Verführt vom Millionär

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Cal braucht dringend einen Ehemann - aber nur auf dem Papier. Und wer wäre ein besserer Kandidat als ihr Sandkastenfreund Quinn, der berüchtigtste Frauenheld der Stadt? Als er einwilligt, fällt ihr ein Stein vom Herzen. Der sexy Millionär gilt jedoch nicht ohne Grund als notorischer Herzensbrecher. Auch Cal kann der Versuchung nicht widerstehen und verliebt sich nach all den Jahren plötzlich Hals über Kopf in ihren Ehemann auf Zeit. Aber die Vergangenheit hat sie gelehrt, ihren Gefühlen nicht blind zu vertrauen …


  • Erscheinungstag 11.07.2017
  • Bandnummer 1984
  • ISBN / Artikelnummer 9783733723804
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Quinn Rayne joggte über den Parkplatz an der Coal-Harbour-Promenade. Er lief schnell, aber entspannt. Dabei wich er ständig Touristen und Einheimischen aus, die an diesem späten Nachmittag einen Spaziergang auf dem gepflasterten Fuß- und Radweg unternahmen. Die Kopfhörer und die dunkle Sonnenbrille waren eine perfekte Entschuldigung, um alle verbalen und nonverbalen Anwürfe zu ignorieren.

Obwohl er schon seit zehn Jahren im Rampenlicht stand, hatte er sich nie daran gewöhnt, neugierig und manchmal sogar ablehnend gemustert zu werden. Warum konnten sich die Einwohner von Vancouver nicht mal über einen anderen das Maul zerreißen? Es gab sicher jemanden in der Stadt, der ein noch härterer Hund war, als man es ihm nachsagte.

Als er sich dem Jachthafen näherte, drosselte er sein Tempo, bis er schließlich nur noch ging. Er tastete seinen Puls und hielt den Blick auf die Armbanduhr gerichtet. Nach zwei Minuten nickte er zufrieden. Er war zwar kein Eishockey-Profi mehr, aber er war so fit wie eh und je. Ob seine Spieler wohl auch so gut in Form sein würden, wenn sie nächste Woche zum Training zurückkehrten? Er wollte es hoffen.

Quinn joggte zu seiner Jacht. Ihm gehörte einer der besten Liegeplätze mit einem unverstellten Blick auf den Burrard Inlet, links lag der Stanley Park, vor ihm der Grouse Mountain. Auf dem Wasser zu leben war ein größeres Abenteuer, als in einem Haus zu wohnen, und er war weiß Gott abenteuerlustig.

Quinn ging an Bord der Red Delicious und lief die Treppe zum Hauptdeck hinauf, um schnell in den Wohnbereich zu gelangen. Er schob die Tür auf, nahm den Kopfhörer ab und legte ihn mitsamt Mütze und Sonnenbrille auf den eleganten Beistelltisch. Dann warf er einen Blick auf die Uhr und fragte sich, ob er noch Zeit hatte zu duschen, bevor Mac und Kade vorbeikamen, um ihm von dem Treffen mit Warren Bayliss zu berichten, ihrem Geschäftspartner und Investor.

Bayliss war ein unverzichtbarer Teil ihres Plans, die Mavericks, ihren Eishockeyverein, von der derzeitigen Besitzerin Myra Hasselback zu kaufen. Sie spielte mit dem Gedanken, einem russischen Milliardär den Zuschlag zu erteilen. Quinn war klar, dass irgendetwas nicht stimmen konnte, wenn Bayliss ihn, einen der Partner, von dem Gespräch ausschloss. Und dass diese Schwierigkeiten etwas mit ihm zu tun haben mussten.

Quinn ging in den weitläufigen offenen Wohnbereich und bemerkte sofort die kleine Gestalt in der Ecke seines riesigen Sofas. Eine Tasse Kaffee in der Hand, sah sie aus dem Fenster und genoss das großartige Panorama. Einen Fuß hatte sie unter sich gezogen. Das andere Bein – lang, schlank und sexy – war angewinkelt. Genau so hatte sie an dem Tag, als er sie kennenlernte, am Strand von Sandy Cove gesessen, grinsend, mit einer großen Zahnlücke, ein sechs Jahre altes Energiebündel. Sie war sein Mädchen von nebenan, besser gesagt das Mädchen, das drei Häuser weiter wohnte. Seine Sandkastenfreundin und im Teenageralter seine Vertraute.

Sie spürte, dass er da war, und drehte sich zu ihm. Ihre dunkelroten Locken wippten. Ihre Nase und ihre Wangen waren von Sommersprossen übersät. Jede einzelne war perfekt. Er liebte diese Sommersprossen und hatte sie und ihr Gesicht so vermisst!

Er war sich nicht sicher, ob er sich die Besucherin nur einbildete oder ob sie wirklich vor ihm saß, mit roten Haaren und ohne Make-up, aber so verdammt echt, dass es ihm den Atem verschlug.

Red. Was zum Teufel machst du hier?“

Ihr Lächeln traf ihn wie ein Tritt in die Magengrube, und sein Herz machte einen Satz. Callahans tiefgründige dunkle Augen funkelten, als sie aufsprang. Quinn ertappte sich bei einem Lächeln, seinem ersten richtigen Lächeln heute. Er streckte die Arme aus und hob sie schwungvoll hoch. Sie war federleicht. Er wirbelte sie mühelos herum. Der Duft von Wildblumen umgab sie. Er war in ihrem Haar, in dem Quinn sein Gesicht vergrub, auf ihrer warmen glatten Haut, die er unter ihrem Shirt spürte. Ihr lautes Auflachen machte ihm sofort gute Laune. Sie hatte schon immer ein unverschämt freches Lachen gehabt.

Cal Adam war zurück, und seine Welt war wieder in Ordnung.

Die Füße immer noch in der Luft, legte Cal ihm die Hände auf die Schultern und sah ihm in die Augen. „Hi.“

„Auch hi.“

„Du hattest schon immer wunderschöne Augen“, sagte Cal und ließ die Fingerspitzen auf seiner Wange ruhen. „Eisgrün mit einem smaragdfarbenen Ring.“ Sie strich ihm durch den etwas zu üppigen Bart. „Aber der hier gefällt mir nicht. Du versteckst dein Gesicht dahinter. Dabei ist es so sexy!“

Quinn zog sie enger an sich. Sein Unterleib reagierte auf sie, als sie ihm die Beine um die Taille schlang. Ein Bild von ihr – nass und nackt, in genau dieser Haltung – trat vor sein inneres Auge, aber er wischte es weg. Das hier war Cal, seine älteste und beste Freundin. Sie in Gedanken auszuziehen war schräg. Und falsch.

Er tätschelte ihre straffen Rundungen. „Gut, dass du ein bisschen zugenommen hast, seit ich dich zuletzt gesehen habe.“ Das war fast zwei Jahre her. Damals hatte sie mit einem Magen-Darm-Virus, das sie sich in Panama eingefangen hatte, im Krankenhaus gelegen. Cal hatte wie ein Skelett ausgesehen.

Sie lächelte und küsste ihn kurz auf die Lippen. Quinn sehnte sich nach mehr. Er hätte gern herausgefunden, ob ihr Mund wirklich so weich war, wie er sich anfühlte – und tatsächlich so sündhaft, wie er aussah. Was war nur mit ihm los? War er mittlerweile so ein Playboy, dass jede Begegnung mit einer Frau im Schlafzimmer enden musste? Sogar mit Cal?

Cal zappelte und reckte die Füße zum Ahornparkett. Quinn ließ sie los. Sie strich sich eine Locke hinters Ohr. „Red Delicious? Das ist ein komischer Name für ein Boot.“ Sie klimperte theatralisch mit den Wimpern. „Oder hast du es etwa nach mir benannt?“

Er grinste. „Träum weiter. Nein, das ist Zufall.“

„Spaß beiseite: Es ist wunderschön“, sagte Cal und sah sich um.

Quinn folgte ihrem Blick. Die klaren Linien der Fünfundsechzig-Meter-Jacht wurden von der minimalistischen Einrichtung in kühlem Weiß, Grau und Beige wiederaufgenommen. Manchmal war ihm die Atmosphäre fast ein wenig zu nüchtern …

„Aber es braucht etwas Farbe. Ein paar Kunstdrucke und bunte Kissen“, fuhr Cal fort, als hätte sie seine Gedanken gelesen. Obwohl sie sich so lange nicht gesehen hatten, dachten sie immer noch dasselbe. „Und es ist größer als deine letzte Jacht. Wie viele Leute können hier schlafen?“

„Zehn auf dem Unterdeck. Die Kapitänskajüte liegt im Heck und hat einen begehbaren Kleiderschrank und ein Wellnessbad. Im Bug ist auch noch eine große Kajüte. Zwei kleinere mittschiffs. Es gibt auch noch eine gemütliche kleine Lounge … Da sehe ich fern, um mich zu entspannen. Zwei Decks, eines vor dem Hauptschlafzimmer und dann noch ein Freizeitdeck mit Whirlpool.“

„Beeindruckend. Das möchte ich alles sehen! Wann hast du es gekauft?“

„Etwa vor einem Jahr.“ Quinn strich Cal übers Haar. Ihre Locken ringelten sich um seine Finger. Der Duft ihres Shampoos stieg ihm in die Nase, und er fragte sich, wann Cals Haar so seidig geworden war. So verdammt mädchenhaft. Cal steckte die Hände in die hinteren Taschen ihrer eng anliegenden Jeans und drückte den Rücken durch. Das weiße Seidenshirt spannte sich über ihren kleinen straffen Brüsten. Quinn bemerkte, dass sie einen Pushup-BH mit Spitzenbesatz trug.

Verlegen rollte er die Schultern. Es reicht, Rayne.

Er rieb sich den Nacken, ging durch den Wohnbereich zur Küche und öffnete den Side-by-Side-Kühlschrank. Hoffentlich kühlte die eisige Luft seine lüsternen Gedanken etwas ab.

„Wasser?“, fragte er.

Cal schüttelte den Kopf. „Nein danke.“

Er schlug die Kühlschranktür zu und öffnete die Wasserflasche, die er sich genommen hatte.

„Wie geht es deinem Dad?“, fragte er, als ihm einfiel, warum sie wahrscheinlich in der Stadt war.

„Ganz gut. Die Bypassoperation ist erfolgreich verlaufen. Ich bin direkt vom Flughafen zum Krankenhaus gefahren. Er war wach und hat schon Pläne gemacht. Ich glaube, das ist ein gutes Zeichen. Er kann es gar nicht abwarten, wieder zu arbeiten.“ Er sah ihren Augen die Besorgnis an. „Die Ärzte sagen, dass er sich ein paar Monate lang schonen muss. Das regt ihn furchtbar auf.“

„Er ist doch gerade erst operiert worden! Die Stiftung geht schon nicht unter, nur weil er nicht da ist.“

Die Adam Foundation war die finanzstärkste Wohltätigkeitsorganisation in Kanada. Sie speiste sich aus dem Reichtum mehrerer Generationen von Cals Vorfahren. Mit dem Geld leisteten Cal und wechselnde Ehrenamtliche weltweit Hilfe zur Selbsthilfe.

Cal biss sich auf die Lippen. „Er braucht jemanden, der die Stiftung leitet, bis er wieder auf den Beinen ist.“

„Und dieser Jemand bist du?“, fragte Quinn und ärgerte sich darüber, wie freudig erregt er auf einmal war. Er und Cal lebten seit Ewigkeiten nicht mehr in derselben Stadt. Sie wieder hier zu haben würde eine sehr nette Abwechslung sein.

„Vielleicht“, antwortete Cal wenig begeistert. „Das müssen wir erst noch besprechen.“

Quinn runzelte die Stirn und fragte sich, warum Cal der Stadt, in der sie beide aufgewachsen waren, gemischte Gefühle entgegenbrachte. Vancouver war schön, interessant und vielfältig, aber Cal kam nur nach Hause, wenn es absolut unumgänglich war. Vielleicht lag es daran, dass ihr Mann ums Leben gekommen war, als sein Kleinflugzeug vor vier … nein, vor fünf Jahren nördlich der Stadt gegen einen Berg geprallt war.

Sie hatte in derselben Woche geheiratet, in der sie vierundzwanzig geworden war. Es war wegen ihrer Ehepläne zu einem heftigen Streit gekommen. Quinn hatte ihr laut und wortreich versichert, dass sie den Verstand verloren hatte, und war damals weder bei ihrem Geburtstag noch auf ihrer Hochzeit gewesen.

„Weiß die Presse schon, dass du zu Hause bist?“, fragte er, um das Thema zu wechseln. Wie er brachte Cal den Medien eher Hass als Hassliebe entgegen.

„Jeder weiß es. Die Reporter waren am Flughafen und im Krankenhaus.“

„Von wo bist du eigentlich gekommen?“ Es war ein paar Monate her, dass sie sich gesprochen hatten, und obwohl sie sich regelmäßig Mails schrieben, hatte er vergessen, wo sie zuletzt gewesen war. Cal war gewissermaßen die Feuerwehr der Familienstiftung: Sie wechselte von Projekt zu Projekt und reiste an jeden Ort, an dem sie gebraucht wurde. Sie konnte in einer Woche in Lateinamerika und in der nächsten schon im Fernen Osten sein. Cal sammelte Vielfliegermeilen wie Politiker Stimmen.

„Aus Lesotho. Dort habe ich an einem Projekt gegen die Bodenerosion gearbeitet.“ Cal nickte zur Kücheninsel hinüber, wo sein Festnetztelefon und sein Handy lagen. „Dein Handy hat geklingelt, dann auch das Telefon. Mac hat auf den Anrufbeantworter gesprochen. Er sagt, dass er mit Wren und Kade auf dem Weg hierher ist, um die heutige Katastrophe mit dir zu besprechen.“ Sie legte den Kopf schief und kniff die bildschönen blauschwarzen Augen zusammen. „Was hast du nur schon wieder ausgefressen?“

Quinn hörte Macs und Kades schwere Schritte auf der Außentreppe und zuckte die Schultern. „Wie sagt man so schön, Red? Eigentlich wollte ich nur spielen …“

Er begrüßte Wren, die PR-Leiterin der Mavericks, und seine Freunde, die zugleich seine Geschäftspartner waren, und bot ihnen allen einen Platz an. Während er Kaffee kochte, umarmten seine Freunde Cal und fragten, wie es ihr ging. Es spielt keine Rolle, wie selten sie sie sehen, dachte Quinn. Cal fügte sich automatisch wieder nahtlos in sein Leben ein und wurde akzeptiert, weil Mac und Kade wussten, dass Cal hinter ihm stand, genau wie sie beide.

Quinn brachte allen Kaffeebecher und seufzte, als er ihre düsteren Mienen sah. Normalerweise nahm er ihre Sorgen auf die leichte Schulter. Mac und Kade hatten ständig Angst, dass er auf seiner Jagd nach dem Adrenalinkick ums Leben kommen würde. Aber es gefiel ihm nicht, wie frustriert, ja verärgert sie heute wirkten. Seine Freunde und Wren waren stinksauer. Nicht unbedingt auf ihn, aber auf die Situation, in die er geraten war.

Er geriet in so einige Situationen.

Zum Teufel. Quinn fuhr sich mit den Fingern durchs schweißnasse Haar und drehte es sich im Nacken zu einem Knoten zusammen. Da wären wir wieder.

„Mach dir auch einen Kaffee. Du wirst ihn brauchen“, schlug Mac vor, lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander.

„Den kann ich kochen“, bot Cal an.

Quinn wusste ihre Hilfsbereitschaft zu schätzen, schüttelte aber den Kopf. „Danke, Red, das mache ich schon.“

Er strich sich über den dichten Bart, als er um die Insel herum zur Kaffeemaschine ging. Er holte seinen Lieblingsbecher, stellte ihn unter die Tülle und drückte den Knopf für einen Espresso. Die Maschine gurgelte und spuckte das Koffein aus. Quinn drückte den Kopf gleich noch einmal. Whiskey wäre ihm lieber gewesen, aber ein doppelter Espresso musste reichen.

„Na, wie ist das Treffen mit Warren gelaufen?“, fragte er und drehte sich um.

Direkt wie immer zeigte Mac auf Cal. „Vielleicht sollten wir das lieber im kleinen Kreis besprechen.“

Cal stand sofort auf, aber Quinn schüttelte den Kopf. „Was ich weiß, darf auch sie wissen. Ich vertraue ihr.“

Mac nickte und rieb sich das Kinn, während Cal sich wieder hinsetzte. „Deine Entscheidung.“

„Warren ist alles andere als begeistert von dir und spielt mit dem Gedanken, den Deal platzen zu lassen.“

Quinn hielt sich an der Granitplatte der Kücheninsel fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Er fühlte sich, als wäre eine zwölf Meter hohe Welle unter dem Bug der Jacht hindurchgebrandet. „Was?“

„Und warum?“, fragte Cal. Sie wirkte so schockiert wie er. „Was hat Quinn getan?“

„Geht es um das Interview, das Storm gegeben hat?“, fragte Quinn.

„Unter anderem“, bestätigte Kade.

Quinn nippte an seinem Kaffee und sah aufs Wasser hinaus. Vor ein paar Tagen hatte er in aller Frühe erfahren, dass die Frau, mit der er drei Wochen lang zusammen gewesen war, einen Monat nach der Trennung mit unappetitlichen Details ihrer Affäre an die Öffentlichkeit gegangen war. Storm hatte der Welt unter Tränen im Frühstücksfernsehen erzählt, Quinn sei gefühlskalt und habe sie ständig betrogen. Deshalb brauche sie nun eine intensive Therapie.

Sie hatte verdammt überzeugend geklungen, aber nichts davon stimmte.

Er hatte Storm von Anfang an klar gesagt, dass er nicht auf eine feste Beziehung aus war, doch sie hatte aus ihrer flüchtigen Affäre ein Drama gemacht. Storms Interview war reine Eigenwerbung, ein Trick, damit ihr zugegebenermaßen wunderschönes Gesicht weiter die Titelseiten zierte.

„Komm, Quinn, setz dich“, sagte Kade und zeigte mit dem Fuß auf einen Sessel. Quinn ließ sich auf den Sessel fallen und lehnte den Kopf an. Sein Blick huschte von Kade und Mac zu Cal. Aus ihren Augen, die genau dieselbe Farbe wie sein mitternachtsblaues Motorrad hatten, sprachen Sorge und Mitgefühl.

„Das ist nur die neueste Negativschlagzeile von vielen, und Warren befürchtet, dass es so weitergeht. Er hat uns unverblümt gesagt, dass die Mavericks sich nicht noch mehr vernichtende Meldungen leisten können, und dass es dabei immer um dich geht.“

„Will er, dass ich aus der Partnerschaft aussteige?“, fragte Quinn. Ihm klopfte das Herz bis zum Hals.

„Er hat es angedeutet.“

Quinn fluchte. Die Mavericks, Macs und Kades Partner zu sein, all das machte einen Großteil dessen aus, was er war. Die Mannschaft zu trainieren war seine Leidenschaft, sein Beruf, sein Lebensinhalt. Er brannte dafür.

Aber um die Mavericks zu übernehmen, brauchten sie Bayliss. Er war ihre Eintrittskarte zu besseren Sponsorenverträgen. Er hatte Medienkontakte, von denen sie nur träumen konnten und die sie benötigten, um die Mavericks als Marke zu stärken. Aber ihr Investor glaubte, dass Quinn ein Schwachpunkt war.

Zumteufelverdammtermist.

Quinn sah Cal an. Sie ließ sich von ihrem Barhocker gleiten, um sich auf seinen Sessel zu setzen und ihm den Arm locker um die Schultern zu legen. Er war so froh, dass sie wieder in der Stadt war, froh, dass sie hier war. Er brauchte selten irgendjemanden, aber jetzt gerade brauchte er sie. Ihre bedingungslose Unterstützung, ihren Humor, ihre Bodenständigkeit.

Er sah Wren an. „Hat er recht? Schade ich den Mavericks?“, fragte er. Seine Stimme war von Natur aus tief, jetzt aber vor Anspannung besonders rau.

Wren warf einen Blick auf den Zeitungsstapel, der neben ihr lag. „Du trägst jedenfalls nicht zu ihrem guten Ruf bei.“ Sie verschränkte die Hände auf dem Tisch und beugte sich vor. Ihr Gesicht wirkte ernst. „Im Grunde folgen alle Berichte über dich in letzter Zeit demselben Muster. Die Journalisten fallen über dich her wie ein Rudel tollwütiger Wölfe.“

Quinn runzelte die Stirn. „Na super.“

„Leider haben sie auch keinen Grund, dich mit Samthandschuhen anzufassen. Vor ein paar Wochen hättest du fast einen Fotografen überfahren“, sagte Wren.

Quinn hob die Hände. „Das war ein Unfall. Gewissermaßen.“

Wren fuhr fort: „Alle sind sich einig, dass es Zeit wird, dass du erwachsen wirst. Dass deine … Abenteuer nur noch peinlich sind. Dass es langweilig ist, dich jeden Monat mit einer anderen Frau zu sehen. Manche Journalisten gehen sogar noch einen Schritt weiter und fragen, wann du wohl Kades und Macs Vorbild folgst und eine Familie gründest. Was witzig und interessant war, als du Anfang zwanzig warst, wirkt jetzt nur noch, als ob du dich gehen lässt.“

Quinn verzog das Gesicht. Aua. Das ist hart.

Nicht so hart, wie zu wissen, dass er nie eine eigene Familie haben würde, aber …

Ach komm, Rayne, hör auf damit! Du weißt schon seit fünf Jahren, dass du unfruchtbar bist, und hast dich damit abgefunden. Eigentlich willst du doch auch gar keine Familie, oder? Grübel nicht länger, sondern schau nach vorn!

Kade hob eine Zeitung hoch. Quinn sah, dass jemand, vermutlich Wren, einen Teil des Texts unterstrichen hatte.

Kade las die vernichtenden Worte laut vor:

Insidern zufolge steht der Deal zum Kauf der Mavericks zwischen Quinn Rayne, Kade Webb, Mac McCaskill und ihrem Investor, dem milliardenschweren Industriellen Wayne Bayliss, kurz vor dem Abschluss. Obwohl Bayliss als konservativ gilt, schlägt Rayne nach wie vor über die Stränge. Als Trainer brillant und erfolgreich, ist er seinen Spielern privat kein Vorbild. Sein Liebesleben ist eine Lachnummer. Offenbar können nicht mal seine Partner ihm ins Gewissen reden.

Kade und Mac musterten ihn unverwandt. Er wusste es zu schätzen, dass sie ihn direkt ansahen.

„Ist es das, was ihr mir sagen wollt?“, fragte er heiser.

Kade tauschte einen Blick mit Mac und sagte dann: „Das letzte Jahr war für uns alle stressig. Es ist so viel passiert: Vernons Tod, die Partnerschaft mit Bayliss, der geplante Kauf der Mannschaft …“

„Ihr habt euch verliebt und Familien gegründet“, ergänzte Wren.

Kade nickte. „Auch ohne Negativschlagzeilen ist die Situation schon kompliziert genug. Du musst dich für uns, die Mavericks, zusammenreißen.“

Quinn starrte an die Decke. Er wollte widersprechen, über die unfairen Vorwürfe schimpfen, alles leugnen. Stattdessen senkte er wieder den Kopf und schaute Cal an, die immer noch auf der Sessellehne saß und nachdenklich guckte.

„Du bist so still, Red. Was meinst du?“

Cal biss sich auf die Unterlippe. Sie ließ den Kopf zur Seite sinken und seufzte tief. „Ich weiß, wie wichtig es euch ist, die Mannschaft zu kaufen, und ich glaube, du würdest alles tun, um dafür zu sorgen, dass ihr es schafft.“ Sie zog die Nase kraus. „Vielleicht musst du wirklich eine ruhigere Kugel schieben. Keine ständig wechselnden Dates, keine Extremsportarten mehr …“

Das Klingeln eines Handys unterbrach sie.

Cal sprang auf. „Entschuldige, das ist meins. Vielleicht ist es das Krankenhaus.“

Quinn nickte. Cal beugte sich vor, um ihre Tasche aufzuheben, und er blinzelte, als der Jeansstoff sich straff über ihre perfekt geformten Kurven spannte. Er schluckte. Sein Mund war staubtrocken.

Quinn rieb sich den Nacken. Statt über Red und ihren schönen Körper nachzudenken, sollte er seine Aufmerksamkeit lieber seiner Karriere widmen. Er musste Bayliss überzeugen, dass er ein unverzichtbarer und wertvoller Bestandteil des Teams war, kein Risikofaktor. Dafür musste er die Medien loswerden oder zumindest dafür sorgen, dass sie sich auf etwas Positiveres an ihm konzentrierten. Aber das war leichter gesagt als getan.

Als Cal durch die Glastür auf das kleinere Deck hinaushuschte, gestand er sich ein, dass das Begehren, das er plötzlich empfand, eine zusätzliche Schwierigkeit war, auf die er liebend gern verzichtet hätte.

„Callahan Adam-Carter? Bitte bleiben Sie in der Leitung, Mr. Graeme Moore möchte Sie sprechen.“

Cal runzelte die Stirn und fragte sich, wer Graeme Moore war. Sie warf einen Blick zurück in die Lounge und dachte, dass die drei Mavericks unglaublich sexy waren. Sportlich, muskulös, weltmännisch. Und da Quinn als Einziger noch Single war, wunderte es sie nicht, dass die Presse sich auf ihn konzentrierte. Zu einem anständigen Frühstück gehörte in Vancouver neben Kaffee auch der neueste Klatsch und Tratsch über die beliebtesten Eishockeystars der Stadt.

Im Laufe der Jahre war Quinns blondes Haar nachgedunkelt. Heute war es karamellfarben, aber seine Augen – diese glänzenden eisgrünen Augen unter langen dunklen Wimpern und dichten Augenbrauen – waren noch genau wie früher. Sein zu langer dunkelblonder Bart und seine Frisur gefielen ihr nicht unbedingt, aber sie verstand, warum die weibliche Bevölkerung von Vancouver auf ihn abfuhr. Er wirkte äußerst maskulin und schien von einem Hauch von Gefahr umgeben zu sein, der keine Frau unberührt ließ. Sie beobachtete nun schon ihr Leben lang, wie er Frauen um den Verstand brachte, und wusste, dass er ein richtig heißer Typ war.

Als sie ihn vorhin umarmte, war ihr aufgefallen, dass sich ihr Herzschlag beschleunigte, und tief unten hatte etwas in ihr pulsiert. Interessant. Nachdem sie sich fünf Jahre lang nicht im Geringsten zu irgendjemandem hingezogen gefühlt hatte, kehrte ihre Sexualität endlich zurück. Dass sie so auf Quinn reagierte, war wohl darauf zurückzuführen, dass sie schon lange nicht mehr so nahe bei einem attraktiven Mann gewesen war. Oder bei irgendeinem Mann.

Es hatte nichts zu bedeuten. Er war schließlich Quinn. Quinn! Der Junge, der versucht hatte, im Badezimmer Frösche zu züchten. Er hatte Cal gnadenlos aufgezogen und sie dennoch gegen andere Schüler verteidigt, die sie gemobbt hatten. Für sie war er nicht der beste Eishockeytrainer der NHL, der wilde Adrenalinjunkie, dessen Eskapaden Wasser auf den Mühlen der Klatschpresse waren, oder auch nur der durchtrainierte Playboy, der mit Supermodels und geltungssüchtigen Schauspielerinnen ausging.

Er war einfach nur Quinn und schon knapp zwanzig Jahre lang ihr bester Freund.

Eigentlich eher achtzehn Jahre lang. Ein halbes Jahr vor ihrer Hochzeit und während ihrer Ehe hatten sie kein Wort miteinander gesprochen. Erst nach Tobys Tod hatten sie wieder Kontakt zueinander aufgenommen.

„Mrs. Carter, ich freue mich, Sie endlich zu erreichen.“

Mrs. Carter? Cal wurde flau im Magen, und der Kaffee kam ihr wieder hoch. Sie schluckte.

„Ich habe zahlreiche Nachrichten an Ihre E-Mail-Adresse bei Carter International geschickt, aber Sie haben sie nicht beantwortet“, fuhr Moore fort.

Cal zuckte die Schultern. Seit Toby gestorben war, beachtete sie Mails an diese Adresse nur noch selten – na gut, nie. „Das tut mir leid. Wer sind Sie?“

„Toby Carters Anwalt. Ich rufe Sie wegen seines Erbes an.“

„Warum denn? Alle Erbschaftsangelegenheiten sind doch seit Jahren geklärt“, sagte Cal und runzelte die Stirn.

Moore schwieg eine ganze Weile. Dann sagte er: „Ich habe nach der Beerdigung sein Testament verlesen, Mrs. Carter. Erinnern Sie sich an den Tag?“

Nein, eigentlich nicht. Ihre Erinnerungen an Tobys Tod und sein Begräbnis waren von einem Nebel umgeben, den sie nicht durchdringen konnte und wollte.

„Ich habe Ihnen eine Mappe gegeben und Sie gebeten, das Testament noch einmal zu lesen, wenn Sie sich stärker fühlen“, fuhr Moore fort, als sie nicht antwortete. „Das haben Sie nicht getan, oder?“

Cal verdrängte die Übelkeit, die in ihr aufstieg, wann immer sie von Toby sprach, und zwang sich nachzudenken. Nein, sie hatte das Testament nicht noch einmal gelesen. Wahrscheinlich lag die Mappe immer noch im Arbeitszimmer in Tobys bis heute leer stehendem Haus.

„Warum rufen Sie mich an, Mr. Moore?“

„Um Sie daran zu erinnern, das Mr. Carters Erbe die letzten fünf Jahre geruht hat. Mr. Carter wollte, dass Sie alles erben, wollte seinen Reichtum aber nicht mit Ihrem künftigen Mann teilen. Sein Testament legt fest, dass Sie sein Erbe antreten können, wenn Sie nach seinem Tod fünf Jahre lang nicht geheiratet haben.“

„Was?“

„Die Erbschaft umfasst zahlreiche Bankkonten, seine Immobilien hier und in Übersee und seine Anteile an Carter International, daneben auch seine Kunst-, Möbel- und Edelsteinsammlungen. Insgesamt wird der Wert des Erbes auf zweihundert Millionen Dollar geschätzt.“

„Ich will es nicht! Geben Sie es seinen Söhnen.“

„Das Testament kann nicht geändert werden. Nur wenn Sie vor dem Jahrestag seines Todes heiraten, verfällt Ihr Anspruch auf Mr. Carters Erbe. Dann wird es zu gleichen Teilen zwischen seinen beiden Söhnen geteilt.“

Toby, du Dreckskerl! „Also muss ich innerhalb von vier Monaten heiraten, um dafür zu sorgen, dass seine Söhne erben, was ihnen in moralischer Hinsicht ohnehin zusteht?“, fragte Cal und spürte, dass sie Herzklopfen bekam.

Autor

Joss Wood
<p>Schon mit acht Jahren schrieb Joss Wood ihr erstes Buch und hat danach eigentlich nie mehr damit aufgehört. Der Leidenschaft, die sie verspürt, wenn sie ihre Geschichten schwarz auf weiß entstehen lässt, kommt nur ihre Liebe zum Lesen gleich. Und ihre Freude an Reisen, auf denen sie, mit dem Rucksack...
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