Verzaubert in Florenz

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Einen Sommer in Florenz zu verbringen, um der kleinen Alessa Englisch beizubringen, ist ganz nach Georgias Geschmack - der heißblütige Onkel des Mädchens jedoch überhaupt nicht. Luca ist viel zu überzeugt davon, dass er Georgias Herz erobern wird. Und das kann sie nicht zulassen - oder doch?


  • Erscheinungstag 10.12.2012
  • ISBN / Artikelnummer 9783955760472
  • Seitenanzahl 192
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

Catheríne George

Líebesreíse ín díe
Toskana

Verzaubert ín Florenz

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1. KAPITEL

Der Abflug von London nach Pisa würde sich etwas verzögern, erklärte der Pilot über Lautsprecher. Durch die bis auf einen leeren Platz am Mittelgang voll besetzte Maschine ging ein hörbares Raunen, und die Stewardessen beeilten sich, mit beruhigendem Lächeln zu versichern, dass kein Anlass zur Sorge bestehe und man nur auf einen verspäteten Passagier gewartet habe.

Georgia lehnte sich zu ihrer Schwester hinüber, die am Fenster saß. “Da kommt er ja!”

Charlotte, schon leicht benommen von der Beruhigungstablette, die sie genommen hatte, verfolgte mit verzagtem Blick, wie ein großer dunkelhaariger Mann vom Flugpersonal zu dem leeren Platz neben Georgia auf der anderen Seite des Gangs geführt wurde. Zwei Stewardessen waren dem Mann dabei behilflich, sein Handgepäck zu verstauen, und Georgia lauschte amüsiert dem italienischen Wortschwall, mit dem die beiden Frauen den Spätankömmling überschütteten.

“Was ist los?”, erkundigte sich Tom mit gedämpfter Stimme.

“Sie entschuldigen sich, weil die erste Klasse ausgebucht ist und er mit der zweiten vorliebnehmen muss”, flüsterte Georgia ihrem Schwager ins Ohr. “Eine echte Zumutung!”

Tom leitete die Nachricht an seine Frau weiter, die darauf nur matt lächelte. Georgia wusste, dass ihre Schwester sich im Moment nichts sehnlicher wünschte, als das Flugzeug auf dem schnellsten Weg zu verlassen und mit dem nächsten Zug nach Hause zu fahren. Die Motoren begannen zu dröhnen, und die beiden Stewardessen eilten zu ihren Plätzen. Tom Hannay griff nach der eiskalten Hand seiner Frau, als sich das Flugzeug in Bewegung setzte und Sekunden später vom Boden abhob.

Georgia, die im Gegensatz zu ihrer Schwester nicht unter Flugangst litt, lehnte sich zurück und beobachtete, wie die Maschine durch die Wolkendecke stieß. Dann drehte sie sich zu Tom um und stellte erleichtert fest, dass Charlottes Augen geschlossen waren. Die Tablette begann also zu wirken, und bald würde ihre Schwester tief und fest schlafen, wie Georgia aus Erfahrung wusste.

Sobald die Aufforderung zum Anschnallen erloschen war, erhob sich der Spätankömmling und verstaute seine elegante Wildlederjacke in der Kleiderablage über den Sitzen. Dabei fiel ihm eine schmale Lederbrieftasche aus der Jacke und direkt in Georgias Schoß. Sie wartete, bis er die langen Beine ausgestreckt hatte, und gab ihm dann sein Eigentum zurück.

Er sah sie mit seinen leuchtend blauen Augen bewundernd an. “Grazie!”, bedankte er sich lächelnd mit jener tiefen und leicht rauen Stimme, die nach Georgias Erfahrung ein typisches Merkmal italienischer Männer war. “Sie muss mir aus der Jacke gerutscht sein. Sie wurden doch nicht etwa verletzt?”

“Nein”, erwiderte sie kühl.

“Tut mir leid, dass sich meinetwegen der Abflug verzögert hat”, fuhr er unbeirrt fort. “Hoffentlich sind Ihnen dadurch keine Unannehmlichkeiten entstanden.”

“Nein, absolut keine”, versicherte sie ihm, wissend, dass Tom dem auf Englisch geführten Gespräch amüsiert lauschte.

“Reisen Sie nur bis Pisa oder weiter nach Florenz?”

Georgia zog das Magazin aus der Tasche am Vordersitz und hoffte, der Mann würde den Wink verstehen. “Nach Florenz.”

“Ist das Ihr erster Besuch dort?” Der Italiener lehnte sich bequem in seinem Sitz zurück. Offenbar gedachte er die Unterhaltung fortzusetzen, was Georgia erboste. Wieso der Mann sie so in Rage brachte, wusste sie selbst nicht. Vielleicht sah er einfach zu gut aus und war zu sehr von seiner Unwiderstehlichkeit überzeugt.

“Ja”, beantwortete sie seine letzte Frage kurz angebunden. Er sollte sich bloß nicht einbilden, sie wäre entzückt, weil er sie eines Gesprächs für würdig erachtete.

“Es wird Ihnen dort sicher gut gefallen”, meinte er und drehte sich ganz zu ihr. Sie empfand diese fast schon vertrauliche Geste als leicht irritierend. “Firenze ist keine gewöhnliche Stadt, sondern ein unvergessliches Erlebnis!”

Sie lächelte ihn kühl an und atmete erleichtert auf, als das laute Rattern der Servierwagen ein weiteres Gespräch unmöglich machte. Sie klappte das am Vordersitz befestigte Tablett herunter und beobachtete aus den Augenwinkeln heraus, wie der Italiener dasselbe tat. Seine Mundwinkel umspielte ein ironisches Lächeln.

Georgia nahm die Plastikschale mit dem Essen entgegen und machte sich als Erstes ein Käsebrötchen zurecht, das sie in eine Serviette wickelte und dann wegpackte. “Wenn Charlotte aufwacht, hat sie gewöhnlich einen Riesenhunger”, sagte sie leise zu Tom.

“Niemand weiß das besser als ich”, erwiderte er und machte ebenfalls ein Brötchen zurecht. “Als wir an unserem Hochzeitstag nach Paris flogen und spätabends ins Hotel kamen, verlangte meine frisch angetraute Ehefrau erst einmal ein ausgiebiges Dinner, ehe wir unsere Hochzeitsnacht feiern konnten.”

Georgia lachte laut auf, verstummte jedoch, als ihr Blick dem ihres Nachbarn auf der anderen Seite des Gangs begegnete. Schnell sah sie weg und ärgerte sich, weil sie spürte, wie sie errötete. Glücklicherweise erschien in diesem Augenblick eine hübsche Stewardess und bot dem attraktiven Spätankömmling etwas zu trinken an.

“Mir scheint, du hast eine Eroberung gemacht”, neckte Tom seine Schwägerin leise.

Georgia rümpfte die Nase. “Ich war der einzige weibliche Passagier in seiner unmittelbaren Nähe. Nur deshalb hat er mit mir ein Gespräch angefangen. Er muss irgendeine Berühmtheit sein, sonst würden die Stewardessen nicht so um ihn herumscharwenzeln.”

“Irgendwie kommt mir sein Gesicht bekannt vor”, stimmte Tom ihr zu. “Aber ich weiß nicht, woher ich es kenne. Vielleicht ist er ein Schauspieler?”

Georgia warf dem Fremden einen verstohlenen Blick zu, doch sein Gesicht war ihr nicht vertraut. “Dem Profil nach könnte er es sein”, sagte sie. “Er hat klassisch geschnittene Gesichtszüge und eine römische Nase.” Sie erhaschte einen kurzen Blick auf einen langen, schmalen Fuß, der in einem jener eleganten und doch bequemen Schuhe steckte, für die Italien berühmt ist. Dann ließ sich der Mann Kaffee nachschenken, und sie sah ein muskulöses gebräuntes Handgelenk, an dem eine Rolex lose baumelte. “Offensichtlich zählt er zu den oberen Zehntausend und ist daran gewöhnt, bedient zu werden.”

“Nicht so laut, Georgie”, flüsterte Tom. “Er könnte dich hören.”

Der Fremde hatte jedoch die Lider mit den dichten langen Wimpern geschlossen, wie Georgia beruhigt feststellte.

Der kurze Flug nach Pisa dauerte nicht lange. Wie auf Kommando erwachte Charlotte, als das Flugzeug zur Landung ansetzte. Sie war heilfroh, dass ihre Qualen zu Ende waren, und aß heißhungrig die beiden Brötchen.

Sobald die Maschine den Boden berührt hatte, sprang der elegante Italiener auf und holte sein Handgepäck hervor. Er bedachte Georgia mit einem strahlenden Lächeln und verbeugte sich leicht. “Arrivederci! Viel Spaß in Florenz!” Lässig warf er sich die Wildlederjacke über die Schulter und eilte zum Ausgang, wo er vom Personal wortreich verabschiedet wurde und der Kapitän ihm sogar höchstpersönlich die Hand drückte.

“Wer war denn das?”, erkundigte sich Charlotte neugierig. “Jemand, den man kennen muss?”

“Zumindest glaubt er das”, antwortete Georgia spöttisch.

Nun, da sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte, war Charlotte wie verwandelt. “Seht nur diesen wunderbaren blauen Himmel!”, rief sie fröhlich, während sie in der Ankunftshalle auf ihr Gepäck warteten. “Zwei Wochen voller Sonnenschein liegen vor uns, Tom.”

Sie sammelten ihr Gepäck ein und machten sich auf den Weg zum bereits wartenden Zug.

“Schade, dass du nur einen Abend mit uns verbringen kannst, Georgie”, wandte sich Charlotte an ihre Schwester, als der Zug sich in Bewegung setzte.

“Ich hab den Job nun mal angenommen”, entgegnete Georgia keineswegs traurig. “Im Übrigen würde sich Tom wahrscheinlich bedanken, wenn ihr mich als lästiges Anhängsel überall mit hinnehmen müsstet.”

“Ganz recht”, pflichtete Tom ihr breit grinsend bei. “Ich liebe dich zwar heiß und innig, Georgia Fleming, aber im Urlaub habe ich meine Frau lieber ganz für mich.”

“Wie kannst du nur so etwas sagen, Tom”, entrüstete sich Charlotte.

“Aber es ist nun mal wahr”, entgegnete ihr Mann.

“Danke, Liebling.” Die beiden lächelten sich verliebt an.

“Nehmt bitte Rücksicht auf meine Jugend und Unerfahrenheit”, scherzte Georgia.

Ihre Schwester lachte. “Ich weiß zwar nicht, wie es sich mit Letzterem verhält, aber du bist nur elf Monate jünger als ich. Noch heute erzählt Mom oft von ihrem stressigen Leben als junge Mutter von zwei noch in den Windeln liegenden Babys.”

Georgia schnitt ein Gesicht. “Für mich ein Grund mehr, so lange wie möglich frei und ungebunden zu bleiben.”

“Magst du denn keine Kinder?”, fragte Tom. “Wenn nicht, dann tun mir die armen Kleinen leid, die du unterrichtest.”

“Natürlich mag ich Kinder – solange ich sie nach der Schule ihren Müttern zurückgeben kann!” Georgia lachte. “Ich mag auch Babys, aber die Art der Fortpflanzung behagt mir nicht. Warum bin ich nicht als Mann geboren worden?”

Tom Hannay musterte sie ausgiebig von Kopf bis Fuß. “Das ist recht leicht zu beantworten”, sagte er lächelnd und drückte seine Frau zärtlich an sich. “Es mag chauvinistisch klingen, aber die Frauen in eurer Familie sind nun mal so ausgesprochen weiblich, dass ich mir keine als Mann vorstellen könnte, eure Mutter eingeschlossen.”

Sie erreichten das Hotel in Florenz bei strahlendem Sonnenschein, der den nahe vorbeifließenden Arno in ein golden schimmerndes Band verwandelte. Entzückt betrat Georgia den Balkon ihres Zimmers und schob die Blumentöpfe beiseite, um einen Blick auf den in einiger Entfernung liegenden Ponte Vecchio zu werfen und die Schönheit und ungeheure Vitalität dieser Stadt samt Lärm und Gerüchen in sich aufzunehmen.

Je besser sie Italien kennenlernte, desto mehr liebte sie es. Schon als Studentin hatte sie zweimal während der Semesterferien in einem Ferienlager in Venedig gearbeitet. Nach ihrem Abschluss an der Universität war sie nach Venedig zurückgekehrt und unterrichtete dort seit einem Jahr an einer internationalen Schule Englisch. Zwar war es anstrengend, ihre meist lernunwilligen Schützlinge für diese Sprache zu begeistern, doch ihrer Liebe zu Italien tat das keinen Abbruch.

Allerdings hatte sie den Sommerurlaub diesmal daheim in England verbringen wollen. Aber einer ihrer Schüler hatte zu Hause derart von ihr geschwärmt, dass ein Freund seiner Eltern zu ihr in die Schule gekommen war und sie gebeten hatte, seiner kleinen Tochter während der Sommerferien Englischunterricht zu geben. Zuerst hatte sie ablehnen wollen, hatte dann jedoch den Gedanken an einen Sommer in der Toskana zu verlockend gefunden, um sich eine solche Gelegenheit entgehen zu lassen. Und so hatte sie zugesagt und sich nur ausbedungen, die erste und letzte Woche ihres Urlaubs in England verbringen zu können.

Träumend lehnte sich Georgia über die Balkonbrüstung und beobachtete das Treiben auf der Straße. Bisher hatte sie Venedig für die schönste Stadt Italiens gehalten, doch nun schien Florenz mit seinen prächtigen Renaissancebauten der alten Lagunenstadt den Rang abzulaufen.

Charlotte und Tom hatten beschlossen, am ersten Abend mit Georgia im luxuriösen Hotel Lucchesi zu übernachten. Morgen würden sie dann weiterreisen und sich in der Ruhe und Abgeschiedenheit eines toskanischen Bauernhofes vom stressigen Leben in London erholen, wo Charlotte im Büro ihres früheren Chefs und jetzigen Mannes, eines erfolgreichen Anwalts, als Sekretärin arbeitete.

Für Georgia hingegen war heute der letzte freie Tag, denn Signor Marco Sardi würde morgen einen Wagen schicken, der sie zur Villa Toscana brachte. Dort begannen dann ihre Pflichten als Englischlehrerin der kleinen Alessandra Sardi.

Georgia beschloss, erst einmal unter die Dusche zu gehen. Sie arrangierte die Blumentöpfe wieder so, wie sie vorher gestanden hatten, und war überrascht, als plötzlich Toms besorgtes Gesicht an der beide Balkone trennenden Wand erschien.

“Georgia, bitte komm sofort herüber!”

“Was ist passiert?”

“Charlotte fühlt sich nicht wohl.”

Erschrocken eilte Georgia aus dem Zimmer nach nebenan.

“Was hat sie?”, fragte sie, als Tom die Tür öffnete. Sein Gesicht war fast so weiß wie der Hotelbademantel, den er trug.

“Sie ist im Badezimmer und übergibt sich”, antwortete er. “Du sprichst Italienisch, Georgie. Ich glaube, wir benötigen einen Arzt.”

Georgia ging ins Bad und fand ihre Schwester über das Waschbecken gebeugt, wo sie sich Wasser ins Gesicht spritzte.

“Schade um die beiden Käsebrötchen”, keuchte Charlotte und griff nach einem Handtuch. “Hör nicht auf Tom. Ich brauch’ keinen Arzt. Du weißt ja, dass mir auf Reisen leicht schlecht wird. Wahrscheinlich ist mir die Taxifahrt vom Bahnhof zum Hotel nicht bekommen.”

Georgia umarmte ihre Schwester und zog sie an sich. “Du zitterst ja”, stellte sie besorgt fest.

“Das würdest du auch, wenn du absolut nichts mehr im Magen hättest!”

Langsam führte Georgia sie zurück ins Schlafzimmer zu einem äußerst beunruhigten Tom.

“Liebling, mir geht es schon besser, wirklich”, versicherte Charlotte, als er sie vorsichtig hochhob und zum Bett trug. “Ich benötige nur eine Dusche, etwas Tee und Kekse oder so was Ähnliches. Wenn das nicht hilft, werde ich diese grässlichen Magentropfen von meiner Mutter nehmen.”

“Wie gut, dass sie sie dir mitgegeben hat”, sagte Tom und deckte seine Frau fürsorglich zu.

Georgia gab eine entsprechende Bestellung beim Zimmerservice auf, und da sie im Augenblick nichts weiter für Charlotte tun konnte, ging sie in ihr Zimmer zurück, um zu duschen.

Als es Zeit fürs Dinner wurde, erschien sie bei den beiden in einem grünen Minikleid, das farblich gut zu ihrer leicht gebräunten Haut und dem von der Sonne aufgehellten langen Haar passte. Charlotte lag noch immer im Bett, sah aber nicht mehr ganz so mitgenommen aus wie zuvor und verkündete stolz, dass sie den von Georgia bestellten Tee mit Toast im Magen behalten habe.

“Oh Georgia, du siehst so unverschämt gesund aus”, meinte sie und stöhnte.

“Nicht nur gesund, sondern geradezu atemberaubend”, scherzte Tom. “Da du nun hier bist, kleine Schwester, gehe ich schnell unter die Dusche.”

Charlotte sah ihn beunruhigt an. “Darling, könntest du nicht lieber in Georgias Bad duschen? Vielleicht will der Toast doch noch raus, und ich muss plötzlich ins Bad.”

Tom Hannay versicherte seiner Frau, alles für sie zu tun, nahm Georgias Schlüssel und verschwand.

“Es tut mir so leid, Georgia, dass ich euch den ganzen Abend verderbe”, sagte Charlotte schuldbewusst, als sich ihre Schwester zu ihr aufs Bett setzte. “Aber ich fühle mich zu schwach, um mit euch zum Dinner zu gehen.”

“Das musst du auch nicht”, tröstete Georgia sie und strich ihr zärtlich eine blonde Strähne aus dem Gesicht. “Wir werden hier oben essen.”

Charlottes Miene verfinsterte sich. “Im Moment stört mich sogar Essensgeruch. Deshalb wäre es mir lieber, wenn ihr beide, Tom und du, unten im Restaurant essen würdet. Ich werde inzwischen ein wenig vor mich hindösen, und ihr beide könntet so das Essen wenigstens genießen.”

“Aber wir können dich doch hier oben nicht allein lassen!”

“Klar könnt ihr das.” Charlotte schlüpfte tiefer unter die Bettdecke. “Um ehrlich zu sein, ich würde mich jetzt gern ein wenig ausruhen, damit ich morgen fit genug bin, die Fahrt durch die viel gerühmte toskanische Landschaft entsprechend zu genießen.” Ein Lächeln erhellte ihr Gesicht, als Tom zurückkam und sich das nasse Haar mit dem Ärmel seines Bademantels rubbelte. “Soeben habe ich Georgia gebeten, mit dir allein zum Dinner zu gehen und mir etwas Ruhe zu gönnen. Wenn ihr zurückkommt, kann sie mir dann noch eine Kleinigkeit zu essen bestellen.”

Zuerst protestierte Tom heftig, vermochte aber Charlottes bittendem Lächeln nicht lange zu widerstehen. “Du weißt, wie ungern ich dich allein lasse, Liebling.”

Lächelnd hielt sie ihm das Gesicht zum Kuss hin. “Keine Angst, Tom Hannay, dies ist deine letzte Gelegenheit zu einem Date mit einer atemberaubenden Blondine!”

Georgia verzog das Gesicht. “‘Atemberaubend’ lasse ich mir gefallen, aber nenn mich nicht blond. Sag lieber, mein Haar sei hell.”

Tom lachte. “Das sagte man auch von der schönen Helena. Und was hat sie damit nicht alles angerichtet! Aber wie auch immer, Miss, geben Sie mir noch einige Minuten Zeit bis zu unserem Dinner zu zweit. Ich habe einen Bärenhunger!”

Als Georgia und Tom den Speisesaal betraten, waren nur noch zwei Tische frei. Der Ober führte sie zu einem Fenstertisch, drückte sein Bedauern über das Fernbleiben von Signora Hannay aus, reichte ihnen die Speisekarten, winkte einem Weinkellner und ließ sie schließlich allein, damit sie ihre Wahl treffen konnten.

“Eine gute Idee von dir, hier zu buchen”, sagte Georgia später bei der Vorspeise. Der luftgetrocknete Schinken mit Honigmelone war von edelster Qualität, genau wie der gegrillte Lachs mit feinem Buttergemüse. Als Tom ihr Wein nachschenkte, fing er plötzlich zu lachen an.

“Schau nicht hin, Georgia, aber rat mal, wer dort hinten neben der Tür sitzt!”

“Wer denn?”, fragte sie, noch zu sehr mit dem köstlichen Essen beschäftigt, um wirklich neugierig zu sein.

“Der Typ aus dem Flugzeug, auf den wir warten mussten.”

Unwillkürlich sah Georgia hoch und blickte direkt in die tiefblauen Augen des Fremden. Zu ihrer Verwunderung musterte er sie mit einer Feindseligkeit, die sie selbst auf diese Entfernung hin erkennen konnte.

“Er scheint sich sehr für dich zu interessieren”, bemerkte Tom nach einem flüchtigen Blick auf ihn. “Vielleicht hat er sich an euer Gespräch im Flugzeug erinnert. Seltsam, sein Blick ist irgendwie unfreundlich. Soll ich hingehen und ihn fragen, weshalb er dich so anstarrt?”

“Wag es ja nicht!”, fuhr Georgia ihn an. Dann lächelte sie entschuldigend. “Tut mir leid, Tom. Vielleicht glaubt er, mich zu kennen, was nicht stimmt.” Sie aß weiter. Ganz sicher würde sie sich von diesem eingebildeten Schönling nicht den Appetit verderben lassen.

“Die Ober umschwirren ihn genauso wie das Personal im Flugzeug”, stellte Tom interessiert fest.

“Ich frage mich, wer er ist.” Georgia legte das Besteck aus der Hand und tupfte sich mit der Serviette den Mund ab. “Mmh, es hat einfach wundervoll geschmeckt.”

“Wie steht’s mit einem Dessert?”

Sie überlegte. “Die Versuchung ist groß, aber nein, lieber nicht. Lass uns zu Charlotte zurückkehren.”

“Gut.” Tom stand auf und rückte ihren Stuhl nach hinten. “Den Kaffee können wir ja zusammen mit dem Imbiss für Charlotte beim Zimmerservice bestellen.”

Georgia, die vor Tom den Speisesaal durchquerte, versteifte sich unwillkürlich, als sie am Tisch des Fremden vorbeikam. Sie hatte beschlossen, ihn zu ignorieren, doch ihr Blick wurde magnetisch von ihm angezogen. Die unverhüllte Missbilligung in seinen Augen bestürzte sie. Hastig griff sie nach Toms Hand und zog ihn zur Tür.

“Ich hätte schon keine Szene gemacht”, beschwerte sich ihr Schwager im Aufzug.

“Ich wollte lieber sichergehen. Vergiss nicht, dass Signor Sardi meine Hotelrechnung bezahlt. Ich möchte nicht, dass er für zerbrochenes Mobiliar aufkommen muss.”

“Ich leg mich doch nicht mit jemandem an, der einen Kopf größer ist als ich. Solche Leute erledige ich mit meinem vielfach im Gerichtssaal erprobten Spezialblick.”

“Ach, lass uns diesen Widerling vergessen!”, sagte Georgia, betroffen darüber, wie sehr der kleine Zwischenfall ihr zugesetzt hatte. “Tom, ich bin hundemüde und verzichte lieber auf den Kaffee. Ich schau nur noch kurz, wie es Charlotte geht, und frage, was sie essen möchte. Dann geh ich ins Bett.”

“Schade, dass wir nicht noch einen Tag gemeinsam in Florenz verbringen können, ehe du deinen Job antrittst.”

“Ja, das tut mir auch leid, aber es ist nun mal nicht zu ändern. Und Michelangelos David, den ich mir seit Jahren ansehen will, läuft mir nicht davon.”

Charlotte ging es mittlerweile wesentlich besser. Hungrig bat sie Georgia, ihr eine Gemüsesuppe und Sandwiches zu bestellen, und war ganz aufgeregt, als Tom ihr erzählte, dass der elegante Italiener aus dem Flugzeug im Hotelrestaurant nur einige Tische von ihnen entfernt gesessen habe.

“Wenn Blicke töten könnten, wäre Georgia jetzt eine Leiche, so böse hat er sie angesehen”, berichtete Tom weiter. “Ich wollte ihn zur Rede stellen, aber Georgia hat mich aus dem Speisesaal gezerrt, weil sie Angst hatte, ich würde einen Streit mit ihm anfangen.”

“Sehr vernünftig von ihr”, lobte Charlotte. “Soweit ich mich erinnere, ist er mindestens einen Kopf größer als du, Darling.”

“Seid mir bitte nicht böse, wenn ich mich jetzt zurückziehe”, meinte Georgia und gähnte. “Ich bin todmüde.”

“Du frühstückst aber morgen früh mit uns auf dem Balkon”, befahl Charlotte und gab ihrer Schwester einen Gutenachtkuss.

Als Georgia ihre Zimmertür aufschloss, fand sie auf dem Boden ein Kuvert. Es enthielt eine kurze Mitteilung auf Italienisch, die besagte, dass jemand sie morgen früh um elf an der Hotelrezeption abholen und zur Villa Toscana fahren würde.

Georgia runzelte die Stirn. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass der Zettel von Marco Sardi stammte. Der unfreundliche Ton, in dem die kurze Notiz verfasst war, unterschied sich zu sehr von den beiden äußerst höflichen und liebenswürdigen Briefen, die sie bisher von ihrem künftigen Arbeitgeber erhalten hatte. Sie zerknüllte den Zettel und warf ihn in den Papierkorb. Vielleicht handelte es sich um einen Anruf, den ein Hotelangestellter nur sinngemäß notiert hatte.

Sie holte eine Flasche Mineralwasser aus dem kleinen Kühlschrank, schenkte sich ein Glas ein und setzte sich damit auf den Balkon, um die warme Vollmondnacht zu genießen. Sie hatte ihre Müdigkeit nur vorgeschützt, weil sie plötzlich das Bedürfnis verspürt hatte, allein zu sein.

Nachdenklich betrachtete sie den ungewohnt hell strahlenden Mond, der den Ponte Vecchio mit einem silbernen Schimmer überzog. Wieso hatte dieser unbekannte Italiener sie derart böse angesehen? Vielleicht war er ja allergisch gegen Blondinen. Aber entsprach sie mit ihrem hellen Haar nicht sogar dem florentinischen Schönheitsideal der Renaissance? Allerdings hatte sie keine haselnussbraunen, sondern fast schwarze Augen, ein Erbe ihrer spanischen Urgroßmutter. Bisher hatten Männer den Kontrast zwischen ihrem hellen Haar und den dunklen Augen immer bewundert. Der Italiener von vorhin schien da anderer Meinung zu sein. Nicht dass es ihr etwas ausmachte, denn sie würde ihn wohl kaum noch einmal wiedersehen.

Georgia wartete, bis der Mond aus ihrem Blickfeld verschwunden war, und ging dann widerstrebend ins Bett, wo sie eine unruhige Nacht verbrachte, in der ein blauäugiges Monster durch ihre Träume geisterte.

2. KAPITEL

Am nächsten Morgen wurde Georgia sehr früh von der Sonne geweckt und war schon lange reisefertig, ehe Tom an ihre Tür klopfte und meldete, dass auf dem Balkon nebenan ein Frühstück für drei Personen auf sie warte.

Zu Georgias Erleichterung fühlte sich ihre Schwester wieder völlig gesund und machte sich mit einem wahren Heißhunger über das reichhaltige Frühstück her. Nachdem sie zwei Kannen Kaffee geleert hatten, stand Georgia schließlich auf.

“Ihr wisst ja, unter welcher Nummer ich in der Villa Toscana zu erreichen bin. Ruft mich bitte an, bevor ihr zurückfliegt”, sagte sie und küsste die beiden zum Abschied.

“Wir werden dich schon morgen anrufen”, versprach Charlotte. “Ich möchte mich vergewissern, dass es dir dort gut geht.”

Georgia umarmte ihre Schwester noch einmal und ging dann nach unten zur Rezeption, wohin einer der Pagen bereits ihr Gepäck gebracht hatte. Man teilte ihr mit, dass noch niemand nach ihr gefragt habe, und sie setzte sich in einen der tiefen, mit weinrotem Brokat bezogenen Polstersessel des Foyers, holte eine große Sonnenbrille aus der Handtasche und vertiefte sich in eine der herumliegenden Zeitschriften. Während sie darin blätterte und sich mit den neuesten Kreationen italienischer Modeschöpfer vertraut machte, warf sie hin und wieder einen Blick zur Rezeption, doch niemand schien auf sie zu warten.

Über einige besonders ausgefallene Modelle musste sie lächeln und hoffte, dass ihre legere Reisekleidung Signor Sardis Geschmack entsprechen würde. Sie trug eine sandfarbene Leinenhose, die ihre langen Beine wirkungsvoll zur Geltung brachte, eine weiße ärmellose Seidenbluse, flache braune Ledersandaletten und eine Handtasche in der gleichen Farbe. Das lange blonde Haar hatte sie mit einem goldbraun gestreiften Seidenschal im Nacken zusammengebunden.

Georgia sah erneut zur Rezeption und versteifte sich, als sie dort eine wohlbekannte Gestalt im Gespräch mit einer der Empfangsdamen entdeckte. Schon wieder dieser arrogante Italiener, dachte sie verärgert und versteckte ihr Gesicht hinter einer Zeitschrift in der Hoffnung, er würde weg sein, wenn sie an die Rezeption gerufen wurde.

“Signorina Fleming?”, vernahm sie plötzlich eine ihr seltsam vertraute Stimme. Georgia sah überrascht hoch. Direkt vor ihr stand der Mann aus dem Flugzeug, bekleidet mit einer weißen Leinenhose von edelstem Schnitt und einem Hemd, so blau wie seine Augen, deren Blick sie in der vergangenen Nacht bis in ihre Träume verfolgt hatte.

Sie nickte hoheitsvoll.

“Erlauben Sie bitte, dass ich mich Ihnen vorstelle”, sagte er auf Italienisch. “Ich bin Gianluca Valori.”

Der Name kam ihr irgendwie bekannt vor. Etwa ein Fußballer? Seinem Tonfall nach schien er jedenfalls zu erwarten, dass ihr der Name ein Begriff war. Georgia sah ihn durch ihre dunklen Brillengläser stumm an.

“Ich soll Sie zur Villa Toscana fahren, Miss Fleming”, fuhr er fort, sichtlich irritiert, weil sie so beharrlich schwieg. “Marco Sardi ist mein Schwager. Falls Sie mir nicht glauben, wird der Hotelmanager meine Identität gern bestätigen.”

“Das wird nicht nötig sein, Signor Valori.” Georgia sprach die Landessprache fließend, aber mit leichtem Akzent, den, wie sie aus Erfahrung wusste, die meisten Italiener jedoch besonders charmant fanden. Dass der Mann vor ihr diese Meinung nicht teilte, war klar. Sein arrogantes Benehmen ärgerte Georgia, und sie stand auf, schwang sich die Handtasche über die Schulter und teilte ihm mit, dass ihr Gepäck neben dem Empfangstresen stehe.

Gianluca Valori brauchte dort nur zu erscheinen, und schon umschwirrte ihn ein Heer von Bediensteten, um sich nach seinen Wünschen zu erkundigen. Man trug Georgias Gepäck hinaus und die roten Teppichstufen hinunter, über die jeden Morgen ein frisch gereinigter weißer Leinenläufer gelegt wurde. Gelassen wartete Georgia an der Eingangstür, während ihr Begleiter ihre Hotelrechnung bezahlte und dann wortreich verabschiedet wurde. Anschließend führte er sie nach draußen zur Lungarno della Zecca Vecchia, wo ein Sportwagen stand, der sie in Form und Farbe an einen geschmeidigen schwarzen Panther erinnerte.

Ach du meine Güte, dachte Georgia entsetzt, als sie sah, wie ihr Gepäck im Kofferraum verschwand. Ist das etwa unser Auto?

Autor

Catherine George
Die öffentliche Bibliothek in ihrem Heimatort nahe der walisischen Grenze war der Ort, an dem Catherine George als Kind in ihrer Freizeit meistens zu finden war. Unterstützt wurde sie dabei von ihrer Mutter, die Catherines Lesehunger förderte. Zu einem Teil ist es sicher ihrer Motivation zu verdanken, dass Catherine George...
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