Töchter der Macht - Geld, Sex und Intrigen in Washington D.C. (6-teilige Serie)

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EINE UNMÖGLICHE AFFÄRE

Carrie kann es nicht lassen: Immer wieder lässt sie sich von dem reichen Playboy Max Gray verführen! Auf dem Promiparkett bewegt er sich gekonnt wie kein anderer - und verfolgt dabei nur seine eigenen egoistischen Träume. Daher muss sie ihre Affäre unbedingt beenden. Vor allem jetzt, wo sie von ihm schwanger ist! Denn der begehrte Junggeselle ist nun mal kein Familienmensch, deshalb darf er es nie erfahren. Doch wie kann sie ihre Lage vor einem so routinierten Lebemann geheimhalten? Vor allem, wenn er sie so heiß küsst, dass sie keinen klaren Gedanken mehr fassen kann?

VERBOTENE KÜSSE AM POOL

"Rowena ist tabu für Sie!" Der englische Diplomat Colin Middlebury ist gewarnt. Wenn er sich der sexy Tochter des Senators nähert, verliert er auf der Stelle dessen Unterstützung. Doch mit ihrem feuerroten Haar und den grünen Augen ist Rowena einfach zu verführerisch! Vom ersten Moment an fühlt Colin sich gegen seinen Willen zu ihr hingezogen. Und als sie ihm verlangend "Küssen Sie mich!" zuflüstert, kann er nicht mehr widerstehen - auch wenn seine diplomatische Mission gescheitert ist, sobald jemand von ihrer heimlichen Affäre erfährt. Ein gefährlich heißes Spiel beginnt …

EINE UNVERGESSLICHE HOCHZEIT

Die hübsche Hochzeitsplanerin Scarlet will kein Risiko eingehen. Besonders, was Männer angeht. Deshalb gibt sie dem sexy Playboy-Milliardär Daniel McNeal sofort einen Korb, als er versucht, sie zu verführen. Ein Mann wie er ist einfach viel zu gefährlich! Doch dann stolpert Scarlet über einen Brautschleier, verliert ihr Gedächtnis - und ist auf einmal wie verwandelt. Gänzlich unbeschwert flirtet Scarlet mit Daniel und lässt sich zum ersten Mal im Leben auf eine leidenschaftliche Affäre ein. Sie ist überglücklich - bis plötzlich ihre Erinnerung zurückkehrt

LIEBESSKANDAL UM LUCY

Hayden Blacks Auftrag: für den Kongress in Washington Beweise zu finden, dass der mächtige Medienmogul Graham Boyle mit illegalen Mitteln arbeitet. Seine Geheimwaffe: Lucy Royall, Boyles Stieftochter. Es kann ja nicht so schwer sein, das verwöhnte City-Girl auszutricksen, vermutet der smarte Security-Experte. Doch Hayden erlebt eine Riesenüberraschung: Lucy ist alles andere als dumm oder naiv - und umwerfend verführerisch. Eine Versuchung, der er nicht widerstehen kann … Auch wenn ihre Affäre einen Skandal heraufbeschwört, der ungeahnte Folgen hat!

VORSICHT ? UNWIDERSTEHLICH!

Heißer Sex im Fahrstuhl?! Liam Crowe, Boss des Medienimperium ANS, kann nicht glauben, was zwischen ihm und Francesca passiert! Dabei sind er und seine schöne Mitarbeiterin sonst nie einer Meinung. Doch statt ihm die kalte Schulter zu zeigen, erwidert Francesca seine Zärtlichkeiten mit solchem Feuer, dass er sich bedenkenlos dem Taumel der Leidenschaft überlässt, der sie beide während des unfreiwilligen Stopps erfasst hat. Und als Liam kurze Zeit später vor der dramatischen Alternative steht, zu heiraten oder sein Imperium zu verlieren, fällt ihm nur eine ein: Francesca!

LIEBE GESUCHT - PRINZ GEFUNDEN

Darf ich Sie zum Frühstück einladen? Simons raue Stimme ist Sex pur, sein Blick wie ein Streicheln! Ariellas Herz schlägt auf einmal doppelt so schnell - atemlos sagt sie dem Lord zu. Dabei ist ihr Leben schon kompliziert genug! Seit sie erfahren hat, dass ihr leiblicher Vater niemand anderer ist als der US-Präsident, machen ihr die Paparazzi das Leben schwer. Und eine Beziehung mit einem Mitglied des britischen Hochadels würde für noch mehr Aufruhr sorgen. Wenn Simon nur nicht so attraktiv wäre - dann würde es ihr leichter fallen, seinen Küssen zu widerstehen …


  • Erscheinungstag 12.09.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733727291
  • Seitenanzahl 864
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Barbara Dunlop, Michelle Celmer, Robyn Grady, Rachel Bailey, Andrea Laurence, Jennifer Lewis

Töchter der Macht - Geld, Sex und Intrigen in Washington D.C. (6-teilige Serie)

Barbara Dunlop

Eine unmögliche Affäre

IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: 040/60 09 09-361
Fax: 040/60 09 09-469
E-Mail: info@cora.de

© 2012 by Harlequin Books S.A.
Originaltitel: „A Conflict of Interest“
erschienen bei: Harlequin Books, Toronto
in der Reihe: DESIRE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA
Band 1802 - 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg
Übersetzung: Roswitha Enright

Fotos: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format in 01/2014 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733720186

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

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BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

 

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1. KAPITEL

Es war die Nacht der Amtseinführung des amerikanischen Präsidenten in Washington, und Cara Cranshaw musste sich zwischen dem Präsidenten und ihrem Liebhaber entscheiden. Der eine betrat hoch aufgerichtet und strahlend den großen Ballsaal des Worthington Hotels, während die Band einen Triumphmarsch anstimmte und die Menge ihm zujubelte. Der andere, dem das dunkle Haar wie immer etwas zerzaust in die Stirn fiel und dessen Fliege nicht ganz gerade saß, starrte Cara vom anderen Ende des Ballsaales an. Und als sie seinem Blick kurz begegnete, wurde sie rot. So eindeutig war das, was er wollte. Sie nackt in den Armen halten.

Momentan gewann Reporter Max Gray den Kampf um Caras Aufmerksamkeit. Obwohl sie fest entschlossen war, mit ihm Schluss zu machen, konnte sie sich einfach nicht seinem Blick entziehen. Unwillkürlich legte sie sich die Hand auf den flachen Bauch. Doch da Ted Morrow zum Präsidenten gewählt worden war, musste sie die Beziehung mit Max unbedingt abbrechen.

„Meine Damen und Herren“, versuchte sich der Moderator verständlich zu machen, was bei dem begeisterten Klatschen und der lauten Musik nicht ganz einfach war. „Der Präsident der Vereinigten Staaten!“

Der Jubel kannte keine Grenzen, die Band spielte lauter. Die Menge bildete eine Gasse, um Platz für Präsident Morrow zu machen. Auch Cara trat ein paar Schritte zurück, konnte den Blick aber nicht von Max lösen, der auf der anderen Seite der Gasse das Gleiche tat. Sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, denn auf keinen Fall durfte sie ihm zeigen, wie verwirrt und verunsichert sie seit ihrem Termin beim Arzt am Nachmittag war. Es gibt eine Lösung, versuchte sie sich immer wieder gut zuzureden. Kein Grund, besorgt zu sein oder gar Angst zu haben.

„Er ist spät dran“, hörte sie Sandy Hanifords schrille Stimme.

Sandy Haniford war relativ neu im Pressebüro des Weißen Hauses, in dem Cara als Public Relation Spezialistin arbeitete.

„Nur ein paar Minuten“, gab Cara zurück, die Augen immer noch auf Max gerichtet. Sie musste sich unbedingt beruhigen. Seit sie erfahren hatte, dass sie schwanger war, war zwar ihre Welt irgendwie aus den Fugen, was aber nicht bedeutete, dass sie ihren Job in dieser wichtigen Nacht nicht gut machte.

„Ich hatte gehofft, dass der Präsident etwas früher kommt“, schrie Sandy ihr wieder ins Ohr. „Weil in letzter Sekunde noch ein weiterer Redner hinzugekommen ist.“

„Was?“ Cara sah sie entsetzt an. „Was hast du gesagt?“

„Noch ein Redner.“

„Das kann doch nicht wahr sein.“

„Ist es aber.“

„Dann musst du das wieder rückgängig machen.“

Die Redner dieses Abends, der von Organisationen veranstaltet wurde, die dem Präsidenten eher feindlich gesinnt waren, standen schon lange fest. Auch der Fernsender American News Service (ANS), der diesen Ball im Worthington Hotel ausrichtete, gehörte zu den Organisationen, die dem Präsidenten kritisch gegenüberstanden. Aber sein Ball hatte eine lange Tradition, und so musste der Präsident auch hier erscheinen.

Seine Anwesenheit war mit dreißig Minuten festgelegt. Man erwartete ihn um 22.45 Uhr, jetzt wohl eher um 22.52 Uhr, und um 23.15 Uhr musste er bereits wieder aufbrechen. Denn als Nächstes musste er den Ball besuchen, den das Militär für ihn veranstaltet hatte, und zu dem wollte er auf keinen Fall zu spät kommen.

„Aber was soll ich denn tun? Soll ich den Mann anfallen, wenn er in Richtung Bühne geht?“ Sandys Verzweiflung schlug in Sarkasmus um.

„Du hättest dieses Problem gar nicht erst aufkommen lassen sollen.“ Cara zog ihr Telefon aus der Tasche, um ihre Chefin, die Pressesprecherin Lynn Larson, anzurufen.

„Glaubst du denn, das hätte ich nicht versucht?“

„Offenbar nicht hartnäckig genug. Wie konntest du dem ANS die Genehmigung geben, noch einen Redner aufzustellen?“

„Sie haben mich doch gar nicht gefragt!“, verteidigte sich Sandy. „Graham Boyle persönlich hat Mitch Davis ausgesucht. Es soll nur ein kurzer Toast sein, höchstens zwei Minuten.“

Cara war empört. Mitch Davis war der Starreporter vom ANS. Dem Milliardär Graham Boyle gehörte zwar der Sender, und er hatte diesen Ball hier ausgerichtet. Aber das gab ihm noch lange nicht das Recht, in den Terminkalender des Präsidenten einzugreifen. Unwillkürlich warf Cara Max einen Hilfe suchenden Blick zu. Max war der Starreporter von ANS’ Konkurrenzunternehmen, dem Sender National Cable News (NCN). Vielleicht hatte er eine Ahnung, was hinter dem Ganzen steckte. Aber Cara konnte ihn nicht fragen, nicht jetzt und nicht später. Niemals mehr.

Sie wählte Lynns Nummer, bekam aber nur die Voicemail. In diesem Augenblick hatte der Präsident den Tisch unterhalb der Bühne erreicht und schüttelte lächelnd einigen festlich gekleideten Gästen die Hand. Der Moderator David Batten, Gastgeber einer sehr populären Talkshow, übernahm wieder das Mikrofon. Nach wenigen herzlichen Worten übergab er das Mikro Graham Boyle, der laut Terminplan drei Minuten Redezeit hatte.

Cara steckte das Telefon ein und kämpfte sich durch die Menge in Richtung Bühne. Vielleicht gelang es ihr, Mitch Davis zu fassen zu kriegen, bevor er die Bühne erreichte. Wenn sie nur ein bisschen größer und ein bisschen kräftiger wäre. Ein bisschen mehr wie Max …

Er war als Kriegsreporter in allen Krisengebieten unterwegs gewesen, in zerschossenen Städten und in unwegsamen Berggebieten, um mit Rebellen zu sprechen, in undurchdringlichen Urwäldern und auf Flüssen reich an Krokodilen, um die Sorgen und Ängste der einheimischen Stämme dem westlichen Publikum nahezubringen. Wenn also Max Gray einen bestimmten Sprecher nicht auf der Bühne sehen wollte, dann hätte der keine Chance. Aber diesmal konnte Cara seine Hilfe nicht in Anspruch nehmen und musste sich selbst etwas ausdenken.

Sie drängte sich in Richtung der Treppe vor, während Graham Boyle launige Anekdoten über den Präsidenten zum Besten gab, ironisch aber durchaus akzeptabel. Wenn ich doch nur größer wäre, ging Cara durch den Kopf. Bei ihren eins fünfundsechzig konnte sie nicht sehen, ob Mitch auf der rechten Seite der Bühne stand und auf seinen Auftritt wartete.

„Wo willst du denn hin?“

„Ich muss zur Bühne.“

„Bleib dicht hinter mir.“ Schon hatte er sich vor sie geschoben. Mit seinen fast eins neunzig und den breiten Schultern wirkte er beeindruckend. Außerdem ist er ziemlich berühmt, und das schadet auch nicht unbedingt, dachte Cara und drängte sich hinter ihn. In einer Magazinumfrage des letzten Monats war er als einer der zehn begehrenswertesten Männer Washingtons bezeichnet worden. Aber was für sie viel wichtiger war, er pflügte sich mit einem enormen Tempo durch die Massen. Doch dann hielt ein Pulk von Menschen ihn auf, und er wandte sich schnell zu Cara um. „Warum musst du denn so dringend auf die Bühne?“

„Nicht auf die Bühne, zur Bühne“, zischte sie ihm zu. „Und nur zu deiner Info, ich bin kein Geheimnisträger.“

„Und da ich kein Spion bin, können wir uns doch unterhalten, ohne die nationale Sicherheit zu gefährden“, gab er ebenso scharf zurück.

Aber es war sowieso alles zu spät. Cara ließ die Schultern hängen. Denn nun hatte ein Mann mit einer leider nur zu bekannten Stimme das Mikro übernommen.

„Guten Abend, Mr Präsident.“ Das war Mitch Davis’ schleimige Stimme.

Überrascht reckte alles die Köpfe. Denn es war allgemein bekannt, dass Mitch Davis der schärfste Kritiker von Präsident Morrow war. Cara schloss kurz die Augen. Und sie hatte ihn nicht zurückhalten können …

„Erst einmal möchte ich Ihnen im Namen von American News Service zu der Wahl zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gratulieren.

Man klatschte, wenn auch nicht so frenetisch wie sonst.

„Ihre Freunde“, fuhr Mitch mit einem schmierigen Lächeln fort, „Ihre Anhänger und Ihre Eltern müssen sehr stolz auf Sie sein.“

Cara stellte sich auf die Zehenspitzen, um zu sehen, was der Präsident für ein Gesicht machte. War er nur überrascht oder auch verärgert über diese Abweichung vom Programm? Aber sie konnte ihn nicht sehen.

Das blieb Max nicht verborgen. „Der Präsident lächelt“, flüsterte er ihr zu. „Wenn auch etwas gezwungen.“

„Davis war nicht als Redner vorgesehen“, stieß sie zwischen den Zähnen hervor.

„Kann ich mir vorstellen.“ Er grinste kurz.

Cara warf ihm einen wütenden Blick zu, drängte sich an ihm vorbei und schaffte es tatsächlich, mit Ellbogenkraft fast bis zum Tisch des Präsidenten vorzudringen. Lynn Larson war sicher auf hundertachtzig! Dieser Ball war zwar nicht eigentlich Caras Verantwortung, aber sie hatte eng mit dem Stab zusammengearbeitet, der die Bälle mit dem Zeitplan des Präsidenten koordinierte, also war auch sie an dieser Panne schuld.

„Aber besonders stolz wird Ihre Tochter sein“, nahm Mitch wieder das Wort.

Betretenes Schweigen. Fragend sahen sich die Gäste an, denn der Präsident war nicht verheiratet und hatte keine Kinder.

Mitch lächelte breit, das Mikrofon in der einen und ein Glas Champagner in der anderen Hand. „Ihre Tochter Ariella Win­throp, die heute Abend hier ist, um mit Ihnen und uns zu feiern!“

Die Menge schwieg immer noch geschockt. War das Ganze nur ein schlechter Witz? Auch Cara war sekundenlang nicht sicher, aber dann wurde ihr sehr schnell klar, dass eine sehr bösartige Absicht dahinter steckte. Sie blickte auf das eine Bühnenende, wo ihre Freundin Ariella stand, deren Firma mit der Ausrichtung dieses Balls betraut worden war. Sie starrte die Freundin an, und es überlief sie eiskalt.

Ariella sah dem Präsidenten tatsächlich sehr ähnlich. Das war Cara bisher nie aufgefallen, wahrscheinlich weil sie nie eine Verbindung zwischen den beiden gezogen hatte. Allerdings wusste sie seit Jahren, dass Ariella adoptiert worden war, ihre leiblichen Eltern jedoch nicht kannte.

Der Geräuschpegel stieg. Jeder fragte jeden, was er wusste, gehört hatte, von der Sache hielt oder vermutete. Wahrscheinlich waren schon Tausende SMS herausgegangen. Cara machte einen Schritt auf Ariella zu, die sich jedoch auf dem Absatz umdrehte und hinter der Bühne verschwand.

Mitch hob das Glas. „Auf den Präsidenten!“

Keiner stimmte in den Toast ein.

Cara kämpfte sich zu Lynn durch, als immer mehr Fragen laut wurden und die Presseleute auf den Präsidenten zukamen. Die Pressesprecherin sprang auf. „Bitte richten Sie Ihre Fragen an mich“, rief sie und lenkte so die Aufmerksamkeit von Morrow ab, der ganz offensichtlich unter Schock stand.

„Anschuldigungen dieser Art nehmen wir sehr ernst“, begann sie mit erhobener Stimme und warf Cara einen kurzen Blick zu, die sofort verstand. Sie ging um die Presseleute herum, die sich um Lynn scharten, um an das Mikrofon auf der Bühne zu kommen. Eine sofortige Schadensbegrenzung hatte jetzt erste Priorität. Dazu war der Stab des Präsidenten da.

Aus dem Augenwinkel sah sie, dass er, umringt von Sicherheitsleuten, bereits Richtung Ausgang ging. Das war Routine, und sie war sicher, dass draußen bereits die Präsidentenlimousine auf ihn wartete. Ob Mitch Davis’ Behauptung stimmte oder ob er nur die Ähnlichkeit von Ariella und dem Präsidenten auf schäbige Art und Weise ausnutzte, wusste sie nicht. Dennoch musste sie handeln. Sie lief die Stufen hinauf, überquerte die Bühne und riss Mitch Davis das Mikrofon aus der Hand, der sie verblüfft ansah, sich aber nicht wehrte. Offenbar wusste er, dass er erreicht hatte, was er wollte.

Doch sein selbstgefälliges Lächeln, mit dem er sich jetzt der Menge zuwandte, verging ihm sehr schnell, als er Max erblickte, der ihn wütend ansah. Hastig überquerte er die Bühne, um sie über eine der Treppen zu verlassen, doch Max folgte ihm unterhalb der Bühne und ließ ihn nicht aus den Augen.

„Meine Damen und Herren“, versuchte Cara die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, während sie sich in Windeseile eine kurze Rede im Kopf zurechtlegte. „Das Weiße Haus dankt Ihnen für Ihr Kommen, um mit dem Präsidenten seinen Sieg zu feiern. Präsident Morrow schätzt Ihre Unterstützung sehr und hofft, dass Sie sich auch den Rest des Abends gut amüsieren. Und der hier versammelten Presse möchte ich sagen, dass wir für Sie eine Erklärung vorbereiten und uns morgen im Rahmen der üblichen Pressekonferenz allen Ihren Fragen stellen werden.“

Dann wandte sie sich lächelnd der Band zu. „Und nun überlasse ich Sie wieder den Sea Shoals und ihren mitreißenden Rhythmen.“ Sie nickte dem Bandleader zu, der dankbar den Stab hob. Die Musik setzte ein.

Max stand unten an der Treppe, als Cara die Stufen herunterkam. Er breitete die Arme aus, aber ein warnender Blick von ihr ließ ihn innehalten. Als er mit den Lippen das Wort „später“ formte, wusste Cara, sie waren noch lange nicht fertig mitein­ander.

Oft empfand Max es als ausgesprochen lästig, dass jeder sein Gesicht vom Fernsehen her kannte. Manchmal aber hatte das auch seine Vorteile. So wie jetzt, als der Portier des Apartmentkomplexes, in dem Cara wohnte, ihn lächelnd durchwinkte, obgleich Max erst wenige Male hier gewesen war. Aber er kannte ihn aus der Nachrichtensendung „After Dark“ und ließ ihn zum Fahrstuhl gehen, ohne vorher bei Cara anzurufen.

Das war sehr günstig, denn Max war ziemlich sicher, dass Cara ihn abgewiesen hätte. Und er musste sie unbedingt sehen.

Das, was auf dem ANS-Ball geschehen war, hatte das Weiße Haus hart getroffen, besonders natürlich die Presseabteilung. Cara und Lynn hatten getan, was sie konnten, aber Cara war bestimmt vollkommen durcheinander. Der Skandal und seine Auswirkungen würden ohne Frage den sorgfältig aufgestellten Terminplan des Präsidenten auf Monate hinaus umwerfen. Max musste einfach sehen, wie es Cara ging.

Er verließ den altmodischen Fahrstuhl und lief den Flur entlang. Das Gebäude war früher eine Schule gewesen, die in zwölf Apartments umgebaut worden war. Von einem kleinen Vorraum, der bereits mit einer Tür von dem allgemeinen Hausflur abgetrennt war, führte eine Wendeltreppe zu Caras Apartment, einem großen hellen Raum mit einem glänzenden Holzfußboden. In der einen Ecke war eine kleine, perfekt eingerichtete Küche untergebracht, in einer anderen der Schlafteil, der mit einem Wandschirm aus durchbrochenem Holz von dem übrigen Raum abgetrennt war.

Max hatte das Loft auf Anhieb gefallen. Es passte sehr gut zu Cara, war stilvoll, ohne überladen zu sein, war klar und praktisch, hell und luftig. Auch Cara war praktisch und von einer klaren Schönheit, mit ihrem kurzen lockigen braunen Haar, den großen blauen Augen, den vollen rosa Lippen und der zierlichen, wohl proportionierten Figur war sie ihm sofort aufgefallen. Sie war ein Energiebündel, das so schnell nichts umhaute.

Mitte Dezember war Max das letzte Mal hier gewesen. Nachdem Ted Morrow die Wahl im November gewonnen hatte, hatte Cara sich zurückgezogen, doch diesmal hatte sie ihn hereingelassen. Max hatte ihr rosa Diamantohrringe aus Australien mitgebracht. Er hatte die Rohdiamanten selbst für sie ausgesucht, sie schleifen und dann in Gold fassen lassen.

In dieser Nacht hatten sie sich geliebt, und sie hatten beide gewusst, dass es wahrscheinlich das letzte Mal für eine lange Zeit sein würde, zumindest so lange Ted Morrow im Amt blieb. Darauf hatte Cara bestanden, denn sie arbeitete für den Präsidenten, und Max war ein Starreporter des Fernsehens. Sie durfte nicht in den Verdacht kommen, Geheimnisse weiterzugeben.

Er klopfte an die Tür und hörte ziemlich bald ihre Schritte auf der eisernen Wendeltreppe. Vor der Tür blieb sie stehen, und er wusste, sie sah jetzt durch den Türspion.

„Geh weg!“

„Nein.“ Er legte die Handflächen an die Tür.

„Ich habe dir nichts zu sagen.“

Er trat dicht an die Tür heran, um die Stimme nicht heben und so die Nachbarn wecken zu müssen. „Wie geht es dir, Cara?“

„Wunderbar.“

„Ich muss mit dir sprechen.“

Sie schwieg.

„Möchtest du wirklich, dass ich dir von hier draußen das sage, was ich dir zu sagen habe?“

„Nein. Ich möchte, dass du gehst.“

„Erst wenn ich mich vergewissert habe, dass es dir gut geht.“

„Ich bin über einundzwanzig, Max. Ich kann auf mich selbst aufpassen.“

„Das weiß ich.“

„Warum bist du dann hier?“

„Mach auf, dann sage ich es dir.“

„Darauf falle ich nicht herein.“

„Nur fünf Minuten“, bat er.

Sie schwieg.

„Zehn Minuten, wenn ich es von hier aus sagen muss.“

Nach wenigen Sekunden wurde der Riegel zurückgeschoben. Die Tür ging auf. Cara stand da und sah Max schweigend an. Sie trug ein überweites graues T-Shirt zu schwarzen Yogahosen und war barfuß. Ihr Haar war ungekämmt, und da sie kein Make-up trug, fielen die wenigen hellen Sommersprossen auf, die Max besonders entzückend fand.

„He, du“, sagte er leise und hätte sie am liebsten in die Arme genommen.

„Ich bin wirklich okay“, behauptete sie wieder, aber die angespannten Gesichtszüge und die verkrampfte Hand, mit der sie die Tür festhielt, sprachen dagegen.

Doch Max nickte nur, trat ein und nahm ihr die Tür aus der Hand, um sie selbst zu schließen. Er blickte fragend auf die Wendeltreppe.

Sie nickte zögernd und ging auf die Treppe zu. „Aber nur fünf Minuten.“

Er folgte ihr und musste wieder dem Drang widerstehen, sie zu berühren.

„Cola oder Bier?“, fragte sie, während sie auf die Küchenecke zuging.

„Bier.“ Er ließ die Smokingjacke auf einen Stuhl fallen und zog die Fliege auf. Leise seufzend ließ er sich auf einer der dunkelgrünen Ledercouchs nieder, die einander gegenüberstanden.

Mit einem Bier für ihn und einer Cola für sich kam Cara zurück, reichte ihm das Bier und kuschelte sich in einen Sessel. Sie öffnete ihre Dose und trank. „Noch vier Minuten“, sagte sie dann.

Er nickte, nahm seine Armbanduhr ab und stellte sie so auf den Couchtisch, dass er das Zifferblatt sehen konnte. „Geht es dir wirklich gut?“, fragte er wieder.

„Ja, ja.“

„Wusstest du davon?“ Er musste die Frage einfach stellen.

„Du weißt, dass ich dir darauf keine Antwort geben kann.“

„Ja, ich weiß. Ich hoffte nur, ich könne deiner Miene etwas entnehmen.“

Sie hob leicht die Augenbrauen. „Und? Konntest du?“

„Nein. Du bist undurchschaubar wie immer.“

„Danke. Das brauche ich bei meinem Job.“

Er trank einen Schluck Bier und stellte die Dose dann auf den Tisch. „Dir ist schon klar, dass ich Nachforschungen anstellen muss.“

„Ja, ich weiß. So eine Story darfst du dir nicht entgehen lassen.“

„Du weißt, wie sehr ich den Präsidenten schätze. Aber eine Tochter, die da plötzlich auftaucht?“

„Wir wissen noch nicht genau, ob es wirklich seine Tochter ist.“

Er war überrascht, dass sie immerhin so viel preisgab. „Stimmt. Aber wir werden es bald wissen.“

„Das glaube ich auch.“

„Hast du schon mit Ariella gesprochen?“ Er wusste, dass die beiden befreundet waren.

„Glaubst du ernsthaft, dass das für irgendjemanden sinnvoll wäre?“

„Das ist weder ein Ja noch ein Nein.“

Cara sah ihn schweigend an.

„Ich weiß, ich weiß“, entschuldigte er sich. „Du darfst nichts sagen.“

Sie setzte sich gerade hin und beugte sich dann vor. „Mir ist klar, Max, dass du der Sache nachgehen musst. Aber ich möchte dich bitten, fair zu sein.“

Jetzt stützte auch Max sich auf den Oberschenkeln ab und kam Cara so nah, dass er ihren feinen Duft wahrnehmen konnte. Und sie am liebsten geküsst hätte. „Du weißt, dass ich mich immer erst um die Fakten kümmere.“

Er griff nach ihrer Hand, doch Cara zuckte zurück. „Da wird noch viel Unerfreuliches auf uns zukommen“, sagte sie leise.

„Allerdings.“ Max war klar, wie gierig sich die Presse auf diese Geschichte stürzen würde. Von der Opposition ganz abgesehen, die bereits Blut geleckt hatte. „Wirst du heute noch arbeiten?“

„Nein. Lynn hat die Spätschicht übernommen. Ich fahre morgen früh ins Büro.“

„Die Sache wird sich lange hinziehen.“ Max sah sie mitfühlend an. Wenn er ihr doch nur irgendwie helfen könnte. Aber er hatte nun mal einen ganz anderen Beruf als sie, einen Job, der es ihr sogar besonders schwer machte.

„Das fürchte ich auch.“ Sie seufzte leise.

„Ich werde fair sein, Cara.“

„Danke.“ Sie senkte den Kopf, und Max griff wieder nach ihrer Hand. Diesmal hielt er sie fest, bevor sie sie ihm entziehen konnte. Sie sah ihn traurig mit ihren großen blauen Augen an und blickte dann auf die miteinander verbundenen Hände. „Du weißt, warum es nicht geht“, flüsterte sie.

„Ja. Aber ich kann es nicht akzeptieren.“

„Ich kann nicht mehr mit dir befreundet sein.“

„Und ich kann nicht aufhören, dich zu begehren, Cara.“

Wieder sah sie ihn ernst an. „Du musst es versuchen, Max. Du bist doch dafür berühmt, dass du alles schaffst, was du dir vornimmst.“

Er lächelte traurig. „Du weißt hoffentlich, dass ich nicht hier bin, weil ich mit Insider-Informationen rechne. Ich mache mir Sorgen um dich.“

„Wie ich schon sagte …“

„Ich weiß“, unterbrach er sie. „Dir geht es gut. Begriffen.“ Davon würde sie nicht abgehen, das war ihm klar. Ihre helle Haut sah so glatt und weich aus, die Lippen waren leicht geöffnet. Er konnte sie förmlich spüren, riechen, schmecken … Unwillkürlich beugte er sich vor und kam ihr näher.

Aber sie drehte schnell den Kopf weg, bevor er ihre Lippen berühren konnte. „Deine fünf Minuten sind um.“

Er ließ ihre kleine Hand los und stand seufzend auf. „Okay.“

Max hatte seine Armbanduhr in ihrem Apartment liegen gelassen. Cara wusste nicht, ob das Absicht oder Zufall war. Sie nahm die kostbare Rolex und legte sie sich auf den Nachttisch, um sie am nächsten Morgen auf keinen Fall zu vergessen.

Der Wecker klingelte um 3.30 Uhr, und eine halbe Stunde später war Cara bereits unterwegs. Sie hatte die Uhr mitgenommen. Falls Max sie vermisste und sie deshalb anrief, würde sie sie ihm auf dem Nachhauseweg vorbeibringen. Auf keinen Fall durfte er das als Vorwand benutzen, wieder in ihr Apartment zu kommen.

Sie zog ihre Ausweiskarte durch den Scanner in der Halle des Weißen Hauses, passierte die Sicherheitskontrolle und ging den Flur zu ihrem Büro entlang. So früh am Morgen war es noch dunkel, aber nicht nur das Reinigungspersonal war unterwegs, sondern mit dem neuen Präsidenten waren auch verschiedene Positionen ausgetauscht worden, sodass bereits die ersten Umzüge stattfanden, Möbel und Kisten geschleppt wurden.

„Morgen, Cara.“ Lynn trat an ihre Seite.

Im Gehen knöpfte Cara den Mantel auf und nahm sich den Schal ab. „Morgen. Hast du schon mit dem Präsidenten sprechen können?“

„Nein. Der Geheimdienst war eine Stunde bei ihm. Danach Barry. Und dann hat er sich in seine Privaträume zurückgezogen.“

„Was meinst du? Ist es wahr?“

Eine ihrer Assistentinnen nahm Caras Handtasche und ihren Schal. Cara drückte ihr auch noch den Mantel in die Arme.

„Keine Ahnung.“ Lynn stieß die Tür zu ihrem Büro auf.

Cara folgte ihr. „Hat Barry ihn nicht gefragt?“ Der Stabschef Barry Westmore kannte den Präsidenten besser als jeder andere.

Als Oberste der Presseabteilung hatte Lynn das größte Büro. Es war nicht nur mit einem großen Schreibtisch aus schwerer Eiche und einer bequemen Sitzecke ausgestattet, sondern auch mit drei Fernsehapparaten, die Nachrichten aus aller Welt brachten. Momentan spekulierten Reporter in Englisch, Deutsch und Russisch über das Privatleben des Präsidenten.

Lynn ließ sich in ihren ledernen Schreibtischsessel sinken und drehte nervös an ihrem Topasring. „Selbst wenn es wahr ist, der Präsident wusste nichts von dieser Tochter.“

„Das ist gut.“ Cara war erleichtert. Das war eine klare Aussage und den Medien leichter zu vermitteln.

Aber Lynn schüttelte besorgt den Kopf. „Nicht unbedingt. Als Mutter kämen nämlich mehrere Frauen infrage.“

„So?“

„Ja.“ Lynn ließ sich seufzend zurückfallen. „Barry und ich haben zurückgerechnet. Wenn man sehr großzügig rechnet, hatte er in der Zeit der möglichen Empfängnis mit drei Frauen Kontakt.“

„Drei? Wow!“ Unwillkürlich musste Cara lächeln.

Lynn runzelte kurz missbilligend die Stirn. „Wieso? Es war sein letztes Highschooljahr, und er war ein Footballstar.“

„Verstehe.“ Cara setzte sich auf einen der Besucherstühle, der vor dem Schreibtisch stand.

„Aber er weigert sich, uns die Namen der Frauen zu nennen. Erst will er wissen, ob Ariella wirklich seine Tochter ist. Nur in dem Fall dürfen wir mit seinen Exfreundinnen Kontakt auf­nehmen.“

„Dann wird die Presse sie zuerst ausfindig machen.“ Cara musste sofort an Max denken. Sämtliche Medien stürzten sich auf diese Geschichte. Sie warteten bestimmt nicht den DNA-Test ab, sondern würden alles daransetzen, Ariellas Mutter zu finden.

„Das fürchte ich auch. Aber der Präsident will nicht Unschuldige in die Sache mit hineinziehen.“

Dafür ist es längst zu spät, dachte Cara. Wer auch immer in den letzten Highschooljahren mit dem Footballstar Morrow geschlafen hatte, war den Medien ausgeliefert.

Wieder drehte Lynn nervös an ihrem Ring. „Immer passiert etwas, womit man nicht gerechnet hat. Und meist hat es mit Sex zu tun. Vielleicht sollten wir das nächste Mal einen Kandidaten unterstützen, der blass und unscheinbar und eher intellektuell ist. Vielleicht einen berühmten Schachspieler oder so.“

„Hast du schon mit Ariella gesprochen?“

„Nein. Wir wissen nicht, wo sie ist.“

„Dass sie sich versteckt, kann ich gut verstehen.“ Wenn mir das passiert wäre, wäre ich längst über die kanadische Grenze …

„Hast du eine Ahnung, wo sie sein könnte?“ Lynn sah Cara prüfend an. „Meinst du, du kannst sie finden?“

„Ich kann dich hier doch nicht mit allem allein lassen.“

„Doch, du kannst. Wir kommen auch ohne dich zurecht.“

„Danke. So etwas hört man besonders gern“, sagte Cara sarkastisch. „Aber ehrlich, Lynn, du musst doch heute die Erklärung der Presse gegenüber abgeben. Und die sollte ich schreiben. Außerdem musst du unbedingt ein paar Stunden schlafen.“ Sie wünschte, sie selbst hätte etwas länger als drei Stunden schlafen können. Denn da sie schwanger war, musste sie mehr auf ihre Gesundheit achten. Und jetzt in dieser Krisensituation …

„Das werde ich auch tun. Barry wird die Erklärung vorbereiten, und wir werden die Pressekonferenz auf den Nachmittag verschieben. Meinst du, dass du Ariella findest?“

Cara stand auf. „Ich kann es versuchen.“ Sie verließ den Raum und ging in ihr eigenes Büro. Falls sie Ariella fand, konnte man ihr wenigstens Polizeischutz anbieten. Sie zog den Mantel an, wickelte sich den Schal um den Hals und verließ das Weiße Haus. Draußen schneite es. Wenn Ariella wirklich Morrows Tochter war, würde sie ihr Leben lang unter Polizeischutz stehen. Und das war noch das geringste Übel. Selbst Cara konnte ihr Privatleben nicht mehr selbst bestimmen, und das nur, weil sie im Weißen Haus beschäftigt war. Was würde da erst auf Ariella zukommen.

2. KAPITEL

Nachdem Cara auf der Suche nach Ariella stundenlang die Stadt durchstreift hatte, musste sie schließlich aufgeben. Es war bereits neun Uhr abends, und sie hatte Nachrichten bei jedem hinterlassen, der Ariella kannte, und hatte mit allen Leuten gesprochen, die eventuell etwas wissen konnten. Erschöpft und enttäuscht stieg sie schließlich in den Fahrstuhl, der zu ihrem Loft hinauffuhr.

Cara schloss die Tür zu dem Vorraum auf. Erstaunt blickte sie die Wendeltreppe hoch. Von oben kam Licht und auch Musik!

Unwillkürlich griff sie nach ihrer Handtasche, in der sie Max’ Uhr verstaut hatte. Sollte er diesen lahmen Trick tatsächlich als Grund benutzt haben, wieder bei ihr aufzutauchen?

Sie warf Mantel und Schal auf die kleine Bank in dem Vorraum und zog die Stiefel aus. Leise stieg sie die Wendeltreppe hinauf. Er konnte was erleben! Auf sein Gesäusel würde sie diesmal nicht hereinfallen. Dann wurde ihr klar, dass ein berühmtes Lied von Beyoncé gespielt wurde. Das passte nicht zu Max. Und es duftete nach Kuchen. Schnell lief sie die restlichen Stufen hinauf – und blieb wie angewurzelt stehen.

Ariella stand in der Küchenecke, um sie herum das reinste mit Mehl besprenkelte Chaos! Sie hatte eins von Caras weiten T-Shirts über ihr kurzes Kleid gezogen und rote Topflappen in den Händen, in denen sie ein Blech mit Cupcakes hielt.

Schuldbewusst sah sie Cara mit ihren großen blauen Augen an. „Hoffentlich bist du mir nicht böse. Ich wusste nicht, wohin ich sonst gehen sollte.“

„Natürlich bin ich dir nicht böse.“ Cara ging schnell auf sie zu. „Ich habe dich schon überall gesucht.“

Ariella setzte das Blech ab. „Sie beobachten mein Haus und den Club. In ein Hotel zu gehen, wage ich nicht. Und auch auf dem Flugplatz warten sie sicher auf mich. Dein Portier unten kennt mich und hat mir geglaubt, als ich ihm sagte, ich hätte den Ersatzschlüssel verloren.“

„Ich bin froh, dass du gekommen bist.“ Cara umarmte sie vorsichtig, denn Ariella war überstäubt mit Mehl. Dann blickte sie auf das große Holzbrett, auf dem Cupcakes in den schönsten Farben abkühlten, hellgelbe Vanille, dunkelbraune Schokolade, pinkfarbener Fruchtzusatz, alle dekoriert mit Buttercreme und gekrönt von kleinen Marzipanfiguren, die Ariella offenbar selbst geformt hatte.

„Du bist wohl ordentlich hungrig“, bemerkte Cara lachend.

„Ich musste wohl eher irgendwie meine nervöse Energie loswerden.“

„Vielleicht können wir sie ins Büro mitnehmen und für einen guten Zweck verkaufen.“

Ariella warf die Topflappen auf den Tresen und stellte die Musik aus. „Hast du Wein zu Hause?“

„Selbstverständlich.“ Caras Weinvorrat war nicht sehr üppig, aber gut sortiert. „Was möchtest du? Merlot? Shiraz? Cabernet? Ich habe auch noch einen guten Mondavi da.“

„Vielleicht ist der gute Wein heute an mich verschwendet. Mir geht es augenblicklich mehr um die Menge.“

Trotzdem zog Cara den Mondavi aus dem Weinregal. „Kann ich gut verstehen.“

Sie nahm einen Korkenzieher aus der Schublade. „Gläser stehen über dem Herd.“

Ariella holte zwei Gläser aus dem Schrank, und die beiden Frauen gingen zu der Sitzecke. Dort zog Ariella das T-Shirt aus, das sie über ihr schlichtes graues Cocktailkleid gezogen hatte, ließ sich in einen Sessel fallen und zog die Füße unter sich. „Muss der Wein noch atmen?“

Cara lachte und goss ein. „Nicht in Notsituationen.“

Ariella beugte sich vor und griff nach einem der Gläser. Cara setzte sich auf die Couch und nahm das andere. Plötzlich fiel ihr die Schwangerschaft ein, und sie stellte das Glas schnell neben sich. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? „Meiner kann ruhig noch ein bisschen atmen. Aber nun zu dir. Wie hältst du das alles aus? Ich würde total ausrasten.“

„Ich raste total aus.“

Cara lehnte sich zurück. „Könnte es wahr sein? Weißt du irgendetwas über deine richtigen Eltern?“

Ariella schüttelte den Kopf. „Überhaupt nichts.“ Dann lachte sie leise und etwas verlegen. „Sie waren Amerikaner. Einer von beiden hat es vielleicht sogar bis zum Präsidenten geschafft.“

„Mir war immer klar, dass du tolle Gene hast.“

Ariella stand auf und ging zu dem großen Spiegel, der neben der Treppe hing. Nachdenklich betrachtete sie sich. „Findest du, dass ich ihm ähnlich bin?“

Cara stellte sich hinter ihre Freundin. „Ja, ziemlich.“

„So sehr, dass es wahr …“

„Ja“, flüsterte Cara und legte ihr den Arm um die Schultern.

Ariella schloss ein paar Sekunden lang die Augen. „Ich muss weg, irgendwohin, wo das Ganze nicht so eine Rolle spielt.“

„Du solltest in Washington bleiben. Hier wirst du geschützt. Die Polizei …“

Ariella riss die Augen auf. „Nein!“

„Verstehe.“ Wie konnte sie ihr nur helfen? Ihre Blicke begegneten sich im Spiegel. „Du musst einen DNA-Test machen lassen“, sagte Cara ernst.

Doch Ariella schüttelte heftig den Kopf.

„Es nicht zu wissen, bringt dich auch nicht weiter.“

„Das weiß ich. Aber ich kann es noch nicht.“ Ariella schniefte leise. „Etwas zu vermuten, ist eine Sache. Aber es genau zu wissen, ist eine ganz andere.“

„Ich weiß. Aber lass dir doch helfen. Komm mit mir ins Büro und rede mit Lynn.“

„Ich brauche Zeit, Cara.“

„Du brauchst Hilfe, Ari.“

Ariella drehte sich zu ihr um. „Ich muss ein paar Tage für mich haben, bevor ich mich dem Medienwahnsinn stelle. Okay?“

Cara zögerte. Wie sollte sie ihrer Chefin erklären, dass sie Ariella zwar gefunden, aber leider auch wieder verloren hatte? Andererseits war sie das der Freundin schuldig. Sie nickte. „Okay.“

„Ich werde den DNA-Test machen, aber noch nicht jetzt. Ich glaube nicht, dass ich in meinem jetzigen Zustand mit einem positiven Ergebnis umgehen könnte.“

„Wohin wirst du gehen?“

„Das kann ich dir nicht sagen. Du musst überzeugend wirken, wenn du sagst, dass du es nicht weißt.“

„Ich kann lügen.“

„Nein, das kannst du nicht. Nicht, wenn die amerikanische Presse dich löchert. Und nicht deiner Chefin gegenüber. Oder dem Präsidenten.“

Sie hatte recht. „Und wie kann ich dich erreichen?“

„Ich melde mich bei dir.“

„Aber, Ariella …“

„Tut mir leid, aber es muss sein.“

Caras Handy klingelte einmal kurz. Das bedeutete, dass Lynn ihr eine Nachricht geschickt hatte. Cara zog es aus der Tasche. Sie solle den Fernsehapparat anstellen, ANS.

„Was ist?“, fragte Ariella ängstlich.

„Eine Nachricht von Lynn. Irgendetwas ist am Kochen.“ Sie ging zum Fernsehapparat und stellte ANS ein.

Ariella trat neben sie. „Ich habe ein ganz schlechtes Gefühl.“

Die Reporterin Angelica Pierce war zu sehen. Natürlich sprach sie über Ariella und ihre mögliche Verwandtschaft mit dem Präsidenten. Dabei erwähnte sie eine Frau namens Eleanor Albert, die aus Fields in Montana kam, der Heimatstadt des Präsidenten. Alte Jahrbücher der Highschool wurden eingeblendet, die Fotos von Eleanor Albert und dem jungen Morrows dicht nebeneinander. Dann ein dramatischer Tusch, und ein Bild von Ariella wurde zwischen die beiden geschoben.

Ariella riss die Augen auf und sank auf die Couch. „Oh, nein …“, ächzte sie.

Cara setzte sich neben sie und umarmte sie. Die Ähnlichkeit war einfach verblüffend. Man brauchte noch nicht einmal einen DNA-Test, um festzustellen, dass Ariella die Tochter des Präsidenten war.

Max wusste, dass seine Ausrede mit der Uhr, die er in Caras Apartment vergessen habe, wirklich lahm war. Aber etwas anderes fiel ihm auf die Schnelle nicht ein. Es war Licht in ihrem Apartment. Also war sie auch zu Hause.

Er hatte gerade die Sendung mit Angelica Pierce auf seinem Tablet-PC gesehen. Wahrscheinlich war im Weißen Haus jetzt die Hölle los. Und in den nächsten Wochen würde es kaum eine Möglichkeit geben, sich mit Cara zu treffen. Nachdem er aus seinem Mustang ausgestiegen war, stellte er den Mantelkragen hoch, denn es herrschte ein ungemütlicher Schneesturm. Als er unter dem Vordach stand, strich er sich die Schneeflocken von den Schultern. Dann blickte er hoch und sah direkt in die Augen von Ariella Winthrop.

Beide erstarrten.

„Ariella?“ Vorsichtig sah Max sich nach beiden Seiten um, aber kein Mensch war zu sehen.

„Hallo, Max.“

Er ergriff sie beim Arm und zog sie aus dem Schein der Straßenlampe. „Was machst du hier? Wenn dich nun jemand sieht!“

„Der Portier hat mir ein Taxi bestellt.“

„Ein Taxi? Weißt du denn nicht, dass dein Bild über alle Fernsehsender verbreitet wurde? Dein Gesicht kennt jetzt jeder. Ich fahre dich nach Hause.“ Doch sofort fiel ihm ein, wie unsinnig dieser Vorschlag war. „Besser ist ein Hotel. Auf keinen Fall kannst du hier draußen stehen und auf ein Taxi warten.“

Er machte einen Schritt auf sein Auto zu, aber Ariella blieb stehen und machte sich mit einem kräftigen Ruck frei. „Warum sollte ich mit dir kommen? Du bist doch einer von denen, denen ich dringend aus dem Weg gehen sollte.“

Beinahe empört sah er sie an. „Ich bin hier als Privatmann und nicht als Reporter.“

„Du bist immer Reporter.“

Er schwieg kurz. „Kann ich dir eine einzige Frage stellen?“

Sie warf ihm einen wütenden Blick zu.

Er wartete ihre Antwort nicht ab. „Hast du ANS über das informiert, was die heute in den Nachrichten brachten?“

„Natürlich nicht. Ich habe noch nie von Eleanor Albert gehört. Und die Fotos beweisen gar nichts.“

„Aber für den Rest der Welt ist die Sache klar“, sagte er vorsichtig. „Ariella, bitte, komm mit mir zum Weißen Haus.“

„Nein!“

„Dort bist du in Sicherheit. Hast du denn vor, irgendwo unterzutauchen?“

Sie schwieg.

„Ich kann dir helfen. Und dich dahin bringen, wo du sicher bist.“

Jetzt verdrehte sie genervt die Augen. „Ein sicheres Versteck, vom dem der Starreporter des NCN weiß? Dass ich nicht lache. Du wirst doch bestimmt auch dieses Gespräch hier veröffentlichen, oder?“

Damit traf sie einen empfindlichen Punkt. Natürlich konnte er seinen Sender nicht belügen. Aber er konnte durchaus entscheiden, welche Informationen er wann und in welcher Form zur Veröffentlichung freigab. „Das weiß ich noch nicht. Was würdest du denn der Öffentlichkeit durch mich mitteilen wollen?“

Sie zögerte. Was hatte sie schon zu verlieren? „Dass ich nicht weiß, wer meine richtigen Eltern sind. Und dass ich Washington verlassen habe.“

„Okay.“

„Das würdest du für mich tun?“

Er nickte. „Natürlich.“

Zum ersten Mal zeigte sie so etwas wie ein Lächeln. „Danke, Max.“

„Ich kann dich doch zu dem Privatflughafen Potomac bringen. Dort kannst du eine Privatmaschine chartern, die dich hinbringt, wohin du willst. Und wenn du Geld brauchst …“

„Ich brauche kein Geld.“

„Und sonst?“

Sie sah ihn misstrauisch an. „Musst du nicht melden, dass du mich zum Potomac gebracht hast?“

Er grinste und sagte mit geübter Reporterstimme: „Aus gut informierten Quellen haben wir erfahren, dass Ariella Winthrop Washington verlassen hat, wahrscheinlich mit einer Privatmaschine vom Flughafen Potomac aus. Über das Ziel, das Flugzeug und den Piloten ist nichts Näheres bekannt.“

Er sah sich kurz nach allen Seiten um. „Du kannst dein Haar hochstecken, Ariella. Wir besorgen dir eine Jeans, eine Baseballmütze und eine Sonnenbrille. Am besten nimmst du einen kleinen Learjet. Die Piloten sind verschwiegen und reden nicht über ihre Passagiere.“ Als sie immer noch zögerte, fügte er hinzu: „Oder hast du eine bessere Idee?“

„Was hast du davon?“

„Dankbarkeit und Wohlwollen. Deins und das des Weißen Hauses. Und vielleicht auch des Präsidenten. Außerdem bin ich nun mal ein netter Mensch.“

„Als Mann von der Presse?“

„Ja, auch als Reporter. Außerdem liebe ich es, hilflosen Frauen beizustehen.“

Wieder musste sie lächeln.

„Mein Wagen steht da drüben.“ Er wies mit dem Kopf auf den Mustang. „Lass uns fahren. Jede Minute kann jemand vorbeikommen und dich erkennen.“

In diesem Augenblick hielt ein Taxi an der Bordsteinkante. Ariella sah zwischen dem Mustang und dem Taxi hin und her. Dann nickte sie Max zu. „Fahr mich zum Flughafen.“

„Zwei Dinge haben Priorität.“ Lynn blickte Cara über den Schreibtisch hinweg an. Es war zehn Uhr morgens, und Lynn hatte eine frühe Pressekonferenz bereits hinter sich. Bisher hatte Präsident Morrow sich noch nicht in der Öffentlichkeit blicken lassen. Heute Abend würde er jedoch eine Vorstellung im Kennedy Center besuchen.

„Zum einen Eleanor Albert“, fuhr Lynn fort. „Wer ist das? Wo wohnt sie? Ist sie wirklich Ariellas Mutter? Und dann müssen wir uns um die Einwohner von Fields kümmern, was sie wissen, an was sie sich erinnern und was sie über den Präsidenten zu sagen haben.“

Sie richtete sich auf und blickte auf die Tür. „Da sind Sie ja.“ Sie machte eine einladende Handbewegung. „Kommen Sie herein.“

Cara drehte sich um. Max! Mit den Jeans, den Stiefeln und dem weißen offenen Hemd unter dem schwarzen Jackett wirkte er beinahe elegant, zumal er auch glatt rasiert war. Es umgab ihn eine Aura von selbstverständlicher Macht. Er begegnete ihrem Blick, sein Gesichtsausdruck blieb neutral.

Auch mit Lynn im Raum konnte sich Cara kaum zusammennehmen. Sie war enttäuscht und wütend. Denn gestern spät abends hatte er in einer Sondersendung des US-weiten Fernsehens über Ariella und ihre Pläne gesprochen. Und das alles nur wegen der Einschaltquote!

„Setzen Sie sich.“ Lynn wies auf den Stuhl neben Cara.

Nach einem kurzen Seitenblick auf Cara setzte er sich.

„Wer ist Ihr Informant?“ Lynn kam sofort zur Sache.

„Das ist doch nicht Ihr Ernst, oder?“ Max hob in gespielter Überraschung die dunklen Augenbrauen.

„Woher wissen Sie das von Ariella?“

Das interessierte Cara brennend, denn auch sie hatte keine Ahnung gehabt, dass die Freundin zum Potomac Flughafen wollte. Woher wusste Max das? Und warum hatte man gerade ihn informiert?

„Sie wissen doch sehr gut, dass ich meine Quellen nicht preisgeben kann.“ Max sah kurz zwischen beiden Frauen hin und her.

„Doch, das können Sie. Wenn die nationale Sicherheit es verlangt.“ Lynn beugte sich vor. „Und dies scheint so ein Fall zu sein.“

„Tatsächlich? Wieso?“ Max lehnte sich gelassen zurück.

„Wenn sie entführt wurde, von irgendeiner ausländischen Macht oder, was noch fataler wäre, von einer terroristischen Vereinigung, dann wäre dadurch tatsächlich die nationale Sicherheit bedroht. Denn als Tochter des Präsidenten …“

„Es ist ja noch vollkommen ungeklärt“, unterbrach Max sie schnell, „ob sie wirklich Morrows Tochter ist. Es sei denn, der Präsident gibt zu, mit Eleanor Albert geschlafen zu haben.“

Vorübergehend war Lynn sprachlos, und so sprang Cara ein. „Wer hat Ihnen denn erzählt, dass Cara zum Potomac Flughafen wollte?“

Max wandte sich zu ihr um und sah sie an. Sein Gesicht war eine ausdruckslose Maske.

„Nun sagen Sie schon, Max“, drängte Cara. „Sie wollen doch auch nicht, dass Ariella etwas passiert. Sie ist unschuldig in diese Situation geraten. Sie braucht Polizeischutz.“

„Ach ja?“ Max verzog kurz die Mundwinkel. „Haben Sie ihr das gestern Abend auch gesagt?“

Jetzt war Cara sprachlos.

„Haben Sie ihr gesagt, dass sie Polizeischutz braucht?“, wiederholte er.

Es gab nur eine Erklärung dafür, dass er von Ariellas Besuch bei Cara wusste. „Selbstverständlich. Ich habe sie angefleht, sich helfen zu lassen. Das habe ich auch gerade Lynn erzählt.“

Darauf wandte Max sich wieder an Lynn. „Sie wollen wissen, von wem ich das habe? Von Ariella selbst. Und ich weiß, dass sie von Potomac abgeflogen ist, weil ich sie selbst zum Flugplatz gefahren habe. Sie ist weg, Lynn.“

„Aber warum um alles in der Welt haben Sie sie nicht aufgehalten?“

„Weil die Macht der Presse weder Entführungen noch gewaltsames Festhalten einschließt. Ariella ist eine erwachsene Frau. Sie ist amerikanische Staatsbürgerin. Und sie kann kommen und gehen, wann sie will.“

„Ist sie noch im Lande?“, fragte Cara.

„Sie sagte mir, dass sie ihren Pass bei sich hätte. Ich bin Ariella gestern zufällig begegnet. Ich habe ihr meine Hilfe angeboten. Sie wollte unbedingt raus aus Washington, und ich habe sie dabei unterstützt.“

Cara wusste aus eigener Erfahrung, dass sich Ariella nicht umstimmen ließ, wenn sie einmal einen Entschluss gefasst hatte. Hoffentlich kam sie nur bald zurück. Denn ein DNA-Test war auch in ihrem Interesse.

Lynn räusperte sich. „Das Weiße Haus dankt Ihnen für Ihre Bemühungen, Max“, brachte sie etwas steif hervor.

„Das kann ich mir vorstellen“, sagte Max trocken und stand auf. „Ich bin hier wirklich nicht der Buhmann.“

Als er das Büro verließ, klingelte Lynns Telefon. Schnell nutzte Cara die Gelegenheit, sprang auf und lief hinter Max her. „Max?“

Er blieb stehen und drehte sich um. Sie wies mit dem Kopf auf ihre Bürotür. Er trat ein, und Cara schloss hinter ihm die Tür. Sicher, er hatte das Richtige getan. Aber etwas musste sie noch wissen. „Wo bist du Ariella denn begegnet?“, fragte sie.

„Logan Circle.“

„Vor meinem Apartment? Hast du dort auf sie gewartet?“

Mit wenigen Schritten stand er direkt vor Cara, deren Herz sofort wie verrückt anfing zu rasen. Ihr Atem kam schnell und flach. Offenbar konnte sie sich noch so viel Mühe geben, konnte Vernunft und Logik einsetzen, es half nichts. Max Grays Wirkung auf sie war so stark wie eh und je.

Er sah ihr tief in die Augen. „Glaubst du wirklich, dass ich mich vor deinem Apartment aufhielt, weil ich hoffte, dass Ariella vorbeikommt?“

Nein, das war sehr unwahrscheinlich. Cara senkte den Kopf und machte einen Schritt zurück. Schon stieß sie gegen ihren Schreibtisch.

Sofort trat er wieder vor und verringerte den Abstand. „Kannst du dir keinen anderen Grund vorstellen? Überhaupt keinen?“

„Aber ich habe dir doch gesagt, dass es nicht geht.“

„Ich war wegen meiner Armbanduhr gekommen.“

Sie sah ihn wieder an. „Wir wissen doch beide, dass du sie absichtlich liegengelassen hast.“

„Stimmt. Aber anders komme ich ja nicht mehr an dich heran. Ich habe keine andere Wahl.“

„Doch. Du sollst dich von mir fernhalten.“

„Das kann ich nicht akzeptieren.“

„Du musst. Und ich muss jetzt wieder arbeiten. Ich weiß nicht, ob es sich schon bis zu dir herumgesprochen hat, wir haben eine Krise.“

Sein Blick wurde weich. „Das tut mir wirklich sehr leid.“

„Und du musst auch zurück zu deinen Job.“

„Ja, stimmt.“ Er strich ihr kurz über die Wange und verließ den Raum. Dass schon diese leichte Berührung ein solches Gefühlschaos in ihr anrichtete, macht sie mutlos. Wie sollte das bloß weitergehen?

Sie ließ sich in ihren Schreibtischsessel fallen und blickte automatisch auf den Computerschirm. Eine Menge E-Mails waren aufgelaufen. Aber sie konnte sich nicht dazu bringen, sich mit ihnen zu beschäftigen. Stattdessen legte sie sich die Hand auf den Bauch. Sie war noch in einem sehr frühen Schwangerschaftsstadium. Wenn sie nicht so ultraregelmäßig wäre, was ihren Zyklus betraf, und wenn es nicht diese superschnellen Mittel zum Schwangerschaftsnachweis gäbe, würde sie gar nicht wissen, dass sie ein Kind erwartete.

Aber sie war schwanger, und sie wusste es. Und dass es Max’ Baby war, machte eine an sich schon schwierige Situation noch komplizierter. Max war einer der begehrtesten Junggesellen in Washington. Er war intelligent, witzig, mutig und sehr sexy. Er begehrte sie, so viel war klar. Aber was er nicht wollte, nicht in der Vergangenheit und nicht in der Zukunft, waren ein Heim und Familie. Oft genug hatte er ihr von seiner Mutter erzählt, die von dem Vater verlassen worden war, und dass er keine Lust hatte, diese unrühmliche Tradition fortzuführen.

Als Fernsehjournalist war er unschlagbar. Er hatte ein gutes Gespür für eine Story und verfolgte sie furchtlos. Auch wenn sie ihn nach Afghanistan oder Afrika führte, wenn er dafür hoch in der Luft oder auf dem Grund des Ozeans recherchieren musste. Entsprechend authentisch waren seine Sendungen, die Millionen von Zuschauern in ihren Bann schlugen. Das war das Leben, das er liebte. Er brauchte nichts anderes, und er sehnte sich nach nichts anderem.

Von Anfang an hatte Cara versucht, ihm und damit seiner Wirkung auf sie aus dem Weg zu gehen. Schon wegen ihrer so unterschiedlichen Berufe war eine Beziehung während des Wahlkampfs riskant und vollkommen unmöglich, seitdem Morrow Präsident war.

Mehr als einmal hatte Cara den Eindruck gehabt, dass Max sie nur wollte, weil er sie nicht haben konnte. Und manchmal hatte sie sich nachts im Bett vorgestellt, sich ihm hinzugeben und so viel Zeit mit ihm zu verbringen, wie sie wollte. Wie lange es wohl dauern würde, bis er ihrer überdrüssig war?

Für Max war es nur eine weitere Affäre, ein Flirt, eine Liebelei, Sex mit einer neuen Frau in der Reihe der vielen Frauen, die vor ihr waren. Aber für Cara war es etwas anderes. Sie liebte ihn, und jetzt erwartete sie sein Kind. Vater zu sein, war ohne Frage ein Albtraum für ihn, schlimmer noch als eine längere Beziehung, da machte sie sich nichts vor. Wenn er davon erführe, war er sicher im nächsten Flugzeug nach Borneo oder die hintere Mongolei …

Cara lächelte traurig. Das alles wusste sie, und dennoch musste sie immer wieder an die ersten Tage und Wochen mit ihm denken. Und sie verdrängte das Wissen, dass er sie verlassen und ihr das Herz brechen würde. War es das wert? Manche Tage war sie sogar davon überzeugt.

3. KAPITEL

Im Rahmen seines Jobs hatte Max so manches auf sich zu nehmen. Er hatte sich mit der Machete einen Pfad im Dschungel freischlagen müssen, hatte Wasserfälle überwinden, Schlangen und Skorpione bekämpfen und sogar einmal mit einem Krokodil ringen müssen. Aber nichts hatte ihn auf das vorbereitet, was er hier ertragen musste. Auf einem Skihang in Fields/Montana, dem Geburtsort des Präsidenten, umgeben von fünfhundert kreischenden Schulkindern auf Skiern und Snowboards.

Als der Präsident hier aufwuchs, war Fields eine kleine Stadt gewesen, die im Wesentlichen von der Viehzucht lebte. Aber in den letzten zehn oder zwanzig Jahren war die Stadt, die malerisch inmitten von Bergen lag, als Skiparadies entdeckt worden. Man hatte Lifte gebaut, und große Hotel- und Ferienanlagen hatten das Gesicht der Stadt total verändert.

Max’ Kameramann Jake Dobson kam mit kühnem Schwung auf seinem Snowboard neben Max zum Stehen. Die beiden Männer hatten schon bei einem kleinen lokalen Fernsehsender in Maryland zusammengearbeitet.

„Wollen wir noch mal?“, fragte Jake.

„Lieber nicht.“ Max blickte auf den Hang, der dicht von Kindern bevölkert war. „Die haben mich zu Tode erschreckt.“

Jake lachte. „Aber die sind doch wirklich harmlos.“

„Ich habe keine Angst, dass sie mir wehtun könnten. Aber dass ich ein achtjähriges Mädchen umfahren könnte. Das Risiko will ich nicht eingehen.“ Max beugte sich vor und löste die Schuhe von seinem Snowboard.

Leise seufzend machte Jake es ihm nach. „Die ganze Woche wird hier die Hölle los sein. Es sind Skiferien.“

„Wir haben sowieso anderes zu tun.“ Max stellte sein Snowboard auf und nahm den Helm und die Schneebrille ab.

Am Vormittag hatten die beiden Männer angefangen, die Rancher in der Umgebung aufzusuchen. Einige erinnerten sich noch an den Präsidenten als Teenager. Allerdings war keiner bereit gewesen, sich der Kamera zu stellen. Und alle taten so, als wüssten sie nichts von Eleanor Albert.

Max war angenehm überrascht, wie freundlich aber zurückhaltend die Einwohner von Fields waren. Viele kannten ihn von seinen Fernsehberichten, aber nur wenige kamen auf ihn zu und baten um ein Autogramm.

„Wollen wir nicht etwas essen?“ Jake wischte den Schnee von seinem Snowboard. „Ich bin am Verhungern.“

„Klar. Ich habe auch Hunger.“ Max wandte sich um und ging in Richtung Lodge. „Sind diese kleinen Monster wirklich die ganze Woche hier?“ Leider gingen ihre beiden Räume auf den überdachten Innenhof mit dem beheizten Pool hinaus. Außerdem waren die Kinder die ganze Nacht den langen Flur rauf- und runtergerast.

„Ja. Ich habe mit einem ihrer Lehrer gesprochen.“

„Na, toll …“ Max hatte nicht übermäßig viel für Kinder übrig. Zumindest nicht, wenn sie sich nicht wie Erwachsene benahmen. Er bewunderte die Leute, die einfach über den Krach und die Unordnung und die nervige Spontaneität der süßen kleinen Tyrannen hinwegsehen konnten. Er bevorzugte Vernunft und Berechenbarkeit. Und die war bei Erwachsenen gegeben. Denn er hatte festgestellt, dass man sich auf einen entscheidenden Charakterzug verlassen konnte: Jeder handelte in seinem eigenen Interesse.

„Ich habe schon unten angerufen und den Manager gebeten, uns andere Zimmer zu geben“, sagte Jake lächelnd.

„Ach, wirklich?“ Max fiel ein Riesenstein vom Herzen.

„Ja, wir ziehen jeder in ein kleines Cottage, die weiter weg liegen. Die werden nur an Erwachsene vermietet.“

„Jake, du bist fantastisch!“

Der Freund grinste. „Der Pool da oben hat den Ausschlag gegeben. Außerdem hat Jessica sich letzte Woche von mir getrennt. Und meine Freiheit als Junggeselle will ich nicht unbedingt mit Kindern teilen.“

„Jessica hat dich verlassen?“

Jake zog sich die Handschuhe aus. „Sie kommt bestimmt zurück. Aber bis dahin fühle ich mich nicht verpflichtet, ihr treu zu sein.“

„Ist sie sich darüber im Klaren?“

Sie stiegen die Treppe hoch, die zu den Schließfächern führte. Jake zuckte mit den Schultern. „Ich bin Single, und sie ist Single.“

„Dann ist sie wohl nicht diejenige welche?“

„Das kann ich noch nicht sagen. Dazu kennen wir uns nicht lange genug.“

Max schüttelte lächelnd den Kopf. „Glaub mir, Jake. Wenn sie die Richtige wäre, dann würdest du jeden Mann erwürgen, der sie nur von der Seite ansieht, geschweige denn mit ihr schläft.“

„Echt? Seit wann bist du der Fachmann in diesen Fragen?“

„Bin ich nicht, aber das weiß ich sehr genau.“ Max konnte den Gedanken nicht ertragen, dass Cara mit jemand anderem ins Bett gehen könnte. Rein praktisch gesehen waren sie beide Single. Aber das hatte äußere Ursachen. Andere Frauen interessierten ihn einfach nicht mehr.

Nachdem sie ihre Snowboards und die dicken Stiefel in den großen Schließfächern verstaut hatten, gingen sie hinüber in den Alpine Grill. Die Kellnerin brachte jedem ein großes Glas Red Ale, das hier in einer kleinen Brauerei hergestellt wurde. Sie saßen in der rustikalen Bar, die nur Erwachsene betreten durften, aber das Geschrei ausgelassener Kinder drang aus dem Restaurant bis zu ihnen. Dann brach auch noch eine Gruppe in grölenden Gesang aus. Offenbar hatte jemand mit Namen Amy Geburtstag.

„Vielleicht sollte ich dem Manager sagen, dass du heute auch Geburtstag hast“, meinte Jake fröhlich.

„Um Himmels willen!“ Max nahm einen großen Schluck Bier. Er wurde heute tatsächlich dreißig. Für viele Menschen wäre das ein Anlass zum Feiern. Nicht für Max. Gestern war er neunundzwanzig Jahre und dreihundertvierunddreißig Tage alt gewesen. Jetzt war er vierundzwanzig Stunden älter. Na und?

Jake reckte den Hals. „Du liebe Zeit, jetzt haben sie den Kindern auch noch Wunderkerzen gegeben!“

„Die sind wohl verrückt!“ Max drehte sich um und erstarrte. Da, in dem Vorraum des Restaurants, stand da nicht Cara? Ja, sie war es und sah zum Anbeißen aus wie immer in ihrer engen Jeans, der knappen taillenlangen Jacke und den schwarzen Lederstiefeln. Die Wangen waren von der Kälte gerötet, die blauen Augen leuchteten, und diese Lippen …

Sofort schob Max den Stuhl zurück und stand auf.

„Hallo, Cara.“ Er lächelte freundlich.

Mit einem Ruck drehte sie sich um und starrte ihn überrascht an. „Max“, brachte sie schließlich heraus. „Du bist in Fields?“

„Ja, ich bin in Fields.“

Sie runzelte die Stirn und schloss kurz die Augen, als müsse sie sich aus einem Traum aufwecken. Doch als sie die Augen aufmachte, war Max immer noch da.

„Komm doch mit an unseren Tisch“, sagte Max. „Jake ist auch hier.“

Cara kannte Jake, hatte ihn in den letzten Monaten ein paarmal getroffen. Sie zögerte, blickte zu Jake hinüber. „Okay“, sagte sie schließlich. „Warum nicht?“

Max führte sie an den Tisch. „Du erinnerst dich an Cara Cran­shaw, Jake?“

Jake stand auf und reichte Cara lächelnd die Hand. „Selbstverständlich. Schön, dich wiederzusehen.“

Verdammt. Max sah schnell zwischen den beiden hin und her, die sich offenbar sehr sympathisch waren. Daran hatte er nicht gedacht. Beide waren ungebunden. Sicher, auch Jake arbeitete für einen Nachrichtensender, aber als Kameramann hatte er nicht so direkt mit den Menschen zu tun, über die berichtet wurde, wie ein Reporter, der die Story recherchierte und schrieb. Mit ihm könnte Cara durchaus was anfangen. Und er wirkte auf Frauen, war groß und durchtrainiert, hatte graue Augen und einen sorglosen Charme.

Max wusste nur zu genau, dass Jake keine Probleme mit Frauen hatte, im Gegenteil. „Mach dir keine Hoffnungen, mein Freund“, sagte er schnell. „Cara fängt nichts mit Nachrichtenleuten an.“

Cara warf ihm einen empörten Blick zu.

Jake lachte. „Sie wird aber doch in diesem Fall mal eine Ausnahme machen können. Was meinst du? Meine Freundin hat mich gerade verlassen. Ich bin tief in meiner Seele verletzt und schrecklich einsam.“

„So so.“ Cara setzte sich und legte sich die Serviette auf den Schoß. Dann sah sie Jake lächelnd an. „Tut mir leid, aber die Trösterrolle liegt mir nicht.“

„Autsch!“ Jake verzog gequält das Gesicht. „Möchtest du vielleicht etwas trinken?“

„Aber gern.“ Cara bedachte ihn mit einem zuckersüßen Lächeln. „Eistee bitte.“

„Kommt sofort.“ Jake sah sich suchend nach der Kellnerin um, stand dann aber auf und ging selbst zur Bar.

„Sehr nett. Ein Gentleman.“ Cara glättete die Serviette in ihrem Schoß.

„Er flirtet mit dir.“

Sie verdrehte die Augen. „Also wirklich, Max! Aber sag, was machst du denn hier in Fields?“

„Das Gleiche wie du.“

„Das glaube ich nicht.“

„Wir sind beide hinter der Story her.“

„Nein.“ Sie strich sich das Haar zurück. „Du bist hinter der Story her. Ich suche nach der Wahrheit.“

„Oho! Nun tu doch nicht so selbstgerecht. Das ist kein attraktiver Charakterzug.“

„Meinst du denn“, sie beugte sich vor und senkte die Stimme, „dass ich unbedingt attraktiv sein will? Für dich?“

Auch er flüsterte jetzt. „Du bist es, ob du willst oder nicht.“

Jake kam zurück. „Ihr Eistee, Ma’am.“ Er stellte das Glas auf den Tisch.

Cara lächelte ihn schmachtend an. „Ich danke Ihnen, Sir.“

„Immer gern zu Diensten.“

Max griff verärgert nach seinem Bierglas. „Nun hört schon auf!“

„Weißt du, dass Max heute Geburtstag hat?“, fragte Jake mit leicht boshaftem Unterton.

„Nein.“ Cara sah Max an und warf ihm ein zuckersüßes Lächeln zu. „Herzlichen Glückwunsch.“

„Findest du nicht, dass wir die Restaurantbelegschaft bitten sollten, ihm ein Ständchen zu bringen?“, wandte Jake sich mit ernster Miene an Cara.

„Sei vorsichtig.“ Max konnte über den Vorschlag nicht lachen. „Ich glaube nicht, dass sich eine Prügelei zwischen uns sehr gut in den Abendnachrichten des NCN macht.“

Jake ließ sich auf seinen Stuhl fallen und lachte laut los. In diesem Augenblick wurde wieder ein Geburtstagsständchen gebracht. Gleichzeitig plärrte ein kleines Mädchen los.

Max stöhnte tief auf. „O Kinderglück, o Erwachsenenpein!“

Cara sah ihn nachdenklich von der Seite her an. Doch dann klingelte ihr Handy, und sie wühlte in ihrer Handtasche.

Da war es. „Entschuldigung“, sagte sie leise und hob das Telefon ans Ohr. „Hallo, Lynn.“ Während sie zuhörte, strich sie mit den Fingerspitzen an ihrem Glas auf und ab. „Okay“, sagte sie schließlich. „Das geht. Morgen?“ Und nach einer längeren Pause: „Verstanden. Danke.“ Sie klappte das Telefon zu und ließ es in ihre Tasche gleiten.

„Was gibt es denn?“, fragte Max harmlos.

Sie warf ihm ein verschmitztes Lächeln zu, das ihm durch und durch ging. „Nichts Besonderes.“

„Ich fürchte, sie ist uns um einiges voraus“, meinte Jake nur.

Ja, dachte Max. Das Gefühl hatte er von dem Augenblick an gehabt, in dem er Cara begegnet war.

Später dann versuchte Cara die Schulkameraden von Eleanor Albert und dem Präsidenten ausfindig zu machen, was anhand des Highschool-Jahrbuchs nicht besonders schwierig war. Diejenigen, die sie antraf, konnten sich an nichts Besonderes erinnern, was für die Medien interessant gewesen wäre. Und das war gut. Denn solange sie nichts wussten und Eleanor Albert nicht auftauchte, gab es nichts zu berichten.

Als Cara schließlich die Tür ihres Hotelzimmers hinter sich zumachte, war sie richtig erschöpft. Um Max nicht wieder zu begegnen, bestellte sie sich etwas beim Zimmerservice. Statt Wein nahm sie Milch, außerdem achtete sie auf eine ausgewogene Zusammensetzung der Mahlzeit. Hm, als Nachtisch hätte sie gern ein Stück Schokoladenkuchen gehabt. Aber die Vernunft siegte, und sie bestellte Joghurt mit Erdbeeren. Auch nicht schlecht.

Obgleich sie bereits einen Termin bei einem Frauenarzt hatte, kam die Schwangerschaft ihr noch sehr unwirklich vor. Kurz hatte sie sich im Internet über Ernährung und körperliche Veränderungen informiert. Das alles beunruhigte sie nicht. Aber wenn ihr dann einfiel, dass das nicht Theorie war, sondern tatsächlich ein Kind in ihr heranwuchs, überfiel sie doch eine leichte Panik. Sie wusste, sie musste mit jemandem darüber sprechen. Und eigentlich gab es nur eine Person, der sie sich anvertrauen konnte.

Leise seufzend griff sie nach ihrem Telefon und wählte. Es klingelte ein paarmal, dann war die Stimme ihrer Schwester Gillian zu hören. „Hallo, Cara!“

„Hallo, Gillian“, sagte Cara betont munter.

„Wie geht es dir in Washington?“

„Hektisch. Und dir in Seattle?“

„Genauso. Nächsten Monat eröffnen wir einen Laden in Peking. Du kannst dir vorstellen, was da los ist.“ Für ein paar Sekunden war Gillians Stimme kaum zu hören, dann war sie wieder da. „Entschuldige.“

„Bist du noch im Büro?“

„Es ist doch erst sieben Uhr abends hier bei uns. Bist du zu Hause?“

Cara ging nicht auf ihre Frage ein. „Hast du immer so lange zu tun, oder ist es schlimmer als sonst?“

„Eigentlich nicht … He, Sam, sag ihnen, ich zeichne es ab, aber nur, wenn es unter einer Million ist … Entschuldige, Cara.“

„Macht doch nichts.“ Da Gillian ihre eigene Firma hatte, war Cara daran gewöhnt, dass sie immer in Zeitnot war. „Aber mir tut es leid, dass ich dich störe.“

„Du störst mich überhaupt nicht. Also, was ist los?“

Cara zögerte.

„Du hast doch wahrscheinlich wahnsinnig viel zu tun. Ich meine, seit diese geheimnisvolle Tochter von Morrow aufgetaucht ist …“

„Ja, das stimmt.“

„Wusste er das? Aber du darfst ja nichts sagen, höchste Geheimstufe, was? Also, liebe FBI-Leute, ihr könnt euch entspannen.“

Cara musste lachen. „Keine Sorge, der FBI hört nicht mit. Doch du hast recht, ich darf nichts sagen.“

„Okay, Schwesterchen, was gibt es sonst?“

„Du hast nicht zufällig Zeit, nach Montana zu kommen?“

„Nach Montana? Was soll ich denn in Montana?“

„Nach Fields in Montana.“

„Ach so … nach Fields. Dorthin, wo alles anfing. Aber warum soll ich kommen? Als Undercover? Soll ich jemanden bestechen?“

Wieder musste Cara lachen. „Wenn das der FBI hören würde.“

„Wieso, habe ich bestechen gesagt? Ich meinte doch besuchen.“

„Das kommt schon eher hin. Ja, ich möchte, dass du mich besuchst.“

Schweigen. „Du bist in Montana?“

„Ja.“

„Das ist mit dem Jet ja nur eine Stunde entfernt. Um acht kann er flugbereit sein.“

„Dann könntest du kommen?“ Cara wagte kaum zu hoffen.

„Ist irgendetwas los?“

„Nein … nicht eigentlich.“

Wieder schwieg Gillian kurz. „Aber dich beunruhigt doch irgendetwas. Hat es mit deinem Job zu tun?“

„Nein, nein. Vorläufig wissen wir auch nicht mehr als das, was die Nachrichten bringen. Ich meine, was Ariella betrifft.“

„Dann ist es etwas Persönliches?“

„Kannst du kommen?“

„Bist du krank?“

„Nein.“

„Hast du etwas Ungesetzliches getan?“

„Aber Gillian!“

„Brauchst du Geld? Bist du spielsüchtig? Ist die Mafia hinter dir her?“

„Nein.“

„Okay. Also, was ist es dann? Bist du schwanger?“

Cara stockte der Atem, und ihr fiel leider überhaupt nichts ein, womit sie die Schwester von der richtigen Fährte abbringen könnte.

„Cara?“

„Bitte, komm …“

„Bin schon unterwegs.“

Damit, dass ausgerechnet Max so spät in der Nacht im Flughafen von Fields auftauchte, hatte Cara nicht gerechnet. Der hübsche kleine, aber gut ausgestattete Flughafen wirkte zu dieser Zeit wie verlassen. Die Läden und Restaurants waren geschlossen, die Warteräume leer. Nur das Reinigungspersonal war unterwegs, und ein einsamer Angestellter saß am Eincheckschalter.

Max hatte Cara natürlich sofort erkannt, stand auf und ging auf sie zu. Als sie Schritte hörte, drehte sie sich um. Wie schon in dem Restaurant mittags schien sie keineswegs erfreut zu sein, ihn zu sehen.

„Verfolgst du mich?“ Sie sah sich hastig um, als erwarte sie, dass Jake mit seiner Kamera jeden Augenblick auftauchte.

„Nein, aber du mich vielleicht?“ Er trat neben sie.

„Ich will jemanden abholen“, sagte sie abweisend.

„Um diese Zeit kommen keine Flüge mehr an.“

„Es ist ein Privatjet.“

„Ach so.“ Er musterte sie eindringlich. War es wirklich Zufall, dass sie hier war, oder wusste sie, wen er hier treffen wollte?

Doch ihrer Miene war nichts zu entnehmen. „Und warum bist du hier?“, wollte sie wissen.

„Auch, um jemanden abzuholen.“

„Wen?“, fragte sie sofort.

Er schüttelte lächelnd den Kopf und schwieg.

Das ärgerte sie. „Das kann doch wohl nicht wahr sein!“

„Was kann nicht wahr sein?“

„Du hast mir doch versprochen, dass du unsere Beziehung nicht ausnutzen würdest.“

„Was für eine Beziehung?“ Ja, wenn sie wenigstens eine Beziehung hätten …

„Du weißt genau, was ich meine. Du kannst nicht …“ Wieder sah sie sich hastig um. „Das ist nicht fair. Bitte, verschwinde. Es ist wirklich nichts Wichtiges.“

„Darf ich dich daran erinnern, dass dies ein öffentlicher Flughafen ist und wir in einem freien Land leben?“ Er war nun doch neugierig geworden. Wenn sie ihm nicht gefolgt war, dann hatte sie vielleicht selbst etwas zu verbergen? Etwas Wichtiges?

„Cara!“ Eine Frau winkte vom anderen Ende der Eingangshalle.

Sofort wandte Cara sich um und lief der Frau entgegen. Die Frau ließ ihre Reisetasche fallen und breitete die Arme aus. Die beiden umarmten sich, und Max fiel auf, wie sehr sie sich ähnelten. Sie hatten nicht nur die gleiche Frisur und die gleiche Haarfarbe, auch der Gesichtsschnitt war sehr ähnlich. Cara war ein bisschen kleiner und ein bisschen schlanker als die Fremde.

Er ging auf die beiden zu und streckte die Hand aus. „Max Gray.“

„Oh, tatsächlich?“, flötete die andere und löste sich von Cara. „Dann sind Sie …“

„Max ist Reporter“, unterbrach Cara sie schnell. „Und wir müssen sehr vorsichtig mit dem sein, was wir in seiner Gegenwart sagen.“

„Ich leite eine Nachrichtensendung“, stellte Max richtig. „After Dark auf NCN.“ Das hörte sich vielleicht ein bisschen arrogant an, aber Max wollte nicht, dass die Frau ihn für einen miesen kleinen Reporter irgendeiner Boulevardzeitung hielt.

„Ich bin Gillian Cranshaw, Caras Schwester.“

„Das habe ich mir gedacht. Sie sehen sich sehr ähnlich.“

„Wir müssen jetzt los.“ Cara hob die Reisetasche hoch, hakte die Schwester ein und zog sie zum Ausgang.

„Darf ich?“ Max griff nach der Tasche, doch Cara hielt sie fest.

„Nicht nötig.“ Sie ging schneller.

„Bis später“, konnte Gillian Max gerade noch über die Schulter zurufen.

In diesem Augenblick betrat ein Mann die Eingangshalle, durch dieselbe Tür, durch die auch Gillian gekommen war. Cara warf ihm einen kurzen Blick zu, hastete dann aber weiter mit Gillian zum Ausgang.

Das überraschte Max. Offenbar gab es eine Art Familiendrama, das die beiden Schwestern zu besprechen hatten. Sonst hätte Cara sicher wissen wollen, wen Max so spät noch vom Flugplatz abholte.

„Liam Fisher?“ Max trat auf den Mann zu.

„Hallo, Max. Ich kenne Sie von Ihrer Sendung her.“

„Danke, dass Sie gekommen sind.“

„Ich freue mich, dass NCN an mich gedacht hat.“

Die beiden Männer schüttelten sich die Hand.

Seit seiner Ankunft in Fields hatte Max zwei Dinge festgestellt. Zum einen stand die Stadt voll auf der Seite des Präsidenten. Zum anderen hatte Eleanor Albert keinen großen Eindruck hinterlassen. Einige erinnerten sich vage an sie, aber kaum jemand brachte sie mit Ted Morrow in Verbindung.

Das bedeutete, dass es schwierig sein würde, auf normalem Weg etwas über die Beziehung zwischen Ariella und Eleanor herauszubekommen. Also musste man zu ungewöhnlichen, eventuell auch illegalen Mitteln greifen.

Liam Fisher hatte früher für den Konkurrenzsender ANS gearbeitet. Er hatte den Sender unter merkwürdigen Umständen und unzureichenden Erklärungen verlassen. Dass er mit dem Besitzer Graham Boyle nicht klarkam, war allgemein bekannt. Max hatte instinktiv den Verdacht, dass es hier eigentlich nicht um Eleanor Albert ging, sondern um den ANS.

Vor allem darum, auf welchem möglicherweise krummen Weg der Sender überhaupt an den Namen dieser Frau gekommen war.

4. KAPITEL

Cara zerrte ihre Schwester zu einer verborgenen Seitentür, die zum Parkplatz führte, vorbei an dem kleinen Flughafenrestaurant und dem Süßigkeitsladen.

„Kurz dachte ich daran, dass er vielleicht der Vater sein könnte“, sagte Gillian leicht atemlos, überrascht, dass die Schwester es so eilig hatte, und warf einen letzten Blick auf Max.

„Er ist Reporter.“ Cara wollte jetzt nicht weiter auf die Bemerkung eingehen. „Und ich habe den Eindruck, er folgt mir.“

„Ich glaube, er holt den Mann ab, der kurz nach mir mit der Cessna gekommen ist.“

„Kann sein. Wahrscheinlich hat er Verstärkung angefordert“, meinte Cara und schob die Schwester durch die Tür. „Die Gegend hier wimmelt von Reportern.“

„Kann ich mir vorstellen. Du kennst doch diese Ariella? Hat sie nicht mal diese Thanksgiving Party ausgerichtet? Wo die Sängerin in den Kuchen fiel?“

„Ja, das ist sie.“

Sie gingen die Betonrampe zu dem Parkplatz hinunter, wo kaum noch Autos standen, und stiegen in Caras Mietwagen.

„Sie war damals nicht aus der Ruhe zu bringen“, sagte Gillian lächelnd. „Scheint einen guten Humor zu haben.“

„Wie der Präsident.“

Gillian sah die Schwester überrascht an. „Dann glaubst du, es stimmt?“

„Was?“

„Dass sie seine Tochter ist. Du hast gerade gesagt, sie hätten beide Humor. Oder weißt du es vielleicht sogar?“

„Ich weiß nichts mit Sicherheit. Aber du hast doch auch die Bilder im Fernsehen gesehen.“

Gillians Handy klingelte, bevor sie darauf reagieren konnte. „Hallo?“

Cara ließ den Motor an, fuhr rückwärts aus der Parklücke und dann Richtung Ausgang. Es hörte sich so an, als habe Gillian Probleme mit einem Lieferanten in Indien. In einem zweiten Telefongespräch, das sich gleich anschloss, ging es um die Pensionsverträge ihrer Angestellten. Als Gillian schließlich genervt das Telefon in die Tasche steckte, waren sie fast schon in der Stadt. Sie lehnte sich zurück. „Genetisch wäre das ein Hauptgewinn“, meinte sie schmunzelnd.

„Für Ariella?“ Cara sah sie kurz von der Seite her an, richtete den Blick dann aber schnell wieder auf die verschneite Straße.

„Nein. Ich denke an dich und diesen Max. Groß, attraktiv, athletisch. Und sicher auch schnell im Kopf, sonst hätte er keine Nachrichtensendung.“

„Aber bestimmt nicht vernünftig. Denn er ist oft in Krisengebieten unterwegs und setzt sich ständig irgendwelchen Gefahren aus.“

„Also auch noch mutig? Umso besser.“

„Ich glaube eher, dass er sich von seinem Testosteron führen lässt und nicht von seinem Verstand. Aber wie ist es, wollen wir nicht was trinken?“ Ohne Gillians Antwort abzuwarten, bog Cara in den Parkplatz hinter der Pine Tree Lounge ein, einer neueren Bar in einem Vorort von Fields.

„Gern“, sagte Gillian etwas verwundert. „Ich könnte gut was vertragen.“

Der Weg zum Eingang war vom Schnee freigeschaufelt. Der Raum wirkte sehr einladend mit seinen blanken Holztischen, den roten Lederstühlen und den kleinen Öllämpchen auf den Tischen. Leise spielte Countrymusik. Cara steuerte auf einen Tisch in der Ecke zu, wo sie ungestört sprechen konnten.

Die Kellnerin kam sofort mit zwei Gläsern Wasser. Nach einem kurzen Blick auf die Weinkarte bestellte Gillian sich einen trockenen Weißwein.

Endlich waren sie allein. Cara wurde nicht durchs Fahren abgelenkt und Gillian nicht durch Telefongespräche. „Also …“, fing Gillian bedeutungsvoll an und zog die Schale mit den gemischten Nüssen näher an sich heran.

Cara gab sich einen Ruck. „Ja“, sagte sie, „er ist es. Er ist derjenige welcher.“

Gillian sah sich nach allen Seiten um. „Wer ist was?“

„Max. Er ist der Vater.“

„Was? Aber warum …?“

„Er weiß es nicht. Er darf es nicht wissen. Wir sollten eigentlich nicht … ich meine, er ist Reporter, und ich arbeite in der Presseabteilung des Weißen Hauses.“

„Aber du hast trotzdem mit ihm geschlafen?“

„Das war noch vor der Wahl. Und, ja, einmal nachher, aber noch vor der Amtseinführung. Und das war ein Fehler. Ich hätte es nicht tun sollen.“

„Ach du Schreck“, sagte Gillian trocken.

„Das habe ich auch gesagt. Und er … und ich … und dann …“ Cara machte eine unbestimmte Handbewegung. „Du weißt schon, was ich meine.“

Gillian lächelte leicht. „Ich würde es, wenn du deine Sätze beenden würdest.“

Cara ließ den Kopf hängen. „Ich meine, es ist alles schrecklich.“

Erst als Cara wieder den Kopf hob, nahm Gillian ihre Hand. Sie strahlte die Schwester an. „Unsinn, es ist nicht alles schrecklich. Du bekommst ein Baby! Wir bekommen ein Baby! Mach dir keine Sorgen. Wie auch immer es dazu gekommen ist, es ist wunderbar, dass es geschehen ist. Babys sind nie etwas Schreckliches. Besonders nicht deins.“

„Aber er will keine Kinder“, fing Cara wieder an. „Er will spannenden Geschichten hinterherjagen in möglichst gefährlichen Gegenden der Welt. Und sich keine Gedanken um Frau und Kinder machen müssen.“

„Egoist!“

„Aber selbst wenn er Kinder haben wollte“, fuhr Cara fort. „Wir könnten nie eine normale Beziehung haben. Wegen des Interessenkonflikts, meine ich. Der Präsident hat seine Regierungszeit kaum angefangen, und schon stecken wir in einer fatalen Situation.“

„Und du bist absolut sicher, dass du es Max nie sagen könntest?“

„Absolut.“

„Niemals?“

„Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.“

„Hm …“ Gillian griff wieder nach den Nüssen. „Dann gibt es nur einen Ausweg. Du musst mit jemand anderem schlafen.“

„Was?“ Ungläubig starrte Cara sie an.

„Ich meine nicht tatsächlich. Du musst Max gegenüber behaupten, dass du nicht nur mit ihm im Bett warst. Wenn er dann herausfindet, dass du schwanger bist, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder er besteht auf einem DNA-Test, um zu erfahren, ob er der Vater ist. Wenn er aber nicht scharf darauf ist, Vater zu sein, wird er froh sein, wenn kein Test gemacht wird. Dann hat er keinerlei Verantwortung.“

„Du bist ganz schön zynisch.“

„Ich bin schon länger auf dieser Welt als du.“

„Gerade mal vierzehn Monate.“

„Aber ich war immer nüchterner als du.“

Die Kellnerin kam mit dem Wein. Cara bestellte sich eine heiße Schokolade.

„Dann findest du es in Ordnung, wenn ich ihm nichts von dem Kind erzähle? Ich meine, vom ethischen Standpunkt aus?“

„Ja, warum nicht?“

„Das überrascht mich jetzt. Ich hatte eine andere Antwort erwartet.“

„Dass du dich ihm an den Hals werfen und alles gestehen solltest? In der Hoffnung, dass er nichts lieber hätte als Frau und Kinder und ein gemütliches Heim?“

Cara musste zugeben, dass sie an etwas Ähnliches gedacht hatte. Nicht dass sie zugestimmt hätte … Aber es hätte ihr gut getan, wenn die Schwester sie moralisch unterstützt hätte.

Gillian musterte sie eindringlich und schien zu ahnen, was in ihr vorging. „Oh, Schwesterchen, das tut mir leid.“

„Nein, nein, an so etwas habe ich nicht gedacht“, log Cara. „Und das will ich auch gar nicht. Eine schreckliche Vorstellung, einen Mann zu haben, der sich für die Familie opfert, der die Hecke schneidet und den Müll rausbringt und mir Vorwürfe macht, dass ich seine Karriere zerstört habe. Nein, vielen Dank, so etwas kann ich nicht gebrauchen!“

„Hm, fast hättest du mich überzeugt.“ Gillian lächelte die Schwester zärtlich an. „Aber du bist keine gute Schauspielerin.“

„Wie kommst du denn jetzt darauf?“

„Deine Empörung war ein bisschen zu übertrieben.“

Leider hatte Gillian recht, das musste Cara zugeben. Ihr war klar, dass Max keine Familie wollte. Und dennoch ertappte sie sich hin und wieder dabei, dass sie sich genau das wünschte.

Max und Jake hörten gespannt zu, als Liam Fisher ihnen von nicht ganz sauberen Tricks erzählte, mit denen der ANS an manche Geschichten gekommen war. Die drei Männer saßen in der Apex Lounge an der obersten Seilbahnstation. Jetzt zur Mittagszeit war die Lounge bereits gut besucht, meist von Familien mit Kindern.

„Es wurde besonders schlimm, als Marnie Salloway als Produzentin eingestellt wurde“, sagte Liam. „Die Frau hat kein Gewissen. Würde mich wundern, wenn sie eine Seele hätte.“

„Kannst du uns irgendein Beispiel nennen?“ Max kannte Marnie gut, denn sie war früher seine Vorgesetzte gewesen, und er konnte sich sehr gut vorstellen, dass sie über Leichen ging. Seit drei Tagen waren Jake und er jetzt in Fields unterwegs, ohne allerdings einen einzigen Schritt vorangekommen zu sein. Wen auch immer sie fragten, alle liebten den Präsidenten und waren ratlos, wenn sie Eleanor Albert ins Gespräch brachten.

„Es war schlimmer als Manipulation“, berichtete Liam. „Man kann schon von Nötigung sprechen. Ich habe zwar nie direkt mit Geld bestochen, aber ich habe diejenigen, von denen wir etwas wissen wollten, in teure Hotels einladen müssen, sie mit Hummer und superteurem Wein verwöhnt. Da konnten sie gar nicht anders, sie mussten mir meine geschickt formulierten Fragen beantworten.“

„Aber das ist nicht illegal“, warf Max ein. „Verdammt noch mal!“, fluchte er dann, als ein Junge kreischend an dem Tisch vorbeirannte und ihn dabei heftig anrempelte. Empört sah Max sich um. Gab es denn hier keine Aufsichtsperson?

„Das nicht, aber dann ging sie zu weit. Marnie wollte, dass ich in dem Haus eines der Opfer ein Mikrofon anbringe. Es handelte sich um einen Jungen im Teenageralter, der von seinem Sportteam tyrannisiert wurde und deshalb Anzeige erstattet hatte. Sie war der Meinung, er übertreibe maßlos und wolle nur dem populären Trainer eins auswischen.“

„Das geht allerdings wirklich zu weit“, gab Max zu.

„Eben. Deshalb habe ich auch gekündigt. Oder bin rausgeworfen worden wegen Befehlsverweigerung, je nachdem, wessen Geschichte du glauben willst.“

Von der Seilbahnplattform waren lautes Lachen und fröhliches Geschrei zu hören. Max wandte sich um. Viele Kinder hatte sich dort versammelt, schubsten und drängelten und rissen einander die Mützen vom Kopf.

„Wie soll man bei dem Krach nur einen klaren Gedanken fassen können!“, stieß er verärgert hervor.

Jake lachte. „Reg dich ab, Max. Die sind doch nur fröhlich.“ Dann wandte er sich zu Liam um. „Hast du irgendeinen Beweis?“

„Leider nicht. Ihr Wort gegen meins. Aber ich habe auch nicht besonders nachgeforscht. Nachdem ich bei ANS ausgeschieden war, habe ich erst mal mein Leben neu geordnet. Deshalb kann es gut sein, dass wir was Belastendes finden, wenn wir ein wenig graben.“

„Womit wollen wir anfangen?“, fragte Max, während er der Kellnerin seine Kreditkarte reichte.

„Bei ein paar Leuten habe ich noch was gut“, meinte Liam. „Da könnten wir es versuchen.“

„Hier in Fields sind wir noch nicht ganz fertig.“ Max sah Jake an, der zustimmend nickte. „Aber wir melden uns bei dir, wenn wir wieder in Washington sind.“

„Gut.“ Liam stand auf. „Habt ihr vor runterzufahren, oder nehmt ihr die Seilbahn?“

„Ich fahre runter.“ Max hatte das dringende Bedürfnis, sich zu bewegen und einen klaren Kopf zu kriegen. Es hörte sich so an, als habe Liam eine Idee, wo sie suchen sollten. Er sah Jake fragend an, obgleich er wusste, dass der Freund mit ihm kommen würde. Jake entschied sich nie für den einfachen Weg.

„Okay, wir treffen dich dann unten in der Halle.“ Jake nickte Liam zu.

Max unterschrieb den Kreditkartenbeleg, stand auf, zog seine Jacke an und folgte Jake. Glücklicherweise hatten die meisten Kinder die Plattform schon verlassen. Wahrscheinlich waren sie bereits mit ihren Snowboards unterwegs.

Jake hatte sein Snowboard bereits aus dem Gestell genommen. Doch Max kam nicht an seins heran, weil ein Junge von ungefähr zehn oder zwölf davor hockte und mit seiner Bindung nicht zurechtkam. Innerlich seufzend hockte Max sich neben ihn. „Brauchst du Hilfe?“

Wieder wunderte er sich, dass keiner von den Erwachsenen hier war, um dem Jungen beizustehen. Das war doch schließlich der Job des Aufsichtspersonals, das mit knallgelben Jacken überall zu sehen war.

„Hat sich verbogen“, stieß der Junge weinerlich hervor und versuchte immer wieder, mit seinen klammen Fingern den Metallverschluss gerade zu biegen.

„Das haben wir gleich.“ Max zog sich die Handschuhe aus, drückte den Verschluss gerade, zog den Riemen hindurch und befestigte das Board an dem Stiefel des Jungen. „Wie fühlt sich das an?“

Der Junge bewegte den Fuß. „Okay.“ Er schniefte leise.

Gerade als Max sich aufrichtete, kam Jake, der bereits sein Board an einem Fuß befestigt hatte und sich mit dem anderen abstieß. Während Max nach seinem Board griff, bemerkte er, dass der Junge sich beunruhigt umsah. „Bist du mit deinen Eltern hier?“

„Mit meinen Freunden.“

„Ach so.“ Max sah sich um. „Kannst du sie sehen?“

„Sie sind schon weg.“ Der Junge zeigte auf die mittelschwere Piste. „Da runter.“

„Ohne auf dich zu warten?“ Schöne Freunde …

Der Junge nickte und war wieder den Tränen nahe.

Max ging bis zum Beginn des Abhangs und schnallte sich dann das Board unter. Auch Jake befestigte den zweite Fuß. Was ging sie dieses Kind an? Andererseits konnten sie den Jungen doch nicht einfach hier seinem Schicksal überlassen.

„Wie heißt du?“, fragte Max.

„Ethan.“

„Okay, Ethan.“ Max setzte sich die Schneebrille auf. „Es wird wohl besser sein, wenn du mit uns fährst.“

Der Junge strahlte.

„Ich bin Max, und das ist Jake. Deine Freunde warten sicher unten auf dich.“

Schon nach den ersten Metern wurde klar, dass Ethans Begeisterung größer war als seine Erfahrung als Snowboarder. Besorgt sah Max, dass er sehr unsicher auf dem Brett stand und nach jeder kleinen Unebenheit hinfiel. Also verringerte er die eigene Geschwindigkeit und stellte sich neben den Jungen. „Du musst leicht in die Knie gehen, wobei die Füße fest auf dem Board stehen müssen.“ Er machte es ihm vor. „Gleichzeitig musst du die Arme ausstrecken, um die Balance zu halten.“

Ethan sah ihm aufmerksam zu.

„Möchtest du sehen, wie ich den kleinen Hügel da vorne nehme?“, fragte Max.

Der Junge nickte eifrig. „Ja, das wäre gut.“

„Okay.“ Max fuhr langsam auf die kleine Erhöhung zu, sprang flach ab und hielt mit den Armen sein Gleichgewicht. „Jetzt du, Ethan.“

Ethan machte es ihm genau nach und landete sicher auf der anderen Seite der Erhöhung. Strahlend streckte er die Faust in die Luft.

Auch die nächsten Unebenheiten brachte er gut hinter sich, und als er den letzten etwas höheren Hügel mit einem Sprung nahm und tatsächlich aufrecht auf der anderen Seite landete, schrie Max: „Bravo!“ Ethan grinste breit, vor allem als eine Gruppe von sechs Jungen ihm zujubelten.

„Super!“, schrie einer.

„Gut gemacht!“, ein anderer.

„Wieso kannst du das auf einmal so gut?“, fragte ein dritter, kam heran und klopfte Ethan auf die Schulter.

Ethan straffte die Schultern und wies auf Max. „Der Mann da weiß, wie man’s macht.“

Einer der Jungens kam näher und sah Max genauer an. „Sind Sie nicht dieser Max … äh, Max … na der, der im Fernsehen auch mit einem Krokodil gekämpft hat?“

Alle starrten Max an.

„Ja, der bin ich“, musste Max zugeben. Er zog einen Handschuh aus und schüttelte den Jungens die Hand. „Max Gray.“

„Wahnsinn“, flüsterte einer. Ein anderer stieß Ethan in die Seite. „Woher kennst du denn Max Gray?“

Ethan war vollkommen überwältigt und brachte kein Wort heraus. Und so sprang Max ein. „Wir haben uns oben getroffen und sind zusammen runtergefahren.“

Jetzt hatte Ethan sich wieder gefangen. „Können Sie uns vielleicht noch was anderes zeigen?“

Max warf einen Blick auf Jake, der sich nur mit Mühe das Lachen verkniff. Dann zuckte er mit den Schultern und sagte ohne Begeisterung: „Okay.“ Es blieb ihm gar nichts anderes übrig. Schließlich hatte er den zuschauerfreundlichen Ruf des Senders zu verteidigen.

So glitt er den letzten Teil der Piste hinunter, gefolgt von sieben Jungens, die sich bemühten, seinen Anweisungen zu folgen. Und so widerwillig er die Aufgabe auch übernommen hatte, er musste zugeben, dass es auch ein bisschen Spaß machte. Denn die Jungs waren freundlich und wissbegierig.

Unten trafen sie dann den Rest der Gruppe, und im Nu war Max von Zwölfjährigen umringt und musste ihnen die Helme signieren. Jake nahm natürlich feixend alles mit der Kamera auf, und Max wusste, er würde es wieder und wieder zu hören kriegen.

„Heute Morgen in der Lobby haben ein paar Kinder über Max gesprochen“, sagte Gillian. Cara und sie gingen den freigeschaufelten Bürgersteig entlang. Es war kurz nach zwölf, und sie suchten ein Restaurant, um Mittag zu essen. „Sie schwärmten davon, dass er ihnen das Snowboarden beigebracht hätte.“

„Kinder? Bist du sicher, dass es Kinder waren?“

„Ja, es waren eindeutig zehn- bis zwölfjährige Jungs. Er hat ihre Skihelme signiert. Das hört sich doch nicht nach einem Kinderhasser an.“

„So etwas kann ich mir von Max gar nicht vorstellen.“ Cara schüttelte entschieden den Kopf.

„Vielleicht siehst du ihn falsch.“

„Er hat mir doch selbst gesagt, dass er keine Kinder mag.“ Für Cara bestand kein Zweifel, dass Max keine Familie wollte. Das hatte er mehr als einmal deutlich gemacht. Wahrscheinlich war er irgendwie gezwungen worden, sich mit den Kindern zu beschäftigen.

Gillian blieb vor dem Big Sky Restaurant stehen. „Wollen wir hier reingehen?“

„Ja, warum nicht?“

Sie traten ein. Ein großer Kamin aus Feldsteinen verbreitete eine gemütliche Wärme. Sie setzten sich in eine Nische an einen blank polierten Holztisch und griffen sofort nach der Speisekarte.

„Ich habe wirklich Hunger“, gestand Cara. „Das muss die Bergluft sein.“

„Wahrscheinlich. Mir geht es genauso.“

„Du hast heute viele neue Fans gewonnen“, sagte eine vertraute Stimme dicht neben Cara. „Warte nur die Abendsendung ab.“

Erstaunt sah sie hoch und erblickte Jake, der genauso verblüfft war wie sie. „Hallo, Cara“, grüßte er erfreut, und sein Lächeln wurde breiter, als er sich Gillian zuwandte. „Hallo … Hätten die Damen etwas dagegen, wenn wir uns zu ihnen setzten?“

„Nein, natürlich nicht“, sagte Gillian, bevor Cara noch reagieren konnte.

„Hallo, Cara.“ Max nickte ihr kurz zu.

„Neue Fans? Woher denn?“, fragte Gillian, als Jake neben ihr Platz genommen hatte.

„Junge Snowboarder.“ Jake reichte ihr die Hand. „Ich bin Jake Dobson, Max’ Kameramann.“

„Und ich bin Gillian Cranshaw, Caras Schwester.“

Lächelnd sah Jake zwischen den Frauen hin und her. „Das lässt sich nicht leugnen.“

Max zögerte kurz, bevor er sich neben Cara setzte. „Du hast doch nichts dagegen?“

„Natürlich nicht.“ Cara zwang sich, gelassen zu erscheinen. Fields war eine relativ kleine Stadt. Und da war es nicht zu vermeiden, dass sie sich immer wieder begegneten. Sie blickte auf die Speisekarte. „Ich glaube, ich nehme einen Milchshake. Schokolade.“

Gillian lachte. „Um die Mittagszeit wird Cara immer ver­wegen.“

„Und Sie? Haben Sie auch Ihre wilden Stunden?“, wandte Jake sich leise an Gillian.

Cara warf den beiden einen prüfenden Blick zu. Ohne Zweifel war Jake gleich aufgefallen, wie hübsch Gillian war. Obgleich die beiden Schwestern sich sehr ähnlich sahen, fiel Gillian eher auf. Sie war lebhafter und legte etwas mehr Wert auf ihr Äußeres, zog sich auffälliger an, schminkte sich etwas stärker, hatte rötliche Strähnchen im Haar und einen sehr guten Geschmack, was Accessoires betraf. Cara bewunderte sie dafür.

Gillian sah Jake in gespielter Empörung an und wandte sich an Max. „Ich freue mich, Sie wiederzusehen, Max. Die Kinder heute Morgen in der Lobby haben nur von Ihnen gesprochen.“

„Ja ja, die guten Taten werden immer bestraft“, meinte Max lächelnd.

Cara blickte die beiden Männer fragend an. „Wieso? Was ist denn passiert?“

Jake grinste. „Da man in Fields nicht unbedingt After Dark sieht, hoffte Max, etwas länger unerkannt zu bleiben.“

„Und du hast mir nicht gerade dabei geholfen“, grollte Max.

„Ich habe gestern ein paar sehr ungewöhnliche Aufnahmen machen können. Und mit ein bisschen Aufarbeitung kann das eine sehr interessante Story werden, die den Menschen ans Herz geht.“ Lächelnd klappte Jake die Speisekarte zu. „Schließlich haben wir noch nicht so richtig was über den Präsidenten.“

„Aber ihr habt überhaupt schon etwas?“ Cara sah Max neugierig an.

„Jake, sei vorsichtig“, warnte Max.

„Warum willst du mir nicht sagen, was du weißt?“ Cara ließ nicht locker.

„Ich weiß nichts. Habe zu viel damit zu tun, Kindern das Snowboarden beizubringen.“ Max beschäftigte sich jetzt intensiv mit der Speisekarte.

Seine letzte Bemerkung griff Gillian auf. „Wie nett. Haben Sie selbst Kinder?“

Cara stockte der Atem. War Gillian verrückt geworden?

Jake lachte laut los. „Max doch nicht. Zumindest weiß er von keinen.“

„Nein, ich habe keine Kinder. Sie?“ Max fand das Ganze gar nicht komisch.

„Nein, ich habe keine Kinder. Auch keinen Mann und keinen festen Freund.“

„Tatsächlich nicht?“ Jake rückte strahlend etwas näher an Gillian heran.

„Immer mit der Ruhe, Junge“, stieß Gillian leise hervor und schlug ihre Speisekarte wieder auf. „Ich glaube, ich nehme den Erdbeershake.“

„Ich bin seit Kurzem auch wieder Single“, flüsterte Jake ihr zu.

„Hör auf, dich an Caras Schwester heranzumachen, Jake“, warnte Max.

„Ist schon okay.“ Gillian warf ihm ein Lächeln zu, das ihm sagte, sie sei diese Situationen gewohnt und könne sie managen.

„Du meinst, auf diese Art und Weise will ich mich an sie heranmachen?“ Jake tat beleidigt. „Dann solltest du mich mal erleben, wenn ich es wirklich drauf anlege.“

„Das habe ich oft genug gesehen, auf allen sechs Kontinenten, wenn ich ehrlich bin“, gab Max lächelnd zurück. „Ich mag Cara, und ich möchte nicht, dass du mit ihrer Familie deine Spielchen treibst.“

Gillian und Cara sahen sich an. Er mag dich, sagte Gillians Blick. Na und? signalisierte ihr Cara. Sie und Max lebten vollkommen verschiedene Leben und hatten andere Prioritäten. Dass er sie mochte, würde daran nichts ändern.

5. KAPITEL

Sie kürzten ihr Mittagessen ab, denn dass sich der bekannte Max Gray in Fields aufhielt, hatte sich leider zu schnell herumgesprochen. Max war genervt, und nachdem der zehnte Tourist nach einem Autogramm gefragt hatte, ließen sie sich ihr Essen einpacken und standen auf.

„Wir sollten in eins der Hotelzimmer gehen“, schlug Jake vor.

„Ich habe nur einen winzig kleinen Raum“, sagte Cara. „Schließlich darf der Stab des Präsidenten nicht das Geld des Steuerzahlers verschwenden.“

„Ich habe eine Suite im obersten Stockwerk.“ Gillian sah die anderen lächelnd an. „Dort können wir uns verstecken.“

„Ich fürchte, das wird mir auch nicht helfen“, meinte Max und runzelte die Stirn. „Sie sind hinter mir her. Aber ihr könnt natürlich machen, was ihr wollt.“

„Aber, Max!“ Cara lachte. „Diese Märtyrer-Rolle steht dir gar nicht.“

„Wir lassen Sie doch nicht im Stich!“, sagte Gillian nachdrücklich.

Hätte sie das doch nur nicht gesagt! Je länger Cara mit Max zusammen war, desto schwerer fiel es ihr, nach außen hin Gleichmut zu zeigen.

„Lasst uns doch zu Max’ Cottage gehen“, kam Jake mit einem neuen Vorschlag. „Es ist größer als meins, liegt ziemlich weit oben auf dem Hügel und hat eine Wahnsinnsaussicht.“

„Hört sich gut an“, sagte Gillian strahlend.

Cara warf der Schwester einen strafenden Blick zu. Sie hoffte doch wohl nicht, dass es genüge, Cara und Max zusammenzusperren, und schon würde es bei ihnen funken. Ein riesengroßer Irrtum …

Da der SUV der beiden Männer am nächsten geparkt war und es außerdem wieder anfing zu schneien, setzten sie sich alle vier in den bulligen Vierradantrieb. Als sie das erste der Cottages erreichten, fiel der Schnee bereits in dichten Flocken. Max stellte das Radio an. Der Wetterdienst sagte gut fünfzehn Zentimeter Neuschnee voraus.

„Ich gehe morgen ganz sicher auf die Piste“, meinte Jake fröhlich.

„Ich auch, solange mich keiner verfolgt.“ Max klang bitter. Er warf Cara einen langen Blick zu. „Ich glaube, ich gebe kein Geheimnis preis, wenn ich sage, dass unsere Interviews bisher eine völlige Pleite waren.“

„Allerdings. Das Interessanteste war Max’ Begegnung mit den Kindern. Alles andere war eine reine Zeitvergeudung.“

„Inwiefern denn?“ Für Cara hätte es gar nicht besser laufen können. Bisher hatte sie nichts gefunden, was sich als Zeitbombe für den Präsidenten entpuppen könnte.

„Nette Leute sagen nette Sachen über den netten Jungen, der jetzt ihr Präsident ist. Daraus kann man nicht gerade eine spannende Sendung zimmern.“

„Aber genau das hatte ich vermutet.“ Cara konnte ihre Genugtuung nicht ganz verbergen. „Ihr sucht nach einer saftigen Story und hofft, einem Skandal auf die Spur zu kommen. Und es ist euch egal, ob und wie dadurch der Präsident und die Regierung der Vereinigten Staaten geschädigt werden.“

Für den Bruchteil einer Sekunde verlor Max die Konzentration, der Wagen rutschte seitlich ab, aber Max brachte ihn wieder auf die Spur. „Das ist unfair!“

„Euch kommt es doch nur auf die Quote an.“

„Meinem Produzenten vielleicht“, stieß Max verärgert hervor. „Ich möchte etwas über Eleanor Albert erfahren.“

„Aus reinem Wissensdurst, was?“

„Eins ist sicher, ich werde die Wahrheit nicht verheimlichen.“

„Willst du damit andeuten, dass ich das tun würde?“, fragte Cara wütend.

„Ich will damit nur sagen, dass du auf der Seite des Präsidenten stehst.“

„Allerdings!“ Cara verschränkte die Arme vor der Brust. Hätte sie sich nur nie darauf eingelassen, den Nachmittag mit Max zu verbringen. „Ich möchte, dass du uns zum Hotel zurückfährst.“

„Nein.“

„Wie bitte?“

„Die Hamburger sind bereits kalt und die Milchshakes warm. Außerdem sind wir schon da.“ Max bog in eine Einfahrt ein und stellte den Motor ab.

„Vielleicht sollten wir es mit einem Waffenstillstand versuchen“, schlug Gillian vor.

„Der Mann ist unmöglich“, schimpfte Cara.

„Er tut nur, was er von Berufs wegen tun muss“, stellte Gillian richtig.

Cara sah die Schwester wütend an. Wie kam sie dazu, Max’ Partei zu ergreifen? Sie wollte etwas erwidern, aber dann überlegte sie es sich doch noch anders. Es stimmte schon, Max machte nur seinen Job. Und sie ihren. Dass damit der Konflikt programmiert war, würde Gillian auch bald herausfinden. „Okay. Waffenstillstand.“

Max sagte nichts, sondern stieg aus und griff nach der Tüte mit dem Essen. Gillian trat neben die Schwester und ging mit ihr die Steinstufen zur Haustür hinauf. „Legst du es darauf an, dass auch genau passiert, was du prophezeit hast?“, zischte sie ihr zu. „Willst du unbedingt recht behalten?“

„Was meinst du damit?“

„Ich weiß nicht, was du gegen Max hast. Er ist ein toller Mann.“

„Er ist Reporter, und er hasst Kinder.“

„Aber sicher! Erstaunlich eigentlich, dass er die Kinder dann nicht den Berg heruntergeworfen hat, anstatt ihnen …“

„Ich weiß, ich weiß. Er war freundlich zu ihnen, obgleich er sie nicht leiden konnte.“

„Ich will damit ja auch nur sagen, dass du schon um der Jungs willen nett zu ihrem Helden sein solltest, wenigstens solange er seinen Hamburger isst. Meinst du, du bist dazu in der Lage?“

Natürlich konnte sie das. Schließlich war sie lange genug in dem Geschäft. Sie nickte nur und folgte Gillian durch die Haustür, die Max offen hielt.

Das Cottage, eigentlich eher eine kleine Villa, war sehr beeindruckend. Das Haus lag hoch am Hang und hatte einen großen Wohnraum mit riesigen Fenstern und anschließender Küche. In einen geräumigen Nebenraum, in dem auch Snowboards und Skis untergebracht werden konnten, hängten alle ihre dicken Jacken. Eine massive Holztreppe führte in den ersten Stock, in dem das Schlafzimmer, ein zusätzliches kleines Wohnzimmer und das Fernsehzimmer Platz hatten.

Jake trat ans Fenster. „Man kann sie jetzt nicht sehen, weil es zu stark schneit“, meinte er, „aber von hier aus hat man einen Blick über die ganze Stadt. Weiter im Süden liegt der See. Und wenn man auf den Balkon geht …“

„Was momentan etwas ungemütlich ist …“, Gillian trat neben ihn.

Jake sah sie lächelnd an. „Vom Balkon aus“, fuhr er fort, „kann man im Norden abends die beleuchteten Pisten sehen.“

„Für so einen Luxus zahlt der Steuerzahler ganz sicher nicht“, murmelte Cara vor sich hin.

„Ich habe dich gehört“, sagte Max und winkte Jake zu, der Gillian das Haus zeigen wollte.

„Entschuldige.“ Cara war beschämt. Gillian hatte recht, sie benahm sich zickiger als sonst.

„Komm, lass uns was essen.“ Max ging vor zu dem großen Esstisch und stellte die Tüte ab.

„Wie viele Schlafzimmer hat das Haus?“, fragte Cara freundlich und setzte sich an den Tisch. Sie musste sich unbedingt zusammennehmen. Der Blick von ihrem Platz aus war normalerweise sicher atemberaubend. Jetzt blickte sie nur auf eine weiße Wand. Dass Schneestürme ganz plötzlich und unerwartet aufkommen konnten, hatte sie schon gehört. Und auch, dass es ebenso schnell wieder aufklaren konnte.

„Nur eins. Die Häuser werden nur an Erwachsene ohne Kinder vermietet. Wahrscheinlich meist an Jungverheiratete. Jake hat uns hier eingemietet, als wir feststellten, dass in dem Hotel die Hölle los war.“

„Muss schön ruhig hier oben sein.“

Max lächelte. „Sehr ruhig. Und sehr schön.“

Es lag ihr auf der Zunge zu sagen, dass Kinder durchaus nicht die Hölle seien, aber sie schwieg und packte ihren Cheeseburger aus.

„Fliegst du bald wieder nach Washington zurück?“, fragte Max.

„Wahrscheinlich morgen.“

„Ich auch. Ich glaube nicht, dass wir hier in Fields weiterkommen. Und wir müssen unsere Reise nach Südamerika vorbereiten.“

„Nach Südamerika?“

„Ja. Wir haben vor, uns die Wirkung der Weltmarktpreise auf die Rohstoffe, die in den Anden abgebaut werden, genauer anzusehen. Besonders auf das Leben der einheimischen Bevölkerung und die Umwelt ganz allgemein.“

Das würde wieder eine sehr gut recherchierte Story werden, davon war Cara überzeugt. „Du bist ganz schön intelligent, weißt du das?“

Er lachte. „Alles halb so wild. Aber was mir an Intelligenz fehlt, mache ich durch Neugier wett.“

An Intelligenz fehlte es ihm ganz sicher nicht. Vielleicht war an dem, was Gillian gesagt hatte, doch etwas dran. Ihr Baby hatte mit Max als Vater genetisch das große Los gezogen. „Und was ist mit dieser mysteriösen Vaterschaft, die dem Präsidenten angedichtet wird? Macht sie dich nicht neugierig?“

Zu ihrer Überraschung zuckte er nur kurz mit den Schultern. „Nicht besonders. Entweder ist Ariella seine Tochter oder nicht. Entweder wusste er davon oder nicht. Auf alle Fälle wird dadurch die Politik nicht beeinflusst werden. Zumal meiner Meinung nach nicht Ariella der Skandal ist. Es geht um etwas ganz anderes.“

„So?“ Das überraschte Cara und beunruhigte sie auch. „Worum geht es denn dann?“

„Du weißt doch sicher, dass ich dir das nicht sagen kann.“

Ja, natürlich war ihr das klar. Ihre so genannte Beziehung war ein ständiger Eiertanz, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Natürlich konnte und durfte Max seine Informationen nicht mit jemandem vom Pressebüro des Weißen Hauses teilen.

„Ja, ich weiß.“ Sie wischte sich die Hände an einer Papierserviette ab. „Tut mir leid, dass ich gefragt habe.“

„Fragen tut ja nicht weh.“

„Doch, denn man kann jemanden durch eine Frage in Verlegenheit bringen.“

„Ich bin schon erwachsen, Cara“, sagte er mit einem fast zärtlichen Lächeln. „Ich habe keine Angst vor dir, und du bringst mich auch nicht in Verlegenheit.“

„Ich habe oft Angst vor dir“, bekannte sie.

„Okay, ein bisschen was kann ich dir erzählen.“

„Nein, tu das nicht!“ Sie presste sich die Hände auf die Ohren.

In diesem Augenblick kamen Gillian und Jake wieder ins Zimmer. „Was hat der Kerl zu dir gesagt?“, fragte Jake drohend.

„Nichts, gar nichts.“ Hastig nahm Cara die Hände wieder herunter. „Wir albern nur herum.“

„Ihr beide?“ Überrascht hob Jake eine Augenbraue. „Das kann ich mir gar nicht vorstellen.“ Er warf einen Blick auf die kalten Hamburger. „Die sehen vielleicht traurig aus.“

„Schmecken aber ganz gut.“ Max steckte sich den Rest seines Hamburgers in den Mund.

„Das sagt ein Mann, der auch schon geröstete Ameisen gegessen hat.“ Er sah Gillian an. „Glauben Sie mir, von Haute Cuisine hat er keine Ahnung.“

„Die sind wirklich gut.“ Auch Cara steckte sich den letzten Bissen in den Mund.

Doch Gillian blickte die fettige Tüte und die Pappbecher misstrauisch an. „Ich glaube, ich lasse das Lunch diesmal ausfallen.“

„Kommen Sie, wir können uns doch was Frisches holen.“ Jake sah Gillian auffordernd an.

Cara wollte protestieren, doch Gillian nickte.

„Wir sind gleich wieder da.“ Jake lief schnell in den Nebenraum und kam mit Gillians Mantel und seiner Jacke zurück.

„Wollt ihr denn wirklich bei dem Sturm los?“ Cara wies aufs Fenster.

„Der hört schon wieder auf.“ Gillian ließ sich von Jake in ihren weißen flauschigen Mantel helfen.

„Außerdem hat der Wagen Vierradantrieb“, fügte Jake hinzu.

Gillian sah Cara übermütig an. „Bleib du nur hier, und sei nett zu Max.“

Du hast gut reden! Cara warf der Schwester einen wütenden Blick zu. Selbst wenn sie nett zu Max war, würde das nicht einen Mann aus ihm machen, der plötzlich sein Herz für die Familie entdeckte. „Ich würde gern mitkommen, um …“

„Nicht nötig“, unterbrach sie Jake. „Leg die Beine hoch, und ruh dich aus. Wenn es aufhört zu schneien, hat man von hier aus einen fantastischen Blick. Wir sind gleich wieder zurück.“ Schon waren die beiden aus der Tür.

„Meinst du, sie wollen allein sein?“ Max ging zum Fenster und blickte ihnen hinterher.

„Wieso?“

„Na, das war doch ziemlich deutlich.“

Cara schätzte die Situation total anders ein. „Meinst du wirklich?“

„Allerdings. Sie haben uns ja geradezu mit der Nase darauf gestoßen.“

Du irrst dich, dachte sie. Das war eindeutig Gillians nicht gerade subtile Art und Weise, sie mit Max allein zu lassen in der verrückten Hoffnung, dass sich daraus etwas entwickeln könne.

„Tut mir leid, dass du mit mir hier festsitzt“, sagte Max leise und beobachtete aufmerksam Caras Reaktion.

„Das macht doch nichts.“ Doch, es macht etwas. Gerade mit ihm hatte sie den heutigen Nachmittag eigentlich nicht verbringen wollen. Doch Jake und Gillian waren mit dem einzigen Fahrzeug unterwegs. Bis zu ihrer Rückkehr saß sie hier fest.

„Erzähl mir von Südamerika.“ Cara lehnte sich leise seufzend zurück. Es blieb ihr nichts anderes übrig, sie musste das Beste aus der Situation machen.

Bevor er etwas sagen konnte, piepste sein Handy. Eine Textnachricht. Er blickte auf das Display. „Es ist Jake. Er möchte, dass wir NCN anstellen. Vielleicht bringen die örtlichen Nachrichten etwas über die Snowboarding-Geschichte mit den Jungs.“ Er wandte sich vom Fenster ab. „Auch das noch!“

„Du wirkst nicht sehr glücklich darüber“, sagte Cara leise.

„Ich mag diese Art von Storys nicht.“

„Ich denke, du magst keine Kinder“, platzte sie heraus und hätte sich hinterher am liebsten auf die Zunge gebissen.

„Die auch nicht.“

Es hatte keinen Sinn, ihn immer wieder auf die Probe zu stellen. Seine Antworten deprimierten sie zu sehr. Cara trank ihren Milchshake aus.

Inzwischen hatte Max den Sender gefunden und stellte den Ton lauter. Dann setzte er sich auf das kleine Sofa und Cara sich in einen bequemen Sessel. Natürlich brachten sie die Geschichte. Jake hatte auch das Mikrofon laufen lassen, sodass man hörte, wie Max den Kindern die Grundzüge des Snowboarding erklärte. Die Jungs waren begeistert.

Das Ganze dauerte keine drei Minuten. Aber Cara war erstaunt, welche Geduld Max aufbrachte. Natürlich himmelten die Jungs ihn an, aber sie hörten auch gut zu. Denn bei der anschließenden Abfahrt war ihre Technik sehr viel besser. Unten angekommen waren sie alle stolz und strahlten Max an. Als sie sah, wie Max die Skihelme signierte, traten Cara vor Rührung die Tränen in die Augen.

„Das war’s.“ Max machte den Apparat wieder aus. „Grässlich, diese rührseligen Geschichten.“

„Ich fand es sehr schön.“

„So was brauchen diese Moms aus der Kleinstadt offenbar“, sagte er zynisch.

„Aber du siehst aus, als hätte es dir Spaß gemacht.“ Cara wollte ihm einfach nicht glauben, dass er Kinder aus tiefstem Herzen ablehnte. Unwillkürlich legte sie sich die Hand auf den Bauch. Max als Vater?

„Die ganze Zeit wünschte ich mir, ich könne allein mit meinem Snowboard den Berg hinunterdüsen“, sagte er zu Caras Enttäuschung. „Aber um uns herum standen Menschen, und so musste ich gute Miene zum bösen Spiel machen. Wenn ich die Wahl gehabt hätte, hätte ich die Jungs sich selbst überlassen.“

Schuft! „Dann war das alles nur Show?“

Er grinste. „Ich bin leider nicht der gute Mensch, als den der Sender mich gern hinstellen möchte.“

„Und der Kinder mag.“

„Kinder mögen und wegen der Zuschauer so tun sind zwei verschiedene Dinge. Ich habe das getan, was der Sender von mir erwartet.“ Jetzt klingelte sein Handy, und er stand auf und trat an den Esstisch.

„Oh, hallo“, sagte er nur. Und dann: „Jetzt gleich?“ Pause. „Ja, wir sind hier. Ich sag es ihr. Bis später.“

„Was ist denn?“

„Jake und Gillian kommen erst später, weil Gillian noch an einer Konferenzschaltung teilnehmen muss.“

Cara wurde flau im Magen. „Du machst Witze, oder?“

„Nein. Es ist jetzt Morgen in China. Und offenbar muss Gillians Büro in China noch unbedingt mit ihr sprechen. Da ihr Laptop im Hotel ist, sind sie ins Hotel gefahren.“

„Aber … sie …“

„Das ist doch alles sonnenklar.“ Max hob ironisch lächelnd die Mundwinkel. „Glaub mir, ich kenne Jake sehr gut. Und ich denke, dass die beiden …“

„Sei vorsichtig, du sprichst von meiner Schwester!“, fuhr Cara dazwischen.

„Wieso? Ist deine Schwester gegen Sex?“

„Nein. Aber sie schläft nicht mit Jake.“ Die beiden hatten sich schließlich gerade erst kennengelernt. „Sie hat Geschäftsbeziehungen mit China, sehr wichtige sogar. Ich bin sicher, es ist genauso, wie Jake gesagt hat.“

Max setzte sich wieder. „Das werden wir wahrscheinlich nie genau wissen.“

„Doch, ich weiß es schon jetzt.“

„Du bist wirklich süß.“

Sein Lächeln spürte sie bis in die Zehenspitzen. Hätte sie sich nur nicht darauf eingelassen, hier mit ihm allein zu bleiben. „Max …“, fing sie an, stockte aber, als sie ein dumpfes Grollen hörte. „Was ist das?“

Max war kreidebleich geworden. Fluchend sprang er auf, und bevor Cara wusste, wie ihr geschah, hatte er den rechten Arm um sie gelegt und zerrte sie hoch.

„Was ist das?“, flüsterte sie entsetzt, als das Grollen lauter wurde und der Boden unter ihren Füßen zitterte.

Max schob sie durch die Tür ins Badezimmer und hob sie dann in die große Badewanne. „Runter!“, befahl er und verschwand.

O Gott, das war ein Erdbeben … Ob man in der Badewanne besonders geschützt war? Aber egal, sie tat, was Max gesagt hatte. Kurz danach war er wieder da, mit dem Couchtisch. Er kippte ihn über die Badewanne, legte sich auf Cara und zog die schwere Tischplatte über sich.

Das Grollen wurde zu einem Nerven zerfetzenden Kreischen und Quietschen. Alles um sie her bewegte sich. Cara presste das Gesicht gegen Max’ Schulter. „Ein Erdbeben?“, stieß sie keuchend hervor.

Er hielt sie fest an sich gedrückt. „Nein, eine Lawine.“

Das Licht ging aus, und die Welt versank in einem schmutzigen Grau.

„Leben wir noch?“, flüsterte Cara. Seit einer Minute herrschte dröhnende Stille.

„Ja.“ Er hob den Kopf und lauschte. Nichts war zu hören.

„Ist es vorbei?“

„Vielleicht.“

„Vielleicht?“

„Eine Lawine kann eine zweite auslösen.“ Auch Max flüsterte und schob sich leicht zur Seite, damit er nicht mit dem vollen Gewicht auf Cara lag. „Tu ich dir weh?“

„Nein. Müssen wir eigentlich leise sprechen?“

„Nein.“

Stille.

„Wie lange müssen wir warten?“, fing Cara wieder an.

Er streckte den Arm aus, hob den Tisch an und schob ihn zur Seite. „Nicht länger, glaube ich.“

Vorsichtig stieg er aus der Wanne, dann reichte er Cara die Hand. Sie ergriff sie und ließ sich von ihm hochziehen. Ihr war leicht schwindelig, und sie setzte sich auf den Beckenrand.

Sein Telefon klingelte. Es lag auf dem Esstisch.

„Glaubst du, dass es Verletzte gibt?“

„Das weiß ich nicht.“ Aber Max fürchtete das Schlimmste. Sein Haus stand, aber er hatte einige Erfahrung mit Lawinen, und dieses war eine gewaltige gewesen. Wieder klingelte das Telefon.

„Du solltest rangehen“, meinte Cara.

Er sah sie besorgt an. „Bist du okay?

Sie nickte.

Es war Jake. „Alles in Ordnung mit euch?“, fragte Max statt einer Begrüßung.

„Oh, Mann, es ist so gut, deine Stimme zu hören. Wie geht es Cara?“

„Es geht uns gut.“ Max sah hoch, als Cara aus dem Badezimmer kam. Sie hielt sich am Türrahmen fest.

„Es geht ihnen gut“, sagte Jake nach hinten. „Die Lawine muss wohl gerade an euch vorbeigerauscht sein“, kam dann wieder seine klare Stimme.

„Ich habe noch nicht gesehen, wie es draußen aussieht. Aber ich dachte, das Haus reißt sich von seinem Fundament los, so stark hat es gebebt. Wie sieht es denn von unten her aus?“

„Die halbe Bergseite ist mit Schnee bedeckt. Und die Straße ist voller Menschen.“

„Hat es die Stadt auch erwischt?“

„Nein. Und die Pisten auf dem Hügel nebenan auch nicht.“

„Gott sei Dank. Ist jemand verletzt?“ Max brannte darauf zu helfen. Aber es gab keine Möglichkeit, von hier wegzukommen.

„Die Suchdienste sind voll im Einsatz. Bis wir Genaueres wissen, wird noch einige Zeit vergehen. Euch beiden geht es gut?“

„Ja. Wir haben keinen Strom, aber hier ist ja ein Kamin.“

„Es sieht so aus, als ob ihr diese Nacht da oben bleiben müsst.“

„Das vermute ich auch.“ Max sah kurz zu Cara hinüber. Ihr Gesicht bekam allmählich wieder Farbe. „Kannst du dafür sorgen, dass wir nicht in den Nachrichten auftauchen?“

„Ja, klar.“

Max wusste, dass Cara die Situation sehr unangenehm war. Es sollte keiner erfahren, dass sie mit ihm hier die Nacht verbringen musste. „Ich habe es ehrlich gesagt momentan satt, mich im Fernsehen zu bewundern.“

„Kann ich verstehen. Ich habe ein paar Aufnahmen von der Lawine machen können, allerdings nur mit dem Tablet-PC und nicht mit der Kamera. Aber man kann was erkennen.“

Max schüttelte lächelnd den Kopf. Jake war unglaublich. Selbst in der größten Gefahr griff er nach dem nächstbesten Aufnahmegerät anstatt das Weite zu suchen wie jeder andere.

„Könntest du noch kurz Cara ans Telefon holen? Gillian möchte mit ihr sprechen.“

„Selbstverständlich.“ Max hielt Cara das Telefon hin. „Gillian.“

„Hallo, Gillian.“ Sie schwieg. „Ja, bin ich.“ Wieder Pause. „Kein Kratzer. Ich stehe vielleicht noch etwas unter Schock.“ Wieder schwieg sie, dann lachte sie nervös auf. „Tatsächlich?“

Das konnte noch länger dauern. Also trat Max auf den Balkon und zog die Tür fest hinter sich zu. Der Anblick, der sich ihm bot, war atemberaubend und grauenhaft zugleich. Der Hauptteil der Lawine war nördlich des Hauses losgebrochen, war am Haus vorbeigerast, hatte sich aber seitlich aufgetürmt. Unter dem enormen Druck war der Schnee inzwischen sicher hart wie Beton. Das wusste Max aus früheren Erfahrungen.

Nicht nur Max und Cara hatten unglaubliches Glück gehabt. Die anderen kleinen Villen lagen südlich ihres Hauses und tiefer am Abhang. Sie hatte die Lawine nicht mehr getroffen, die sich inzwischen aufgefächert und an Kraft verloren hatte.

Hinter ihm öffnete sich die Schiebetür.

„Oh, nein …“

Er drehte sich um. Cara stand wie angewurzelt in der Tür und starrte auf die weiße Mondlandschaft. „Die Straße ist nicht mehr da“, stieß sie fassungslos hervor, trat auf den Balkon und schloss die Tür hinter sich.

„Ja, es wird ein bisschen dauern, bis wir die wieder ausgegraben haben.“

Sie stellte sich neben ihn ans Geländer. „Kommen wir hier nicht weg?“

„Im Augenblick nicht. Man könnte uns mit einem Hubschrauber abholen, aber ich glaube, die werden momentan dringend für die Verletzten gebraucht.“

„Ja, natürlich. Gillian sagt, sie habe ihnen auch ihren Jet angeboten. Für den Fall, dass man schnelle Hilfe in großen Krankenhäusern braucht.“

„Bald wird es dunkel sein.“ Max konnte nur hoffen, dass sich keiner mehr auf den Pisten befand.

„Ja.“ Cara legte fröstelnd die Arme um sich und betrachtete die untergehende Sonne.

„Wir sollten reingehen.“ Er hätte ihr gern den Arm um die schmalen Schultern gelegt, aber er wagte es nicht. Sie war sehr entschieden gewesen, was die Grenzen ihrer Beziehung betraf. „Wir sollten wirklich reingehen“, wiederholte er. Ohne Strom würde es bald dunkel und kalt im Haus sein.

Glücklicherweise war ausreichend Holz neben dem Kamin gestapelt, und auch Zeitungspapier und Streichhölzer waren zu finden. Außerdem standen zwei Öllampen auf dem Kaminsims, und im ganzen Wohnzimmer waren Kerzen verteilt. Offenbar kam es häufiger mal vor, dass der Strom ausfiel.

Max machte eine Öllampe an und reichte Cara eine zweite Streichholzschachtel. „Hier. Zündest du ein paar Kerzen an?“

„Ja, gern.“

Dass es wichtig war, sie zu beschäftigen, war ihm klar. Wenn sie nichts zu tun hatte, dachte sie nur ständig daran, dass sie jetzt auch tot sein könnten. Während sie langsam durch den großen Raum ging und die Kerzen anzündete, ließ Max sich auf die Knie nieder und bereitete den Kamin vor. Dann zündete er das Zeitungspapier an, und bald verbreiteten sich die Flammen in dem Reisig.

„Deine Schwester hat einen Jet?“

„Ihre Firma hat einen.“

„Aber ihr gehört die Firma?“

„Ja.“ Inzwischen hatte Cara ungefähr sechs Kerzen angezündet, die den Raum in ein mildes warmes Licht tauchten.

„Ist es eine große Firma?“ Inzwischen hatten die Flammen die größeren Holzscheite erreicht, und das Feuer prasselte munter vor sich hin. Befriedigt schloss Max die Glastüren.

„Sie wird immer größer.“ Cara gab ihm die Streichhölzer zurück, und er legte sie auf den Kaminsims. Dann rückte er das Sofa vor den Kamin und setzte sich.

„Komm, mach’s dir bequem.“ Zögernd nahm sie in einer Ecke Platz. „Offenbar stammst du aus einer erfolgreichen Familie.“

„Das kommt darauf an, wen du fragst.“

Er sah sie überrascht an. „Wieso? Eine Tochter ist Unternehmerin und die andere in der Presseabteilung des Weißen Hauses. Was will man mehr? Wer würde das nicht als erfolgreich bezeichnen?“

„Die Landbevölkerung von Wisconsin.“

„Hat die Landbevölkerung von Wisconsin etwas gegen erfolgreiche Frauen?“

„Meine Eltern hätten sich gewünscht, dass Gillian und ich zwei nette Milchfarmer heiraten, uns in der Gegend von Rim Creek niederlassen und Enkelkinder produzieren.“

„Ach so.“ Max nickte bedächtig.

„Glücklicherweise hat mein Bruder eine wunderbare Frau aus der Gegend geheiratet. Sie erwarten ihr drittes Kind und scheinen auf der Farm sehr glücklich zu sein.“

„Landleben ist also nichts für dich?“

Cara fuhr schaudernd zusammen. „Gillian und ich konnten nicht schnell genug von zu Hause wegkommen. Wir sind nach der Schule zusammen nach Milwaukee gegangen. Nach den ersten Jahren wechselte ich zu Harvard, und Gillian ging nach Massachusetts aufs MIT.“

Max war beeindruckt. Er betrachtete sie. Wie hübsch sie aussah in dem rötlichen Feuerschein. Wahrscheinlich waren die jungen Männer von Rim Creek sehr enttäuscht, als sie wegzog. Er lachte. „Du hättest sicher süß als Milchmädchen ausgesehen.“

„Aber ich wäre eine völlige Pleite gewesen.“

„Es ist schon erstaunlich. Du bist auf dem Land aufgewachsen und in der Hauptstadt gelandet. Und ich bin in der City aufgewachsen und sehne mich nach unberührter Natur.“

„Dann musst du dich hier ja sehr wohlfühlen.“

So war es auch. Allerdings nicht aus den Gründen, an die sie dachte. Sondern weil sie die ganze Nacht hier allein sein würden, und seine Fantasie sich kaum auszumalen wagte, was alles passieren könnte.

6. KAPITEL

Das Kerzenlicht spiegelte sich in dem glatt polierten Holz des großen Esstisches. Die ledernen Stühle waren sehr bequem, das Holz im Kamin knisterte, und das Porzellan und die Gläser schimmerten golden im rötlichen Feuerschein.

Was allerdings ganz und gar unpassend war in dieser luxuriösen Umgebung, war der Haferbrei, den Max in einer Trockenversion im Schrank gefunden hatte. Seiner hatte Zimt-Apfelgeschmack und Caras schmeckte nach Ahornsirup. Doch Cara beschwerte sich nicht. Da sie weder Strom noch andere Heizmöglichkeiten hatten, hatte Max den Barbecue-Grill vom Balkon geholt, der mit Propangas betrieben wurde. Damit hatten sie Wasser erhitzen können, und so hatten sie wenigstens Tee und den Haferbrei.

Inzwischen hatte Jake sie auch darüber informiert, dass glücklicherweise die Kinder, die zur Zeit der Lawine noch unterwegs gewesen waren, mit nur geringfügigen Verletzungen hatten geborgen werden können. Cara hatte ihrer Chefin getextet, dass ihr nichts passiert sei, sie aber vorübergehend festsitze und außerdem die Batterie ihres Handys schonen müsse.

Aus diesem Grund hatten sie und Max auch ihre Handys und die Laptops abgeschaltet, sodass sie tatsächlich von aller Kommunikation abgeschnitten waren. Lediglich die entfernten Lichter der Stadt im Tal zeigten ihnen, dass sie nicht allein auf der Welt waren.

„Dann warst du also wirklich bei den Pfadfindern“, sagte Cara und blies auf den Haferbrei, um ihn abzukühlen.

„Wie kommst du denn darauf?“ Max, der ihr an dem langen Tisch gegenübersaß, blickte überrascht hoch.

„Du weißt, wie man Feuer macht. Du kamst auf die Idee, auf dem Barbecue-Grill Wasser zu erhitzen. Wahrscheinlich hast du auch einen Kurs in Erster Hilfe gemacht und kannst aus einem Stück Holz eine Gabel schnitzen.“

„Das mit der Ersten Hilfe stimmt. Aber ansonsten muss ich passen.“

Cara wusste, dass Max in einem südlichen Stadtteil von Chicago aufgewachsen war. Seine Mutter hatte ihn allein erzogen und das Geld als Kellnerin verdient. „Und woher kannst du dann all so was?“

„Ich hab’s einfach versucht. Wobei oft was danebenging. Während meiner Zeit im College habe ich ein paar Abenteuerreisen mitgemacht, und dabei ist manches schiefgelaufen. Wenn du in einer Kellerwohnung aufwächst und als Werkzeug nicht mehr als einen Hammer und einen Schraubenzieher kennst, dann hast du keine guten Voraussetzungen. Vor allem, wenn dazu noch der Vater fehlt, der dir zeigen kann, wie das Wenige, das da ist, benutzt wird.“

Cara war peinlich, dass sie überhaupt gefragt hatte. „Entschuldige. Ich wollte nicht …“

„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich gebe niemandem die Schuld. Und ich beklage mich auch nicht. Daran, wie ich aufwuchs, kann ich nichts ändern. Aber wie mein Leben als Erwachsener verläuft, das habe ich in der Hand.“

„Möchtest du deshalb keine Familie haben?“, rutschte es ihr heraus. „Weil du eine schlechte Kindheit und Jugend hattest?“

„Das ist nicht der einzige Grund. Sicher, eine Kindheit wie meine wünsche ich niemandem. Auch meine Mutter hatte ein elendes Leben.“

„In Armut aufzuwachsen ist sicher sehr hart.“

Darauf ging er nicht ein. „Genetisch bin ich auch nicht unbedingt geeignet, eine Familie zu haben. Schließlich bin ich der Sohn eines Vaters, der die Mutter seines Sohnes und den Sohn verlassen hat. Der keinerlei Verantwortungsgefühl hatte. Das muss man nicht unbedingt weitervererben.“

„Du bist anders als dein Vater.“

„Das mag sein. Aber auch ich bin heute hier und morgen da. Heutzutage benutzt man dazu einen Jet und nicht mehr einen Bus, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass ich in meiner eigenen egoistischen Welt lebe und meinen eigenen egoistischen Träumen nachjage.“

„Aber du lässt doch niemanden zurück und stiehlst dich aus der Verantwortung.“

Max lächelte zynisch. „Stimmt. Das ist das Gute an der Sache. Keiner muss um mich weinen. Wenn ich erschossen oder im Kriegsgebiet getötet werde, wenn ich einen Wasserfall hinabstürze und ertrinke, dann hätte das keine negativen Folgen.“

„Das ist nicht wahr.“

„Nun gut, die Quoten von NCN würden sinken. Aber das wäre nur eine vorübergehende …“

„Aber deinen Freunden würdest du fehlen.“ Cara ertrug es nicht, wie er über sich sprach. Sie wusste, wie sehr ihn seine Freunde liebten und schätzten. Und das galt auch für seine Vorgesetzten und natürlich seine Zuschauer.

„Cara, ich will damit nicht sagen, dass es etwas Schlechtes ist. Im Gegenteil, diese Einstellung gibt mir viel Freiheit. Natürlich würde ich meinen Freunden fehlen. Bei ihrem Tod ginge es mir genauso. Aber einen Freund zu verlieren ist etwas ganz anderes als der Verlust eines Elternteils oder des Lebenspartners. Ich will nicht zu den Menschen gehören, die ihre Lieben allein lassen, wodurch auch immer, und sie so zwingen, für sich allein zu sorgen.“

„Wenn ich dich richtig verstehe, willst du eine mögliche Ehefrau und mögliche Kinder schützen, indem du es gar nicht erst dazu kommen lässt?“

Max nickte nachdenklich. „Ja, so ungefähr.“

„Mit dieser Logik stimmt etwas nicht.“

„Das sehe ich nicht so.“

„Du lebst doch nicht in einer künstlichen Blase, die dich von allem abschirmt.“ Das alles sollte sie nicht überraschen. Sie hatte immer gewusst, dass Max nicht geeignet war, Vater zu sein. Er wollte nicht einmal eine echte Beziehung mit einer Frau haben. Also sollte sie auch nicht enttäuscht sein, wenn er ihr genau das bestätigte.

In den letzten fünf Minuten hatte sich nichts verändert, das musste sie sich immer wieder sagen. Erst in einigen Monaten würde sich ihre Schwangerschaft zeigen. Sie hatte sich schon überlegt, eventuell einen Posten in Übersee anzunehmen. In den Botschaften wurden immer Presseleute gebraucht. Vielleicht konnte sie nach London gehen oder nach Sydney, vielleicht auch nach Montreal. Dann konnte ihr Kind Französisch lernen.

„Ich lebe nicht in einer künstlichen Blase“, verteidigte Max sich. „Ich stecke mitten im Leben. Schließlich mache ich Fallschirmspringen, gefährliche Bergtouren und Wildwasserfahrten. Ich habe sogar schon mal mit einem Krokodil gekämpft.“

„Ach, die alte Geschichte …“

„Die war schon ein bisschen anders, als allgemein angenommen wird. Aber ich warne dich. Was ich dir jetzt erzähle, muss unter uns bleiben.“

Sie lächelte müde. „Himmel, was willst du mir denn jetzt gestehen?“

„Bei der Sache mit dem Krokodil hatte ich einen Führer mit. Und der hat dem Krokodil eins mit dem Paddel übergezogen, bevor der Kampf begann.“

Cara schüttelte missbilligend den Kopf. „Willst du damit sagen, dass das Krokodil quasi außer Gefecht gesetzt war?“

„Na ja, nicht ganz. Außerdem hatte Jake beeindruckende Aufnahmen gemacht, und so beschlossen wir, aus der Sache mehr zu machen, als eigentlich dran war.“

„Dann hast du mit einem halb benebelten Krokodil gekämpft?“

„Und gewonnen.“

„Und dadurch hast du diesen Ruf als unerschrockener Abenteurer gewonnen, von dem deine naive und unschuldige Fangemeinde besonders beeindruckt ist?“

Lächelnd zwinkerte er ihr zu. „Ich habe nie behauptet, ein Pfadfinder zu sein.“

„Stimmt. Und ich habe keinen Grund, mich darüber zu empören. Ich habe noch nicht einmal mit einem betäubten Krokodil gekämpft.“

„Nur mit den Geiern von der Presse.“

Sie lachte. „Manchmal wünsche ich mir schon, jemand würde ihnen mal einen Schlag mit dem Paddel versetzen.“

„Das kann ich verstehen.“ Dann wurde Max wieder ernst. „Hier in Fields kommen wir nicht weiter. Ich meine, in der Sache mit Eleanor.“

„Nein?“ Sie sah ihn misstrauisch an. „Du weißt, dazu kann ich nichts sagen.“

„Sollst du auch gar nicht. Das ist nur meine Meinung. Keiner sagt etwas. Keiner meint, etwas von Bedeutung erinnern zu können. Sieht so aus, als handele es sich hier entweder um eine Verschwörung, oder die Leute können sich tatsächlich nicht erinnern.“

„Ich glaube, sie können sich wirklich nicht erinnern“, meinte Cara, ärgerte sich aber dann, dass sie überhaupt etwas gesagt hatte.

„Ich auch. Aber stellt sich dann nicht die Frage, wie Angelica Pierce und der ANS an die Geschichte gekommen sind?“

„Allerdings. Hast du eine Theorie?“

Max lehnte sich leicht vor und fixierte Cara gespannt. „Willst du damit sagen, dass du bereit bist, auch mir Informationen zu geben?“

„Das kann ich nicht tun, und das weißt du genau.“

„Dann habe ich keine Theorie.“ Er richtete sich wieder auf. „Obgleich ich eine habe. Und zwar eine ziemlich stichhaltige.“

„So?“ Jetzt beugte sie sich vor. „Du bluffst doch nur.“

„Es gibt bloß eine Möglichkeit, das herauszufinden.“

Sie konnte sich zwei vorstellen, aber die zweite war noch schlimmer als die erste.

„Ich weiß, was du denkst“, forderte er sie heraus.

„Das glaube ich nicht.“

„Doch.“ Er grinste. „Du denkst daran, dass ich dir alles erzählen würde, wenn du dich vor mir ausziehst.“

„Ich werde dich ganz sicher nicht mit Sex bestechen.“

„Schade. Denn das würde funktionieren.“

Dass er sich den Rest des Abends beschäftigen musste, war Max sonnenklar. Denn wenn er zur Ruhe kam, wurde ihm leider deutlich bewusst, mit wem er hier allein im Haus war, mit einer nur zu verführerischen Frau.

Er wusch ab, holte Holz von draußen herein und schichtete es neben dem Kamin auf. Dann überprüfte er die Wände auf der Seite, auf der sich Schnee von der Lawine aufgetürmt hatte, aber Risse waren nicht zu sehen. Danach ging er systematisch alle Schränke und Kommodenschubladen durch, auf der Suche nach etwas, das sie gebrauchen könnten, falls sie noch ein paar Tage hier festsaßen.

Cara hatte ihren Blazer in den Schrank gehängt und sich einen flauschigen Bademantel übergezogen, den sie im Bad gefunden hatte. Der war wärmer. Ein Paar von Max’ dicken Socken benutzte sie als Hausschuhe, und als sie so in die Sofaecke gekuschelt dasaß und in einer Illustrierten blätterte, hätte sie eigentlich komisch aussehen sollen. Aber auch so war sie sexy.

„Was hast du gefunden?“, rief sie ihm zu, als sie sah, dass er gebückt in ein offenes Schränkchen starrte.

„Brettspiele.“ Er zog eins heraus. „Hast du Lust zu Monopoly?“

„Das habe ich schon ewig nicht mehr gespielt.“

„Was spielst du denn so? Mensch ärgere dich nicht?“

Sie lachte. „Höchstens Mensch ärgere die Wähler nicht.“

„Und? Gewinnst du?“, fragte er schmunzelnd.

„Selten.“

Er kam hoch und nahm das Spiel mit. „Hast du Lust, es mit mir aufzunehmen?“ Er hatte nichts mehr zu tun, und er wollte sich lieber auf das Spiel als auf Cara konzentrieren.

„Ich dachte, das tue ich bereits.“ Doch sie legte die Zeitschrift zur Seite.

Er ging zum Esstisch, stellte ein paar Kerzen auf eine Seite und öffnete dann die Schachtel. Erstaunlicherweise schien das Spiel vollständig zu sein, wenn die Geldscheine auch etwas ausgeblichen waren. „Was für einen Spielstein möchtest du?“

Cara zog sich einen Stuhl heran. „Am liebsten den Hund.“

„Hier.“ Max klappte das Spiel auf und gab ihr den Stein.

„Was nimmst du denn?“ Sie griff nach einem Stapel Geldscheine und fing an zu verteilen.

„Den Zylinder.“

„Nicht den Rennwagen?“

Er runzelte die Stirn. „Der sieht aus wie ein importierter Wagen.“

„Dann magst du nur die amerikanischen Flitzer?“

„Ja. Es gibt nichts Schöneres, als in einem Mustang Cabrio GT am Meer entlangzufahren.“ Er setzte sich ihr gegenüber, legte die Extrakarten auf das Spielbrett und nahm die Würfel in die Hand.

Cara stützte den Kopf in eine Hand und sah verträumt in die Ferne. „Das hört sich wunderbar an.“

„Ich fahre mit dir gern überall hin. Aber vielleicht warten wir bis April oder Mai. Es sei denn, wir starten im Süden.“

„Hast du denn ein Cabrio?“

„Ich habe drei.“

„Findest du das nicht etwas extravagant?“

„Sie sind Teil meiner Sammlung.“

„Na dann …“ Sie tat so, als sei eine Sammlung teurer Wagen für sie das Normalste von der Welt, konnte sich ein Lächeln aber nicht verkneifen. „Wie viele Autos hast du denn insgesamt?“

„ Äh … siebzehn, glaube ich. Drei restauriere ich gerade. Die meisten sind Oldtimer.“

„Du restaurierst alte Wagen?“

„Ja.“

„Warum weiß ich nichts davon?“

„Es gibt vieles, was du von mir nicht weißt.“

„Geschenkt.“ Sie schüttelte leicht genervt den Kopf. „Aber wo und wie tust du das? Du hast doch ein Penthouse in Connecticut.“

„Ich habe auch noch ein Haus in Maine.“

„Ernsthaft?“

„Warum sollte ich mir das ausdenken?“

„Ich wundere mich nur.“ Sie sortierte weiter Spielgeld. „Du hast mir nie davon erzählt.“

„Wann auch. Wir waren nicht sehr oft zusammen.“ Und wenn, dann hatten sie über das Tagesgeschehen oder Politik diskutiert. Oder sie waren zusammen im Bett. Bei der Erinnerung daran überfiel ihn das Verlangen, sie zu küssen, wie ein Fieber.

Caras Handbewegungen wurden langsamer, und als sie den Kopf hob und ihn ansah, wusste er, dass sie auch daran gedacht hatte. „Was gibt es denn sonst noch, was ich nicht von dir weiß?“, fragte sie leise.

„Eine ganze Menge. Das meiste ist eher positiv.“

Sie lächelte verschmitzt. „Erzähl mir das Negative zuerst.“

„Nein, erst mal bist du dran.“

„Ich?“ Sie lehnte sich zurück. „Ich bin ein gutes Mädchen.“

„Was? Und dann bist du scharf auf einen Teufelskerl von Reporter?“

„Ich und eine Million andere Frauen.“

„Danke für das Kompliment.“ Er lachte. „Spaß beiseite, Cara. Du bist anders, und das weißt du auch.“

„Ich bin nicht anders als die Frauen, die hinter dem berühmten und sexy Krokodilringer her sind.“

„Aber für mich bist du etwas Besonderes.“ Max war ernst geworden.

„Nur weil ich im Augenblick hier vor dir sitze.“

„Schöne Frauen gibt es überall. Aber ich empfinde für sie nicht das, was ich für dich empfinde.“

„Weil du mich nicht haben kannst.“

Daran hatte Max auch schon gedacht. Könnte es sein, dass er sie so sehr begehrte, weil sie für ihn aus beruflichen Gründen tabu war? Waren seine Gefühle für sie wirklich so oberflächlich?

„Also stimmt es!“, rief sie triumphierend aus, als er schwieg.

„Zumindest wünsche ich mir das manchmal“, sagte er nachdenklich. „Das würde vieles sehr viel einfacher machen.“

„Aber wenn ich nun zu haben wäre, wenn ich zum Beispiel bei der Bank arbeiten würde, auf alle Fälle nichts mit Politik oder Öffentlichkeit zu tun hätte, wenn ich dir meine Liebe gestehen würde und meinen Wunsch, den Rest meines Lebens mit dir zusammen zu sein, dich zu heiraten, deine Kinder zu bekommen …“

„He, stopp!“, rief er aus. „Wie kommst du denn plötzlich darauf?“

Sie lächelte traurig und schüttelte den Kopf. „Du willst mich gar nicht.“

„Das geht mir alles zu schnell. Warum soll ich mir eine vollkommen andere Frau vorstellen als die, die du bist? Wenn du auf dem Land geblieben wärst und nach einem Farmer Ausschau hieltest, um mit ihm gemeinsam Farming Today zu lesen und zum Feuerwehrball zu gehen, dann würde ich mich sicher nicht für dich interessieren.“

„Eben. Ganz schön oberflächlich.“

„Aber so bist du nicht. Das passt nicht zu dir. Ich mag dich so, wie du bist, Cara. Wie du jetzt lebst, wofür du dich einsetzt. Mit deinen Hoffnungen und Träumen und Wertvorstellungen.“

„Also doch die verbotene Frucht.“

„Es ist sehr viel komplizierter.“

Sie seufzte leise. „Das kannst du laut sagen.“

Er griff nach ihrer Hand. „Ich habe eine sehr gute Idee. Du und ich, wir leben beide in unterschiedlichen Welten, die wir nicht verlassen dürfen. Und die nicht miteinander vereinbar sind.“ Er drückte ihr zärtlich die Hand. „Komm her.“

„Nein.“

„Dann komme ich.“ Er stand auf und ging um den Tisch herum.

„Max …“

Doch er nahm sie bei der Hand und zog sie hoch.

„Ich muss mich vor dir schützen“, sagte sie abwehrend.

„Das machst du doch sehr gut.“

„Leider nicht.“

„Aber nicht heute Nacht“, flüsterte er weich. „Heute Nacht kannst du bei mir sein.“

„Max, ich …“

„Hier sind doch nur wir beide, Cara. Zum ersten und vielleicht auch zum letzten Mal ist es egal, was sich außerhalb dieser Mauern abspielt.“

„Aber ich kann nicht …“

„Psst … Lass uns in dieser Nacht nur Cara und Max sein, zwei Menschen, die sich begehren. Diese Situation wird in den nächsten vier Jahren nicht wiederkehren.“

„In den nächsten acht Jahren“, korrigierte sie.

„Wenn Morrow wiedergewählt wird. Das ist ja noch schlimmer.“

„Nicht für Präsident Morrow.“

„Kann sein. Umso dringender muss ich dich jetzt küssen.“ Er neigte den Kopf.

„Max“, protestierte sie leise.

Das ist kein Nein, sagte er sich, ganz bestimmt nicht.

Sowie Max ihren Mund berührte, war es um Cara geschehen. Sie konnte nichts dagegen tun, sie kam ihm entgegen, schmiegte sich in seine starken Arme und hatte das Gefühl, endlich wieder angekommen zu sein. Alles war so vertraut, sein Duft, der Druck seiner Lippen und seine Hände auf ihrem Rücken, die sie an seinen schlanken muskulösen Körper drückten.

Nur kurz wollte sie das genießen, nur zehn Sekunden, zwanzig Sekunden, dreißig Sekunden … Aber sie konnte sich nicht von ihm lösen. In seinem Armen fühlte sie sich zu Hause, Max war ihre große Schwäche, sie war hoffnungslos abhängig von ihm.

„Ich habe mich so nach dir gesehnt“, flüsterte er, während er den Gürtel des Bademantels aufzog, das weiche Ding vor dem Kamin ausbreitete und dann anfing, ihr die Bluse aufzuknöpfen, bis ihr knapper Spitzen-BH zu sehen war.

Ohne nachzudenken griff sie auch nach seinen Hemdknöpfen. Als sie ihm das Hemd von den Schultern schob, hielt er gespannt den Atem an. Im Feuerschein waren die Narben auf seiner kräftigen gebräunten Brust gut zu sehen. Als sie die längste mit dem Finger nachzog, stieß er erregt den Atem aus.

„Tut das weh?“, fragte sie leise.

„Überhaupt nicht.“

Sie berührte eine andere Narbe. „War das das Krokodil?“

„Nein. Ein starker Ast bei einer unsanften Landung nach einem Fallschirmabsprung.“ Er schob ihr die Hände unter die Brüste und streichelte die weiche Haut. „Du bist so glatt, so makellos.“

„Ich springe ja auch nicht aus Flugzeugen ab.“ Sie legte ihm die Hände auf die Schultern und hob ihm das Gesicht entgegen.

„Dir darf nie etwas passieren.“

Hm, was sollte sie dazu sagen? Also küsste sie ihn.

„Ich könnte es nicht ertragen, wenn dir etwas passiert.“ Er erwiderte den Kuss voll Verlangen und schob ihr dabei die Bluse von den Schultern. Dann hob er den Kopf, sah ihr tief in die Augen, löste den BH-Verschluss und streifte ihr das kleine Spitzending ab, was sie lächelnd geschehen ließ. Wieder nahm er sie in die Arme, und sie strich ihm mit den Fingerspitzen über den starken Rücken, während sie seine warme Haut mit den Lippen liebkoste, bis er leise aufstöhnte.

Vorsichtig ließ er sie auf den weichen Bademantel nieder und legte sich mit aufgestütztem Ellbogen neben sie. Mit dem Zeigefinger strich er ihr über die sanfte Halslinie, die Schultern und dann über die Brüste bis zum Bauchnabel. „Wie kann man nur so schön sein“, flüsterte er und umrundete wieder die harten rosa Spitzen, sodass Cara von lustvollen Empfindungen überschwemmt wurde und sich ihm unwillkürlich entgegenbog.

Als er sich vorbeugte und eine der Spitzen mit Lippen und Zunge umschloss und vorsichtig reizte, schloss sie die Augen. Es war Wahnsinn … Ihr Puls beschleunigte sich, und ihr Herz schlug kräftig. „Max … oh, Max …“

Er lachte leise, öffnete den Reißverschluss ihrer Hose und streifte sie ab. Cara wollte nach ihm greifen, ihn anfassen, doch er hielt ihre Hand fest. „Nicht bewegen. Du bist so schön. Ich könnte dich die ganze Nacht betrachten.“

Sie öffnete die Augen und sah ihn an. Mit ernstem Blick folgte er seiner Hand, mit der er ihre Hüften liebkoste, dann ihr über die flache Bauchdecke strich und kurz die Brustspitzen berührte. Er hatte wunderschöne grüne Augen, ein ausgeprägtes Kinn und sensible und doch männliche Lippen. Alle Frauen in Washington schwärmten für ihn. Und doch sah er sie, Cara Cranshaw, beinahe andächtig an.

Jetzt schob er die Finger unter das dünne Slipgummi, drang weiter vor und streichelte ihre empfindsame Haut. Unwillkürlich drückte Cara sich gegen die Hand. „Küss mich“, stieß sie zwischen den Zähnen hervor.

Er beugte sich vor, und sie öffnete bereits die Lippen, doch dann spürte sie ihn wieder auf ihren Brüsten, wie er die aufgerichteten Spitzen umspielte. Was für ein Gefühl … Ihr Körper stand in Flammen, sie warf den Kopf zurück und spreizte leicht die Schenkel. Sie wollte, sie musste ihn dort spüren. „Max, bitte …“

Er lachte leise und dunkel, kam wieder hoch und küsste sie wild und leidenschaftlich, während er ihr den Slip abstreifte, dann den eigenen Reißverschluss aufzog und sich aus der Hose wand. Die Boxershorts folgte.

Und dann schob er sich auf sie, und ihn auf sich zu fühlen, seinen kräftigen Körper in ganzer Länge zu spüren, ließ Cara schwindelig werden vor Erregung. Sie spreizte die Beine weit. Komm zu mir …

Er stützte sich auf den Ellbogen ab und sah ihr tief in die Augen. „Es gibt keine andere auf der ganzen Welt“, sagte er ernst. „Wirklich keine.“ Er griff neben sich, holte ein Kondom aus der Hosentasche und streifte es sich schnell über. Dann küsste er sie wieder, während er in sie eindrang.

Sofort schlang sie ihm die Beine um die Hüften, überwältigt von Glücksgefühlen. Er war hier, er war in ihr … Auch für sie gab es keinen anderen. Unvorstellbar, dass irgendein anderer diese Empfindungen in ihr hervorrufen könnte. So etwas erlebte man nur einmal im Leben. Wenn überhaupt.

Die heutige Nacht war besonders. Heute Nacht gehörte Max ihr. Sie legte ihm die Arme um den Hals und kam ihm entgegen, wieder und wieder. Jegliches Gefühl für Raum und Zeit war ihr verloren gegangen, während sie sich dem Rhythmus des geliebten Mannes unterwarf. Als sie schon glaubte, es nicht mehr aushalten zu können, spürte sie seine Hand an ihrem Po, die sie hochhob und fest an ihn presste. Ja, das war es … „Oh, Max …!“ Er küsste sie hart und fordernd, – und die Welt um sie herum schien zu explodieren.

Keuchend rang sie nach Luft. Auch Max atmete schwer, als er sich vorsichtig mit ihr umdrehte, sodass sie jetzt auf ihm lag. „Das war … das war …“, fing sie an, wusste aber nicht, wie sie den Satz beenden sollte.

„Ja“, sagte Max und küsste sie auf die Nasenspitze. „Das war es wirklich.“

Langsam färbten sich die Wolken rosa, als die Sonne aufging und die verschneiten Berge hinter dem Haus sanft anstrahlte. In dem großen Bett bemühte Max sich, gleichmäßig zu atmen, damit Cara nicht aufwachte. Mit dem Kopf in seiner Armbeuge lag sie dicht an ihn geschmiegt und schien fest zu schlafen.

Unter der Bettdecke war es mollig warm. Das Haus aber schien langsam auszukühlen, denn das Feuer im unteren Stockwerk war schon lange ausgegangen. Die Kälte, das war die Realität. Sie konnten sie für eine Zeit vertreiben, aber dann holte sie sie wieder ein.

Cara bewegte sich in seinen Armen, und sofort wurde die Erregung in ihm wieder wach. „Ist es schon morgen?“, fragte sie mit rauer verschlafener Stimme.

„Beinahe.“ Er küsste sie zärtlich auf den Nacken.

„Danke“, murmelte sie.

„Bitte.“ Er strich ihr mit den Lippen über den Hals.

„Für gestern Abend“, meinte sie und lachte leise.

„Umso besser.“

„Ich meine dafür, dass du hier warst. Für das Feuer, den Tee, den Haferbrei. Dafür, dass du wusstest, was man macht und wie man es macht.“

„Das höre ich oft.“ Lächelnd strich er ihr über den flachen Bauch. „Was man macht…“, er legte ihr eine Hand auf eine der Brüste, „und wie man es macht.“

Sie hielt lachend seine Hand fest. „Ich wollte damit doch nur sagen, dass du mich wie der Prinz aus dem Märchen gerettet hast.“

„Dann warst du die verzweifelte Jungfrau? Gefällt mir extrem gut.“

„Nun übertreiben Sie nicht, Sir Max.“ Sie drehte sich auf den Rücken, und er sah ihr tief in die Augen.

„Nein, Sie haben meine Erwartungen weit übertroffen, edle Cara.“

Sie schüttelte den Kopf und presste die Lippen zusammen, um nicht loszulachen.

„Bitte, sagen Sie doch wieder Sir Max zu mir“, flehte er.

Sie stieß ihn kurz in die Seite, und er nahm sie lachend in die Arme und drehte sich mit ihr um, sodass sie wieder auf ihm lag. „Kannst du nicht ernst sein?“, schmollte sie.

„Oh, doch.“ Sofort machte er eine ernste Miene, doch dann legte er ihr die Hände ums Gesicht und küsste sie. Erst wollte sie sich wehren, doch dann konnte sie nicht anders, sie überließ sich ihrem Verlangen und erwiderte seinen Kuss. Als habe sie keine Kraft in den Gliedern, lag sie auf ihm wie hingegossen und genoss die Wärme und die Erregung ihrer beider Körper.

Sehr bald merkte sie, dass er hart und bereit war, dass er sie kräftiger und hastiger streichelte und versuchte, eine Hand zwischen ihre Schenkel zu schieben. Sie richtete sich stöhnend auf.

Sofort hielt er in der Bewegung inne. „Zu schnell?“

„Nein.“ Sie schüttelte den Kopf. „Das heißt, ja.“

Geduld, Max, Geduld. Sie sollte nichts tun, was sie nicht wirklich wollte. Aber er war so erregt, dass er nicht sehr viel länger warten konnte. Denn sie war heiß und feucht und so süß, wie sollte er da Geduld aufbringen?

Schließlich zog sie sich leicht zurück. „Max?“

„Ja?“

„Du musst mir etwas versprechen.“

Alles, was du willst … „Und was?“

„Es ist …“

Die Hand immer noch zwischen ihren heißen Schenkeln drang er etwas weiter mit den Fingern vor, und Cara holte keuchend Luft.

„Ist es gut oder schlecht?“

Sie schloss die Augen, befeuchtete sich kurz die Lippen und drückte sich gegen seine Hand.

Wohl gut … Er kam hoch und küsste sie, legte ihr dann den freien Arm um den Rücken und zog sie auf sich herunter. Jeglichen Gedanken schob er beiseite, war nur noch Körper und Begierde. Hastig drehte er sich wieder mit ihr um und schob ihr ein Knie zwischen die gespreizten Schenkel, während er sich vorbeugte und sie leidenschaftlich küsste, sie dann wieder überall streichelte, ihre Brüste liebkoste, an den harten Spitzen saugte … Er war wie im Rausch.

Und auch Cara konnte die Hände nicht ruhig halten, streichelte ihn überall, und als sie ihn, hart und heiß und glatt wie er war, mit beiden Händen fest umfasste und ihn in sich eintauchen ließ, stöhnte Max tief auf. „Kondom …!“

Doch sie ließ ihn immer wieder spielerisch zu sich kommen, nicht ganz, aber beinahe. „Ist schon in Ordnung so. Keine Sorge.“ Dann öffnete sie sich ihm weit, und Max konnte nicht anders, er war mit einem einzigen Stoß in ihr. Langsam, nur nicht zu schnell … doch er konnte sich nicht zurückhalten, nicht, wenn Cara ihm leise anfeuernde Worte ins Ohr flüsterte und sie sich so unglaublich gut anfühlte.

Ihre Körper passten einfach ideal zusammen. Wieder und wieder stieß er vor, und sie kam ihm entgegen, nahm ihn tief auf, bot sich ihm dar, bis er den Höhepunkt nicht mehr zurückhalten konnte – und kam.

„Oh, Cara …“ Keuchend presste er sie fest an sich und spürte, wie sich ihr Körper kurz versteifte, während ihre Muskeln sich um ihn schlossen und sie dann schwer atmend zurücksank.

Auch Max atmete keuchend, seine Glieder zitterten kraftlos, als er mit seinem ganzen Gewicht auf Cara lag. Hatte er immer so lange gebraucht, sich vom Sex zu erholen? Vielleicht wurde er alt …

„Max?“, flüsterte sie ihm ins Ohr.

„Bin ich zu schwer?“

„Nein. Aber beweg dich nicht.“

„Okay.“

„Du fühlst dich gut an.“

„Und ich fühle mich fantastisch.“ Als wenn er Glücksdrogen genommen hätte.

„Du musst mir etwas versprechen.“

Richtig, dabei waren sie unterbrochen worden. Wenn sie jetzt wieder darauf zurückkam, musste es etwas Wichtiges sein. „Was den Präsidenten betrifft?“

„Nein, es geht um mich.“

„Es geht um dich?“ Max stützte sich auf den immer noch etwas wackligen Armen ab. „Dir verspreche ich alles.“ Das war sein voller Ernst. Wenn er Cara in irgendeiner Form helfen konnte, würde er Himmel und Hölle in Bewegung setzen, damit das geschah, was sie wollte.

Sie wandte den Blick ab. „Wenn sie kommen, ich meine, wenn wir gerettet werden und wieder nach Washington zurückkehren können …“

„Ich werde niemandem etwas sagen“, versprach er sofort. Was hier zwischen ihnen geschehen war, ging niemanden etwas an. Es hatte keinerlei Auswirkung auf ihr berufliches Leben und schadete keinem.

„Das ist es nicht, nicht nur. Ich möchte, dass du Abstand von mir hältst.“

Das gefiel ihm ganz und gar nicht. Aber er hatte nichts anderes erwartet. Denn sie waren nun einmal unterschiedlicher Meinung, ob sie ihr Verhältnis aufrechterhalten könnten, solange Morrow im Amt war und Cara für ihn arbeitete. Und die letzte Nacht hatte an Caras Einstellung sicher nichts geändert.

„Ich kann mir vorstellen, was in dir vorgeht“, begann er, doch sie legte ihm schnell einen Finger auf die Lippen. „Es ist mein voller Ernst, Max. Wir dürfen uns nicht wiedersehen, denn ich bin nicht stark genug. Ich kann dir nicht widerstehen, wenn du es darauf anlegst. Und das darf nicht sein.“

„Aber wir können doch wenigstens Freunde sein.“

Sie warf einen Blick auf ihre nackten Körper. „Wir können nicht nur Freunde sein, Max.“

Ihm war, als habe ihm jemand einen Schlag in den Magen versetzt. Keinesfalls konnte er ihr versprechen, vier Jahre auf sie zu warten. Aber dass er nicht auf sie warten würde, konnte er auch nicht sagen. Er wusste nicht, wie sich das Ganze weiterentwickeln würde. Aber das wusste sie auch nicht. Andererseits konnten sie doch nicht einfach so auseinandergehen.

„Versprich mir“, jetzt sah sie ihn wieder an, „dass du nicht einfach so bei mir im Apartment vorbeikommst, dass du mich bei gemeinsamen Veranstaltungen nicht ansprichst. Und dass du nicht mehr deine Uhr bei mir vergisst.“

„Nein, das kann ich nicht versprechen.“ Das kam gar nicht infrage. Sie hatte ihre Sicht der Dinge. Aber er hatte seine. Und dennoch, als er sah, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen, fühlte er sich mies. „Bitte, Cara, lass es mich doch versuchen. Vielleicht können wir einfach Freunde sein.“

Sie versuchte vergeblich, die Tränen zurückzuhalten. „Wenn du es versuchst, habe ich darunter zu leiden.“

„Aber ich werde dir nie wehtun, Cara, ganz bestimmt nicht. Ich schwöre es.“

„Nein.“ Energisch wischte sie sich mit dem Handrücken die Tränen ab. „Du musst dich von mir fernhalten. Wenn ich dir nur ein bisschen was bedeute, musst du Abstand wahren.“

Ihm war, als würde sein Herz zu Eis. Er hatte geschworen, er würde alles für Cara tun. Und wenn sie verlangte, dass sie sich nicht mehr wiedersahen, dann musste er das tun. Um ihretwillen. Auch wenn es ihn umbrachte.

7. KAPITEL

Am späten Vormittag kamen dann schließlich die Rettungsfahrzeuge. Cara hatte sich einen Skihelm aufgesetzt und einen Schal umgebunden, sodass sie nicht zu erkennen war. Aber ihre Sorge war unbegründet gewesen. Die Einwohner von Fields hatten anderes zu tun als sich um sie zu kümmern. Ein paar Leute erkannten zwar Max, aber zu dem Zeitpunkt war Cara bereits auf der anderen Seite des Parkplatzes, sodass keiner sie mit Max in Verbindung brachte.

Glücklicherweise hatte es keine Toten gegeben. Diejenigen mit leichten Verletzungen wurden in das kleine Krankenhaus von Fields gebracht, die etwas komplizierteren Fälle in die nächst größere Stadt.

Cara und Gillian trafen sich in der Hotellobby. Jake war mit Max losgefahren, um einen Fernsehbericht über die Lawine zu machen. Da Cara in Washington bereits sehnsüchtig erwartet wurde, packten die beiden Frauen ihre Sachen zusammen und fuhren zum Flugplatz.

Im Grunde gab es keinen Grund mehr, in Fields zu bleiben. Aber als Cara die Stufen zu dem kleinen Jet hochstieg, hatte sie irgendwie das Gefühl, dass sie etwas sehr Kostbares zurückließ. Allerdings war ihr bewusst, dass ihr Herz ihr da einen Streich spielte. Denn was sie in Fields zurückließ, war ihr Wunsch nach einem Familienleben mit Max als idealem Ehemann und Vater. Die Wirklichkeit sah anders aus, und es wurde Zeit, dass sie die Realität akzeptierte.

Gebückt ging sie durch die niedrige Tür und war überrascht, wie luxuriös der Jet eingerichtet war. Die zwölf bequemen Sitze waren mit weißem Leder bezogen und standen sich immer paarweise gegenüber, durch einen kleinen polierten Holztisch getrennt. Sie setzte sich in einen der weichen Sitze in der vorderen Hälfte der Kabine. Der Copilot hatte ihr bereits das Gepäck abgenommen.

Verblüfft sah sie die Schwester an, die noch im Gang stand. „Hast du dich in eine Milliardärin verwandelt, als ich gerade mal nicht geguckt habe?“

„Nein.“ Gillian lachte. „So weit ist es noch nicht.“ Sie drehte sich um und wechselte ein paar Worte mit dem Piloten, bevor sie sich der Schwester gegenübersetzte.

„Noch nicht?“ Cara sah sie neugierig an. „Was heißt das?“

„Eines Tages vielleicht. Das hängt davon ab, wie die Geschäfte in Indien laufen.“

Die Tür schloss sich, und die Maschine bewegte sich in Startposition.

„Macht es dich nicht manchmal nervös, wenn du an dein Geschäft und seine Möglichkeiten denkst?“ Cara bewunderte ihre Schwester sehr.

„Macht es dich nicht manchmal nervös, wenn du in einem Raum mit dem Präsidenten bist?“, stellte Gillian die Gegenfrage.

„Ja“, sagte Cara ehrlich.

„Aber das hält dich nicht davon ab, deinen Job zu machen.“

„Nein, wohl nicht.“

Gillian öffnete eine kleine Box, die neben ihrem Sitz eingelassen war, und holte eine eisgekühlte Flasche Wasser heraus. „Wie kamen wir eigentlich auf dieses Thema?“

„Weil wir hier in einem irrsinnig teuren Jet sitzen und unverschämt verwöhnt werden.“

Gillian schnallte sich an und hob dann die Flasche. „Hast du Durst?“

„Eigentlich nicht.“ Auch Cara schnallte sich an, während der Jet an Geschwindigkeit zunahm.

Gillian schraubte den Deckel der Flasche ab. „Wir sollten uns lieber über Max unterhalten.“

„Ich möchte nicht über Max reden.“ Cara wandte sich ab und nahm nun doch eine Flasche Wasser aus ihrer kleinen Seitenbox, weniger weil sie Durst hatte, sondern um etwas zu tun zu haben.

Autor

Barbara Dunlop
<p>Barbara Dunlop hat sich mit ihren humorvollen Romances einen großen Namen gemacht. Schon als kleines Mädchen dachte sie sich liebend gern Geschichten aus, doch wegen mangelnder Nachfrage blieb es stets bei einer Auflage von einem Exemplar. Das änderte sich, als sie ihr erstes Manuskript verkaufte: Mittlerweile haben die Romane von...
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