So sexy bist nur du

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Der New Yorker Kunsthändler Aiden Blackstone hat keine Wahl: Um sein Erbe nicht zu verlieren, muss er heiraten und für ein Jahr auf den Familiensitz Blackstone Manor zurückkehren. Eine Herausforderung für den überzeugten Playboy und Verfechter von One-Night-Stands - denn wo soll er so schnell die passende Frau hernehmen? Zum Glück erklärt sich die attraktive Christina spontan bereit, ihm zu helfen. Aber nur als seine Scheinehefrau! Eigentlich die perfekte Lösung - wäre Christina nur nicht so unfassbar sexy, dass er kaum die Hände von ihr lassen kann. Doch Sex ist tabu …


  • Erscheinungstag 30.06.2015
  • Bandnummer 1879
  • ISBN / Artikelnummer 9783733721251
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Aiden Blackstone hatte sich geschworen, Blackstone Manor nie wieder zu betreten. Zumindest nicht, solange sein Großvater noch lebte. In seiner jugendlichen Naivität hatte er nicht begriffen, was er dafür aufgab. Er war in dem Glauben gewesen, noch alle Zeit der Welt zu haben, um seine Abwesenheit bei seiner Mutter wiedergutzumachen. Nun war er zurück, um einen anderen Schwur einzulösen: Er wollte sicherstellen, dass seine Mutter gut versorgt war.

Energisch griff er nach dem alten Türklopfer. Das Taxi war bereits abgefahren. Bei diesem Unwetter würde er die zehn Meilen nach Black Hills garantiert nicht zu Fuß zurückgehen, ganz gleich, was ihn bei diesem Besuch erwarten mochte. Das einzig Beruhigende war die Gewissheit, dass er nur so lange bleiben würde wie unbedingt nötig.

Erneut betätigte er den Klopfer und lauschte auf Schritte im Haus. Er war mit der Selbstsicherheit eines unbedarften Achtzehnjährigen gegangen. Zurück kam er als erwachsener Mann. Als erfolgreicher Mann. Nur schade, dass er nicht mehr die Genugtuung bekommen würde, seinem Großvater diesen Erfolg unter die Nase zu reiben.

James Blackstone war tot.

Noch ehe Aiden ein drittes Mal klopfen konnte, ging die schwere Tür laut knarrend auf. Vor ihm stand Nolen, der Butler. Er war älter geworden, hielt sich aber so aufrecht wie eh und je. Dabei blinzelte er mehrfach, so als sei er sich nicht sicher, ob er seinen Augen trauen könne.

„Ah, Master Aiden – wir haben Sie bereits erwartet.“

„Danke.“ Aiden trat ein.

„Es ist lange her, Master Aiden.“

Vergeblich versuchte Aiden in den Zügen des alten Mannes zu erkennen, ob dieser ihn verurteilte.

„Bitte lassen Sie Ihr Gepäck hier stehen. Ich bringe es nach oben, sobald Marie Ihr Zimmer fertig gemacht hat.“

Also war auch die Haushälterin noch da, die ihn und seine Brüder während ihrer Kindheit mit selbstgebackenem Kuchen verwöhnt hatte – besonders nach dem Tod des Vaters. Es hieß wohl zu Recht, dass sich in kleinen Städten nie etwas änderte.

Rasch ließ Aiden den Blick durch die offene Eingangshalle gleiten. Alles war noch genau so, wie er es in Erinnerung hatte. Nur ein Bild fehlte. Ein Foto, das seine Eltern, ihn selbst mit ungefähr fünfzehn und seine beiden jüngeren Zwillingsbrüder ungefähr ein Jahr vor dem Tod ihres Vaters gezeigt hatte.

Er stellte seinen Koffer und die Laptoptasche ab und folgte dem Butler. Seine Mutter hatte den Teil des Hauses um die breite, frei geschwungene Treppe stets die Galerie genannt. Von hier aus hatte man einen ungehinderten Blick bis hinauf in die oberen zwei Stockwerke. In den Zeiten, bevor die Klimaanlage installiert worden war, war dieser freie Raum ideal gewesen, um an den schwülen Sommernachmittagen, die so typisch waren für South Carolina, ein wenig die Luft zirkulieren zu lassen. An diesem Tag hatte er den Eindruck, das Haus sei unbewohnt.

Aber irgendwo musste seine Mutter sein. Wahrscheinlich noch in ihrem alten Zimmer. Aiden wollte nicht an sie denken. An ihre Hilflosigkeit. Es war so lange her, seit er das letzte Mal ihre Stimme am Telefon gehört hatte. Unmittelbar vor ihrem Schlaganfall zwei Jahre zuvor. Nachdem ein Autounfall das Reisen für sie beschwerlich gemacht hatte, beschränkte ihr Kontakt sich darauf, dass seine Mutter ihn einmal die Woche anrief – immer wenn James das Haus verlassen hatte. Das letzte Mal hatte er die Nummer von Blackstone Manor auf dem Display seines Telefons gesehen, als sein Bruder ihm mitteilen musste, dass ihre Mutter einen Schlaganfall erlitten hatte. Er war eine verspätete Folge des Autounfalls gewesen. Seither hatte Schweigen geherrscht.

Erstaunt registrierte Aiden, dass Nolen die Treppe hinaufging. Das Eichengeländer glänzte im Dämmerlicht des Nachmittags, als sei es gerade erst poliert worden. Zu Besprechungen traf man sich gemeinhin in der Bibliothek seines Großvaters. Aiden war davon ausgegangen, dort auch den Familienanwalt zu treffen.

„Hat der Anwalt nicht auf mich gewartet?“

„Ich habe Anweisungen, Sie nach oben zu bringen“, erklärte der Butler, ohne sich nach ihm umzusehen. Betrachtete er den verlorenen Sohn mit Argwohn? Als eine unbekannte Größe, die das Leben, das er hier seit über vierzig Jahren führte, verändern könnte?

Und recht hatte er! Aiden wollte seine Mutter in einem guten Heim unterbringen, damit sie die bestmögliche Pflege erhielt. Eine bessere, als er sie persönlich je hätte gewährleisten können. Er wollte hier alles verkaufen und dann so schnell wie möglich nach New York City zurückkehren. Zu seiner eigenen kleinen Firma, die Kunst im- und exportierte. Er wollte nichts mehr mit Blackstone Manor zu tun haben – oder mit den Erinnerungen, die er damit verband.

Er war Nolen blind gefolgt – und registrierte plötzlich erstaunt, dass es nicht in den zweiten Stock ging, wo sich sein Zimmer und die seiner Brüder befanden. Nolen bog im ersten Stock ab. Soweit Aiden sich erinnerte, befanden sich hier nur die Räume seiner Mutter und seines Großvaters. Doch im Moment stand ihm der Sinn weder nach den einen noch nach den anderen. Seine Mutter wollte er aufsuchen, sobald er sich innerlich darauf vorbereitet hatte. Die Zimmer seines Großvaters – niemals.

Canton, der Anwalt, hatte gesagt, James sei in der letzten Nacht gestorben. Sofort hatte Aiden gepackt und sich auf den Weg gemacht. Erst nach dem Gespräch mit dem Anwalt würde er wissen, wie es in Zukunft weitergehen würde.

Der Butler näherte sich der Doppeltür, die zu den Räumen des Großvaters führte.

„Was geht hier vor?“ Aiden räusperte sich.

Nolen zog die Tür auf und trat beiseite. „Mr Canton erwartet Sie, Master Aiden.“

Aiden atmete tief durch. Master Aiden. So hatte Nolen ihn bereits in seiner Kindheit genannt – und nun schien er plötzlich in diese Zeit zurückversetzt. Aber das war immer noch besser, als Master Blackstone genannt zu werden. Den verhassten Familiennamen hatte er seiner Mutter zu verdanken, die dem Drängen ihres Vaters nachgegeben hatte. James hatte gewollt, dass der Name der Blackstones auf jeden Fall erhalten blieb, auch wenn er selbst nur eine Tochter gehabt hatte. So nahmen seine Enkel den Namen des Großvaters an. Alle eventuellen Ansprüche ihres Vaters wurden ausgeschlossen.

Aiden betrat das Zimmer von James Blackstone. Trotz des Unwetters, das draußen tobte, war es hier warm. Unwillkürlich ließ er den Blick hinüber zu dem riesigen alten Himmelbett mit den schweren violetten Samtvorhängen schweifen.

Plötzlich überlief ihn ein kalter Schauer.

Vom Bett sah sein Großvater zu ihm herüber.

Sein angeblich toter Großvater.

Fassungslos starrte Aiden den Mann an, von dem er geglaubt hatte, er sei gestorben. Sein Körper war gebrechlicher, als Aiden ihn in Erinnerung hatte, aber es gab keinen Zweifel: Er lebte. Der hellwache Blick war unverkennbar. Konzentriert sah Aiden seinen Gegner an. Angriff war die beste Verteidigung. Diese Strategie hatte ihm noch in jeder Notlage geholfen – sowohl früher, als er noch jung und oft am Rande der Insolvenz gewesen war, als auch in späteren Jahren, als er bereits einen Wohlstand erreicht hatte, den er sich nie erträumt hätte.

„Ich wusste, dass du ein zäher Hund bist, James – aber ich hätte nicht für möglich gehalten, dass du in der Lage bist, von den Toten aufzuerstehen“, bemerkte Aiden trocken.

Zu seiner Überraschung glitt so etwas wie ein Lächeln über die Züge des alten Mannes. „Ein echter Blackstone!“

Aiden unterdrückte den aufsteigenden Zorn. Sein Großvater mochte nicht tot sein, aber seine Stimme war schwach und krächzend. Die früher gebräunte Haut war fahl. Wieso war der Mann nicht im Krankenhaus? Nicht, dass Aiden an sein Bett geeilt wäre, um Trost zu spenden. Als er geschworen hatte, Blackstone Manor nicht wieder zu betreten, solange sein Großvater noch lebte, war es ihm ernst gewesen.

Und das wusste der alte Mann nur zu gut.

Um nicht die Kontrolle zu verlieren, atmete Aiden ein paarmal tief durch. Erst jetzt bemerkte er die Frau, die mit einem Glas Wasser an das Bett trat. James runzelte die Stirn, offensichtlich irritiert über die Störung.

„Sie müssen Ihre Medizin nehmen.“ Ihre Stimme war warm, klang aber äußerst nachdrücklich.

Irgendetwas an ihr kam Aiden bekannt vor. Gewelltes nussbraunes Haar fiel ihr tief auf den Rücken hinunter. Ihre Gesichtszüge waren klassisch elegant. Ein blauer Schwesternkittel offenbarte Kurven an genau den richtigen Stellen.

Gerade als Aiden sich zwang, den Blick von ihr zu wenden, hob sie eine Braue. Unverwandt hielt sie James’ Blick stand, während sie ihm zwei Tabletten hinhielt. In diesem Moment traf es Aiden wie ein Schlag.

„Invader?“, fragte er fassungslos.

„Wie ich sehe, erinnerst du dich an Christina.“ James ließ den Blick zwischen den beiden hin und her wandern.

Allerdings! Und das nur zu gut. Und wie an ihrem durchgebogenen Rückgrat abzulesen war, erinnerte auch sie sich. Zumindest an den kleinen Spitznamen, den er ihr gegeben hatte. Invader. Eindringling. Dieser unnachgiebige Ich-werde-meinen-Willen-bekommen – Blick hatte alles zurückgebracht. So hatte sie ihn schon angesehen, als sie noch Teenager gewesen waren und er sie wieder einmal wie eine lästige Fliege verscheucht hatte, ohne irgendwelche Rücksicht auf ihre Gefühle zu nehmen. Für ihn war sie nur ein kleines Mädchen gewesen, das um Aufmerksamkeit bettelte. Bis zu jenem letzten Mal. Er hatte sie verhöhnt. Hatte gesagt, sie hänge sich an Menschen, die sie offensichtlich nicht wollten. Die Tränen, die ihr in die Augen getreten waren, hatten sich ihm unauslöschlich eingeprägt.

„Aiden.“ Sie nickte ihm kühl zu. Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf James. „Bitte, nehmen Sie die Tabletten.“

Sie mochte sehr weiblich wirken, aber der stählerne Wille, der unter dem Schwesternkittel steckte, war unverkennbar. Gab es dort vielleicht noch mehr zu entdecken? Einen sexy Körper? Nein! Aidens strikte One-Night-Stand-Politik ließ keine Bindungen zu, und diese Frau hatte förmlich mit Neonschrift Heim und Herd auf der Stirn stehen. Außerdem würde er nicht lange genug bleiben, um mehr herauszufinden. Über irgendjemanden.

James murmelte etwas Unverständliches und spülte die beiden Tabletten mit einem Schluck Wasser hinunter. „Sind Sie jetzt glücklich?“

Sie ließ sich nicht beirren. „Ja, danke.“

Verdrossen betrachtete Aiden seinen Großvater. „Was willst du?“

„Du kommst immer sofort auf den Punkt. Das hat mir stets an dir gefallen, Junge.“ Das Sprechen fiel James offenkundig schwer. „Du hast recht. Wir sollten zur Sache kommen …“ Er ließ sich ein wenig in die Kissen zurücksinken. „Ich hatte einen Herzinfarkt. Ernst, aber noch lebe ich. Dieser kleine Vorfall …“

„Kleiner Vorfall?!“, entfuhr es Christina empört.

James ignorierte sie. „… dieser kleine Vorfall hat mir gezeigt, dass es Zeit wird, meine Angelegenheiten zu regeln. Ich muss die Zukunft des Blackstone-Erbes sichern.“

Er deutete auf den unscheinbaren Mann, der sich bisher im Schatten gehalten hatte. „John Canton – mein Anwalt.“

Aiden musterte den Mann kurz. Ihm hatte er also diesen Anruf zu verdanken. „James muss Sie gut bezahlen, wenn Sie bereit sind, derart für ihn zu lügen.“

„Es war eine Notlüge“, verteidigte James den Anwalt. Er machte keinen Hehl daraus, dass ihm wie schon früher jedes Mittel recht war, um sein Ziel zu erreichen. „Du wirst hier gebraucht, Aiden“, fuhr er fort. „Du musst dich um die Familie kümmern, wenn ich einmal nicht mehr bin.“ Er rang nach Atem.

Canton reichte Aiden die Hand und schüttelte sie kräftiger als erwartet. „Ich kümmere mich seit fünf Jahren um die Angelegenheiten Ihres Großvaters.“

„Mein Beileid“, bemerkte Aiden lakonisch.

James hatte die Sprache wiedergefunden. „Wir müssen einiges regeln, Aiden. Bald.“

„Du willst sagen, es soll alles genauso weiterlaufen, wie du es dir vorstellst.“

James fuhr auf. „Ich habe mich fünfzig Jahre lang um die Familie gekümmert. Ich weiß, was das Beste ist. Schließlich bin ich nicht gleich beim ersten Problem davongelaufen. Deine Mutter …“

Stöhnend ließ er sich zurücksinken.

„Schwester!“ Cantons Ton verriet einen Anflug von Panik.

Mit wenigen Schritten war Christina am Bett und kontrollierte den Puls des Kranken. Aiden bemerkte, dass ihre Finger leicht zitterten. Sie stand dem Alten also nicht gleichgültig gegenüber. Mochte sie ihn tatsächlich? Irgendwie konnte er es sich nicht vorstellen. Obwohl Aiden sich vorgenommen hatte, sich von der Situation nicht beeinflussen zu lassen, hörte er sich sagen: „Du solltest im Krankenhaus sein.“

„Ihr Großvater hat jede weitere Behandlung abgelehnt. Er sagte, wenn er schon sterben müsse, dann in Blackstone Manor“, erklärte Canton. „Christina wohnte bereits hier im Haus und konnte die Anweisungen der Ärzte ausführen …“

James atmete schwer. Er hielt die Augen geschlossen.

„Und? Können Sie … kannst du das?“ In Anbetracht der Tatsache, dass sie sich schon aus Kindertagen kannten, erschien es ihm plötzlich albern, sie zu siezen.

„Natürlich“, erklärte sie nüchtern. „Mr Blackstone wird nicht sterben. Aber er wird einige Zeit brauchen, um wieder zu Kräften zu kommen. Ich hätte es vorgezogen, er wäre noch ein wenig länger im Krankenhaus geblieben, aber …“ Ihr Schulterzucken schien zu sagen: Was will man machen, wenn jemand derart halsstarrig ist?

Irgendetwas an ihr irritierte Aiden. Sie gehörte nicht hierher. Sie sollte nicht befleckt werden von den schmutzigen Machenschaften seines Großvaters. War sie nur wegen des Jobs hier? Oder gab es noch einen anderen Grund? Aiden beneidete sie um die Fähigkeit, ihre Gefühle so gut verstecken zu können.

Diskret zog Christina sich hinter den Vorhang zurück. Aiden war sich ihrer Gegenwart bewusst, obwohl er sie kaum wahrnehmen konnte. Dabei musste er sich jetzt ganz auf den Kampf konzentrieren, der ihm bevorstand.

„Ihr Großvater macht sich Sorgen um die Zukunft der Baumwollspinnerei“, sagte Canton.

„Mir ist völlig egal, was damit passiert“, stieß Aiden hervor. „Reißen Sie das Ding ab. Lassen Sie es abbrennen – was auch immer!“

Die Züge seines Großvaters verhärteten sich, aber er machte keine Anstalten, sein Lebenswerk zu verteidigen. Er hatte seine ganze Kraft hineingesteckt, ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der Familie.

„Und die Stadt?“ Fragend sah Canton ihn an. „Ist Ihnen auch egal, was aus den Menschen wird, die in der Spinnerei arbeiten? Generationen haben dort ihren Lebensunterhalt verdient – die Freunde Ihrer Mutter, Kinder, mit denen Sie zur Schule gegangen sind…“

Aiden presste die Lippen aufeinander. Er wollte nicht emotional in die Sache hineingezogen werden, aber während der Anwalt sprach, sah er Gesichter vor seinem geistigen Auge vorbeiziehen. Gesichter von Menschen, die von der Spinnerei lebten. Angefangen hatte es vor langer Zeit mit einer einfachen Baumwollentkörnungsmaschine. Inzwischen war Blackstone Mills eines der führenden Unternehmen des Landes, spezialisiert auf hochwertige Tuchwaren. James mochte ein Bastard sein, aber sein Beharren auf Qualität hatte die Firma sicher auch durch schwierige Zeiten gebracht. Frustriert fuhr Aiden sich durch das vom Regen noch feuchte Haar.

Erneut spürte er den altvertrauten Geist der Rebellion in sich. „Ich will die Firma nicht übernehmen. Ich wollte es noch nie.“ Gereizt trat er an das Fenster und sah hinaus in das immer noch tobende Unwetter. Verantwortung für die Familie wollte er nicht. Nicht mehr. Die hatte er vor langer Zeit seinen Brüdern überlassen.

Doch als ob die belastende Situation noch nicht genug gewesen wäre, wanderten seine Gedanken immer wieder zu Christina. Wie war sie hierhergekommen? Seit wann war sie im Haus? Der Sturm widersprüchlichster Gefühle, der in ihm tobte, äußerte sich in drückenden Kopfschmerzen.

„Du hast doch gewusst, dass es irgendwann dazu kommen würde. In deinem Alter … Du hättest verkaufen sollen. Oder die Firma jemandem übergeben. Einem meiner Brüder.“

„Du bist der Erstgeborene. Es ist deine Pflicht“, beharrte James. „Es wird Zeit, dass du lernst, Verantwortung zu übernehmen.“

Canton schien zu ahnen, dass Aiden kurz davor stand zu explodieren. „Mr Blackstone möchte, dass die Spinnerei im Familienbesitz bleibt und auch weiterhin Arbeitsplätze für die Menschen der Stadt sichert.“

Aiden lachte freudlos. „Mr Blackstone – der große Wohltäter! Hast du schon ein Denkmal geplant?“

„Ich werde tun, was getan werden muss“, ließ sich eine müde, aber beharrliche Stimme vom Bett her vernehmen. „Und genau das wirst du auch tun.“

„Und wie willst du das erreichen? Ich bin schon einmal gegangen. Ich habe kein Problem damit, es ein zweites Mal zu tun.“

„Ich habe mein ganzes Leben dafür gearbeitet, das fortzuführen, was mein eigener Vater begonnen hat. Und ich habe nicht die Absicht, zuzulassen, dass alles zerstört wird, nur weil du nicht bereit bist, deine Pflicht zu tun. Du wirst dorthin zurückkehren, wo du hingehörst. Dafür werde ich sorgen.“

Aiden massierte sich die verspannten Nackenmuskeln. „Ich tanze nicht mehr nach deiner Pfeife. Je eher der Name Blackstone verschwindet, desto besser.“

„Ich wusste, dass du so denkst.“ James seufzte schwer.

Christina lauschte der Auseinandersetzung der Männer wie aus weiter Ferne, denn sie hatte nur Augen für Aiden. Bedrückt erkannte sie die Maske aus Rebellion und Stolz, die alles verbarg, was sich dahinter abspielen mochte. Sie registrierte die Breite seiner Schultern. Das Spiel seiner Muskeln, das sich unter seinem Hemd abzeichnete. Es erinnerte sie an seine Kraft. An seine Überlegenheit.

Hatte er eine Chance gegen einen Mann wie James? James Blackstone hatte immer seinen Willen durchgesetzt, sowohl geschäftlich als auch privat. Dabei war ihm jedes Mittel recht.

„Wieso sagen Sie nicht einfach, was Sie wollen?“ Herausfordernd sah Aiden den Anwalt an. „Kurz und knapp.“

Canton räusperte sich. „Ihr Großvater hat einige Dokumente aufgesetzt, die alle Aspekte berücksichtigen.“ Er zog einen Stapel Papiere aus der Tasche. „Im Kern erhalten Sie damit alle Rechte an der Spinnerei und an Blackstone Manor.“

„Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass mich das nicht interessiert. Verkaufen Sie das Ganze“, wies Aiden ihn schroff zurecht.

Christina schluckte.

„Das geht nicht“, erklärte Canton kühl. „Wir haben einen Kaufinteressenten, der die Spinnerei schließen und sie Stück für Stück veräußern würde. Einschließlich des Landes, auf dem sich Mill Row befindet. Alle Bewohner der fünfzig Häuser, die Blackstone dort für seine Arbeiter gebaut hat, müssten gehen.“

James lachte bitter. „Der Erlös von dem Verkauf würde ausreichen, um der Universität eine hervorragende juristische Bibliothek zu stiften. Nicht das Erbe, das ich mir vorgestellt hatte, aber auch nicht schlecht.“

Canton schwieg. James stand nicht der Sinn nach dem Austausch von Nettigkeiten. „Fahren Sie fort!“, drängte er.

Cantons Zögern überraschte Christina. Sie hatte den Anwalt von Anfang an unsympathisch gefunden, und seine Schleimerei gegenüber James hatte ihren Eindruck nur bestätigt. Dass er sich jetzt dem alten Mann widersetzte – und sei es nur durch ein Zögern –, war neu. Vielleicht weckte die unmittelbare Konfrontation mit dem Menschen, den er ruinieren sollte, doch so etwas wie Gewissensbisse.

„Falls Sie sich weigern, die Spinnerei zu übernehmen, wird Mr Blackstone die Rechte seiner Vormundschaft geltend machen und seine Tochter in das öffentliche Pflegeheim geben. Sofort.“

Entsetzt schrie Christina auf. Ihr war bewusst, was diese angedrohte Maßnahme für katastrophale Auswirkungen auf Aidens Mutter haben würde. Seit fünf Jahren kümmerte sie sich schon um Lily. Sie war gleich nach ihrer Ausbildung hierhergekommen. Lily war seit Jahren so etwas wie eine zweite Mutter für sie gewesen. Wie die Mutter, die sie nie gehabt hatte. Niemals würde sie zulassen, dass Lily schlechter Pflege ausgesetzt würde.

Aiden versuchte, Christina im Halbdunkel zu erkennen. Er hatte die Stirn gerunzelt – bisher das einzige Anzeichen einer emotionalen Regung. Sie spürte förmlich, wie sein Blick sie zu durchdringen schien – ein Gefühl, wie sie es noch nie zuvor erlebt hatte.

„Was würde dort mit Mutter geschehen?“

James lächelte triumphierend. „Christina, ich glaube, du bist schon einmal dort gewesen, nicht wahr? Während deiner Ausbildung? Erzähl Aiden doch davon!“

Christina wand sich innerlich. Nur jemand, der so verschlagen und skrupellos war wie James, konnte sich ausmalen, wie diese Drohung wirken musste. Aber er war bereit, genau das in die Tat umzusetzen, wenn es galt, sein Lebenswerk zu sichern. Sie musste sich räuspern, bevor ihre Stimme ihr wieder gehorchte. „Der Pflegestandard dort ist seit Jahren katastrophal. Es hat immer wieder Beschwerden gegeben, aber es ist kaum etwas passiert – weil es das einzige Heim hier in der Gegend ist, das auch mittellose Alte und Behinderte aufnimmt.“

„Woher willst du wissen, ob ich nicht genug Geld habe, um sie in ein anderes Heim zu geben?“ Bei diesen Worten glaubte Christina, in Aidens Zügen etwas von der Arroganz seines Großvaters zu erkennen.

„Das können Sie versuchen“, bestätigte der Anwalt, „aber da Ihr Großvater der Vormund ist, liegt die Entscheidung letztlich bei ihm.“

„Wir werden vor Gericht gehen und die Vormundschaft auf einen meiner Brüder übertragen lassen.“

Aber nicht auf dich! dachte Christina.

„Das könnt ihr tun.“ James nickte. „Aber was glaubst du, wie lange ein solches Verfahren dauert? Monate? Ein Jahr? Hat deine Mutter so viel Zeit? In der Umgebung?“

„Das würdest du deiner eigenen Tochter antun?“

Christina kannte die Antwort. Sie wusste, dass James keinerlei Skrupel besaß. Sie rieb sich die feuchten Hände am Kittel. Obwohl Lily im Koma lag, war Christina überzeugt, dass sie ihre Umgebung irgendwie wahrnahm. Das letzte Mal, als sie Lily für einige notwendige Untersuchungen ins Krankenhaus bringen mussten, hatte sie sehr erregt reagiert – ihr Puls war hochgeschnellt, und sie hatte Schweißausbrüche gehabt. Anschließend hatte sie sich einen der gefürchteten Krankenhausviren eingefangen. Wie lange würde sie in dem schlechten Pflegeheim überleben?

Christina konnte nicht mehr an sich halten. „Natürlich würde er das!“, erklärte sie verbittert.

„Was bist du nur für ein Mensch!“ Aiden warf seinem Großvater einen vernichtenden Blick zu. „Setzt deine eigene Tochter als Druckmittel in deinem schmierigen kleinen Spiel ein!“

Sein Zorn machte Christina Angst – und faszinierte sie gleichermaßen. Sie wusste, dass er ein ganz neues Element der Gefahr in diese explosive Situation bringen konnte.

Kraftlos ließ James die geballte Faust auf die Bettdecke sinken. „Das ist kein Spiel. Mein Lebenswerk muss erhalten bleiben, wenn nicht alles umsonst gewesen sein soll. Lieber sollen zwei Menschen den Preis dafür zahlen als die ganze Stadt.“

Aiden runzelte die Stirn. „Zwei?“

Erneut ergriff Canton das Wort. „Es gibt eine zusätzliche Bedingung für diesen Deal. Sie akzeptieren entweder alles oder nichts.“

Aiden schwieg abwartend.

„Sie müssen heiraten und ein Jahr auf Blackstone Manor leben. Erst dann wird Ihr Großvater Sie aus dem Deal entlassen oder Ihnen das Erbe übergeben, falls er das Ende des Jahres nicht mehr erlebt.“

„Nein!“, entfuhr es Aiden. „Das kannst du nicht machen!“

James’ Atem ging rasselnd. „Ich kann machen, was ich will, Junge. Die Tatsache, dass du deine Mutter seit zehn Jahren nicht mehr besucht hast, wird keinen Richter geneigt machen, dir die Vormundschaft zu übertragen.“ Sein Atem wurde noch lauter.

„Wieso ich?“, fragte Aiden hitzig. „Wieso nicht einer meiner Brüder?“

James verzog die Lippen zu einem grausamen Lächeln. „Ich will dich. Einer vom alten Schrot und Korn sollte stark genug sein, die neue Generation dorthin zu führen, wo ich sie haben will.“

Christinas Schock verflog. Wich der Angst. Nolen, Marie und Lily – die anderen Bewohner von Blackstone Manor – waren nicht ihre Verwandten, aber sie waren die einzigen Menschen, die ihr bisher das Gefühl gegeben hatten, geliebt und geachtet zu werden. Sie hatte nicht die Absicht, kampflos zuzusehen, wie sie alle zu Schaden kamen durch dieses absurde Machtspiel, das hier ausgetragen wurde. Wenn Aiden ging, kam Lily ins Pflegeheim, und alle anderen standen auf der Straße. Und eines hatte sie im Laufe ihrer sechsundzwanzig Jahre gelernt: sich für andere einzusetzen.

Der Anwalt übernahm wieder das Wort. „Es ist bereits alles schriftlich festgehalten. Entweder heiraten Sie und halten die Spinnerei in Betrieb, oder Mrs Blackstone wird sofort in das Pflegeheim überführt.“

„Mach es, oder lass es bleiben!“, brachte James keuchend hervor.

Christina ahnte, dass Aiden diese Niederlage wurmte, aber anmerken ließ er sich nichts.

„Und wo soll ich so schnell eine Frau finden, die sich für so was hergibt?“

„Du hast sicher inzwischen genug Erfahrung bei der Suche nach verborgenen Schätzen“, bemerkte James höhnisch und spielte damit auf Aidens Beruf als Kunsthändler an. Schon jetzt kostete er den Triumph eines Sieges aus, den alle kommen sahen.

„Ich bin nie daran interessiert gewesen zu heiraten. Und ich bezweifle, dass irgendeine Frau bereit wäre, sich auf dein Spiel einzulassen, Großvater.“

Ich wäre bereit“, hörte Christina sich da sagen.

Autor

Dani Wade
<p>Als Jugendliche erstaunte Dani Wade die Mitarbeiter der örtlichen Bibliothek regelmäßig. Sie lieh sich wöchentlich bis zu zehn Bücher aus – und las diese dann tatsächlich bis zu ihrem nächsten Besuch. Sie stellte sich gerne vor, selbst in der Rolle der weiblichen Heldin zu stecken. Vielleicht gelingt es ihr auch...
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