Verliebt, verführt – verboten!

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Hotelier Arjun Singh ist Milliardär, attraktiv, heiß umschwärmt - und Ranis neuer Auftraggeber! Für ihn stattet die junge Innenarchitektin ein Luxushotel in Las Vegas aus. Allerdings vergisst Rani bei dem Verlangen in Arjuns dunklen Samtaugen, was sie sich geschworen hat: Nie wieder bei einem Kunden schwach zu werden, schließlich ist das schrecklich unprofessionell. Doch genau das passiert, und ihre Affäre bleibt nicht unbeobachtet. Ein Skandal droht: Denn zu Hause in Indien ist Arjun bereits mit einer anderen verlobt …


  • Erscheinungstag 16.02.2021
  • Bandnummer 2173
  • ISBN / Artikelnummer 9783751503549
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

1. Er beherrscht jeden Raum, als sei er sein Eigentum.

Dieses war der erste der zehn Punkte, die Rani Gupta auf dem Memo für ihre Chefin Delia Dietz notiert hatte. Und er traf absolut ins Schwarze. Jeder stand sofort auf, als Arjun Singh den Konferenzraum betrat. Er war groß, schlank, teuer gekleidet und strotzte vor Selbstvertrauen. Ganz eindeutig war er der begehrteste Mann Indiens. So wenigstens wurde er von den einschlägigen Medien Südasiens bezeichnet. Normalerweise verstand man darunter den neuesten Beau von Bollywood oder ein Männermodel, das besonders sexy war.

In diesem Fall aber war damit ein Wirtschaftsboss gemeint, der mächtige Hotelier Arjun Singh. Mit dem das Architekturbüro RKS Architecture, bei dem Rani arbeitete, ins Geschäft kommen wollte.

„Lass mich das vortragen“, flüsterte Delia Rani zu, die sich ordentlich zusammennehmen musste, um nicht zu widersprechen. Denn schließlich hatte sie die ganze Sache erdacht und ausgearbeitet. Aber weil sie hoffte, endlich befördert zu werden, was eigentlich schon vor zwei Jahren der Fall hätte sein sollen, hielt sie den Mund.

Arjun Singh begrüßte die Anwesenden mit einem gewinnenden Lächeln. Seine Stimme war tief und weich, und er sprach Englisch mit diesem typisch indischen Akzent eines Mannes, der in einem Internat in England erzogen worden war. Rani liebte seine Ausdrucksweise und sank mit klopfendem Herzen in den weichen Ledersessel, als Arjun das Zeichen gab.

Nachdem alle sich gesetzt hatten, griff Rani nach ihrer Kaffeetasse, schon um sich an irgendetwas festzuhalten. Sie trank einen Schluck. Selbst der Kaffee schmeckt hier oben besser, dachte sie. Kein Wunder, der Konferenzraum im obersten Stockwerk des RKS-Gebäudes war darauf angelegt, die Besucher und potenzielle Kunden zu beeindrucken. Von den bodentiefen Fenstern aus hatte man einen fantastischen Blick auf Las Vegas’ berühmten Strip. Die ganze Ausstattung roch nach Geld.

Jetzt begann die Runde, sich dem berühmten Besucher vorzustellen. Arjun nickte jedem freundlich zu. Als Rani an der Reihe war, blieb sein Blick auf ihr haften, selbst dann noch, als Delia zu sprechen begann. Rani starrte ihn an und war froh, dass bei ihrer natürlichen Bräune nicht gleich auffiel, wie rot sie geworden war. Als sei er überrascht, hatte Arjun leicht die Augenbrauen gehoben, und Rani stockte der Atem. Mist.

Erst als er den Blickkontakt abbrach, konnte sie wieder atmen. Was war das eben gewesen? Wenn sie es nicht besser wüsste, könnte sie auf den Gedanken kommen, er sei an ihr interessiert, wenigstens ein paar Sekunden lang. Was für ein Unsinn. Ein Mann wie Arjun Singh nahm so jemanden wie sie doch gar nicht wahr. Der begehrteste Junggeselle Indiens konnte die schönsten Frauen haben. Warum also sollte er sich für sie interessieren, die weder besonders schön noch besonders schlank war? Wahrscheinlich war ihre mangelnde Erfahrung mit Männern daran schuld, dass sie zu viel in einen Blick hineininterpretierte. Vor oder nach ihrem Ex hatte sie keinen anderen Mann gehabt. Und vom Flirten hatte sie schon gar keine Ahnung.

Delia setzte ihr charmantestes Lächeln auf. „Namaste, Mr. Singh …“ Dabei senkte sie die Stimme ab und dehnte die Worte wie eine Yogalehrerin, die die Anwesenden aufforderte, ihren inneren Frieden zu finden. Rani hätte am liebsten mit den Augen gerollt. Mr. Singh offenbar auch, wie Rani mit einem kurzen Seitenblick feststellte. Namaste war doch nur eine übliche Grußformel. Daher war es geradezu lächerlich, dieses Wort derart zu betonen.

„Wir sind Ihnen so dankbar“, fuhr Delia fort und strahlte Arjun unentwegt an, „dass Sie den langen Weg von Indien zu uns auf sich genommen haben. Mein Nachbar ist aus Bangalore, und ich habe gerade mit ihm über die lange Reise gesprochen. Obwohl Sie ja aus Rajasthan kommen, was mehr im Norden liegt …“

Zehn, neun, acht … Ungeduldig zählte Rani die Sekunden herunter. Bei fünf hob Arjun endlich die Hand. „Danke, danke. Aber bitte haben Sie Verständnis, wenn wir gleich zur Sache kommen. Meine Zeit ist sehr begrenzt.“

2. Versuch nicht, ihm mit Geschichten von Indien oder Indern zu kommen. Das nervt ihn.

Offenbar hat Delia sich nicht die Zeit genommen, sich mein Memo genauer anzusehen, dachte Rani wütend.

„Selbstverständlich.“ Verlegen räusperte sich Delia und drückte auf einen Knopf. Eine große Leinwand wurde sichtbar. Während Delia ihre Powerpoint-Präsentation abspulte, sackte Rani immer mehr in sich zusammen. Denn was Delia vortrug, hatte zu Ranis Überraschung nichts mit ihren Vorschlägen für die Lobby, das Casino und die Zimmer zu tun. Ihre ganze Arbeit war umsonst gewesen, und, schlimmer noch, das, was Delia da als Entwurf für Arjuns Hotel vorstellte, war absolut falsch und entsprach ganz sicher nicht dem, was Mr. Singh erwartete.

Sie warf ihm einen schnellen Blick zu. Sein Gesicht war ausdruckslos, aber er trommelte nervös mit den Fingern auf die Tischplatte, als könne er das Ende der Präsentation kaum abwarten. Erst als sie zu dem Apartment kam, das für ihn als Hotelbesitzer vorgesehen war, wurde er aufmerksamer. Was für Rani ein innerer Reichsparteitag war, denn in diesem Fall hatte Delia sich an ihre Vorschläge gehalten.

Delia hatte kaum geendet, als Arjun die Hand hob. „Danke, das genügt.“ Tödliches Schweigen. „Mit einer Ausnahme unterscheiden sich Ihre Vorschläge leider nicht von den langweiligen Designs, die mir bisher von anderen Architektenbüros vorgeschlagen worden sind.“

3. Er ist dafür bekannt, dass er seine Meinung mehr als klar äußert.

Delia setzte sich und spielte nervös mit ihrem Stift. Normalerweise hätte Rani sich gefreut, dass ihre Chefin mal zurechtgestutzt wurde. Aber in diesem Fall hing sie selbst mit drin. Fand der allmächtige Mr. Singh denn ihr Design für sein privates Apartment auch so schlecht?

„Könnten Sie Ihre Kritik etwas spezifizieren?“ Delia hatte sich wieder gefangen.

„Der einzig originelle Entwurf ist der für mein Apartment. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Jaali-Thema zu wählen?“

Ranis Puls beschleunigte sich. Sie war kurz davor, aufzuspringen und sich wie in der Schule zu melden. Aber Delia dachte nicht daran, sie zu Wort kommen zu lassen.

„Na ja, wir hatten den großartigen Tadsch Mahal im Sinn und …“, fing Delia unsicher an.

Innerlich stöhnte Rani auf. Arjun Singh schloss seine Mappe und stand auf. „Sie haben offenbar keine Ahnung, wovon Sie reden“, bürstete er Delia ab. „Bedaure, aber dieses Treffen war reine Zeitverschwendung.“

„Soviel ich weiß, hatten Sie bestimmte Vorstellungen“, sprang Rani schnell ein. „Ihr Apartment sollte gleichzeitig großzügig und offen sein, aber auch Privatsphäre bieten. Da boten sich Jaali-Elemente an, also durchbrochene Wände, sodass Licht und Luft hindurchkommen und trotzdem eine gewisse Intimität gewährleistet ist. Das kann mit Stein, mit Holz wie auch mit anderen Materialien geschehen. Da gibt es unendliche Möglichkeiten, die auch dem Hotel einen ganz besonderen Touch verleihen könnten.“

Alle starrten Rani an, auch Arjun, der sich wieder in seinen Ledersessel fallen ließ. Delia bringt mich um, ging es Rani durch den Kopf. Aber da meine Karriere sowieso am Ende ist, brauche ich auch keine Rücksicht mehr zu nehmen.

„Sie hatten gesagt, Ihr Apartment solle sich wie ein Zuhause anfühlen“, fuhr Rani ruhig fort. „Deshalb haben wir uns von der Bauweise alter indischer Häuser inspirieren lassen.“ Während sie ihre Pläne weiter ausführte, fiel ihr auf, dass Arjun sie nicht aus den Augen ließ, obwohl sie absichtlich immer wir und nicht ich sagte.

Sobald sie geendet hatte, sagte Delia schnell: „Rani Gupta gehört zu meinem Team und hat an den Plänen für Ihr Apartment mitgearbeitet.“

4. Er hat eine sehr gute Menschenkenntnis und hasst es, für dumm verkauft zu werden.

„Die meisten Ihrer Ideen für das Hotel sind langweilig und nichts Neues“, wandte sich Arjun verärgert an Delia. „Ich stelle mir etwas Originelles vor wie das Jaali-Design, das Ihre Kollegin gerade erörtert hat.“

Stille.

„Ich versichere Ihnen, Mr. Singh“, brach Delia endlich das Schweigen, „dass unsere Ideen neuartig sind. Aber wenn sie Ihnen nicht zusagen, können wir Ihnen gern ein paar weitere Vorschläge machen.“

Unwillig schüttelte Arjun Singh den Kopf. „Das Hotel muss in sechs Monaten fertig sein. Ich habe keine Zeit für weitere Präsentationen, die dann auch nicht das bringen, was ich mir vorstelle. Denn die Garantie können Sie mir ja nicht geben, oder?“

„Da Ihr Projekt für uns sehr wichtig ist, verspreche ich Ihnen, meine besten Leute dranzusetzen.“ Ian Rabat, der Geschäftsführer der Firma, war aufgestanden und sah Arjun fest an. Ians Vater hatte das Architektenbüro gegründet, und sein Sohn, den jeder nur mit Mr. Rabat ansprach, hatte die Firma zu dem gemacht, was sie jetzt war. „Und ich glaube, unsere Rani Gupta versteht am ehesten, was Sie sich vorstellen. Sie wird das Projekt leiten.“

„Aber …“, fing Delia an, schwieg jedoch sofort, als Ian Rabat sie scharf ansah.

Ranis Puls raste. Ist das sein Ernst? Ich soll das große Projekt leiten? Als Arjuns Blick sie traf, runzelte sie kurz die Stirn. Weshalb sieht er mich so an? Will er etwa wissen, ob ich einverstanden bin? Nach ihrer Erfahrung fragten indische Männer nie danach, was Frauen wollten. Sie bestimmten, was geschah. Ihr Ex Navin war in dem Punkt sehr indisch gewesen.

Sie nickte kurz und versuchte dabei, gelassen auszusehen, als sei sie es gewohnt, für solche Projekte verantwortlich zu sein. Dabei klopfte ihr das Herz bis zum Hals. Würde sie mit so einem anspruchsvollen Kunden wie Arjun Singh zurechtkommen?

Arjun stand auf. „Ich bin bereit, einen Teilvertrag über das Apartment mit Ihnen abzuschließen. Und ich erwarte Entwürfe im Stil, den Ms. Gupta vorgeschlagen hat, für die Lobby und Vorschläge für den Rest des Hotels. Ihren Kostenvoranschlag hätte ich gern noch heute Abend. Wenn alles meinen Erwartungen entspricht, können Sie morgen mit dem Vertrag rechnen.“ Damit drehte er sich um und verließ ohne sich zu verabschieden den Raum.

Für wenige Sekunden herrschte fassungsloses Schweigen. Dann redeten alle auf einmal. Delia stand auf und ging auf Mr. Rabat zu.

Rani verließ schnell den Raum. Arjun Singh stand vor den Fahrstühlen.

„Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit, Mr. Singh.“ Sie streckte ihm die Hand entgegen, die er nach kurzem Zögern ergriff. Er war so groß, dass sie den Kopf zurücklegen musste, um ihm in die Augen zu sehen. Als ihre Blicke sich trafen, bekam sie weiche Knie.

Das war ihm nicht entgangen, denn er lächelte leicht. „Für Sie bin ich Arjun. Darf ich … Rani zu Ihnen sagen?“ Er sprach ihren Namen weich und schmelzend aus, und wieder wurde Rani rot.

„Äh … selbstverständlich.“ Schnell entzog sie ihm die Hand. Vorsicht, Rani. Der Mann ist gefährlich.

„Eins würde mich noch interessieren.“ Arjun sah sie unentwegt an. „Wie groß war Ihr Anteil an dem Apartmententwurf?“

„Hundert Prozent.“

„Das habe ich mir schon gedacht“, sagte er lächelnd, und dieses Lächeln war so ganz anders als das leicht genervte, wenn Reporter ihn bedrängten. Oder das falsche Lächeln, das er vorhin während der Sitzung aufgesetzt hatte. Dieses Lächeln jetzt war herzlich und warm. Während ihrer Recherchen hatte Rani sehr viele Fotos von Arjun betrachtet. So hatte er noch auf keinem Bild gelächelt.

„Seit Monaten suche ich ein Architekturbüro, das auch nur annähernd meine Vorstellungen verwirklicht. Bisher erfolglos. Aber vielleicht habe ich jetzt Glück. Sie sind sehr begabt, Rani. Und ich bin schon sehr gespannt, was Sie sich für die Lobby ausdenken.“

Oh Gott, wieder dieses Lächeln … „Darauf brauchen Sie nicht lange zu warten. Ich habe bereits einen Entwurf für die Lobby gemacht und bin eigentlich ziemlich sicher, dass er Ihnen gefällt.“

Der Fahrstuhl kam, die Türen öffneten sich. Arjun trat ein, wandte sich aber noch einmal zu Rani um. „Ich habe das Gefühl, dass wir sehr gut zusammenarbeiten werden.“ Er legte die Handflächen zusammen, als sich die Türen schlossen. „Namaste, Rani.“

Namaste, Arjun. Wie verzaubert starrte Rani auf die geschlossene Tür. Als sich hinter ihr jemand räusperte, wandte sie sich schnell um. Delia!

Ihre Chefin lächelte leicht verkniffen. „Ich sehe, du hast schon einen guten Draht zu Mr. Singh.“

„Da wir uns um den Auftrag bewerben wollten, habe ich mich ziemlich genau über Arjun Singh informiert. Aber ich wollte auch gern noch ein persönliches Wort mit ihm wechseln, da wir möglicherweise in Zukunft zusammenarbeiten werden.“

Delia nickte. „Ich habe das Memo gelesen, das du über ihn zusammengestellt hast. Mit deiner Einschätzung war ich zwar nicht einverstanden, aber nach dem, wie das heute gelaufen ist, muss ich dir recht geben.“

Immerhin. Auf Delias Entschuldigung dafür, dass sie ihre Entwürfe mit einer Ausnahme nicht berücksichtigt hatte, konnte Rani wohl nicht hoffen.

„Glückwunsch. Was den Kunden betrifft, wirst du das Projekt leiten. Aber ich erwarte, dass du mich über alles informierst, und werde jeden deiner Schritte genau verfolgen.“

Rani seufzte innerlich. Sie konnte sich schon vorstellen, was das bedeutete. Jeder Fehler würde ihr angekreidet werden, und jeder Erfolg würde auf Delias Konto gehen. Aber darüber wollte sie sich jetzt keine Gedanken machen. Sie würde sich von ihrer Chefin nicht den Tag verderben lassen. „Okay, da sehe ich kein Problem.“ Sie setzte ein strahlendes Lächeln auf, denn ihr war eingefallen, dass Mr. Rabat selbst, der schließlich auch Delias Chef war, sie mit dem Projekt betreut hatte. „Dann wird es wohl auch bald etwas mit meiner Beförderung?“

„Wir werden sehen“, meinte Delia nur.

Aber damit würde Rani sich diesmal nicht abspeisen lassen. Sie hatte für den Entwurf viele Überstunden gemacht, und, weil sie nicht die alten, abgenudelten Ideen ihrer Kollegen benutzt hatte, den Auftrag für ihre Firma an Land gezogen. „Ich bin sicher, dass das mir anvertraute Projekt dieser Größenordnung eine Beförderung mehr als rechtfertigt.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah Delia herausfordernd an.

„Ja, wahrscheinlich schon“, gab Delia widerwillig zu. „Aber eins lass dir sagen, Rani“, fuhr sie mit erhobener Stimme fort. „Architekt ist nach wie vor eher ein Männerberuf. Vor allem in Las Vegas hat man es da als Frau schwer, Karriere zu machen. Du hast zwar das Talent, an die Spitze zu kommen, aber eine Sache kann dich schnell zu Fall bringen.“ Nachdrücklich sah sie Rani an. „Lass dich nie privat mit einem Kunden ein.“

„Wie kommst du denn darauf?“

Delia verdrehte die Augen. „Tu doch nicht so. Jeder hat bemerkt, wie ihr beiden euch im Konferenzraum angesehen habt. Ich will dich auch nur warnen. In deinem Arbeitsvertrag steht eindeutig, dass private Kontakte mit Kunden zu sofortiger Entlassung führen. Vor zwei Jahren hat man darüber noch hinweggesehen, aber noch mal darf das nicht passieren.“

Verlegen sah Rani zu Boden, als sie daran dachte, dass ihr Ex vor zwei Jahren fast ihre Karriere zerstört hätte. Aus Wut darüber, dass sie die Scheidung eingereicht hatte, war er bei RKS aufgetaucht und hatte aus ihrer freundschaftlichen Beziehung zu ihrem damaligen Chef eine Riesensache gemacht. Der war daraufhin entlassen worden, was Rani immer noch schwer auf der Seele lag. Was Delia außerdem nicht wusste, war die Tatsache, dass Rani in ihrer Ehe mit Navin sehr gelitten hatte. Sie war in einer traditionellen indischen Beziehung gefangen gewesen, hatte keinerlei Freiheit, durfte ihre Meinung nicht äußern und war würdelos behandelt worden. Nur unter großen emotionalen und finanziellen Verlusten hatte sie sich schließlich aus diesem Gefängnis befreit und sich geschworen, nie wieder einem Mann Macht über sich einzuräumen. Vor allem keinem Inder. Denn einen Inder zu heiraten bedeutete, seine ganze Familie mitzuheiraten.

Arjuns Projekt gab ihr die Möglichkeit, beruflich endlich das zu erreichen, was sie sich wünschte. Bisher hatte er nur schlechte Erfahrungen mit den Architekturbüros in Las Vegas gemacht. Und wenn sie es schaffte, ihn zufriedenzustellen, würde sie so bekannt werden, dass sie ihr eigenes Beratungsbüro aufmachen konnte.

Rani nahm die Arme herunter und sah Delia ernst an. „Bitte, glaub mir, für mich ist die Karriere das Wichtigste auf der Welt. Arjun Singh wird nie mehr für mich sein als ein Kunde.“

Sie warf einen Blick zurück auf die Fahrtstuhltür. Und wenn der Mann noch so sexy war, dies war ihre Chance, endlich ihr Leben in die Hand zu nehmen. Und die würde sie, verdammt noch mal, nicht verpassen.

2. KAPITEL

„Dann hast du endlich ein Architekturbüro gefunden?“

„Ja, Ma.“ Arjun hielt das Telefon mit der linken Hand fest, während er mit der rechten eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank nahm. „Eine der leitenden Architekten ist indischer Abstammung, und sie versteht, wonach ich suche.“ Im Gedanken daran, dass er Rani heute Abend wiedersehen würde, lächelte Arjun. RKS feierte die Unterzeichnung des Vertrages mit einem Empfang.

„Das ist ja wunderbar. Wann wird das Hotel fertig sein?“

Arjun verdrehte die Augen und war froh, dass seine Mutter ihn nicht sehen konnte. „Das weiß ich nicht genau. An den Entwürfen wird noch gearbeitet.“

„Du sollst deine Mutter nicht anlügen, Arjun. Im Vertrag steht doch sicher das Datum der Fertigstellung. Sonst hättest du doch nicht unterschrieben.“

Das schon, aber … „Im Vertrag stehen sechs Monate. Mit einem Bonus, wenn sie es in fünf schaffen.“

„Sehr gut. Denn pandit-yi hat mir gesagt, dass ein bestimmtes Datum im März besonders gut für deine Heirat mit Hema geeignet ist.“

„Aber Ma!“ Arjun seufzte. „Fängst du wieder damit an?“

„Pandit sagt, dass ein solch günstiges Datum höchstens wieder in zwei Jahren käme“, fuhr seine Mutter unbeirrt fort. „Und zeitlich passt das doch hervorragend mit deinen Hotelplänen zusammen.“

Aber klar, der pandit, den seine Mutter sehr gut bezahlte, hatte den Termin genau so gelegt, dass das Hotel für eine üppige indische Hochzeit zur Verfügung stand, wie sie seiner Mutter vorschwebte. „Ich verstehe nicht, warum du es so eilig hast, Ma.“

„Eilig? Hema und ihre Familie haben in den letzten fünf Jahren sehr viel Geduld bewiesen. Und da wir jetzt Geschäftspartner sind, sollten wir auch mit der privaten Bindung nicht länger warten. Deine Hochzeit mit Hema macht die Beziehung zu ihrer Familie perfekt. In einem Monat wird Diwali gefeiert. Da solltest du nach Hause kommen, damit wir die Verlobung bekannt geben können.“

Arjun rollte mit den Schultern. Er war total verspannt. Ihm fielen keine Gründe mehr ein, die Verlobung mit Hema noch weiter hinauszuschieben. Es war sein Traum, das Familienunternehmen weltweit auszubauen. Aber seine Familie hatte nicht genügend Geld flüssig, wohl aber Hemas Familie, mit denen die Singhs befreundet waren. Sie hatte sich bereit erklärt, sich mit einer Milliarde zu beteiligen. Das Hotel in Las Vegas sollte das erste einer Reihe von Luxushotels sein.

Seine Eltern hatten vorgeschlagen, die geschäftliche Verbindung zu Hemas Familie mit einer privaten Bindung zu festigen, und Arjun hatte zugestimmt. Hema war eine nette Frau, die sich in indischen Familientraditionen sehr gut auskannte. Nachdem er schon einmal sehr schlechte Erfahrungen gemacht hatte, war er mit dieser arrangierten Ehe einverstanden gewesen. Aus Liebe würde er sowieso nicht heiraten. Warum also sollte er sich nicht mit jemandem verbinden, der gut zu seiner Familie passte?

Schließlich fasste er sich ein Herz. „Warum wollen wir nicht mit allem warten, bis das Hotel fertig ist, und lassen der Verlobung dann in kurzem Abstand die Hochzeit folgen? In den nächsten Monaten kann ich wirklich schlecht weg.“ Zwar hatte er immer noch vor, Hema zu heiraten, aber eine offizielle Verlobung war bereits eine eiserne Verpflichtung, aus der man nicht mehr herauskam. Und irgendwie wollte er das jetzt noch nicht.

Doch so schnell gab seine Mutter nicht auf. „Wenn Verlobung und Hochzeit so eng beieinanderliegen, dann ist das nur eine Party mehr, an die sich später keiner mehr erinnern kann. Aber eine Verlobung während des Diwali vergisst man nicht. Zeitlich ist das kein Problem. Ich schicke dir den Jet. Du kannst über Nacht fliegen und in zwei Tagen wieder zurück sein.“

„Aber Ma …“

„Es wird dir guttun, mal wieder zu Hause zu sein, beta“, sagte sie mit jetzt weicherer Stimme. „Auch wenn es nur kurz ist. Deine Schwestern machen mich völlig fertig. Stell dir vor, Divya will jetzt plötzlich nach Delhi ziehen, sich einen Job suchen und allein leben. Und Sameer …“

Entnervt ließ Arjun sich aufs Sofa fallen. In seinem Elternhaus herrschte eine ständige Spannung zwischen seinen traditionellen Eltern und seinen Geschwistern, die ein anderes Leben führen wollten. Ein paar Minuten sprach er mit seiner Mutter über dieses Problem, dann beendete er erschöpft das Gespräch.

Doch zehn Sekunden später kündigte das Telefon den Eingang einer Nachricht von seiner Schwester Divya an.

Arjun, du musst mit Mom sprechen. Sie stellt sich vor, dass ich zu Hause sitze und darauf warte, dass mich jemand heiratet. Aber ich bin eine erwachsene Frau, habe eine gute Ausbildung und stelle mir mein Leben anders vor.

Offenbar hatte Divya das Telefongespräch mithören können, in dem seine Mutter sich über sie beschwert hatte. Oh, wie er es hasste, zwischen seinen Eltern und den Geschwistern vermitteln zu müssen! Andererseits, um den Familienfrieden zu retten, blieb ihm wohl nichts anderes übrig. Er schrieb zurück:

Gib mir Zeit, mir wird schon was einfallen.

Okay, ich verlasse mich auf dich.

Den Rest des Nachmittags verbrachte er mit allen möglichen Entscheidungen, die für die Hotelplanung nötig waren. Er tat das nicht ungern, denn die Beschäftigung mit Problemen, die zu lösen waren, tat ihm gut. Um halb sechs ließ er sich von seinem Fahrer Sam zu RKS Architecture fahren. Pünktlich hielt der Wagen vor dem großen Gebäude. Arjun wies Sam an zu warten. Er hatte nicht vor, lange zu bleiben. Normalerweise waren diese Empfänge ziemlich langweilig.

Als er in die Lobby trat, blieb er erstaunt stehen. Bei seinem ersten Besuch hier war ihm an diesem großen Raum nichts Besonderes aufgefallen. Heute aber war die Eingangshalle mit großen Seidenvorhängen in leuchtendem Blau und Gold unterteilt, wodurch sich kleinere einladende Gesprächsnischen ergaben. Gemütliche Rattansessel mit weichen bunten Kissen luden zu entspanntem Geplauder ein. Über jeder Einheit hing ein kleiner Kronleuchter, der sanftes Licht verbreitete.

Arjun blieb wie angewurzelt stehen. Er fühlte sich wie in einem darbar eines alten indischen Palastes. Das Ganze wirkte beinahe wie das Gemälde von der großen Halle im Haus seines Urururgroßvaters, der seinerzeit Maharadscha gewesen war und in dieser Halle Hof gehalten hatte. Dieses Gemälde hing in Arjuns Haus, und die Ähnlichkeit mit dem, was er hier sah, war wirklich verblüffend.

„Gefällt es Ihnen?“

Er wandte sich um und sah in das lächelnde Gesicht von Rani Gupta. Sie hatte das Haar in einem lockeren Nackenknoten zusammengefasst. Die schwarzen Augen wirkten durch die Kajalumrandung noch größer. Die Lippen glänzten sanft rosa. Ihm gefiel gut, dass sie so wenig geschminkt war. Mehr war auch nicht nötig. Sie war eine Naturschönheit.

Er nickte. „Ja. So etwas Ähnliches wünsche ich mir für meine Hotellobby.“

Rani strahlte. Arjun merkte, dass er sie anstarrte, und wandte schnell den Blick ab. Seit eineinhalb Jahren war er auf der Suche nach einem fähigen Innenarchitekten. Und immer hatten ihm die Büros besonders schöne Frauen als Verhandlungspartner geschickt. Keine hatte ihn interessiert. Aber Rani Gupta hatte von Anfang an Eindruck auf ihn gemacht. Das konnte damit zusammenhängen, dass sie am ehesten verstand, was er sich vorstellte. Aber vielleicht waren es auch ihre großen schwarzen Augen, die so unterschiedliche Gefühle wie Sehnsucht und Trauer ausdrückten. Ihr schwarzes Kostüm mit der dunkelvioletten Bluse war nichts Besonderes, und doch konnte er die Augen nicht von ihr lassen.

War sie an ihm interessiert? Sollte er versuchen …? Vielleicht zu gefährlich. Er fing nie etwas mit einer Frau an, wenn er keine Möglichkeit sah, die Sache auch schnell wieder zu beenden. Und mit jemandem, mit dem er zusammenarbeitete, schon gar nicht.

„Ich hatte gehofft, dass es Ihnen gefällt. Ich möchte Ihnen auch noch ein paar Jaali-Wände zeigen. Ein ähnliches Design könnten wir doch immer wieder im Hotel verwenden, um ein durchgängiges Motto zu schaffen.“

Rani Gupta, du hast etwas sehr Seltenes zustande gebracht. Du hast mich überrascht und beeindruckt. Arjun hatte den üblichen Empfang in einer ungemütlichen Lobby erwartet. Und nun das.

In diesem Augenblick kamen die Mitglieder der Geschäftsleitung auf ihn zu. Rani verschwand im Hintergrund, während Arjun vorgestellt wurde. Das übernahm Geschäftsführer Ian Rabat mit einer solchen Entschiedenheit und solchem Charme, die Arjun dem zierlichen kleinen Mann nicht zugetraut hätte. Arjun versuchte gar nicht erst, sich die Namen zu merken. In den grauen und schwarzen Anzügen mit den gemusterten Krawatten sah sowieso einer wie der andere aus.

„Jeder, der in unserem Unternehmen etwas zu sagen hat, ist heute gekommen, Mr. Singh, und steht Ihnen für Fragen zur Verfügung“, schloss Mr. Rabat, und Arjun nickte freundlich. Dabei wusste er, dass jeder der gewichtigen Herren die Veranstaltung möglichst bald wieder verlassen wollte. Genauso wie er.

Nachdem belanglose Worte über das Wetter, den Verkehr und die Börse gewechselt worden waren, kam einer tatsächlich zur Sache. „Mr. Singh, mich würde interessieren, warum Sie gerade Las Vegas für Ihr erstes Hotel hier auf dem amerikanischen Kontinent ausgesucht haben.“

Überrascht wandte sich Arjun dem etwas dicklichen Mann mit spärlichem Haar und einem jovialen Lächeln zu. Es war der Finanzchef von RKS, wie er sich von der Sitzung erinnerte.

„Ehrlich gesagt hat sich das eher zufällig ergeben. Ich suchte schon länger nach einem passenden Objekt. Dann sollte das Sandaway verkauft werden, und da habe ich zugegriffen. Es hat die richtige Größe und schien mir nach gründlicher Überholung der richtige Einstieg in den nordamerikanischen Markt.“

„Sehr gut überlegt. Das Hotel ist solide gebaut und liegt in der bevorzugten Gegend. Mit unserem neuen Design wird es die Gäste anziehen, die Sie im Auge haben“, meinte Ian Rabat etwas selbstgefällig, und Arjun biss sich auf die Lippe, um keine scharfe Bemerkung zu machen. Der gute Rabat hatte ja keine Ahnung, wie mühsam es gewesen war, dieses Objekt zu finden, vor allem aber ein fähiges Architektenteam.

Autor

Sophia Singh Sasson
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