War alles nur ein sinnlicher Traum?

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Garrett Gage ist für Kate der attraktivste Mann auf der Welt. Ein Blick von ihm genügt, schon hat sie tausend Schmetterlinge im Bauch. Doch während sie sich vor Sehnsucht nach ihm verzehrt, scheint er nicht zu merken, dass das kleine Mädchen, das mit ihm zusammen aufgewachsen ist, längst erwachsen ist. Warum kann er sie nicht endlich als Frau behandeln? Aber kaum hat Kate tatsächlich eine leidenschaftliche Nacht in seinen Armen verbracht, ist sie schon am nächsten Morgen verzweifelter denn je. Denn jetzt straft Garrett sie plötzlich mit kalter Verachtung …


  • Erscheinungstag 07.04.2015
  • Bandnummer 1867
  • ISBN / Artikelnummer 9783733721091
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

PROLOG

Er war der attraktivste Mann, den die Trauzeugin je gesehen hatte.

Sie hatten eine Nacht zusammen verbracht. Eine unglaubliche Nacht. Es hätte sie nie gegeben haben sollen, aber es war nun einmal passiert. Woher sollte sie den Mut nehmen, ihm zu gestehen, dass ihre Liebe nicht ohne Folgen geblieben war?

Allein der Gedanke daran ließ Kate die Knie weich werden. Mit zitternden Händen umklammerte sie den Strauß weißer Orchideen und zwang die Aufmerksamkeit auf ihre Schwester Molly, die im weißen Brautkleid neben ihrem Bräutigam vor dem Altar stand. Ein Paar wie aus dem Bilderbuch.

Sie waren umgeben von einem Meer von Orchideen, Tulpen und Rosen. Die Schleppe des Brautkleides reichte fast bis an das Ende des roten Teppichs. Die Gäste saßen auf Reihen weißer Bänke und verfolgten die Trauungszeremonie aufmerksam. Mollys Stimme zitterte leicht, als sie Julian ihr Eheversprechen gab. Julian – ihr bester Freund seit Kindheitstagen. Der Mann, den sie immer geliebt hatte.

„Ich, Molly, nehme dich, Julian John, zu meinem angetrauten Ehemann …“

Kate schluckte gerührt, als sie ihre kleine Schwester so sah – aber sosehr sie sich dem Impuls auch widersetzte, ihr Blick wanderte doch wieder zu dem Mann an der Seite des Bräutigams. Groß und schweigend stand er da.

Garrett Gage.

Ein Schauer überlief sie, als ihre Blicke sich trafen. Er schien sie förmlich durchdringen zu wollen, die markanten Züge hart und entschlossen.

Er hatte sie während der ganzen Zeremonie nicht eine Sekunde aus den Augen gelassen. Wie bedauerlich, dass seine zukünftige Frau nicht hier war, dann hätte er sie anstarren können, und Kate hätte ihre Ruhe gehabt!

Aber nein, er verfolgte sie. Dieser Mann. Tag und Nacht dachte sie an ihn und sehnte sich nach ihm – während sie sich gleichzeitig bemühte, ihn zu vergessen.

Vergebens.

Immer wieder waren ihr während des vergangenen Monats die zärtlichen Worte durch den Kopf gegangen, die er gesagt hatte. Immer wieder hatte sie vergeblich versucht, die Erinnerung an seine starken Arme zu verdrängen. Arme, die sie gehalten hatten, als sei sie kostbarer als Gold.

In jeder einzelnen der vergangenen dreißig Nächte hatte sie sich gesagt, dass es nie etwas werden würde mit ihnen. Und als sie dann von seiner bevorstehenden Heirat erfahren hatte, war ihr nichts anderes übrig geblieben, als ihren eigenen Worten zu glauben.

Es war in Ordnung. Wirklich. Sie hatte ja nicht die Absicht gehabt, ihn zu heiraten. Sie würde nie heiraten, solange sie nicht das haben konnte, was Molly und Julian hatten! Ohne wahre Liebe schien es ihr besser, allein zu bleiben.

Morgen würde sie also abreisen. Sie hatte eine Fahrkarte nach Florida gekauft. Einfache Fahrt. Nach Miami. Dort wollte sie ein neues Leben anfangen. Musste den Mann, den sie liebte, nicht an der Seite einer anderen Frau sehen. Aber bevor sie ging, würde sie ihm noch die Wahrheit sagen. Eine Wahrheit, die sie bis heute vor ihm verborgen hatte, um Mollys großen Tag nicht zu verderben.

Molly war ihre einzige Schwester. Kate hatte sie praktisch aufgezogen, seit sie als kleine Mädchen Waisen geworden waren. Sie wollte, dass Mollys Hochzeitstag perfekt war.

Ja, Kate war schwanger, aber es blieb noch genügend Zeit, um Garrett darüber zu informieren. Wenn er doch nur aufhören würde, sie so anzusehen. In ihrem Innern schien sich alles zu verkrampfen vor unterdrückter Sehnsucht.

„Sie dürfen die Braut nun küssen.“

Erschreckt registrierte Kate, dass sie fast die ganze Zeremonie verpasst hatte. Sie beobachtete, wie Julian Molly hochhob, als habe sie gerade das Gewicht einer Feder. Dann küsste er sie … Schien sie nie wieder freigeben zu wollen.

Molly hatte die Arme um ihn geschlungen und lachte glücklich, als Julian sie immer wieder im Kreis schwenkte. Plötzlich hielt er inne und sah betreten zu Boden. „Oje!“

Molly folgte seinem Blick und sah, was er sah: die lange Schleppe hatte sich mehrfach um sie geschlungen. Nach einem kurzen Moment der Verblüffung lachten sie beide laut auf. Julians Hände umfingen Mollys zartes Gesicht, und ihre Lippen verschmolzen erneut zu einem innigen Kuss.

„Ich habe sie.“ Kate hatte die Schleppe lachend von Mollys Kleid gelöst. Mit Molly auf den Armen trat Julian über den Berg von Tüll hinweg und trug seine Braut unter dem Applaus der Gäste den Mittelgang hinunter.

Sie sahen so glücklich aus, so überaus verliebt, als sie hinaustraten in den wunderschön dekorierten Garten, in dem die Feier stattfinden sollte. Kate blieb mit Tränen der Rührung zurück.

Sie begann, die Berge von Tüll zusammenzuraffen. Garrett kam herüber und reichte ihr das andere Ende der Schleppe. Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen. „Danke“, murmelte sie und spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. Himmel, wieso wurde sie rot? Sie waren zusammen aufgewachsen. Sie sollte in seiner Gegenwart völlig entspannt sein. Stattdessen war sie das reinste Nervenbündel. Konnte nur immer daran denken, dass sie ihm noch etwas zu sagen hatte.

Obwohl es sie schmerzte zu wissen, dass er eine andere Frau heiraten würde, wollte sie nicht sein Leben ruinieren. Er hatte sie immer beschützt und sich um sie gekümmert. Immer.

Sie hatte Angst, dass ihr Geständnis ihn umwerfen würde.

Plötzlich umfingen seine langen schlanken Finger ihre Hände. Ließen sie einhalten. Kate stockte der Atem, als sie seine Wärme spürte. Unwillkürlich sah sie auf. Direkt in seine dunklen Augen.

„Sag mir, ob ich mich irre …“ Seine Stimme war leise, sein Blick so vertraut, dass sie hätte darin versinken mögen. „… kann es sein, dass mein Bruder gerade deine Schwester geheiratet hat?“

Sie wollte ihn nicht ansehen. Sie wollte es nicht! Aber der Anblick seiner wohlgeformten Lippen schien sie magisch anzuziehen. „Es hat eine volle Stunde gedauert, Garrett. Du kannst es nicht nicht erlebt haben.“ Sie versuchte, ihren Ton leicht zu halten.

Und doch … Bildete sie es sich ein, oder … starrte er tatsächlich ihre Lippen an?

„Es scheint ganz so.“

„Du hast direkt daneben gestanden. Wo bist du mit deinen Gedanken gewesen? Auf dem Mars?“ Sie rollte gespielt dramatisch die Augen und wollte gehen, aber seine Stimme hielt sie zurück.

„Ich war in meinem Schlafzimmer, Kate. Mit dir in meinen Armen.“

Sie blieb mit dem Rücken zu ihm stehen. Versuchte, das Chaos ihrer Gefühle wieder in den Griff zu bekommen. Der Klang seiner Stimme hatte eine Wirkung, die sie erschauern ließ. Die Knie wurden ihr weich, und jede Faser ihres Körpers schien sich nach seiner Berührung zu sehnen. Seine Worte riefen die Erinnerung an jene Nacht zurück. An die Nacht in seinem Bett. In seinen Armen.

Nein! Nein, es ging nicht. Sie konnte es ihm nicht sagen. Nicht hier. Nicht jetzt.

Wortlos ging sie den Gang hinunter. Spürte, wie er ihr folgte.

„Kate, ich muss mit dir reden“, sagte er leise.

Es irritierte sie, dass allein der Klang seiner Stimme prickelnde Erregung in ihr auslösen konnte.

„Falls es um deine Hochzeit geht – davon weiß ich bereits. Herzlichen Glückwunsch.“ Sie sagte es völlig ausdruckslos. Nichts sollte verraten, was in ihr vorging.

„Vielleicht kannst du mich dann aufklären? Offensichtlich weißt du mehr darüber als ich. Verdammt, ich muss mit dir reden – irgendwo, wo wir allein sind!“

Er packte sie beim Ellenbogen, aber sie riss sich augenblicklich wieder los. „Ich muss auch mit dir reden, aber nicht hier. Und nicht heute!“

Er ließ sich nicht beirren. Mit langen Schritten ging er neben ihr her. „Aber ich werde reden. Jetzt! Hör mich an!“ Er zwang sie stehenzubleiben und sah ihr in die Augen. „Ich weiß nicht, was neulich in mich gefahren ist, Katie. Was du mir gesagt hast, hat mich so aufgebracht, dass ich nicht wusste, wo ich anfangen sollte …“

Sie hielt sich die Ohren zu. „Bitte, nicht hier! Bitte, nicht hier!“

Er packte ihre Handgelenke. „Ich weiß, dass ich dich verletzt habe. Ich weiß, dass du keine Entschuldigung hören willst, aber ich entschuldige mich dennoch. Dafür, dass ich dir wehgetan habe. Es tut mir leid, wie es passiert ist, Katie. Ich wollte, es wäre anders gekommen. Wenn ich es rückgängig machen könnte, würde ich es tun – und sei es nur, damit du mich nicht so ansiehst wie jetzt …“

Seine Entschuldigung war der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. „Du möchtest die Nacht ungeschehen machen?“ Sie konnte die aufsteigende Hysterie nicht unterdrücken. Wie wollte er das Kind ungeschehen machen? Dieser Vollidiot! „Du bist wirklich das Letzte, weißt du das? Das Allerletzte! Ich kann nicht glauben, dass ich es überhaupt zugelassen habe, dass du …“

„Verdammt, ich wollte nicht, dass es so kommt, Kay. Aber du lässt mir keine Wahl!“

Ohne viel Federlesens hob er sie hoch und ging durch den Garten zum Haus.

„Was zum Teufel …“ Die Schleppe entglitt ihr Zentimeter für Zentimeter und zog eine lange Spur hinter ihnen her. Kate versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien, aber vergebens. „Hör auf, Garrett! Lass mich runter! Was tust du?“

Er stieß die Haustür auf und trug Kate die Treppe hinauf. Gegen seine Kraft hatte sie keine Chance. „Ich tue, was ich schon vor langer Zeit hätte tun sollen …“

1. KAPITEL

Zwei Monate zuvor …

Es war die Hölle!

Die Villa der Familie Gage war blumengeschmückt und hell erleuchtet. Laute Musik war zu hören. Ganz San Antonio schien sich hier bei gutem Wein und viel Gelächter zu amüsieren. Aber Kate hatte vor einer Stunde ihre ganz persönliche Hölle erlebt. Dieser Abend war ein Albtraum für sie. Der reinste Albtraum.

Bedrückt beobachtete sie das attraktive Paar in der Nähe.

„Garrett …“ Die sinnliche Blondine sah den großen dunklen Mann an ihrer Seite anbetend an. „Du bist wie Wein – du wirst mit dem Alter immer besser.“

Garrett Gage, der attraktivste Mann auf dem Planeten – und gleichzeitig der Teufel in Kates Hölle –, beugte sich zu der Frau hinab und flüsterte ihr etwas ins Ohr.

Kate seufzte stumm. Wie oft hatte sie davon geträumt, Garrett würde sie einmal so ansehen? Würde sie wie eine Frau behandeln statt wie ein Kind.

Garrett trug einen schwarzen Anzug, dazu eine blutrote Krawatte. Das dunkle Haar hatte er zurückgekämmt, sodass seine markanten Züge klar hervortraten. Er war groß und schlank – mit jedem Zoll der imposante Medienzar, zu dem er sich im Laufe der letzten Jahre entwickelt hatte. Ein Blick von ihm genügte bei Kate, um das Gefühl von Schmetterlingen im Bauch auszulösen. Er konnte den Puls jeder Frau rasen lassen. Konnte sie dazu bringen, alles zu tun für die Chance, die Frau an seiner Seite zu sein.

Jahrelang war Kate überzeugt gewesen, für ihn zu kochen und sein Lob für ihre Kreationen zu hören, sei genug. Wahrscheinlich fast so gut wie Sex mit ihm. Aber jetzt verletzte es sie, für einen Mann zu kochen und zu backen, der sie gar nicht weiter wahrzunehmen schien. Er liebte ihre Croissants, aber er begriff nicht, dass sie noch mehr zu bieten hatte.

Einer ihrer Ober war an diesem Abend ausgefallen, sonst hätte Kate die Party vielleicht nutzen können, um ihr neues Kleid derart schwungvoll vorzuführen, dass Garrett sie endlich bemerkt hätte. Aber mit dem Tablett auf ihrer Schulter nahm niemand ihr Kleid aus glänzendem Satin wahr. Sie gehörte automatisch zur Bedienung, nicht mehr und nicht weniger.

„Darling, bringen Sie doch noch einmal die leckeren Garnelenspießchen mit der Ananasspitze“, bat eine Frau, während sie sich ein Häppchen mit Krabben auf Spinat vom Tablett nahm.

„Garnelenspießchen“, bestätigte Kate. „Kommt sofort.“

Dankbar für die Ablenkung begab sie sich in die Küche und belud ihr Tablett neu. Normalerweise erfüllte es sie mit einem Gefühl tiefer Befriedigung, ihre Mitarbeiter in der Küche herumwuseln und immer neue Leckereien hinaustragen zu sehen. Aber an diesem Abend war sie mit ihren Gedanken nicht bei der Sache. Noch acht Wochen, Kate. Nur noch zwei Monate. Und dann musst du ihn nie wieder mit einer anderen Frau sehen.

Während sie das Tablett ins Wohnzimmer trug, musste sie daran denken, dass sie hier viele gute Erinnerungen zurückließ. An das Haus und an diese Familie, die sie wie ein eigenes Kind aufgenommen hatte. Sie war hier so glücklich gewesen. Nie war es ihr in den Sinn gekommen fortzugehen, bis ihre Gefühle für Garrett so … so anders geworden waren. So schmerzhaft. Nach Florida zu gehen war das Beste. Für sie. Um Abstand zu gewinnen zu diesem … Idioten!

„Mutter sagt, du willst fort.“ Julian John ging neben ihr her, während sie einer großen Gruppe von Gästen auswich. Kate war so in ihre Gedanken versunken gewesen, dass seine leise Stimme sie zusammenfahren ließ.

Sie sah auf – direkt in die grünen Augen des jüngeren der Gage-Brüder. Er war ein attraktiver Mann mit einem hinreißenden Lächeln. Er war zurückhaltend und ruhig – außer bei Molly. In zwei Monaten wollte er Kates temperamentvolle kleine Schwester heiraten. Wenn Julian bereits von ihren Plänen wusste – wer wusste dann noch davon?

„Ich kann nicht glauben, dass sie es dir gesagt hat. Ich hatte sie gebeten, es für sich zu behalten.“

Julian nahm sich ein Garnelenspießchen vom Tablett und biss hinein. Wie alle Männer der Gage-Familie hatte er breite Schultern und einen markant geschnittenen Kopf. „So wie ich meine Mutter kenne, dachte sie wahrscheinlich, du wolltest nicht, dass die Presse es erfährt – und das schließt die Besitzer aus.“

Kate lächelte. Mrs Garrett war auch mit siebzig noch höchst aktiv und eine Kraft, mit der zu rechnen war. Sie war die stolze Mutter dreier erfolgreicher Männer – und weder Landon noch Garrett oder Julian John konnten sie davon abhalten, zu tun und zu lassen, was sie für richtig hielt.

Sie glänzte an diesem Abend in einem eleganten dunkelroten Designerkleid. Der Eindruck wurde nur durch die schwarzen Hausschuhe geschmälert, die sie dazu trug. Bequemlichkeit ging ihr über alles. Es war ihr einerlei, was andere darüber dachten, und sie hatte Geld genug, dafür zu sorgen, dass alle anderen zumindest vorgaben, nur das Beste von ihr zu denken.

Sie war immer so etwas wie eine Mutter gewesen für Kate, deren leibliche Mutter früh gestorben war. Kate war sieben gewesen, als sie zusammen mit Molly und ihrem Vater zu den Gages gekommen war. Ihr Vater hatte als Bodyguard für die Familie gearbeitet. Er war kurze Zeit später umgekommen, aber Kate und Molly waren geblieben. Das Haus der Gages war zu ihrem Zuhause geworden.

„Können Molly und ich nichts tun, um dich umzustimmen?“, fragte Julian, während sein Blick Molly suchte.

Kate hätte dahinschmelzen können, wenn sie sah, mit welchem Ausdruck von Stolz und Liebe er ihre Schwester ansah.

Genau das erhoffte sie sich auch für ihre eigene Zukunft.

Eine eigene Familie.

Eben deswegen musste sie jetzt gehen. Musste andere Menschen kennenlernen und einen Mann finden, der sie so liebte wie sie ihn.

„Ich muss es tun, Julian“, erklärte sie, während sie einer Gruppe von Gästen das Tablett hinhielt und zusah, wie ihre Garnelenspießchen rasch verschwanden.

Sie musste fort, bevor sie gezwungen war, mitanzusehen, wie der Mann, den sie liebte, eine andere heiratete und mit ihr eine Familie gründete. Bevor sie Tante Kate wurde für Kinder, die sie gern selbst gehabt hätte.

„Aber sag Garrett bitte noch nichts davon, okay? Ich will nicht, dass er sich schon jetzt auf mich stürzt …“

„Himmel, wer will das schon? Natürlich sage ich ihm nichts.“

Verstohlen warf Kate einen Blick zu dem Mann hinüber, von dem die Rede gewesen war. Die Blondine an seiner Seite hing immer noch hingebungsvoll an seinen Lippen.

Die Frau hatte irgendwie geschäftlich mit ihm zu tun. Sie genoss es sichtlich, die Männer um den Finger zu wickeln. Kate kannte sie nicht, aber auch so wusste sie, dass sie sie nicht ausstehen konnte.

In diesem Moment ließ Garrett den Blick durch den Raum schweifen. Suchte und fand Kate. Verweilte bei ihr. Ihr Herz machte einen Satz, als sein Blick über ihr Kleid zu gleiten schien – der erste Mann an diesem Abend, der es wahrnahm – und sich dann wieder hob. Ihre Blicke trafen sich.

Plötzlich veränderte sich sein Ausdruck. Wurde beinahe …

Nein, das bildete sie sich nur ein.

Was auch immer sich für Gefühle in seinem Blick gezeigt haben mochten, sie waren rasch wieder verschwunden. Er hob sein Weinglas zu einem angedeuteten Toast. Begleitet von einem Lächeln, das so etwas wie eine Sonne in ihr aufgehen ließ. Auch wenn es nur kurz war.

Dieses Lächeln war nichts verglichen mit dem, das er gleich darauf seiner Begleiterin schenkte. Seine weißen Zähne blitzten, und Kate ahnte, dass die arme Frau keine Chance hatte, sich gegen diesen Charme zu wehren. Wenn sie es denn überhaupt wollte.

Warum hatte er dieses Lächeln nicht auch für sie, Kate?

Garrett war immer für sie da gewesen, solange sie denken konnte. Ein fester Bestandteil ihres Lebens. Stabil und zuverlässig. Ihr Vater war für ihn gestorben. Und Garrett nahm das Versprechen, das er ihrem sterbenden Vater gegeben hatte, sehr ernst.

Er beschützte Kate vor Regen und Hagel, vor Schnee und Hitze, vor den Krallen kleiner Katzen ebenso wie vor bellenden Hunden. Er schützte sie sogar vor dem Bankrott, indem er dafür sorgte, dass seine Familie immer wieder Anlässe hatte, ihre kleine Catering-Firma zu engagieren. Aber Kate wollte keinen zweiten Vater.

Sie hatte einen sehr guten Vater gehabt und hatte ihn verloren.

Garrett konnte ihn nicht ersetzen. Niemand konnte das.

„Er wird nicht erfreut sein, wenn er es erfährt, Kate“, warnte Julian.

Kate nickte schweigend und beobachtete dabei, wie Garretts Mutter sich ihrem Sohn näherte. Sie schien ihm etwas zu sagen, das ihm nicht sonderlich gefiel. Er runzelte die Stirn.

Wenn sie diesen Kerl doch nur nicht so sehr lieben würde …

„In letzter Zeit ist er selten über irgendetwas erfreut“, bemerkte Kate geistesabwesend. Sie musste daran denken, wie oft sie ihn bei Familienangelegenheiten dabei ertappt hatte, dass er sie mit gerunzelter Stirn finster musterte – ohne dass sie gewusst hätte, was sie sich hatte zuschulden lassen kommen. „Und ich möchte nicht, dass er mich zurückhält.“

Es war der Job ihres Vaters gewesen, die Gages zu beschützen. Und das hatte er getan. Und nach seinem Tod hatte sich umgekehrt die Familie verpflichtet gefühlt, Kate und ihre Schwester zu beschützen.

Fast zwei Jahrzehntelang hatte sie ihr das Gefühl gegeben, geachtet und willkommen zu sein. Aber nachdem sie nun so lange so viel erhalten und so wenig zurückgegeben hatte, fühlte Kate sich der Familie gegenüber irgendwie verpflichtet. Sie wollte ihnen allen – und insbesondere Garrett – beweisen, dass sie jetzt eine unabhängige junge Frau war, die auf eigenen Beinen stehen konnte.

„Nachvollziehbar“, bemerkte Julian. „Also auf ins sonnige Florida!“

Er war immer der Umgänglichste von allen gewesen. Das war wahrscheinlich der Grund, wieso alle hier anwesenden Frauen – Kate vielleicht ausgenommen – ein wenig verliebt waren in Julian John.

Er nahm ihre Hand mit der Andeutung eines Kusses. Seine Augen blitzten. „Ich nehme an, wir werden ein Strandhaus gleich neben deinem kaufen.“

Kate musste lachen, wurde aber sofort wieder ernst. „Julian, du wirst für mich auf Molly aufpassen, nicht wahr?“

Ein warmes Lächeln erschien bei der Erwähnung seiner zukünftigen Frau auf seinem Gesicht. „Ach, Kate – du weißt doch, dass ich für mein Mädchen alles tun würde.“

Kates Lächeln sagte ihm auch ohne viele Worte, wie dankbar sie ihm war. Zu sehen, wie sich aus ihrer Freundschaft mit der Zeit eine tiefe Liebe entwickelt hatte, war schwer für Kate gewesen. Einerseits freute sie sich für ihre Schwester, andererseits hätte sie sich gewünscht …

Sie hätte sich gewünscht, Garrett würde sie nur ein einziges Mal so ansehen, wie Julian Molly ansah.

Aber Garrett schien irgendwie mit Blindheit geschlagen.

Blindheit in Bezug auf die Tatsache, dass das kleine Mädchen, das mit ihm zusammen aufgewachsen war, inzwischen eine junge Frau war.

Und Blindheit dafür, dass sie gern seine Frau gewesen wäre.

Und er war blind für die Tatsache, dass Kate Devaney jetzt nach Florida ging.

„Was soll das heißen – Kate geht nach Florida?“ Garrett sah seine Mutter entgeistert an. Die Frau an seiner Seite war völlig vergessen.

„Genau das, was ich gesagt habe. Die kleine Kate geht nach Florida. Und nein, wir können sie nicht umstimmen. Ich habe es bereits versucht. Ach, hallo!“, sagte sie zu der Blondine, die an Garretts Seite einen Schmollmund machte. „Was haben Sie gesagt – wie war doch gleich Ihr Name?“

„Cassandra Clarks.“

Garrett war zu abgelenkt, um auf das Gespräch zu achten, das sich zwischen den beiden Frauen entspann. Ein Gespräch, in dem es sicher über die vielversprechenden Möglichkeiten ging, die sich aus einer Verschmelzung von Clarks Communications und dem Gage-Konzern ergaben. Er entdeckte Kate am anderen Ende des Raums. Eine schreckliche Beklemmung befiel ihn. Sie wollte fort?

Als ihre Blicke sich trafen, wuchs seine Anspannung. Gott, sie sah so bezaubernd aus an diesem Abend. Jedem Mann musste bei ihrem Anblick heiß werden!

Und ihre Augen! Jedes Mal, wenn sie ihn mit diesen himmelblauen Augen ansah, durchfuhr ihn ein Schmerz – so als habe die Kugel damals nicht ihren Vater, sondern ihn, Garrett, getroffen. Nie würde er vergessen, dass er nur deswegen heute hier sein konnte, weil Kates Vater sich vor ihn gestellt und ihn damit gerettet hatte.

Er hatte versucht, es an ihr gutzumachen. Die ganze Familie hatte es versucht. Sie hatte eine solide Ausbildung erhalten. Hatte ein Dach über dem Kopf. Und jede nur denkbare Unterstützung, als sie sich mit ihrem Catering-Unternehmen selbstständig gemacht hatte. Aber in letzter Zeit schien Kate irgendwie traurig und unzufrieden. Garrett wusste einfach nicht, wie er ihr helfen sollte.

„Aber … aber das kann sie doch nicht machen!“, entfuhr es ihm.

Eleanor Gage unterbrach ihr Gespräch mit Cassandra für einen Moment. „Doch, das kann sie“, erklärte sie knapp.

„Aber was will sie denn dort? Ihr ganzes Leben ist doch hier!“

Seine Mutter warf ihm einen Blick zu, der deutlich besagte, er möge es nur nicht wagen, nach dem Grund zu fragen. Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Er runzelte die Stirn, als ihm klar wurde, dass eine Distanz zu Kate vielleicht auch gut war für ihn. Vielleicht konnte er dann endlich wieder richtig schlafen.

Aber nein. Zum Teufel, nein!

Er hatte ihrem Vater damals, in jener tragischen Nacht, ein Versprechen gegeben. Kate und ihre kleine Schwester Molly waren seinetwegen zu Waisen geworden. Sie würden immer hierhergehören, zu den Gages. Dies war ihr Zuhause, und Garrett hatte alles in seiner Macht Stehende getan, um ihnen das Gefühl zu geben, willkommen zu sein.

Molly würde jetzt seinen jüngeren Bruder heiraten. Aber Kate?

Garrett hatte schon immer eine Schwäche für sie gehabt. Er respektierte sie. Beschützte sie. Auch vor den Gefühlen, die er für sie hegte.

Sein ganzes Leben lang hatte er ignoriert, wie Kates Haar ihr in die Augen fiel. Die Art, wie sie seinen Namen immer in so einem ganz anderen Ton sprach als alles andere. Er hatte es ignoriert, wie sich alles in ihm zusammenzog, wenn sie davon sprach, ein Date zu haben. Und er hatte sich bemüht, der Versuchung zu widerstehen, alle Sommersprossen auf ihrem hübschen kleinen Näschen zu zählen.

Es war ihm nicht leichtgefallen, sich so zurückzuhalten. Aber er hatte sich dazu gezwungen, und genauso sollte es bleiben.

Kate war wie eine Schwester für ihn. Und die beste Freundin. Auch wenn sie in Wirklichkeit keines von beidem war …

Einerlei.

Er würde dennoch alles tun, um sie zu beschützen… und dazu gehörte, ihr klarzumachen, dass Florida keine gute Idee war. Überhaupt keine gute Idee.

Er packte seine Mutter beim Ellenbogen und zog sie dichter an sich, sodass Cassandra seine Worte nicht verstehen konnte. Aber die Blondine verstand den Wink und mischte sich unter die anderen Gäste, sodass Garrett ungestört mit seiner Mutter reden konnte. „Wann will sie fort?“

„Am Tag nach der Hochzeit.“

„Also noch acht Wochen?“ Seine Gedanken begannen auf Hochtouren zu laufen. „Dann ist ja noch Zeit genug, sie umzustimmen.“

„Darling …“ Seine Mutter legte ihm eine Hand auf die Brust. „Du würdest mich zur glücklichsten Frau der Welt machen, wenn dir das gelänge. Ich möchte Katie nirgends sonst wissen als hier bei uns.“

Garrett knurrte etwas Unverständliches und nahm sich ein Glas Wein von einem Tablett, das soeben vorbeigetragen wurde. Er hätte es fast in einem Zug geleert. Verdrossen fragte er sich, womit er eine derart halsstarrige kleine Person wie Kate dazu bewegen sollte, einen einmal gefassten Plan aufzugeben.

Andererseits: jede Auseinandersetzung mit Kate war eine prickelnde Herausforderung.

Manchmal war das in der Vergangenheit die einzige Möglichkeit für ihn gewesen, seinen Frust abzubauen.

Frust, der im Moment sekündlich zu wachsen schien, als er zu Cassandra hinüberging, die sich mit zwei anderen Frauen unterhielt, die Garrett zwar kannte, deren Namen er aber vergessen hatte.

Er war daran interessiert, die Firma ihrer Familie zu übernehmen, um die Vormachtstellung des Gage-Medienkonzerns in Texas zu stärken, aber im Moment interessierte ihn nicht einmal das.

Kate wollte in acht Wochen aus seinem Leben verschwinden. Er würde alles tun, um das zu verhindern – und wenn es bedeutete, ihr zu Fuß bis nach Florida zu folgen und sie wie einen Sack Kartoffeln über der Schulter zurückzutragen.

Autor

Red Garnier
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