Verführe mich – jetzt und immer

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Ein One-Night-Stand mit Folgen: Scarlet erwartet ein Kind! Die schöne Erbin ist fassungslos, als sie erfährt, dass sich der werdende Vater Mauricio Velasquez bereits mit einer anderen verlobt hat. Dabei hat er sie doch mit so viel echter Leidenschaft verführt. Wie hinterhältig von ihm! Doch dann macht sie eine schockierende Entdeckung: Ihr feuriger Liebhaber war Mauricios Zwillingsbruder Alejandro, und der ist noch zu haben. Aber kann Scarlet ihm eine zweite Chance geben, obwohl er sie bei ihrer ersten Begegnung so dreist belogen hat?


  • Erscheinungstag 13.10.2020
  • Bandnummer 2154
  • ISBN / Artikelnummer 9783733726393
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Sich dreimal hintereinander morgens zu übergeben war nicht unbedingt etwas Ungewöhnliches für eine O’Malley. Schließlich war die Familie dafür bekannt, das Leben auszukosten, was häufig auch Exzess bedeutete. Aber Scarlet hatte seit Wochen nichts mehr getrunken, seit dem Tag als Siobahn Murphy, Leadsängerin der heißesten Girl-Group seit Destiny’s Child, von ihrem Verlobten verlassen wurde und der direkt danach mit Siobahns größter Rivalin nach Vegas abgehauen war. Danach hatten die Paparazzi Siobahn rund um die Uhr belagert, und Scarlet hatte all ihre Sinne beisammenhalten wollen, um ihre Freundin zu beschützen. Aus eigener Erfahrung wusste sie, wie schrecklich es war, wenn einen die Medienmeute verfolgte.

Jetzt war Siobahn sicher in Scarlets Cottage in East Hampton untergebracht, und Billie, Scarlets persönliche Assistentin, kümmerte sich mit um sie.

Während Scarlet sich kaltes Wasser ins Gesicht klatschte, ging sie alle Möglichkeiten durch, warum sie sich übergeben musste. Eine Lebensmittelvergiftung kam nicht infrage, denn allen anderen ging es gut, und Lourdes, ihr Koch, war ziemlich penibel, was die Hygiene in seiner Küche anging.

„Also keine Lebensmittelvergiftung“, murmelte sie, während sie sich mit einem Musselintuch abtrocknete. Das hatte ihre Kosmetikerin empfohlen, denn obwohl sie mit ihren achtundzwanzig Jahren noch keine Anzeichen von Altersfalten zeigte, hatte ihre Mutter immer gemeint, es sei nie zu früh, etwas dagegen zu unternehmen.

Du lenkst dich vom Offensichtlichen ab.

Scarlet schaute in den Spiegel. Sie wusste, dass sie die Stimme nur in ihrem Kopf hörte, sie war ja allein. Ihre Schwester war vor drei Jahren an einer Überdosis gestorben, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass Scarlet ihre Stimme immer wieder mal zu vernehmen glaubte. Meist dann, wenn sie sie am wenigsten hören wollte.

Tara war ihre große Schwester gewesen und wollte sie anscheinend immer noch herumkommandieren. Scarlet seufzte und blickte auf ihren Bauch. Seit sechs Wochen hatte sie keine Regelblutung mehr gehabt, obwohl die sonst immer pünktlich wie ein Uhrwerk gekommen war.

Yep, du bist schwanger. Schade, dass ich nicht mehr da bin, um das Gesicht des alten Herrn zu sehen, wenn er die Neuigkeiten erfährt.

„Halt den Mund, Tara. Ich bin mir ja nicht mal sicher.“ Scarlet konnte es nicht fassen, dass sie Selbstgespräche führte, geschweige denn, dass sie sich in einer derartigen Situation befand.

Wenn es etwas gab, worin die O’Malleys gut waren, dann darin, Geld zu verdienen, das Leben auszukosten und kolossal schlechte Entscheidungen zu treffen. Es ließ sich alles auf den Tod ihrer Mutter zurückführen, damals war Scarlet siebzehn. Sie war unter mysteriösen Umständen gestorben, man hatte es als Unfall deklariert, es könnte aber auch vorsätzlich geschehen sein. Ihr Vater war inzwischen bei seiner sechsten Ehefrau angelangt, und da waren all die Affären, die er zwischendurch und oft auch während der Ehen gehabt hatte, noch gar nicht mitgerechnet. Scarlets bisher längste Beziehung hatte genau zwölf Tage gehalten, und das auch nur, weil sie sich auf ihrer Privatinsel befunden hatten und Leons Flugzeug wegen eines Sturms nicht hatte starten können.

Sie konnte nicht schwanger sein.

Wenn sie es war …

O Gott, das war ein Albtraum.

Sie wusste, das Vernünftigste wäre, das Kind jemand anderem zu überlassen. Alle hielten sie für verwöhnt, und sie betrachtete das als Kompliment. Ihr Ziel war es immer gewesen, das Leben bis zum Letzten auszukosten.

Mit einem Kind?

Sie kannte ein paar Leute, die Kinder hatten, aber die beschäftigten in der Regel auch mehr als eine Nanny. Ihre eigene Kindheit hatte ihr gezeigt, dass das keine gute Lösung war.

Zurück im Schlafzimmer, ließ sie sich aufs Bett fallen und starrte an die Decke. Lulu, ihr Zwergdackel, tapste die Rampe hoch, die sie ihm extra hatte anbringen lassen, und hopste auf ihren Bauch. Sie streichelte ihren kleinen Liebling und versuchte das Unausweichliche zu ignorieren.

Was ist mit dem Dad?

Schon wieder Taras Stimme.

Tja, der Dad … Mauricio Velasquez. Der war gerade für seine humanitäre Arbeit als texanischer Philanthrop des Jahres ausgezeichnet worden. Abgesehen davon, dass er zusammen mit ihr zu viel getrunken und sich eine Nacht mit ihr vergnügt hatte, war er grundsolide. Und er hatte ihr von seiner großen Familie erzählt und wie nahe sie sich alle standen.

Wieder legte sie eine Hand auf ihren Bauch. Mauricio war vielleicht die beste Chance, die das Baby bekommen konnte … wenn überhaupt. Sie würde Billie bitten, Dr. Patel anzurufen, damit der später noch hier vorbeikam. Wenn sie schwanger war, würde sie zusammen mit Billie und Siobahn nach Cole’s Hill fahren. Die Kleinstadt könnte für Siobahn der perfekte Ort sein, um sich von ihrer geplatzten Verlobung zu erholen, während Scarlet den Daddy ihres Babys genauer unter die Lupe nahm.

Vier Stunden später saß sie auf der Couch Billie und Siobahn gegenüber, die sie beide anstarrten, als hätte sie den Verstand verloren, was zugegebenermaßen nicht ganz unwahrscheinlich war.

„Texas?“, fragte Siobahn noch einmal. „Auf keinen Fall. Das ist der letzte Ort, an dem ich von den Paparazzi verfolgt werden möchte.“

„Das meine ich doch“, widersprach Scarlet ihrer Freundin. „Dorthin folgen sie dir nicht. Das ist der perfekte Rückzugsort. Ich habe heute Morgen ein Haus dort gemietet, und zwar in einer bewachten Anlage. Da haben wir unsere Ruhe.“

„Aber warum Texas?“, fragte Billie. „Ich meine, ich habe ja nicht prinzipiell was dagegen, aber im Juli ist es verdammt heiß in Texas.“

Nicht so heiß, wie es werden würde, wenn sie Mauricio Velasquez fand. Verflixt, aber in der Nacht, die sie zusammen verbracht hatten, hatten die Laken wirklich gebrannt.

„Ich muss dort jemanden treffen, und wir alle können mal einen kleinen Urlaub gebrauchen“, sagte Scarlet. „Vertraut mir. Es wird Spaß machen, und Siobahn, du wirst endlich Maté vergessen.“

„Habe ich schon.“

„Lügnerin“, erwiderte Scarlet sanft. Sie ging zu ihrer Freundin und umarmte sie kurz. „Das wird uns beiden guttun.“

Siobahn blickte zu ihr auf, und es brach Scarlet fast das Herz, als sie in die rot geränderten Augen ihrer sonst so fröhlichen Freundin blickte. Sie würde alles in ihrer Macht Stehende tun, um Siobahn abzulenken; und obwohl sie es gegenüber ihrer Freundin noch nicht erwähnt hatte, wusste sie, dass auch ihre Schwangerschaft eine Ablenkung sein würde.

Dr. Patel hatte es bestätigt – sie war schwanger. Scarlet konnte es noch immer nicht fassen, aber sie gehörte zu denen, die Probleme angingen und nach vorn blickten. Sie konnte weder in New York noch in den Hamptons bleiben. Sie musste Mauricio wiedersehen, und dann würde sie die Sache mit dem Baby regeln.

Wenn es etwas gab, worin die O’Malleys schlecht waren, dann darin, sich um andere zu kümmern.

Ein Baby.

Sie hatte sich immer jemanden gewünscht, den sie lieben konnte, hatte sich aber gleichzeitig versprochen, niemals Kinder zu haben. Sie hatte aus erster Hand mitbekommen, was geschah, wenn die falsche Sorte Mensch Kinder bekam. Und sie war ohnehin nie ein braves Mädchen gewesen.

Sie legte die Hand auf ihren Bauch und blickte in den Spiegel. Mauricio Velasquez war ein anständiger Mensch. Er hatte für sein gesellschaftliches Engagement sogar einen Preis erhalten. Dann würde er doch wohl auch einen guten Vater abgeben, oder?

Sie würde seine Familie treffen und sich davon überzeugen, denn sie wollte für ihr Baby das, was sie nie gehabt hatte. Eltern, die es liebten, und einen sicheren Familienverband, damit ihr Kind nicht so wurde wie sie.

Der Sonntagsbrunch mit den Eltern war Tradition bei der Familie Velasquez. Im vergangenen Monat hatte Alec Velasquez sich drücken können, weil er weltweit Vorträge auf unterschiedlichen Technologie-Symposien hatte halten müssen. Wäre ihm ein Grund eingefallen, heute abzusagen, hätte er das vermutlich getan. Er war seit einiger Zeit nicht mehr in Cole’s Hill gewesen, und zwar seit dem Fiasko, als er sich als sein Zwillingsbruder Mauricio ausgegeben und in dessen Namen in Houston einen Preis entgegengenommen hatte. Und dann hatte er zusammen mit Scarlet O’Malley die Nacht seines Lebens verbracht. Irgendwie hatte er keine Chance mehr gehabt, sie danach zu kontaktieren. Er hatte sich den Kopf zerbrochen und nach einer Möglichkeit gesucht, sie in New York ganz zufällig zu treffen, aber dagegen sprach, dass er ihr dann hätte erklären müssen, dass er nicht Mo war. Schließlich mochte es keine Frau, wenn man sie anlog.

Immerhin hatte er mit Mos Freundin Hadley Everton telefoniert und die Sache richtiggestellt. Nachdem sie anfangs geglaubt hatte, dass es Mo war, dessen Foto zusammen mit Scarlet in der Klatschpresse aufgetaucht war, hatte Hadley die Sache mit Mauricio geklärt. Und jetzt waren die beiden verlobt. Das hatte seine Mom so glücklich gemacht, dass sie es Alec fast verziehen hatte, dass er all die Brunches verpasst hatte.

Aber sie wusste, dass er wieder zu Hause war, und sie wollte Antworten. In Anbetracht der Tatsache, dass Hadley und Mo verlobt waren, wussten alle, dass Alec sich mit Scarlet O’Malley eingelassen hatte. In der Stadt bezeichnete man sie als „die Erbin“. Und wenn er sich nicht den Zorn seiner Mutter zuziehen wollte, dann musste er zum Brunch gehen.

Jetzt setzte er sich an den Laptop und schaute sich die E-Mail an Scarlet an, die er im Ordner für Entwürfe gespeichert hatte. Jedes Mal wenn er sie las, veränderte er sie, und jedes Mal entschied er sich, sie nicht abzuschicken. Er sollte sich darüber freuen, dass sie eine Nacht zusammen verbracht hatten, und sie vergessen.

Er hörte das Pling der Alarmanlage und vermutete, dass sein Zwillingsbruder gekommen war, um ihn zum Brunch auf dem Poloplatz mitzunehmen.

Hastig schloss er die E-Mail wieder und stand auf, als sein Bruder das Zimmer betrat. Die Wände von Alecs Arbeitszimmer waren gesäumt von Regalen mit ledergebundenen Büchern; die Innenarchitektin hatte gemeint, es würde eleganter aussehen. Aber Alec hatte darauf bestanden, dass sie Bücher wählte, die er auch gelesen hatte. Also standen dort Thriller und Harry Potter direkt unter Shakespeare und Hemingway.

„Morgen, Bro.“

„Morgen“, erwiderte Alec. Sie begrüßten sich mit einer typischen Männerumarmung, ehe Alec zurücktrat. „Wo ist deine bessere Hälfte?“

„Es gab irgendeinen Notfall mit Helenas Hochzeit, und sie musste zu Kinley, um sich darum zu kümmern“, erklärte Mo. Hadleys Schwester Helena wollte Malcolm, ihren Freund aus High-School-Tagen, heiraten. Die beiden hatten eine harte Zeit hinter sich, weil Malcolm das Geld, das eigentlich für die Hochzeitsfeier gedacht gewesen war, verspielt hatte. Aber das Paar hatte wieder zusammengefunden, und ihre Beziehung war jetzt gefestigter als vorher.

Kinley Quinten-Caruthers war eine heißbegehrte Hochzeitsplanerin, die für die bekannte Jaqs Veerland arbeitete. Kinley kam auch aus Cole’s Hill und war vor einigen Jahren hierher zurückgezogen, um eine texanische Niederlassung aufzubauen. Zu ihren berühmten Klienten gehörte auch der ehemalige NFL-Spieler Hunter Caruthers, der ihr Schwager wurde, nachdem sie Nathan Caruthers, den Vater ihres Kindes, geheiratet hatte.

„Was denn für ein Notfall? Es ist Sonntag.“

Mauricio zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich bekam nur zu hören, es wäre besser, wenn ich es nicht wüsste.“

„Okay. Na dann sollten wir wohl los.“

„Ehe wir das tun …“

„Ich wusste es.“

„Was wusstest du?“

„Dass du nicht nur hergekommen bist, um zusammen mit mir zu fahren“, sagte Alec.

„Tja, du warst in letzter Zeit etwas ausweichend.“

„Ausweichend?“ Alec hob eine Augenbraue.

„Moms Worte. Sie meinte, ich solle mal unsere Zwillingsbande nutzen, um herauszufinden, was mit dir los ist“, erklärte Mo. „Ich hab mir verkniffen, ihr zu sagen, dass es sich vermutlich um eine Frau handelt, sonst hätte sie vermutlich schon die Hochzeitsglocken läuten hören, und du hättest den ganzen Tag keine Ruhe vor ihr gehabt.“

„Vielen Dank.“

„Allerdings solltest du dir was ausdenken, was ich ihr sagen kann.“

„Ja, wir wollen ja nicht, dass noch mal so was passiert wie damals, als wir noch Kinder waren und du Mom erzählt hast, dass ich das Fußballtraining geschwänzt habe, um mit einem Mädchen zu reden.“ Alec musste lächeln.

Die Erinnerung an ihre Kindheit bot eine kurze Ablenkung, aber damit würde Mo sich nicht zufriedengeben. Auch wenn sie nicht unbedingt die Gedanken des anderen lesen konnten, weil sie Zwillinge waren, bemerkten sie doch immer, wenn den anderen etwas beschäftigte.

„Und trotzdem ist es eine Frau, die dir Probleme bereitet – willst du drüber reden? Wir haben noch ein wenig Zeit, ehe wir auf dem Poloplatz sein müssen.“

Wollte er darüber reden? Verdammt, nein. Er war kein sonderlich gefühlsbetonter Mann und Mo eigentlich auch nicht.

„Nicht wirklich.“

„Okay.“

„Okay? Dann wird Mom aber enttäuscht sein.“

„Nee, glaube ich nicht. Ich vermute, dass Bianca die Nächste ist, die versuchen wird herauszufinden, was mit dir los ist.“

Alec stöhnte. Ihre Schwester war ziemlich beharrlich. Obwohl sie ein Jahr jünger war als er und Mo, bekam sie meistens das, was sie wollte, und zwar von allen Männern der Familie.

„Ich glaube nicht, dass da viel zu machen ist“, sagte Alec. „Es geht um Scarlet. Ich kann nicht aufhören, an sie zu denken, aber ich kann sie nicht anrufen, weil sie denkt, ich bin du. Wenn ich sage: ‚Hey, ich habe mich für meinen Bruder ausgegeben‘, wird sie mich wohl kaum wiedersehen wollen.“

So, jetzt war es raus. Und nachdem er es laut ausgesprochen hatte, wurde ihm klar, wie lächerlich die ganze Sache war. Er und Mo waren dreißig, fast einunddreißig Jahre alt. Die Zeit des Rollentausches sollte längst vorbei sein.

Mo klopfte Alec auf die Schulter.

„Stimmt, das ist problematisch. Aber ich habe in meiner Beziehung mit Hadley gelernt, dass man, wenn man eine Frau wirklich will, um sie kämpfen muss. Entschuldige dich für deinen Fehler, sag ihr die Wahrheit, und dann sag ihr, was du empfindest.“

„Boah, ziemlich viel Gerede.“

„Vielleicht kannst du ja eine App entwickeln, die das für dich übernimmt“, sagte Mo sarkastisch.

„Sehr witzig.“

Aber Alec fühlte sich besser, nachdem er mit Mo gesprochen hatte. Vielleicht würde er Scarlet anrufen oder sogar nach New York fliegen, um sie zu besuchen. Es konnte nicht schaden. Und dann würde er wissen, ob diese Besessenheit nur daran lag, dass sie unerreichbar war, oder ob mehr dahintersteckte.

Nachdem sie endlich in Cole’s Hill angekommen waren, entschied Siobahn sich, im Haus zu bleiben, doch Scarlet wollte unbedingt sofort zu Mauricio und mit ihm über die Schwangerschaft sprechen. Zusammen mit ihrem Hund Lulu und Billie fuhr sie also ins Zentrum, um erst einmal einen Kaffee zu trinken.

Sie war sich nicht sicher, was für eine Art von Mensch Mauricio war; schließlich hatten sie nur eine einzige Nacht zusammen verbracht, in der sie viel getrunken, getanzt und gelacht hatten. Als sie am nächsten Morgen aufgewacht war, war er bereits fort gewesen, was sie ihm nicht einmal verdenken konnte, nachdem sie im Netz die Paparazzi-Fotos vom vorhergehenden Abend entdeckt hatte.

Nicht jeder konnte mit ihrem Lebensstil umgehen, doch sie war daran gewöhnt. Tara hatte immer gesagt, sie wären in einem Goldfischglas geboren worden, und wie die guten kleinen Guppys hatten sie gelernt, sich für die Presse herauszuputzen. Es gab Zeiten, da wünschte Scarlet sich ein einfacheres, weniger öffentliches Leben, aber um ehrlich zu sein, meistens mochte sie ihr Leben, so wie es war.

Hier in dieser Kleinstadt schien ihr jedoch niemand Aufmerksamkeit zu schenken. Daran könnte sie sich gewöhnen. Als sie im Café einen Latte bestellte, sprach niemand sie an.

„Kennst du die Velasquez-Familie?“, fragte Scarlet beiläufig die Barista, nachdem sie bestellt hatte.

„Jeder kennt die. Die sind hier in Cole’s Hill quasi eine Legende. Ich vermute, die sind heute alle draußen auf dem neuen Poloplatz. Ich kenne mich mit dem Sport nicht so aus, aber da soll wohl heute irgendein ehemaliger Profi spielen … Dee, weißt du noch, wie der heißt?“, fragte die Barista ihre Kollegin.

„Bartolome Figueras. Der ist gleichzeitig Model. Und, ehrlich, der sieht umwerfend aus“, sagte Dee.

„Stimmt“, warf Scarlet ein. Sie hatte ihn und seine Schwester Anfang des Sommers bei einem Polospiel in Bridgehampton getroffen. Vielleicht hatte sie sogar seine Nummer. „Ich liebe Polo. Meint ihr, wir könnten bei dem Spiel zusehen?“, fragte Scarlet und drehte sich zu Billie.

„Ich denke schon. Sie spielen jeden Monat, um Geld für ein Wohnprojekt zu sammeln, das von Mauricio Velasquez unterstützt wird“, fuhr die Barista fort. Sie nahm den ausgedruckten Kassenbon und schrieb den Namen einer Website darauf.

„Ich denke, hier findet ihr sämtliche Infos“, sagte sie und reichte Scarlet den Bon. „Viel Spaß.“

Nachdem sie ihre Kaffeebecher erhalten hatten, verließen Scarlet und Billie den Laden und gingen in Richtung Parkplatz.

„Das war überraschend einfach“, sagte Billie.

„Ja. Lass uns nach Hause fahren, damit wir uns umziehen können. Ich wette, Siobahn will mitkommen“, schlug Scarlet vor.

„Da wäre ich mir nicht so sicher. Sie war heute Morgen nicht gerade bester Laune.“

Scarlet blieb abrupt stehen und drehte sich zu ihrer Assistentin herum. Billie hatte sich in den letzten Tagen hauptsächlich um Siobahn gekümmert, während Scarlet versucht hatte, mit ihrer Schwangerschaft klarzukommen. Sie hatte bisher noch niemandem davon erzählt, auch Billie nicht. Nur sie und Dr. Patel wussten es.

„Ich hätte noch mal nach ihr sehen sollen. Tut mir leid, dass ich so darauf fokussiert war, Mauricio zu finden.“

„Ist schon okay. Ich wollte damit ja nur sagen, dass ich kaum glaube, dass sie mit zum Polospiel kommt.“

„Schauen wir mal.“

Zurück im Haus, kümmerte Billie sich darum, die Kontaktdaten von Bartolome Figueras Assistentin zu ermitteln, damit die ihre Namen auf die VIP-Liste setzen konnte, während Scarlet mit Siobahn redete. Die wollte wirklich nicht aus dem Haus, sodass Scarlet ihr Lulu daließ.

Auf dem Poloplatz herrschte schon geschäftiges Treiben, als sie dort ankamen. Billie machte sich auf die Suche nach den Ställen, während Scarlet sich durch die Menge schob und Ausschau nach Polospielern hielt. Vor allem natürlich nach dem einen, mit dem sie schon einmal eine Nacht verbracht hatte.

Als Erstes entdeckte sie Bartolome, bevor sie das Lachen von Zaria, seiner Schwester, hörte. Scarlet musste sofort lächeln. Die argentinische Erbin hatte ein lautes, keckes Lachen, das ihrer Persönlichkeit entsprach. Scarlet ging auf die beiden zu und stellte fest, dass Mauricio Velasquez in derselben Gruppe stand. Er hatte den Arm um eine sehr attraktive Frau mit dichten schwarzen Haaren geschlungen. Einen Moment lang beobachtete sie die beiden. Vielleicht war es seine Schwester. Doch dann gab er der Frau einen Kuss, der absolut nichts Geschwisterliches an sich hatte.

Scarlet war noch nie ein schüchterner Mensch gewesen, doch als sie jetzt sah, wie der Vater ihres ungeborenen Kindes eine andere Frau küsste, wurde sie wütend. Im Bruchteil einer Sekunde erkannte sie, dass sie tatsächlich insgeheim davon geträumt hatte, ein perfektes Wiedersehen zu erleben, bei dem sie sofort übereinkamen, den Rest ihres Lebens miteinander zu verbringen.

Es war, als hätte sie vergessen, dass sie eine O’Malley war und so etwas für sie gar nicht infrage kam. Sie hatte keine langfristigen Beziehungen, dafür war sie nicht gemacht. Sie hatte miterlebt, wie es ihrer Mutter ergangen war, die es nicht ertragen hatte, von Scarlets Vater verlassen worden zu sein, nachdem der sich einer jüngeren, heißeren und ein klein wenig aufregenderen Frau zugewandt hatte.

Tara hatte genau wie ihr Vater ein Leben auf der Überholspur geführt. Aber Scarlet war verwirrt gewesen, zerrissen zwischen zwei gegensätzlichen Lebensentwürfen. Sie hatte von einer perfekten Familie geträumt, wie sie sie aus alten Fotos der O’Malleys kannte, als sie noch ein Kind war. Doch die Realität war völlig anders, sie war für niemanden anderen als sich selbst verantwortlich.

Es war grundsätzlich besser, wenn die O’Malleys sich nur um sich selbst kümmerten. Darin waren sie gut … und darin, unerhörte Dinge zu tun und Skandale zu provozieren.

Sie zwang sich zu einem Lächeln und ging entschlossen auf die Gruppe zu, wobei sie weder Mauricio noch der Frau einen Blick schenkte. Stattdessen würde sie sich cool geben und so tun, als wäre sie hier, um Bart zu sehen. Aber als sie näher kam, konnte sie nicht verhindern, dass ihr Blick unweigerlich zu Mauricio wanderte.

Er sah noch immer fantastisch aus – zur Hölle mit ihm. Eine Sekunde lang überlegte sie, ob es eine Welt gab, wo das Gute der Velasquez das Schlechte der O’Malleys ausbalancierte. Sie hatte nur Gutes über die Velasquez gehört und dass sie eng miteinander verbunden waren.

Und das hatte bei ihr eine Sehnsucht nach einer Familie ausgelöst, die sie nie gehabt hatte. Obwohl sie nicht gemacht war für Beziehungen, wäre es vielleicht nett, Teil solch einer Familie zu sein.

„Scarlet“, sagte Bart mit seinem bezaubernden Akzent. „Was für eine Überraschung! Wie schön, dass du hier bist. Darf ich dich meinen Freunden Mauricio Velasquez und seiner Verlobten Hadley Everton vorstellen?“

Verlobte?

Was zum Teufel?

Sie drehte sich zu dem Mann, von dem sie geglaubt hatte, ihn zu kennen, und bemerkte die Narbe an seiner Augenbraue. Der Mann, mit dem sie geschlafen hatte, hatte dort keine Narbe gehabt. Was war hier los?

„Hallo Mauricio“, sagte sie. „Ich glaube, wir haben uns schon kennengelernt. Auf der Gala in Houston.“

„Äh, eigentlich …“, begann Mauricio.

„Ich bin derjenige, den du meinst“, erklärte eine männliche Stimme hinter ihr.

Sie fuhr herum zu dem Mann und war sprachlos. Er war das Ebenbild von Mauricio. Er hatte einen Zwillingsbruder? In dem Moment wurde Scarlet klar, dass das mal wieder typisch für eine O’Malley war. Da dachte man, die Situation sei schon schlimm, und dann wurde es doch noch schlimmer. Ein Baby, das aus einem One-Night-Stand entstand? Konnte passieren. Aber dann zu erfahren, dass der Daddy ein Schwindler war, ein Fremder, über den sie nichts wusste … Nun, das war das typische O’Malley-Pech.

2. KAPITEL

Alec wünschte sich wirklich, er hätte diese E-Mail an Scarlet geschickt. Geschockt drehte sie sich zu ihm herum, ehe sich auf ihrer Miene Verachtung und Wut abzeichneten. Noch nie hatte eine Frau ihn so angesehen, und es gefiel ihm ganz und gar nicht.

Schließlich hielt er sich für einen anständigen Kerl.

Er hatte Frauen immer mit Respekt behandelt – er hatte ja eine Schwester – und niemals zu einem Mann werden wollen, der solch einen Blick verdiente.

In seinem Kopf schwirrten die Wörter umher wie ein Computer-Code, wenn er versuchte, einen neuen Algorithmus zu entschlüsseln. In Lichtgeschwindigkeit versuchte er, sie zu sortieren.

Aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um zu reden. Bart, Mo, Hadley und die anderen starrten ihn an. Mo und Hadley wussten wenigstens, was los war, aber auf die anderen wirkte das wohl alles ziemlich verrückt.

Er griff nach Scarlets Arm, um sie zur Seite zu ziehen, damit sie ungestört reden konnten. Gleichzeitig versuchte er die Tatsache zu ignorieren, dass ihr honigblondes Haar, das ihr bis auf die Schultern fiel, noch voller und verführerischer wirkte. Ihre grau-grünen Augen funkelten wütend, als sie sich aus seinem Griff löste und herumwirbelte, sodass der Rock ihres Kleides um ihre Beine schwang. Mit gestrafften Schultern marschierte sie zu einer Gruppe von Bäumen, und Alec blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen.

Er konnte es noch immer nicht fassen, dass sie hier war. Oder dass seine Lüge so öffentlich aufgedeckt worden war. Er wusste, er hatte es gründlich versaut.

Als sie schließlich im Schatten der Bäume angekommen waren, begann er sofort, sich zu entschuldigen. „Es tut mir schrecklich leid. Ich hätte dir in der Nacht gleich alles erzählen sollen. Mauricio war krank – Lebensmittelvergiftung – und hat mich gebeten, den Preis für ihn entgegenzunehmen. Aus irgendeinem Grund dachte ich, es wäre einfacher, wenn ich alle glauben ließ, ich wäre Mauricio, statt seine Abwesenheit erklären zu müssen. Außerdem wollte ich nicht, dass die Organisatoren dachten, Mo hätte sie sitzenlassen. Wir haben so was früher das ein oder andere Mal schon gemacht. Ich hätte es dir sagen sollen, aber als ich meinen Fehler bemerkte, war es schon zu spät.“

Sie legte den Kopf zurück und setzte den Hut auf, den sie in der Hand gehalten hatte. Anschließend zog sie eine dunkle Sonnenbrille heraus und setzte auch die auf.

„Ich nehme deine Entschuldigung nicht an“, sagte sie. „Wer bist du? Ich kenne nicht einmal deinen Namen.“

Beschämt schüttelte er den Kopf. Wie sollte er das jemals wiedergutmachen? „Ich bin Alejandro. Mauricio und ich sind Zwillinge. Meine Freunde nennen mich Alec.“

„Das ist gut zu wissen, Alejandro. Ich denke, das hättest du mir erzählen müssen, als wir in mein Hotelzimmer gegangen sind.“

„Da waren wir zu sehr mit … anderen Dingen beschäftigt, um zu reden“, verteidigte er sich. „Aber du hast recht. Ich hätte definitiv innehalten und dir sagen sollen, wer ich bin. Ich wollte es am Morgen tun, aber da war das Foto von uns schon viral gegangen, und mir war klar, dass mein Bruder erheblichen Ärger mit seiner Freundin bekommen würde. Also bin ich sofort zu ihm, um ihn zu warnen. Was keine Entschuldigung ist.“

Sie verschränkte die Arme unter der Brust, und sein Blick wanderte für einen Moment genau dorthin. Er genoss den tiefen V-Ausschnitt ihres Wickelkleides, ehe er realisierte, was er tat, und schnell den Blick wieder hob.

„Okay, ich verstehe, warum du verschwunden bist.“

„Es tut mir leid“, wiederholte er. War es tatsächlich so einfach. Er hatte solche Angst gehabt, ihr die Wahrheit zu sagen, und jetzt schien es so, als hätte er sich umsonst Sorgen gemacht. Er könnte sie zum Essen einladen, und vielleicht wurde dann noch mehr daraus.

Sie nickte. „Genau genommen muss ich mit dir über jene Nacht reden.“

Reden war gut. Oder? Er war ein praktisch veranlagter Mann. Ein rationaler Mann. Aber er war von Eltern erzogen worden, die an Schicksal und Bestimmung glaubten, und ein Teil von ihm war überzeugt, dass Scarlets Anwesenheit in Cole’s Hill mehr als nur ein Zufall sein musste. Aber warum war sie hier?

Autor

Katherine Garbera
<p>USA-Today-Bestsellerautorin Katherine Garbera hat schon mehr als neunzig Romane geschrieben. Von Büchern bekommt sie einfach nicht genug: ihre zweitliebste Tätigkeit nach dem Schreiben ist das Lesen. Katherine lebt mit ihrem Mann, ihren Kindern und ihrem verwöhnten Dackel in England.</p>
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