-Golf haben, dachte Ali.

Konzentrier dich auf deine Aufgabe, rief sie sich selbst zur Ordnung, nachdem sie den Wagen in der Einfahrt geparkt hatte. Du bist nicht hier, um die Kulisse zu bewundern, sondern um einen Job zu erledigen. Nachdem sie ihre Habseligkeiten zusammengesammelt hatte, stieg sie aus dem Auto.

Ein nervöses Zittern überlief sie bei dem Gedanken, dass sie nun ihre Auftraggeber kennenlernen würde. Dabei war sie sonst selten nervös. Sie schrieb es den ungewöhnlichen Begleitumständen dieses Auftrags zu. Nachdem sie die Klingel betätigt hatte, wartete sie geduldig in der von Säulen gesäumten Eingangshalle. Dabei ließ sie ihren Blick über die idyllische Landschaft schweifen, die sich endlos vor ihren Augen erstreckte.

Normalerweise traf sie sich zumindest zwei Mal mit einem potenziellen Kunden, bevor sie ihn zu Hause besuchte. Bei diesen Vortreffen verschaffte sie sich gerne einen ersten Eindruck von ihren zukünftigen Klienten, bevor die Verträge unterzeichnet wurden. Waren sie auf derselben Wellenlänge? Würde die Zusammenarbeit gut funktionieren? In ein paar Fällen hatte sie sogar einen Auftrag abgelehnt, weil sie ein schlechtes Gefühl gehabt hatte.

Wenn es um ein Kind ging, war auch die Arbeit etwas sehr Persönliches. Deswegen war es wichtig, dass alle von Anfang an auf demselben Stand waren. Würde sie sich mit dem Paar gut verstehen? Sie hoffte es. Der Anblick der ländlichen Kulisse und des in der Ferne glitzernden Wassers inspirierten sie. Tausend Ideen für die Einrichtung des Kinderzimmers schossen ihr durch den Kopf. Es wäre eine große Enttäuschung, wenn die Chemie zwischen ihr und den Kunden nicht stimmte, und das nicht nur in finanzieller Hinsicht.

In diesem Moment hörte sie, wie sich die Eingangstür hinter ihr öffnete. Lächelnd drehte sie sich um. Doch das Lächeln gefror auf ihrem Gesicht, als sie den Mann sah, der in der eindrucksvollen Säulenvorhalle vor ihr stand. Sie erkannte das stoppelige Kinn, das dunkelblonde Haar und die leuchtend blauen Augen sofort.

Es war Ronin Marshall. Der Mann, mit dem sie auf Hawaii geschlafen hatte.

Der letzte Mensch auf der Welt, mit dem sie gerechnet hatte. Und der letzte, den sie hatte sehen wollen.

2. KAPITEL

Ronin musste zwei Mal hinschauen, bevor sein Gehirn verarbeitete, was er da sah.

„Ali?“

Die Stimme aus der Gegensprechanlage war ihm vage bekannt vorgekommen, doch er hatte sich nichts dabei gedacht. Ali sah ungefähr so schockiert aus, wie er sich fühlte. Doch einen Moment später schien sie sich bereits wieder gefasst zu haben. Sie trug eine lachsfarbene Seidenbluse zu einem hellgrauen Bleistiftrock und war der Inbegriff der eleganten Geschäftsfrau. Die Farbe ihrer Bluse betonte die zarte Bräune ihrer Haut und brachte ihre graublauen Augen wunderbar zur Geltung. Seltsamerweise war ihm nie aufgefallen, welche Farbe ihre Augen hatten. Nun, vielleicht war es nicht ganz so seltsam, wenn man bedachte, dass sich das meiste, was sie miteinander getan hatten, bei Kerzenschein oder völliger Dunkelheit abgespielt hatte.

„Hier muss ein Missverständnis vorliegen“, sagte sie zögerlich. „Oder hast du uns beauftragt?“

„Nun, genau genommen, hat meine persönliche Assistentin das arrangiert.“ Er räusperte sich.

„Aber du bist derjenige, der die Einrichtung des Kinderzimmers benötigt“, vergewisserte sie sich.

„Ja, ja. Bitte, komm doch rein.“ Er trat einen Schritt zurück und forderte sie mit einer galanten Handbewegung auf einzutreten. „Ich hatte keine Ahnung, dass du es bist.“

„Macht das einen Unterschied?“, gab Ali spitz zurück.

In ihren Augen blitzte es, und Ronin wurde das Gefühl nicht los, dass sie verärgert war. Es war verwirrend.

Autor

Yvonne Lindsay
Die in Neuseeland geborene Schriftstellerin hat sich schon immer für das geschriebene Wort begeistert. Schon als Dreizehnjährige war sie eine echte Leseratte und blätterte zum ersten Mal fasziniert die Seiten eines Liebesromans um, den ihr eine ältere Nachbarin ausgeliehen hatte. Romantische Geschichten inspirierten Yvonne so sehr, dass sie bereits mit...
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