Was in Las Vegas passiert… (3-teilige Serie)

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

ICH SETZE AUF ROT
Alles oder nichts – große Liebe oder zwei gebrochene Herzen! Hayden erinnert sich noch an den Schmerz, als Shelby in verließ. Jetzt ist sie zurück – und die Sehnsucht brennt in ihm wie damals! Will er noch einmal alles auf die Karte der Liebe setzen und Shelby vertrauen?

DER PLAYBOY UND DIE EISPRINZESSIN
Wetten, dass … Scott die als „Eisprinzessin“ bekannte Rena ins Bett bekommt? Der Einsatz: 50.000 Dollar. Dabei geht‘s ihm gar nicht ums Geld – davon hat Scott genug – sondern nur um die hübsche Frau. Die hat ihn jedoch belauscht und will dem Playboy eine Lektion erteilen …

DER MILLIONÄR UND DIE TÄNZERIN
In der glitzernden Welt von Las Vegas erlebt die schöne Tänzerin Roxy süsse Tage der Versuchung. Der Millionär Max Williams wirbt leidenschaftlich um sie: Mit romantischen Picknicks unter Palmen, glamourösen Abenden in Casinos und kostbaren Juwelen verwöhnt er sie. Der attraktive Mann erobert Roxys scheues Herz im Sturm! Nacht für Nacht lieben sie sich voller Zärtlichkeit. Doch als ein Geschäftspartner Details aus Roxys Vergangenheit erführt, stehen für Max Millionen auf dem Spiel ...


  • Erscheinungstag 13.05.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751506953
  • Seitenanzahl 432
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Katherine Garbera

Was in Las Vegas passiert… (3-teilige Serie)

IMPRESSUM

Ich setze auf Rot erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2006 by Katherine Garbera
Originaltitel: „His Wedding-Night Wager“
erschienen bei: Silhouette Books, Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA, Band 1420
Übersetzung: Roswitha Enright

Umschlagsmotive: LightField Studios / Shutterstock

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2021

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751506885

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

 

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

 

Werden Sie Fan vom CORA Verlag auf Facebook.

1. KAPITEL

Endlos lange Beine und sanft gerundete Hüften, die er gern mit den Händen umspannt hätte. Sie hatte alles, was eine Frau haben musste. Das hatte er schon immer so empfunden. Hayden MacKenzie konnte nicht glauben, dass Shelby Anne Paxton wieder in Las Vegas aufgetaucht war, in seiner Stadt. Er war absolut sicher gewesen, sie nie mehr im Leben wiederzusehen.

Auch ihre Waden waren ideal geformt, ebenso die Füße, die durch die hohen Stilettos noch zierlicher wirkten. Sehr sexy. Er konnte den Blick kaum von ihr abwenden.

Hayden hatte das Hotel Chimera mit dem dazugehörigen eleganten Kasino durch harte Arbeit in den letzten Jahren zu einem der ersten Häuser am Strip, der berühmten Vergnügungsmeile von Las Vegas, gemacht. Die Kasinos waren sein Leben, und er verdiente sich damit seinen Lebensunterhalt. In Las Vegas hatte er sich schon immer zu Hause gefühlt. Nie würde er etwas tun, was den Erfolg von Hotel und Kasino gefährdete, denn sein Herz hing daran, besonders da er nach der großen Enttäuschung, die er erlebt hatte, von den Menschen nicht mehr viel erwartete. Im Grunde verdankte er seinen geschäftlichen Erfolg also dieser Frau, die nicht an ihn und seine Fähigkeiten geglaubt hatte, und seinem Vater.

Denn nur weil er diesen beiden Menschen beweisen wollte, dass er auch ohne ihre Unterstützung erreichen konnte, was er sich in den Kopf gesetzt hatte, war es ihm so wichtig geworden, dass das Chimera zum besten und bekanntesten Kasino von Las Vegas wurde.

Die große Anlage war bis in die letzte Kleinigkeit durchgeplant, von großzügigen Gärten bis zu exklusiven Läden, in denen seine Gäste alles finden konnten, was ihr Herz begehrte. In Kürze würde das Warenangebot noch durch das luxuriöse Wäschegeschäft Becheur d’Or ergänzt werden, dessen Besitzerinnen Paige Williams und Shelby Anne Paxton in einem der größten Wirtschaftsmagazine bereits hoch gelobt worden waren. Offenbar hatte Shelby mehr aus diesem verfluchten Geld gemacht, als er ihr jemals zugetraut hätte.

Als es darum ging, den Pachtvertrag abzuschließen, hatte er allerdings nur mit Paige Williams verhandelt und sich dann auch nur mit ihr getroffen, als der Vertrag unterschrieben werden musste. Das war fatal, denn ihm war der Name ihrer Teilhaberin überhaupt nicht aufgefallen. Dass Shelby jetzt hier aufgetaucht war, kam für ihn vollkommen überraschend. Er war ganz sicher gewesen, dass sie nie wieder nach Las Vegas zurückkehren würde, nachdem sie ihn so kurz vor der Hochzeit verlassen hatte. Doch jetzt stand sie tatsächlich dort drüben in dem neuen Geschäft.

Ein langer Pfiff ließ Hayden zusammenfahren, und er wandte sich überrascht um.

„Hallo, wen haben wir denn da?“ Der große schlanke Deacon Prescott, sein bester Freund, kam auf ihn zu, ließ aber Shelby dabei nicht aus den Augen.

„Du bist es, Deacon“, begrüßte Hayden den Freund zögernd. Es passte ihm gar nicht, dass Deacon Shelby so überaus wohlgefällig musterte. Ja, er wollte nicht einmal, dass der Freund wusste, wer die Brünette war. Nur ein einziges Mal hatte er ihm von seiner missglückten Heirat erzählt, da war er allerdings auch stockbetrunken gewesen. „Du bist ein verheirateter Mann, vergiss das nicht“, warnte er Deacon halb im Ernst.

„Keine Sorge. Ich bin Ehemann aus Überzeugung. Aber das bedeutet doch nicht, dass ich blind bin. Außerdem weiß Kylie, dass ich nie fremdgehen würde.“

Deacon und Kylie waren jetzt fast zwei Jahre verheiratet. Und zwar sehr glücklich. Hayden, der nach seiner Enttäuschung mit Shelby die Institution Ehe mehr oder weniger nur noch für eine geschäftliche Abmachung hielt, musste zugeben, dass Deacon und Kylie die berühmte Ausnahme von der Regel waren.

„Ja, ich weiß“, sagte Hayden mehr zu sich als zu dem Freund. Deacon hatte etwas gefunden, das er nie gesucht hatte, zumindest redete Hayden sich das ein, nämlich dauerhafte Liebe und Glück. Hayden jedoch war schon vor langer Zeit eines Besseren belehrt worden. Dauerhafte Liebe und Glück waren für Männer wie ihn eine reine Illusion. Das hatte er schmerzhaft erfahren müssen.

Dennoch freute er sich für den Freund. Als er ihm vor vielen Jahren begegnete, war Deacon in allerlei krumme Geschäfte verwickelt gewesen, hatte aber den festen Willen gehabt, da herauszukommen. Allerdings wusste er nicht, wie er das bewerkstelligen sollte. Jetzt war Deacon Besitzer des Golden Dream, eines sehr erfolgreichen Hotels, zu dem ebenfalls ein Kasino gehörte.

Deacon hatte in Kylie die Liebe seines Lebens gefunden und war fest davon überzeugt, dass er bis ans Ende seiner Tage mit ihr glücklich sein würde. Hayden war skeptisch, denn er hatte in dieser Hinsicht ganz andere Erfahrungen gemacht.

Natürlich hatte er sich gewünscht, seine Geschichte hätte damals auch so ein märchenhaft glückliches Ende gefunden, aber die Wirklichkeit war mit ihm rauer umgegangen. Als sei das Schicksal darauf bedacht, alles im Gleichgewicht zu halten und ihn nicht übermütig werden zu lassen, hatte er auf dieses Glück verzichten müssen. Doch da er bereits im absoluten Luxus aufgewachsen war, auch wenn sein Vater ihn nicht zu lieben schien, empfand er das in gewisser Weise als ausgleichende Gerechtigkeit, sosehr er auch darunter gelitten hatte.

„Hast du vor, hineinzugehen, oder willst du den ganzen Tag vor dem Laden stehen bleiben?“, fragte Deacon.

Normalerweise wäre er längst hineingegangen, wenn eine Frau ihn so interessierte, doch da es sich hier um Shelby handelte, zögerte er. „Ich warte auf den richtigen Augenblick.“

„Und wann kommt der?“

„Wenn du endlich verschwindest.“

Deacon lachte. „Warum sollte ich? Du hast mich doch auch keine Sekunde allein gelassen, als ich hinter Kylie her war.“

„Das ist doch etwas anderes. Da ging es um eine Wette.“ Hayden, der ein notorischer Spieler war, hatte mit Deacon gewettet, dass Kylie ihn niemals heiraten würde. Das war eine der wenigen Wetten gewesen, die Hayden verloren hatte, aber er war nicht böse darüber gewesen, denn er gönnte dem Freund sein Glück.

„Wie wäre es mit einer neuen Wette?“, fragte Deacon. „Diesmal allerdings …“

„Ich suche keine Frau fürs Leben wie du damals. Das habe ich doch schon mehrmals eindeutig zum Ausdruck gebracht.“

„Warum denn nicht, Kumpel? Du hast ja keine Ahnung, was dir entgeht.“ Seit Deacon so glücklich verheiratet war, versuchte er ständig, Hayden von den Vorteilen der Ehe zu überzeugen.

„Du weißt genau, dass ich es bereits mit der Ehe versucht habe und das Ganze nicht nach meinem Geschmack war.“ Dabei tat er so, als sei das, was ihm damals widerfahren war, lediglich eine unbedeutende Kleinigkeit gewesen und nicht etwas, das sein Leben total verändert hatte.

„Du hast es doch gar nicht bis zum Ende durchgezogen“, meinte Deacon.

„Aber fast.“ Nie wieder wollte Hayden diese fürchterliche Erfahrung machen. Nie würde er vergessen, wie er vorn am Altar stand und auf Shelby wartete, während die Kirche bis auf den letzten Platz von Freunden und Verwandten besetzt gewesen war. An wenige Gefühle konnte er sich so gut erinnern wie an diese Demütigung und seinen Zorn, als er der versammelten Hochzeitsgesellschaft mitteilen musste, dass die Braut leider nicht kommen würde, weil sie es sich anders überlegt hatte.

Und dennoch konnte er den Blick nicht von der jungen Frau lösen. Hatte das etwas damit zu tun, dass er sich seinem vierzigsten Geburtstag näherte und junge hübsche Frauen besonders anziehend auf ihn wirkten? Oder damit, dass Deacon so glücklich verheiratet war?

„Das bedeutet doch nicht, dass es mit einer anderen Frau nicht klappen kann. Mit dieser da zum Beispiel.“

„Deacon, hör sofort auf, sie so unverschämt anzustarren. Sonst schicke ich das Videoband aus der Überwachungskamera an Kylie. Die wird dir die Hölle heiß machen.“

Deacon hob lachend die Hände und trat einen Schritt zurück. „Ich dachte, du sehnst dich vielleicht nach dem guten Leben. Ich kann dir die Ehe nur wärmstens empfehlen.“

„Danke, kein Bedarf.“

„Okay, falls du deine Meinung änderst, sag mir Bescheid. Ich kann dir vielleicht ein paar gute Ratschläge geben.“

„Inwiefern?“

„Was die Liebe betrifft.“

„Deine Ratschläge brauche ich nicht, Prescott.“

Deacon grinste nur und setzte seinen Weg fort. Hayden lehnte sich gegen die Wand gegenüber der Glasfront und beobachtete die junge Frau, die Kisten öffnete und auspackte. Es war schon lange her, seit eine Frau sein Interesse geweckt hatte. Warum musste es ausgerechnet wieder Shelby sein?

Da er nicht ewig so stehen bleiben konnte, stieß er sich schließlich von der Wand ab und betrat zögernd ihr Geschäft.

Shelby richtete sich auf, und das kastanienbraune Haar fiel ihr in langen Wellen über den Rücken. Das Telefon zwischen Schulter und Ohr geklemmt, war sie dabei, Wäschestücke aus einem offenen Karton herauszunehmen, während sie gleichzeitig in den Apparat sprach.

„Ich habe ihn bisher noch nicht gesehen, komme aber am Freitag wie verabredet. Bitte, ruf mich nicht wieder an“, sagte sie gerade, legte den Hörer auf, drehte sich auf dem Absatz um und erstarrte. Offenbar hatte sie nicht damit gerechnet, Hayden zu sehen, denn sie wurde kalkweiß und stützte sich Halt suchend auf dem Verkaufstresen ab.

Hayden ging auf sie zu und bemühte sich, freundlich und gelassen zu erscheinen. Er hatte sich vorgenommen, Shelby wie jede andere Geschäftsfrau zu behandeln, die bei ihm einen Laden pachtete. Nicht umsonst war er für sein Pokerface bekannt. Man konnte ihm selten ansehen, was in ihm vorging.

Dennoch schob sich seine Hand automatisch tief in die linke Hosentasche, und er strich leicht über seinen Oberschenkel, dort, wo sich die kleine Tätowierung befand. Sie stellte eine geharnischte Faust dar, die ein blutendes Herz hielt, und sollte ihn daran erinnern, dass er sich nie mehr gefühlsmäßig in eine Beziehung verstricken wollte. Sex konnte er auch ohne feste Bindung bekommen.

Im Grunde war es tollkühn von Shelby, nach Las Vegas zurückzukehren, nach allem, was sie ihm angetan hatte. Sie musste wissen, dass er immer noch hier war. So handelte man nur, wenn man nichts mehr zu verlieren hatte. Zumal sie als Standort für die neue Filiale ausgerechnet sein Hotel ausgesucht hatte.

Sie war immer noch die schönste Frau, die er je gesehen hatte, auch wenn sie sich in mancher Hinsicht verändert hatte. Früher wirkte sie rätselhaft ungezähmt und war von einer Art wilden Schönheit. Sein Vater hatte sich wegen ihrer Beziehung große Sorgen gemacht und ihn gewarnt. Er hatte nicht nur den äußeren Schein gesehen.

Er, Hayden, war früher selbst ziemlich wild und unangepasst gewesen und hatte immer gehofft, dass er diese Seite seines Charakters vor Shelby verbergen konnte. Aber offenbar war ihm das nicht geglückt, sonst hätte sie ihn wohl kaum verlassen und stattdessen die Million genommen. Die hatte sein Vater ihr dafür geboten, dass sie seinen Sohn in Ruhe ließ.

„Was machst du denn hier?“, fragte er mit honigsüßer Stimme.

„Ich habe den Laden gepachtet“, gab Shelby atemlos zurück.

Himmel, ihre Stimme war immer noch so dunkel und samtweich wie damals. Und sie sah auch noch genauso jung wie früher aus, immer noch wie zweiundzwanzig. Das war nicht fair, diese Begegnung fiele ihm sehr viel leichter, wenn sie dick geworden wäre und graues Haar hätte.

„Ich meine in Las Vegas.“ Er beugte sich vor und stützte sich mit beiden Händen auf dem Tresen ab. Es war zwar bereits zehn Jahre her, aber er spürte wieder diesen Schmerz, als hätte sie ihn gerade verlassen. In den zehn Jahren hätte er eigentlich seinen Zorn überwinden müssen, aber als er sie jetzt so dicht vor sich sah, war alles wieder da. Er konnte sie noch nicht gehen lassen.

Shelbys Stimme hatte er nie vergessen können. Wenn sie einfach nur glücklich war, klang sie anders, als wenn er sie in die Arme nahm. Und nie würde er den Tonfall vergessen, als sie ihm hastig am Telefon erklärte, dass aus der Hochzeit nichts werden könne, weil sie die Stadt verlassen müsse.

„Ich arbeite hier“, sagte sie.

„Ich erinnere mich noch gut daran, dass du sagtest, du würdest nie arbeiten.“

„Ich habe meine Meinung geändert. Geld hat leider die Tendenz, immer weniger zu werden.“

„Selbst die Million, die mein Vater dir gegeben hat?“

Wieder wurde sie blass, und Hayden hasste sich dafür, dass er sich ebenso grausam verhielt, wie sein Vater es damals getan hatte.

„Leider ja“, sagte Shelby leise. Während sie an der Ostküste lebte, war es relativ einfach gewesen, die unerfreulichen Umstände zu vergessen, durch die sie zu dem Anfangskapital für ihr Geschäft gekommen war. Aber hier in Las Vegas war plötzlich alles wieder da.

Shelby Anne Paxton starrte den Mann an, den sie fast wegen seines Geldes geheiratet hätte. Sie hatte sich damals bewusst nach einem reichen jungen Mann umgesehen. Hayden seinerseits hatte nach einem hübschen Mädchen gesucht, um seinen Vater zu ärgern. So hatten sie beide das bekommen, was sie wollten. Aber auch heute konnte sie nicht erklären, warum sie trotz allem immer das Gefühl gehabt hatte, als verbinde sie mehr als nur sein Geld und ihr gutes Aussehen.

Hayden hatte sich in den letzten zehn Jahren kaum verändert, stellte sie fest. Immer noch hatte er dieses kräftige dunkle Haar und die hellen blauen Augen, die sie sehr genau zu durchschauen schienen. Und seine Lippen … sie erinnerte sich nur zu gut daran, wie sie sich anfühlten, wenn er sie küsste.

„Wusstest du, dass dies mein Hotel ist?“, fragte Hayden.

„Ja“, sagte sie leise. Auf keinen Fall würde sie ihm verraten, dass sein Vater extra nach Atlanta geflogen war, um ihr vorzuschlagen, sich um dieses Ladenlokal zu bemühen. Obwohl „vorschlagen“ vielleicht nicht gerade der richtige Begriff war, denn er hatte sie im Grunde dazu erpresst. Alan MacKenzie hatte ihr gedroht, einige interessante Details aus ihrer Vergangenheit, vor allem die Sache mit der Million, die sie von ihm genommen hatte, an einschlägige Magazine weiterzugeben. Und da das Becheur d’Or gerade dabei war, sich einen Namen zu machen, konnte sie eine schlechte Presse nicht gebrauchen. Außerdem hatte Alan ihr Versprechungen gemacht, die zu verführerisch waren, als dass sie sie ablehnen konnte. Er war bereit, ihr alles zu geben, was sie wollte, in gewissen Grenzen natürlich, und Shelby wusste, dass er dabei an Geld dachte.

Alan hatte sie sozusagen gezwungen, nach Las Vegas zurückzukehren. Nun war sie hier, und sie war keineswegs mehr sicher, dass sie sich darauf hätte einlassen sollen. Denn zu ihrem Leidwesen hatte sie immer noch sehr viel für Hayden übrig. Es verging kaum eine Nacht, in der sie nicht intensiv von ihm träumte.

„Warum bist du denn nach Las Vegas zurückgekommen?“

„Also …“ Sie konnte ihm unmöglich die Wahrheit sagen. Auch nach zehn Jahren hatte sie den Eindruck, es sei noch eine Rechnung offen zwischen ihnen. Würde er sie wenigstens teilweise verstehen, etwa dass sie die Sache irgendwie zu Ende bringen musste? Und dass sie den Wunsch hatte, ihm das zurückzuzahlen, was er ihr unwissentlich dadurch verschafft hatte, dass er sie heiraten wollte? Denn wenn er ihr keinen Antrag gemacht hätte, hätte Alan ihr nie das Geld gegeben, das sie brauchte, um ihr eigenes Geschäft aufzumachen. Inzwischen besaßen sie und Paige eine Reihe von exquisiten Boutiquen, die überall auf der Welt zu finden waren, wo die Menschen bereit waren, viel Geld für Luxuswäsche auszugeben. Und all das verdankte sie im Grunde Hayden und seinem Heiratsantrag.

„Was ist, Shelby? Warum bist du hier? Bist du immer noch auf der Suche nach einem reichen Mann?“ Hayden hatte sich drohend vor ihr aufgebaut und konnte seine Wut nur mühsam bezähmen.

Doch Shelby konnte ihm nicht erklären, weshalb sie zurückgekommen war. Und dass sie kommen musste, weil Alan sie dazu gezwungen hatte.

Sie hatte vergessen, wie wütend Hayden werden konnte, vielleicht, weil sie so schöne Erinnerungen an ihr letztes Zusammensein hatte und alles Unangenehme ausblenden wollte. An dem Abend vor ihrer Hochzeit waren sie so fröhlich gewesen …

Plötzlich war alles wieder da, was sie damals gefühlt hatte. „Wenn du das in einem solchen Tonfall sagst …“, fing sie zögernd an.

„Der ist dir doch angemessen. Wie sonst soll ich mit einer Frau sprechen, die bei Männern nur darauf achtet, ob bei ihnen etwas zu holen ist?“

„Die Zeiten sind schon seit Langem vorbei, Hayden. Ich bin in Las Vegas, weil ich mir etwas davon verspreche, hier ein Geschäft aufzumachen.“ Sie hatte ihn vor dem Altar stehen lassen und ihn damals vom Flugplatz aus angerufen, den Scheck seines Vaters in der Handtasche. Wie sollte er ihr das jemals verzeihen?

Und dennoch würde sie in einer vergleichbaren Situation vielleicht wieder so handeln. Sie war in zu ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, als dass sie so tun könnte, als wäre Geld ihr gleichgültig. „Ich bin einigermaßen erfolgreich, wenn man bedenkt, wie ich einmal angefangen habe.“

„Mit nichts“, sagte er.

Er wirkte jetzt nicht mehr so zornig, doch sein Blick war intensiv. Er sah sie an, als wollte er sie mit den Augen ausziehen.

Sex war nie ein Problem zwischen ihnen gewesen, im Gegenteil. Erst nach Jahren therapeutischer Behandlung hatte Shelby erkennen können, dass Sex eben nicht alles war in einer Beziehung und dass sie sich sicher auch von Hayden getrennt hätte, wenn sie das Geld nicht genommen hätte. Hayden war hauptsächlich daran interessiert gewesen, eine hübsche Frau an seiner Seite zu haben, und sie sehnte sich nach finanzieller Sicherheit. Darauf konnte man letzten Endes keine Ehe aufbauen.

„Du bist weit gekommen.“

Er benutzte immer noch das gleiche Rasierwasser mit der maskulinen Note, das er ihres Wissens in Frankreich herstellen ließ.

„Was willst du, Hayden?“, fragte sie jetzt sehr direkt, weil es sie nervös machte, wie er sie ein wenig lauernd musterte.

Hayden streckte eine Hand aus und strich ihr langsam über die Wange. Nur mit Mühe beherrschte Shelby sich, nicht die Augen zu schließen und sich in seine Hand zu schmiegen. Er war immer so sanft mit ihr umgegangen.

Das hatte sie bei Männern vorher höchst selten erlebt.

Hayden hatte sie tatsächlich heiraten wollen, und sie hatte ihn versetzt, sodass er ihren gemeinsamen Freunden etwas erklären musste, was er selbst nicht verstand. Sie hatte deswegen immer ein schlechtes Gewissen gehabt und konnte sich nicht vorstellen, dass Hayden sie je wieder zurückhaben wollte. Allerdings hatte sie plötzlich, als sie sich jetzt so nah gegenüberstanden, das Gefühl, dass sie es nicht ertragen würde, wenn er wieder aus ihrem Leben verschwände.

„Die Hochzeitsnacht, die wir nie hatten“, beantwortete Hayden nach einer Weile schließlich ihre Frage.

„Du meinst Sex?“

Er nickte.

Vor lauter Verblüffung wusste Shelby nicht, was sie sagen sollte. Hayden hatte immer diese sinnliche Wirkung auf sie gehabt. Sein sexuelles Begehren war körperlich spürbar, und wieder reagierte sie, ohne zu wissen, was sie tat. Sie schloss die Augen, öffnete leicht die Lippen und hob ihm das Gesicht entgegen.

Alan erwartete von ihr, dass sie Hayden zur Vernunft brachte, indem sie gemeinsam einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zogen. Das sollte ihm helfen, ein nettes Mädchen zu finden, um endlich eine Familie zu gründen. Langsam kam Alan in das Alter, in dem er sich nach Enkeln sehnte und seinen Sohn als glücklichen Ehemann sehen wollte. In diesem Zusammenhang hatte Alan natürlich nicht an sie, Shelby, gedacht.

Plötzlich wurde ihr klar, was sie gerade im Begriff war zu tun. Schnell duckte sie sich, aber Hayden legte eine Hand in ihren Nacken und hielt sie fest. Und wieder fühlte sie sich wie das arme Mädchen, das sich nach dem reichen Prinzen sehnte. Auch als erwachsene Frau war sie offenbar noch nicht fertig mit diesem Mann.

Seit sie Hayden verlassen hatte, hatte sie zwei länger andauernde Beziehungen gehabt, beide mit wohlhabenden Männern. Aber in beiden Fällen war nichts daraus geworden. Das war ganz eindeutig ihre Schuld. Denn sie hatte Angst vor ihrer eigenen Sexualität. Beim einzigen Mal, als sie ihre Sinnlichkeit leidenschaftlich ausgelebt hatte, hatte sie ihr Herz verloren, und das durfte ihr nicht wieder passieren.

„Du willst wirklich nur Sex?“

Hayden legte den Kopf leicht schräg und betrachtete sie kalt. „Ja.“

„Hat das etwas mit Rache zu tun?“, fragte sie schnell, um ihre Antwort noch etwas hinauszuzögern. Am liebsten hätte sie sich sofort einverstanden erklärt. Wie gern wäre sie jetzt mit Hayden ins Bett gegangen, trotz all der Jahre, die vergangen waren, und all der negativen Gefühle, die sich zwischen ihnen aufgebaut hatten.

„Vielleicht.“

„Wenigstens bist du ehrlich.“ Hayden hatte nie gelogen. Er hatte ihr von Anfang an gesagt, dass er der verwöhnte Sohn eines reichen Mannes war. Er war noch ziemlich unreif gewesen damals, aber das traf auch auf sie zu. Außerdem war er für sie der Märchenprinz, und sie hatte immer Angst davor gehabt, dass er, wenn sie wirklich heirateten, eines Tages merken würde, was für ein fürchterlicher Irrtum diese Ehe war. Vielleicht war sie auch deshalb so bereitwillig auf Alans Angebot eingegangen.

„Dir gegenüber doch immer.“

Damit hatte sie nicht gerechnet. Shelby versuchte, aus seiner Reichweite zu kommen, stolperte dabei aber über einen Karton und wäre beinahe hingefallen, wenn Hayden sie nicht am Arm gefasst hätte. Was für einen festen und gleichzeitig sanften Griff er hatte.

„Alles in Ordnung?“, fragte er leise, mit dieser dunklen rauen Stimme, die ihr immer Schauer über den Rücken jagte.

„Ja. Danke.“

Einen Augenblick schwiegen beide. Shelby versuchte, ihre Gedanken zu sammeln. Plötzlich schien ihre Welt aus den Fugen zu sein. Sie sah sich in der Boutique um, und ihr Blick blieb auf einem Plakat hängen, das Puccinis Madame Butterfly ankündigte. Nein, sie würde sich nicht so hoffnungslos an einen Mann verlieren wie die unglückliche Butterfly.

Sie atmete tief durch und löste sich dann vorsichtig aus Haydens Griff. So verführerisch es auch war, mit ihm ins Bett zu gehen, sie konnte und durfte es nicht tun. Auch wenn er bisher der einzige Mann war, bei dem sie sich lebendig und sehr feminin gefühlt hatte. Aber das war lange her, und sie war inzwischen ein anderer Mensch. Keiner der MacKenzies konnte sie noch dazu veranlassen, sich ihrer Herkunft zu schämen.

Sie hatte Angst gehabt, wie ihre Mutter zu werden, und letzten Endes war sie schon auf dem besten Wege gewesen. Hatte sie nicht ihr Aussehen eingesetzt, um an Geld zu kommen und damit Sicherheit zu erlangen? Aber sie hatte sich geändert. Sie hatte sich selbst etwas aufgebaut und war Hayden in jeder Beziehung ebenbürtig.

„Wir können nicht zusammen sein, wenn du mich behandelst wie … nun, wahrscheinlich hast du sogar ein Recht dazu. Aber das kann ich nicht mehr ertragen und werde es nicht akzeptieren.“

„Aber, Shelby, ich möchte dir doch nicht wehtun. Das wollte ich nie.“

Sie glaubte ihm. Obgleich er sich damals wie ein blasierter Playboy benommen hatte, hatte er sie immer wie eine Dame behandelt. Sie hatte es nie jemandem deutlich machen können, der nicht wie sie aufgewachsen war. Aber wenn die Mutter sich wie eine Schlampe anzog und häufig wechselnde Freunde hatte, dann wurde auch die Tochter normalerweise wie der letzte Dreck behandelt. Doch Hayden war immer zuvorkommend und höflich ihr gegenüber gewesen.

„Es ist doch schon zehn Jahre her, Hayden“, sagte sie leise. „Warum haben wir das alles immer noch nicht hinter uns lassen können? Warum empfinden wir noch so viel füreinander?“ Alan hatte ihr einen großen Gefallen getan, als er sie zwang, nach Las Vegas zurückzukehren, das wurde ihr jetzt klar.

„Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung.“

Ihr ging es genauso. Sie wusste nur, dass sie Hayden nie hatte vergessen können. „Ich bin deinetwegen zurückgekommen.“

Er sagte nichts, sondern sah sie nur an.

„Ich kann irgendwie in meinem Leben nicht weiterkommen, bevor ich nicht weiß, was damals zwischen uns schiefgelaufen ist.“

„Aber, Shelby, das ist doch sonnenklar.“

„Bitte, sag das nicht. Ich wünschte, ich hätte das Geld, um deinem Vater die Million zurückzugeben. Dann stünde das nicht mehr zwischen uns.“

Hayden lächelte kurz und kam auf sie zu. „Was hältst du denn von einer Art Kompromiss? Du gibst mir das, wofür ich bezahlt habe.“

„Wofür dein Vater bezahlt hat.“

„Auf bestimmte Art und Weise habe ich dafür bezahlt. Aber das wirst du nie verstehen.“

Sie verstand es sogar sehr gut. „Eine Nacht mit mir? Ich glaube kaum, dass die eine Million wert ist.“

„Wie wäre es mit einer Woche?“, hakte er nach.

„Sex und Geld, das war das Verderben meiner Mutter. Ich … ich kann das nicht tun. Wenn wir es noch einmal miteinander versuchen, dann nur auf der Basis einer richtigen Beziehung.“

„Okay.“

Shelby war einen Moment völlig perplex. Hayden schien tatsächlich einverstanden zu sein. Gleichzeitig wurde ihr klar, dass sie ihren inneren Frieden nur dann finden konnte, wenn sie mit ihm eine freundschaftliche Beziehung aufbaute. Zu viel Gefühl durfte sie nicht investieren, denn dann wäre sie ihm wieder ausgeliefert. Nie mehr wollte sie sich in irgendeine Art von Abhängigkeit begeben, das hatte sie sich geschworen.

„Lass uns zusammen zum Essen gehen, Shelby. Dann können wir alles in Ruhe besprechen.“

„Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist.“

„Es ist doch nur ein Essen.“

„Hier ist noch viel zu tun, und die Zeit bis zur Eröffnung ist sehr knapp. Ich muss noch Personal einstellen und habe auch noch längst nicht alles ausgepackt.“ Das waren Ausreden, und sie wusste es genau. Obgleich sie mit der Absicht zurückgekommen war, die unausgesprochenen Dinge zwischen ihnen ein für alle Mal aus dem Weg zu räumen, hatte sie plötzlich Angst, jetzt, wo es so weit war.

Aber sie wollte nicht mehr vor den notwendigen Entscheidungen davonlaufen. Schließlich war Hayden MacKenzie auch nur ein Mann.

Und genau das war das Problem.

Eine Stunde später betrat Hayden sein Büro im Kasino. Seine Assistentin Kathy war bereits gegangen. Wie immer hatte sie ihre Schreibtischlampe nicht ausgeschaltet, da sie wusste, dass Hayden meist abends noch einmal ins Büro kam. Er fand zwei Nachrichten von seinem Vater vor und eine von Roxy O’Malley, dem Star seiner Revue.

Er wählte die Nummer des Bühneninspizienten und bekam den Theaterdirektor an den Apparat. „Roxy hat mich angerufen.“

„Sie ist momentan auf der Bühne. Soll sie dich anrufen?“

„Nein. Sag ihr, dass ich nach der Show im Theater vorbeikomme.“

„Mach ich.“

„Gibt es Schwierigkeiten?“

„Nach der Nachmittagsvorstellung hingen hier so ein paar Typen herum, aber der Sicherheitsdienst hat sich darum gekümmert.“

„Gut, aber halte mich auf dem Laufenden.“ Hayden legte auf und lehnte sich zurück. Durch die Fenster an zwei einander gegenüberliegenden Seiten seines Büros konnte er den Strip und das Hotel sehen. An einer Wand waren die Monitore für die Überwachungskameras installiert. Auf einem war Shelbys Laden zu sehen. Er war hell erleuchtet, aber Shelby war nicht da. War sie in Panik davongelaufen? Doch dann entdeckte er sie. Sie stand im Schatten und starrte auf etwas in ihrer Hand. Was es war, konnte er leider nicht erkennen.

Er griff nach dem Telefon und wählte ihre Nummer. Shelby hob den Kopf, ging zum Tresen und nahm den Hörer ab.

„Becheur d’Or.“

„Ich bin es.“

„Hayden“, flüsterte sie.

Er sah, wie sie sich mit der Hand an die Kehle griff und kurz die Augen schloss.

„Alles in Ordnung?“, fragte er schließlich. Was auch immer er von ihr wollte, um einen Schlussstrich unter ihre Affäre von vor zehn Jahren zu ziehen, auf keinen Fall wollte er ihr wehtun. Er sah, wie sie die Schultern straffte.

„Ja“, sagte sie mit fester Stimme. „Warum fragst du?“

„Ich beobachte dich.“

„Wie denn?“ Sie sah sich schnell nach allen Seiten um.

„Durch die Überwachungskamera.“

„Ach so. Ich hatte ganz vergessen, dass das in Las Vegas so üblich ist. Wer kann mich denn noch sehen?“

„Nur ich.“

„Warum beobachtest du mich?“

Shelby neigte den Kopf und sah plötzlich klein und verletzlich aus, vollkommen anders, als sein Vater sie einschätzte, der sie für eine ausgekochte Intrigantin hielt.

„Ich dachte über etwas nach.“

„Was denn?“

„Was würde passieren, wenn ich auf dem bestehe, was ich haben will?“

„Was willst du denn, Hayden?“

„Ich dachte, das hätte ich bereits deutlich gemacht. Rache.“

Er sah, wie sie zusammenzuckte. Obgleich er ein paar Stockwerke über ihr war, dazu noch in einem anderen Flügel des Hotels, spürte er ihre Enttäuschung, als sie erwiderte: „Gut, ich mache, was du willst.“

„So?“ Damit hatte er nicht gerechnet. „Hast du neuerdings eine masochistische Ader?“

„Nein, aber ich möchte etwas wiedergutmachen.“

„Shelby …“

„Bitte sag jetzt nichts, Hayden. Wir können uns beim Essen über die Bedingungen unterhalten.“

2. KAPITEL

Shelby stand in der Suite, die ihr vom Hotel zur Verfügung gestellt worden war, bis sie ihr Geschäft eröffnen konnte. Das würde in drei Wochen der Fall sein, und danach würde sie wieder nach Atlanta zurückkehren, in die Firmenzentrale von Becheur d’Or. Dort hielt Paige momentan die Stellung bis zur Eröffnung der nächsten Boutique im Herbst.

Shelby wünschte, sie wäre in ihrem kleinen gemütlichen Apartment in Buckhead, wo sie um diese Tageszeit wahrscheinlich vor dem Fernseher sitzen und fettfreies Popcorn essen würde. Dort konnte ihr wenigstens nichts passieren, aber andererseits war es da auch nicht gerade aufregend. Ihr ganzes Leben in den letzten Jahren war so eintönig abgelaufen. Neben der Arbeit war im Grunde nichts weiter passiert. Nach der erneuten Begegnung mit Hayden hatte sie plötzlich das dringende Bedürfnis, daran etwas zu ändern.

Hier war sie nun in dem Sündenpfuhl Las Vegas und würde mit dem einzigen Mann essen gehen, bei dem sie sich nie sicher gefühlt, mit dem sie sich aber auch nie gelangweilt hatte. Und jetzt stand sie vor ihrem Kleiderschrank und wusste nicht, was sie anziehen sollte. Das war vor zehn Jahren einfacher gewesen, denn damals war sie darauf aus, sich einen reichen Mann zu angeln, und musste sich entsprechend anziehen. Dieses Mal war ihre Rolle alles andere als eindeutig.

Sie schloss die Augen und versuchte, ihr altes Selbstvertrauen wiederzufinden, das ihr ganz plötzlich abhanden gekommen war, als sie Hayden MacKenzie wiedergesehen hatte. Nie würde sie vergessen, wie er sie angesehen hatte, zornig, verlangend und traurig zugleich. Da war ihr erst klar geworden, weshalb es sie hierher zurückgezogen hatte. Sie wollte ihn von der Unruhe befreien und ihm zu innerem Frieden verhelfen. Das war sie ihm schuldig für das, was sie ihm angetan hatte.

Sie war beruflich außerordentlich erfolgreich und konnte das Leben führen, von dem sie immer geträumt hatte. Aber wie war es mit ihm? Es war eindeutig, dass er immer noch sehr von ihrer damaligen Entscheidung betroffen war, und irgendwie wollte sie ihn davon befreien. Auch wenn in ihrem Leben nicht alles vollkommen war, so akzeptierte sie, dass das der Preis war, den sie zahlen musste.

Sie zog ihr Kostüm aus und nahm einen leuchtend roten Rock aus dem Schrank, der sich sanft um ihre Beine schmiegte. Dazu passte ein weißes ärmelloses Top. Da ihre Brüste klein und fest waren, trug sie selten einen BH, so auch heute nicht. Kritisch betrachtete sie sich im Spiegel. Sie sah aus wie immer, sauber und ordentlich. Mit einer Hand brachte sie ihr Haar ein wenig in Unordnung und hielt dann mitten in der Bewegung inne.

Weshalb versuchte sie, sexy zu wirken? Sie hatte doch kein echtes Date mit Hayden, sondern wollte etwas gutmachen, das sie schon lange quälte.

In den letzten Jahren hatte sie versucht, Alan MacKenzie den Betrag zurückzuzahlen, den er ihr gegeben hatte. Natürlich nicht auf einmal, dazu war die Summe zu groß, sondern in Raten. Aber Alan hatte es immer abgelehnt und gemeint, er wolle ihr Geld nicht. Ihm sei nur das Glück seines Sohnes wichtig.

Sie glaubte ihm sogar. Alan und Hayden hatten eine sehr komplizierte Beziehung, die sie erst verstand, als es bereits zu spät war. Ihr war klar geworden, dass Hayden sie nur heiraten wollte, um seinen Vater zu ärgern. Aber da sie sich nur wegen seines Geldes mit ihm eingelassen hatte, war ihr das anfangs egal gewesen.

Damals war sie genau die falsche Frau für Hayden, der schließlich einmal das Unternehmen seines Vaters übernehmen sollte. Das hatte Alan klar erkannt. Er hatte ihr gedroht, Hayden jede Einzelheit aus ihrer nicht sehr ruhmreichen Vergangenheit zu erzählen, falls sie das Geld nicht nahm und weiterhin mit seinem Sohn zusammen war.

Aber jetzt – in diesen zehn Jahren – hatte sich viel verändert. Nun war Alan offenbar der Meinung, sie könnte seinem Sohn helfen.

Zum Teufel mit den Zweifeln. Sie hatte einen Entschluss gefasst, bevor sie nach Las Vegas aufgebrochen war, und würde durchziehen, was sie sich vorgenommen hatte. Schnell schlüpfte sie in die hochhackigen Sandaletten und verließ den Raum.

In der Halle sah sie sich nach Hayden um und entdeckte ihn in der Gesellschaft einer sehr attraktiven Blondine, mit der er sich unterhielt. Zum ersten Mal kam ihr der Gedanke, dass er vermutlich mit einer anderen Frau liiert war und tatsächlich nur mit ihr schlafen wollte, um Rache an ihr zu nehmen. Aber so oft sie sich auch einzureden versuchte, sie tue all das nur, um ihm zu seinem Seelenfrieden zu verhelfen, tief in ihrem Herzen wusste sie, dass das nicht der Wahrheit entsprach. Sie begehrte Hayden.

Auch Hayden hatte sich umgezogen. Er trug jetzt ein dunkelblaues Hemd zu einer leicht ausgeblichenen Jeans. Bei jedem anderen hätte das zu salopp gewirkt, aber er sah auch darin fantastisch aus.

Hayden blickte hoch, sah Shelby und winkte sie heran. Die Frau, mit der er sich unterhielt, war so schön, dass Shelby sich wie ein hässliches Entlein fühlte. Ihr blondes Haar fiel ihr glatt über die Schultern, und das Make-up, von dem sie vielleicht ein bisschen zu viel aufgetragen hatte, betonte geschickt die hohen Wangenknochen.

Die Frau blickte Shelby an und lächelte. Ihr Lächeln war warm und herzlich, und Shelby fühlte sich gleich besser.

„Roxy, dies ist Shelby Paxton, die in den nächsten Wochen hier im Hotel eine neue Boutique eröffnen wird. Shelby, dies ist Roxy O’Malley, der Star unserer derzeitigen Revue.“

„Angenehm“, sagte Shelby etwas steif.

„Herzlich willkommen.“ Roxy streckte ihr die Hand entgegen. „Was für eine Boutique eröffnen Sie?“

„Eine Boutique für Edeldessous.“

„Wie wunderbar! Ich komme bestimmt bei Ihnen vorbei.“

Shelby zog eine Einladung für die Eröffnungsparty aus der Tasche und reichte sie Roxy. „Wir wollen die Eröffnung feiern. Ich würde mich freuen, wenn Sie mein Gast wären.“

„Mit Vergnügen.“ Roxy nickte Shelby lächelnd zu und wandte sich dann wieder Hayden zu. Sie sah ihn fragend und ein wenig beunruhigt an.

„Ich kümmere mich darum“, sagte er schnell.

„Danke, Hayden. Ich weiß, er könnte völlig harmlos sein. Aber er hat etwas an sich, das mir Angst macht.“

„Mach dir keine Gedanken, Roxy. Ich sage dir Bescheid, sowie ich Näheres weiß.“

Nachdem Roxy gegangen war, wandte Hayden sich Shelby zu. Sie spürte seinen Blick wie eine körperliche Berührung, erst auf ihren nackten Armen, dann auf dem Dekolleté, den Hüften und ihren Beinen, bis hin zu ihren Füßen in den leichten Sandaletten.

Schnell verschränkte sie die Arme vor der Brust, wusste aber im selben Moment, dass er diese Geste der Unsicherheit sofort als solche deuten würde. Hayden kannte ihre schwachen Punkte sowieso sehr genau. Sie brauchte ihn nicht noch darauf hinzuweisen, dass er sie immer noch aus dem Gleichgewicht bringen konnte.

„Danke, dass du mit mir zum Essen gehst“, sagte er lächelnd. „Kannst du denn in den Dingern laufen?“

„Sicher. Sie sind erstaunlich bequem. Worüber habt ihr euch denn gerade unterhalten?“

„Bist du eifersüchtig?“

„Vielleicht.“

„Dazu hast du aber keinen Grund. Es war rein geschäftlich.“

„Sie wirkte auf mich nicht wie eine deiner Angestellten.“

„Ist sie auch nicht.“

„Was denn dann? Deine Geliebte?“

„Nein. Ich betrachte sie eher als meine kleine Schwester. Mein Ziel ist, dass alle, die hier im Chimera arbeiten, sich wie eine große Familie fühlen. Weißt du, hier in Las Vegas gibt es so viele Menschen, die niemanden haben, der ihnen wirklich nahesteht und sich um sie kümmert …“

Shelby nickte. Sie wusste, was Einsamkeit war. Das war eine der wenigen Erfahrungen, die Hayden und sie gemeinsam hatten. In diesem Punkt hatte sie ihn nie belügen müssen. Ihre Mutter war immer berufstätig gewesen, genauso wie Haydens Vater.

Sie hakte sich bei ihm unter. „Du bist wirklich nett.“

„Manchmal.“

Sie gingen aus der Halle, und Hayden dirigierte Shelby zur Rolltreppe, die zum Zwischengeschoss führte.

„Wohin bringst du mich?“, fragte sie.

„Zu den Sternen.“

„In deinem Flugzeug?“ Dies war genau die Haltung, die sie damals überwältigt hatte. Hayden hatte die fantastischsten Ideen, die man sich vorstellen konnte, und erfüllte ihre Sehnsucht nach Romantik und Abenteuer. Kein Wunder, dass sie ihm verfallen war, ohne die Folgen zu bedenken.

„Nein, heute ausnahmsweise nicht. Im letzten Jahr habe ich ein Planetarium bauen lassen, das heißt, Deacon und ich hatten zusammen die Idee.“

„Wer ist Deacon?“

„Deacon Prescott ist ein sehr guter Freund von mir. Ihm gehört The Golden Dream. Viele Projekte ziehen wir gemeinsam durch. Wie wäre es mit einem Drink unter dem Sternenhimmel vor dem Essen?“

„Was sagen die anderen Gäste dazu?“

„Der Raum ist nur selten für Gäste geöffnet. Mir ist es lieber, wenn sie ihre Zeit im Kasino verbringen.“

„Das bringt mehr Geld, was?“

Er nickte. „Geld regiert die Welt, das weißt du doch aus eigener Erfahrung.“

„Stimmt.“

Im Zwischengeschoss wurden sie noch zweimal von Angestellten aufgehalten, die Fragen an Hayden hatten. Aus ihrer eigenen, wenn auch eingeschränkten, Erfahrung konnte Shelby sich vorstellen, was es bedeutete, diesen großen Hotelkomplex zu führen. Ihr Geschäft, das im Vergleich dazu klein war, wuchs ihr schon manchmal über den Kopf. Es gab immer so viel zu regeln und zu bedenken. Auch an diesem Nachmittag hatte sie wieder mit Paige telefoniert und für den nächsten Tag um neun Uhr eine Konferenzschaltung mit dem Architekten anberaumt, der für die neue Boutique in Washington zuständig war.

Schließlich traten sie in einen breiten Korridor, der sparsam, aber elegant möbliert war. Shelby schloss kurz die Augen und fragte sich, ob sie wohl jetzt in diesem Luxus leben würde, wenn sie sich vor zehn Jahren anders entschieden hätte. „Las Vegas hat sich sehr verändert“, sagte sie. Aber vielleicht war sie es nur, die sich verändert hatte?

„Ja, das stimmt.“

„Hast du damit irgendetwas zu tun?“

„Was meinst du?“, fragte er lächelnd.

„Ich bin sicher, du bist in allen Planungskomitees, die es hier gibt. Du bist nicht der Typ, der es anderen überlässt, sich um Dinge zu kümmern, die deine Interessen beeinflussen.“

„Du kennst mich besser als ich selbst.“

Shelby lachte. „Dein Hotel ist sehr edel ausgestattet und gefällt mir gut. Aber ein paar Straßen weiter sieht es schon ganz anders aus.“

„Jeder erwartet etwas anderes von Las Vegas, und wir wollen niemanden enttäuschen.“

„Und was, meinst du, suche ich hier?“, fragte sie leise.

„Das kannst nur du selbst wissen“, gab er ebenso leise zurück und zog sie in eine Nische. „Vielleicht suchst du mich.“ Er stand dicht vor ihr.

„Warum? Was ist so Besonderes an dir?“

„Ich bin der Mann, der alles möglich macht. Was auch immer du dir wünschst, ich werde es dir geben …“

Seine Stimme klang dunkel und sinnlich, und als Shelby zu ihm hochsah, erkannte sie, dass es ihm ernst war mit dem, was er gesagt hatte.

Das Planetarium lag zwischen dem Chimera und dem Golden Dream und war von beiden Hotels aus zu erreichen. In diesem Verbindungsflügel war außerdem noch ein Kunstmuseum untergebracht, das momentan eine Wanderausstellung mit impressionistischen Gemälden zeigte.

Die meisten Besucher kamen aus ganz bestimmten Gründen nach Las Vegas. Shelby war zwar im Wesentlichen wegen der Neueröffnung ihrer Filiale hier, aber Hayden hatte das Gefühl, dahinter steckte noch etwas anderes.

Er hatte den Küchenchef angewiesen, Champagner und Erdbeeren heraufzuschicken, und eine der Hostessen übergab ihm ein Strohkörbchen mit Früchten, als sie das Planetarium betraten. Er führte Shelby eine Treppe hinauf in einen der kleinen Räume, die für besondere Gäste reserviert waren.

„Ein paar Minuten noch, dann bin ich fertig“, sagte er.

„Kann ich dir helfen?“

„Nein, nicht nötig.“ Er wies auf einen der Polstersessel, die vor einer niedrigen Mauer standen. „Genieße es einfach.“ Er wandte sich ab und öffnete die Champagnerflasche.

Shelby setzte sich, und Hayden beobachtete sie, wie sie die Beine übereinanderschlug. Dabei gab der hohe Rockschlitz den Blick auf ihre langen schlanken Schenkel frei. Schnell zog sie den Rock wieder über die Beine, doch als Hayden ihr das Glas reichte, musste sie den Rock loslassen. Er lächelte.

„Warum spielen wir eigentlich diese Spielchen, Hayden?“, fragte Shelby und strich sich über den nackten Schenkel. Sterne erschienen auf dem künstlichen Nachthimmel, und klassische Musik setzte ein.

„Tun wir das? Ja, warum denn nicht? Wir flirten doch beide gern, oder?“ Er stieß mit ihr an und nahm einen Schluck, während er sie beobachtete. Ihre Haut schimmerte sanft in dem gedämpften Licht, und es juckte ihn in den Fingern, sie zu liebkosen.

„Ich dachte, du bestimmst hier, was abläuft. Man flirtet doch nur, wenn man eine Bekanntschaft auf die leichte Schulter nimmt.“

„Und, willst du das denn nicht?“ Hayden spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte und ein heißes Verlangen in ihm aufstieg. Hatte sie nicht gerade deutlich gemacht, dass sie all die Nettigkeiten ablehnte, mit denen er ihr beweisen wollte, dass er ein Gentleman war und kein Playboy? Was empfand sie denn wirklich für ihn?

„Ich versuche es, aber es gelingt mir nicht sehr gut.“

Shelby sah ihn nicht an und spielte mit ihrem Glas. Plötzlich wurde er misstrauisch. Wollte sie ihn wirklich, oder war sie nur so nervös, weil sie nicht wusste, wie sich das Ganze entwickeln würde? Was hatte sie vor?

„Warum denn nicht?“, fragte er.

„Ich weiß es selbst nicht. Du hast schon immer etwas an dir gehabt, das mich zutiefst verunsichert. Ich weiß, dass es eine tolle Erfahrung sein wird, aber mir ist zu Mute, als müsste ich mit dem Fallschirm abspringen, ohne zu wissen, ob er sich auch öffnen wird.“

Hayden wusste kaum noch, wie es war, sich in einer Beziehung unsicher zu fühlen. Er hatte sich in den letzten zehn Jahren davor gehütet, sich gefühlsmäßig auf die Frauen einzulassen, mit denen er schlief. Anfangs war ihm das nicht bewusst gewesen. Erst als seine letzte Geliebte ihm sagte, er sei der kälteste und gefühlloseste Mann, mit dem sie jemals geschlafen habe, hatte er begriffen, was mit ihm los war.

„Du warst doch damit einverstanden, dass wir zusammen essen.“

„Das stimmt. Aber ich wurde nervös, als du mir sagtest, dass du mich beobachtet hast.“

„Ich will dich“, sagte er leise und ließ sich auf die Knie nieder. „Stört dich das?“

„Nein. Das ist wenigstens etwas Reales, an dem ich mich orientieren kann.“

Er sollte sie nicht berühren, nicht jetzt. Aber er konnte sich nicht zurückhalten und strich ihr über den nackten Schenkel.

Shelby fuhr leicht zusammen, entzog sich ihm jedoch nicht, sondern legte ihm sanft eine Hand auf die Schulter. Doch als seine Hand unter ihrem Rock höher glitt, hielt Shelby sie fest.

„Setz dich neben mich, Hayden. Wir wollen miteinander reden.“

Er fragte nicht nach ihren Gründen, denn er wusste, sie wollte die intime, vertraute Atmosphäre heraufbeschwören, die früher oft zwischen ihnen geherrscht hatte. Und das war auch der eigentliche Grund, weshalb er ihr nicht vergeben konnte. Es war weniger das Geld, das sie von seinem Vater genommen hatte, als die bittere Lektion, die sie ihm erteilt hatte.

Er hatte immer zu den Menschen gehört, die sich nur schwer einem anderen öffneten. Die Rolle des verwöhnten oberflächlichen Jungen spielte er perfekt. Shelby war eine der wenigen, die er hinter die Fassade hatte blicken lassen, und sie hatte ihn enttäuscht und verlassen.

„Warum hast du es getan, Shelby?“

Er spürte, wie sie zitterte, noch bevor sie die Hand zurückzog. Dann stand sie auf, trat an das Geländer und blickte auf den künstlichen Sternenhimmel.

Auch er stand auf.

„Ich brauchte Sicherheit.“

„Das ist alles?“ Sie verbarg etwas, das spürte er genau. Beide machten sie einander etwas vor, als wollten sie dem anderen ihr wahres Selbst nicht zeigen. „Was war der eigentliche Grund?“

„Ich habe dich verlassen, weil ich im Verhältnis zu dir vollkommen bedeutungslos war. Du kamst aus einer traditionsbewussten reichen Familie, während ich in einem schäbigen Wohnwagen zu Hause war. Du warst wie ein solider Goldbarren, während ich lediglich mit Goldbronze besprüht war, die sich mit der Zeit abrieb und hässliche Flecken hinterließ.“

Shelby wandte sich ab. „Ich wollte dich verlassen, bevor diese Flecken, die sich nur schwer entfernen ließen, auf dich abfärbten.“

Im 55. Stock lag das beste Restaurant des Chimera. Man hatte einen Tisch dicht am Fenster für sie reserviert, der von den übrigen Plätzen durch einen Sichtschutz abgetrennt war und von dem man einen Blick über die ganze Stadt hatte. Das Panorama war einfach atemberaubend. Shelby nahm Platz und bemühte sich, nicht allzu beeindruckt zu erscheinen.

Auch Hayden wirkte gelassen, als er sich neben sie setzte. Dabei war er so erregt wie ein Spieler, der die rollende Kugel beobachtet. Er verstand sich selbst nicht mehr. Warum war er dieser Frau immer noch verfallen? Ob das besser werden würde, wenn er seine Rache genossen hatte?

Sein Verstand sagte ihm, dass das Ganze mit Logik nichts zu tun hatte, aber er schenkte seinem Verstand momentan wenig Aufmerksamkeit.

Sein Blick verharrte auf Shelbys zarter Halslinie, die sie so verletzlich erscheinen ließ, und plötzlich fiel ihm auf, dass die Vergangenheit ihr wunder Punkt war. Bei all ihren früheren Gesprächen hatten sie ihre Vergangenheit kaum berührt. Jetzt, wo er es bedachte, schien sie diesem Thema immer geschickt ausgewichen zu sein. Vielleicht hatte er auch nicht energisch genug nachgefragt, weil er die Vergangenheit nicht für wichtig hielt. Aber jetzt, zehn Jahre später, begriff er, dass ihre Vergangenheit einen sehr großen Einfluss auf ihre Beziehung hatte.

„Vielen Dank, dass du mir die Sterne gezeigt hast“, sagte sie.

„Das habe ich gern getan. Möchtest du noch etwas Wein?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Lass uns lieber zur Sache kommen. Du sagtest, du wolltest das haben, wofür du bezahlt hast, stimmt das?“

So, wie sie es sagte, hörte es sich scheußlich an. Als handle es sich bei ihm um ein ausgewachsenes Scheusal. Sicher, sie hatten sich damals beide etwas vorgemacht. Aber Tatsache war, dass er ein verwöhnter, reicher junger Mann gewesen war, der sich ein schüchternes hübsches Mädchen genommen hatte, das ihn brauchte. Ihm hatte gefallen, wie sie an ihm hing, ihn alles entscheiden und alles bezahlen ließ.

„Ja, so ist es.“

Seine Antwort überraschte sie nicht, das sah er ihr an. Sie wusste, dass er nicht der Gentleman war, der er zu sein vorgab.

„Ich fühle mich sehr feminin und begehrenswert, wenn du mich so ansiehst“, sagte Shelby lächelnd. „Das bin ich nicht gewohnt. Die meisten Männer machen einen Bogen um mich. Ich glaube, sie haben Angst vor mir.“

„Warum?“

„Keine Ahnung.“ Shelby wusste genau, warum das so war, denn sie beobachtete die Menschen sehr gründlich. „Ich kann nur raten. Vielleicht, weil ich beruflich unbedingt Erfolg haben möchte. Als ich jung war, habe ich zu viele Fehler gemacht.“

„Und jetzt bist du alt?“, fragte er.

„Du weißt, wie ich das meine. Manchmal wundere ich mich selbst, wie unreif ich war, damals vor zehn Jahren.“

Hayden lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. Viel lieber hätte er Shelby an sich gezogen, sie an sich gedrückt und gegen alles Übel dieser Welt verteidigt. Aber sie brauchte ihn nicht. Das hatte sie ihm wohl damit sagen wollen, dass Männer von ihr eingeschüchtert waren, weil sie eine unabhängige Frau war, die ihren Weg gemacht hatte.

„Du hast wirklich viel erreicht“, meinte er. „Ich habe einen Artikel über dein Unternehmen gelesen. Der Reporter meinte, er hätte selten eine so geschäftstüchtige Frau kennengelernt.“

„Er wollte nur nett sein.“

„Reporter sind nie nett. Er hatte große Hochachtung vor deiner Leistung.“ Und ihm selbst ging es genauso. Er war beeindruckt, was sie aus dem gemacht hatte, was sich ihr geboten hatte.

„Na ja …“ Shelby zuckte verlegen mit den Schultern, und Hayden begriff plötzlich, dass sie nicht sehr viel von sich selbst hielt. Ob das irgendwie auch seine Schuld war?

„Doch nun zurück zu uns“, sagte Shelby hastig. „Ich glaube, dein Dad hat mir das Geld gegeben, damit ich …“

„Das Geld kam von mir.“ Eigentlich hatte er ihr das nicht sagen wollen, aber es wurde Zeit, dass sie die Wahrheit erfuhr. Er hatte keine Lust mehr, weiter Verstecken zu spielen, denn es stand zu viel auf dem Spiel.

„Wie bitte?“

„Mein alter Herr wollte nicht, dass ich diese Lektion jemals vergesse. Er gab dir das Geld, aber ich musste ihm jeden Cent davon zurückzahlen.“ Diese Demütigung würde Hayden nie vergessen.

„Oh, Hayden, das tut mir so leid, ich hatte ja keine Ahnung. Ich hatte das Geld genommen, weil ich … ich meine, ich nahm es von deinem Vater, weil ich fest entschlossen war, es später zurückzuzahlen. Mir war klar, er würde es irgendwann zurückfordern.“

Hayden schwieg. Sicher wusste Shelby, dass Alan bereits von drei Frauen geschieden war und sie problemlos ausbezahlt hatte. Also hatte er genug Geld.

Aber er schwieg auch, weil er Shelby nicht nur Geld gezahlt hatte. Er hatte mit seinem Herzen gezahlt und war fest entschlossen, sie mit ihrem Herzen büßen zu lassen.

Shelby war schockiert. Sie wäre nie auf die Idee gekommen, dass Hayden letzten Endes dafür bezahlt hatte, dass sie die Beziehung abbrach. Zusätzlich hatte sie noch zugelassen, dass Alan einen Keil zwischen sie trieb. Außerdem hatte sie sich von Alan erpressen lassen mit der Drohung, er würde seinem Sohn das Geheimnis verraten, das sie vor ihm unbedingt geheim halten wollte. Die intime Atmosphäre, die Hayden hier geschaffen hatte, bedrückte sie nun. Sie wollte nicht so dicht bei ihm sitzen, während sie ihm von ihrer Vergangenheit erzählte.

Sie wollte sich ihm nicht öffnen, denn sie wusste, was sie ihm zu erzählen hatte, würde ihn sehr verletzen. Genauso wenig konnte sie eine Woche mit ihm ins Bett gehen und ihn danach verlassen und so tun, als sei nichts geschehen.

Hayden legte ihr den Arm um die Schultern und zog sie an sich. Sie schloss die Augen. Wie lange hatte sie eine so zärtliche Geste entbehren müssen. Shelby schmiegte sich an seine muskulöse Brust. Seine breiten Schultern konnten viele Lasten tragen.

Das bedeutete natürlich nicht, dass manche Last nicht selbst für ihn zu schwer zu schultern war. Sie legte ihm die Arme um die Hüften und hörte seinen kräftigen Herzschlag. Hayden strich ihr tröstend über den Rücken, dann umarmte er sie und hielt sie fest an sich gepresst.

Sein Atem ging schneller, und sie spürte seine sexuelle Erregung. Als er ihr Kinn anhob, ihr in die Augen sah und fragte: „Woran denkst du?“, kämpfte sie wieder mit sich. Sollte sie ihm die Wahrheit sagen? Er wusste bereits mehr von ihr als jeder sonst, von Paige einmal abgesehen. Die meisten waren mit dem zufrieden, was sie darstellen wollte, eine ehrgeizige und talentierte Geschäftsfrau. Aber Hayden … er wusste, wie unsicher sie oft war und kannte ihre Schwächen.

„Ich denke daran, wie verworren alles ist und dass es meine Schuld ist, und ich glaube, es wird Zeit, alles zu klären.“

„Ich glaube, wir sind beide nicht ganz unschuldig an dem Schlamassel.“

Er streichelte ihr die Wange mit einer Zärtlichkeit, die sie erröten ließ.

„Hast du manchmal auch das Gefühl, dass unser Leben eine große Tragödie ist, so wie in einer Oper?“

Er schwieg, hörte aber nicht auf, sie zu liebkosen. Vielleicht ist das etwas übertrieben, dachte Shelby. Ihr Leben war zwar bisher keineswegs ideal verlaufen, aber es mit einer großen Tragödie zu vergleichen, war doch ein bisschen übertrieben.

Hayden blickte sie lächelnd an. „Ich glaube, dass unser Leben in mancher Hinsicht durchaus einer Oper ähnelt. Denn dort werden die großen Gefühle gezeigt, die oft auch unsere Entscheidungen beeinflussen. Warum fragst du das?“

Sie sah ihn überrascht an. Eine solche Antwort hätte sie ihm nie zugetraut. Das war ja fast poetisch ausgedrückt. „Weil ich den Eindruck habe, dass wir uns am Ende des zweiten Akts befinden, dort, wo alles einem verhängnisvollen Ende zuzustreben scheint.“

„Und wo wir vielleicht endlich mit dem dritten Akt beginnen sollten?“

Shelby konnte nicht antworten. War es nicht oft so, dass sich in den Opern die Liebenden bis in den Tod hinein die Treue hielten? Vielleicht war es noch das kleine Mädchen aus dem Wohnwagen in ihr, aber sie sehnte sich nach einer solchen Liebe.

„Was erwartest du von mir?“, fragte Hayden leise.

Das war die Frage aller Fragen. Alan wollte, dass sein Sohn glücklich war, und erwartete von ihr, dass sie das wieder in Ordnung brachte, was sie zerstört hatte, als sie Hayden verließ. Hayden wollte Rache, um einen Schlussstrich unter die ganze Sache ziehen zu können. Und sie? Was wollte sie? Das hatte sie bisher nicht herausgefunden, und es wurde höchste Zeit, dass sie sich darüber Klarheit verschaffte. „Ich möchte, dass alles Wirklichkeit wird.“

Sie wusste, dass Hayden sie relativ leicht veranlassen konnte, sich ihm vollkommen zu öffnen. Aber sie hatte Angst, dass er sein Wissen dann für seine Rache nutzen würde. Was sollte sie also tun?

„Wie könnte es das nicht sein?“ Seine Stimme klang dunkel und verführerisch.

Natürlich hatte er recht. Was konnte mehr der Realität entsprechen als ein Mann, der eine Frau in den Armen hielt und nach seinen eigenen Wünschen handelte. Sie musste nur überlegen, wie sie sich dazu stellen sollte. Sie konnte ihm nicht widerstehen, das war vollkommen klar. Denn sie hatte sich immer nach ihm gesehnt. Was sollte sie also tun? Sollte sie sich ihm einfach hingeben, oder wollte sie ihm als gleichberechtigte Partnerin gegenübertreten?

„Ich will dich auch, Hayden. Und ich möchte dir einen Vorschlag machen.“ Sie war selbst überrascht über ihre Entschlossenheit.

„So?“ Er strich ihr langsam mit dem Zeigefinger über das Rückgrat und hob dann leicht einen Träger ihres Tops an.

„Wir wollen uns gegenseitig sagen, was das Ganze für uns bedeutet. Ich möchte, dass wir uns auf eine ganz neue Art und Weise kennenlernen.“

Er blies ihr sanft über den nackten Arm, eine kühle Brise auf ihrer heißen Haut. Dann hob er den Kopf und lächelte. „Einverstanden.“

„Einverstanden?“ Shelby konnte kaum einen klaren Gedanken fassen, wenn er so nah bei ihr war, wenn sie die Wärme seines Körpers spürte, seine Berührungen, seinen Duft. Wenn sie doch das, was vor zehn Jahren geschehen war, einfach auslöschen könnte. Wenn sie die Augen schließen und sich vorstellen könnte, Hayden MacKenzie wollte Shelby Paxton so, wie sie war.

„Ich weiß, du möchtest, dass ich mich in dich verliebe. Aber ich habe leider kein Herz, Shelby, ich weiß nicht, was Liebe ist.“

„Dann bin ich genau die Frau, die sie dir zeigen wird.“ Das schwor sie sich in diesem Moment. Und was sie wirklich wollte, hatte sie bisher immer erreicht. Sie würde herausfinden, wie Hayden wirklich war, und den Weg zu seinem Herzen suchen. Da er immer davon sprach, dass sie ihn betrogen hatte, musste er etwas für sie empfunden haben.

„Vielleicht hast du recht. Immerhin sind wir uns einmal ziemlich nahe gewesen.“

Das klang zynisch, und Shelby überlief es eiskalt. Diesmal stand noch mehr auf dem Spiel. Sie wusste, sie durfte ihn nicht noch einmal verlieren.

„Alles oder nichts“, murmelte sie vor sich hin. Entweder fanden sie zusammen, oder alles war für immer verloren.

„Das riskiere ich jeden Tag, aber diesmal …“

„Ich setze, wenn du mitmachst“, sagte sie mit fester Stimme.

„Natürlich bin ich dabei.“

3. KAPITEL

„Im Grunde geht das nur, wenn wir in einer Wohnung wohnen“, sagte Hayden beim Nachtisch.

Shelby verschluckte sich fast an ihrem Tiramisu. „Was geht nur?“

Er reichte ihr ein Glas Wasser. Je länger Hayden darüber nachdachte, desto mehr freundete er sich mit dem Gedanken an. Shelby in seinem Haus, sie war da, wenn er aufwachte, und wenn er zu Bett ging. Hatte sie nicht gesagt, sie bräuchten mehr Zeit, um sich besser kennenzulernen? „Wenn wir mehr voneinander wissen wollen, müssen wir eine gemeinsame Wohnung haben“, wiederholte er.

„Was?“ Sie blickte ihn überrascht an. „Das kann ich heute nicht entscheiden. Ich habe zu viel gegessen.“

Das war ganz sicher nicht der Grund. Wahrscheinlich braucht sie Zeit, sagte er sich. Aber wenn sie erst mein Haus sieht, dann wird sie nicht mehr lange überlegen. „Komm doch mit zu mir, und sieh dir einfach mal an, wie ich wohne.“

Shelby schüttelte den Kopf.

Das verblüffte ihn, denn früher hatte sie ihm nie etwas abgeschlagen. Aber das war schon lange her. Und sie hatte sich verändert. „Warum denn nicht?“

„Weil ich nicht wie du mit vier Stunden Schlaf auskomme. Ich muss meine acht Stunden haben, und ich bin müde.“

Sie hatte recht, es war bereits spät. Raul, sein Geschäftsführer, stand schon seit geraumer Zeit beim Eingang und wartete auf ihn. Und auf seinem Handy waren sicher auch ein paar dringende Anfragen eingetroffen. Normalerweise arbeitete er etwa achtzehn Stunden pro Tag, da blieb nicht viel Zeit zum Schlafen.

„Hast du Zeit, zum Frühstück zu mir zu kommen?“

„Nur auf einen Kaffee. In drei Wochen ist die Eröffnung der Boutique, außerdem habe ich eine Konferenzschaltung um neun Uhr.“

Hayden zog sein kleines elektronisches Notizbuch aus der Hosentasche. Um acht Uhr am nächsten Morgen hatte er eine Sitzung mit anderen Kasinobesitzern. Danach traf er sich mit den Croupiers an den Roulette-Tischen. Außerdem musste er unbedingt mit dem Chef des Sicherheitsdienstes sprechen. Der Mann, der während Roxys Auftritten neuerdings immer in der ersten Reihe saß, musste im Auge behalten werden.

„Wann?“, fragte er. Vielleicht konnte er den einen oder anderen Termin verschieben. Warum er dazu bereit war, diese Frage stellte er sich nicht. Wenn Shelby sich entschieden hatte, ihrer Beziehung noch eine Chance zu geben, dann wollte er alles dafür tun. Es war ein gutes Gefühl, sie hier in seiner Nähe zu wissen.

Sie hob kurz die Schultern. „Weiß nicht. Sieben vielleicht?“

Wie ihr Haar glänzte, ihre glatte sanfte Haut schimmerte … Hayden spürte sie geradezu unter seinen Fingern. Er begehrte diese Frau, und bei der Vorstellung, dass sie nackt auf seinen hellgrauen Laken lag, wurde ihm heiß vor Erregung.

Shelby sah ihn stirnrunzelnd an. „Was ist? Passt dir sieben nicht?“

Hayden fuhr zusammen, konnte sich aber nicht gleich aus seiner Fantasie lösen. Shelby in seinem Bett, die schlanken Beine verführerisch gespreizt, einladend … „Nein, ja … ich meine, sieben Uhr passt wunderbar. Ich lasse dir eine Schlüsselkarte zu meinem Penthouse schicken. Dann kannst du kommen, wann immer du Lust hast.“ Er hatte jetzt schon Lust, und wie. Ob er in der Lage war, sich so zu beherrschen, dass er sich auf ihre behutsame Art einstellen konnte? Er wusste es nicht. Eigentlich wollte er die Führung übernehmen. Am liebsten hätte er sie sofort in sein Penthouse mitgenommen, hätte sie ins Bett gezerrt und ihr auf sehr elementare Weise gezeigt, wie man die Vergangenheit hinter sich lassen konnte.

„Hayden …“

„Ja?“ Er zeichnete die Rechnung ab und stand auf.

„Hatten wir nicht verabredet, dass ich diesmal das Tempo vorgebe? Dass ich dich verführe?“

„Glaubst du wirklich, dass Tristan warten würde, bis Isolde bereit ist?“, fragte er und spielte damit auf Shelbys Lieblingsoper an, über die sie sich früher endlos unterhalten hatten.

Shelby lächelte. „Wahrscheinlich nicht, aber er ist auch ein Krieger.“

„Vielleicht bin ich auch einer.“ Hayden legte ihr den Arm um die Schultern und führte sie aus dem Restaurant. Als sie ihn damals verließ, hatte er ein paar harte Lektionen lernen müssen. Er war nicht länger der „Golden Boy“, dem alles zuflog. Er musste für das kämpfen, was er wirklich wollte.

„Ich dachte, du bist ein Spieler“, sagte sie.

„Kann ein Mann nicht beides sein?“ Sie standen vor den Fahrstühlen. Hayden drückte auf den Knopf.

„Wohin willst du?“ Shelby sah ihn fragend an.

„Ich begleite dich zu deinem Zimmer.“

„Wie ritterlich.“

„So bin ich nun mal.“

„Von wegen. Glaub nur nicht, dass ich darauf reinfalle und dich in mein Zimmer bitte.“

„Wie kommst du denn auf die Idee, ich wollte mehr von dir?“

Sie lachte und trat vor ihm in den Fahrstuhl. Mit ihnen fuhr ein anderes Paar, das den Knopf für den dreißigsten Stock drückte. Shelbys Suite war im fünfunddreißigsten. Sie nahm die Schlüsselkarte aus der Handtasche, als der Fahrstuhl hielt.

„Gute Nacht“, sagte sie und stieg aus.

Hayden folgte ihr. „Ja, die Nacht war gut.“

„Nicht, Hayden. Es ist sowieso nicht einfach für mich.“

„Ich tu doch gar nichts, Baby. Ich bringe dich nur bis an die Tür.“

Shelby errötete leicht, und er fragte sich, was sie wohl zu verbergen hatte. Sie kam aus vollkommen anderen Verhältnissen als er, und er hatte sie nie gezwungen, darüber zu sprechen. Vielleicht war das falsch gewesen. Aber ihm war es recht gewesen, weil er sie als Frau ohne Vergangenheit so formen konnte, wie er wollte.

„Ich wollte außerdem …“

„Sag nichts mehr“, fiel er ihr schnell ins Wort. „Es geht um alles oder nichts. Es steht viel auf dem Spiel, und du hast selbst gesagt, dass du deinen Schlaf brauchst. Wir sehen uns morgen früh.“

Er nahm ihr die Karte aus der Hand, öffnete die Tür für sie und stieß sie auf.

Shelby blieb im Eingang stehen. In dem milden Licht der Flurlampe sah sie einfach hinreißend aus. Das volle lockige Haar fiel ihr auf die Schultern, ihre helle Haut schimmerte seidig, und das weiße Top betonte ihre Brüste.

Hayden beugte sich vor, um ihr einen kurzen Abschiedskuss zu geben. Doch sowie er ihren Mund berührte, waren die guten Vorsätze vergessen, denn Shelby öffnete leicht die Lippen, und sofort musste er sie tiefer fühlen. Er umfasste ihren Kopf und küsste sie, wie er es schon den ganzen Abend hatte tun wollen. Sie stöhnte leise, und als er den Kopf hob, sah sie ihn unter schweren Lidern an.

Er wusste, er hätte keine Schwierigkeiten, schon in dieser Nacht mit ihr zu schlafen. Aber am Morgen würde sie bedauern, was geschehen war, und er hätte danach große Schwierigkeiten, ihr Misstrauen zu überwinden. Deshalb strich er ihr nur zärtlich mit dem Daumen über die volle Unterlippe und gab ihr dann die Karte zurück. „Nun ist es wirklich eine gute Nacht.“

Hayden wartete, bis sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, und ging dann langsam zum Fahrstuhl zurück. Er wusste nicht, wie die Sache mit Shelby weitergehen würde. Da er eher zu den Zynikern gehörte, glaubte er nicht an die Liebe. Vielleicht war ihm deshalb auch nie aufgefallen, dass Shelby ihm so wenig über ihr früheres Leben erzählt hatte. Verwundert schüttelte er den Kopf. Zum ersten Mal, seit er das Kasino eröffnet hatte, war er voller Lebensfreude.

Shelby hatte den Wecker auf sechs gestellt, aber sie war schon lange vorher wach. Sie hatte sowieso nur wenig geschlafen und hatte wieder von Hayden geträumt. Er war immer ihr Traummann gewesen, der Mann, den sie in ihren erotischen Träumen besuchte, von denen nie jemand etwas erfuhr.

Sein Kuss hatte etwas in ihr entflammt, was im Grunde nie ganz erloschen war. Als der Wecker schließlich klingelte, war sie erregt und nervös. Das Duschen dauerte nur wenige Minuten, genauso schnell war sie angezogen.

Wenn sie jetzt mit Hayden zusammen war, war es genau so, wie sie es sich immer gewünscht hatte. Dennoch lastete der Gedanke, dass Alan sie hergeschickt hatte, zentnerschwer auf ihr. Sie wusste nicht, wie sie das Gespräch auf Alan bringen konnte, ohne Hayden vor den Kopf zu stoßen.

Obgleich sie darauf brannte, Hayden wiederzusehen, zögerte sie den Besuch hinaus. Er brauchte nicht zu wissen, wie sehr sie sich nach ihm verzehrte. Sie musste ihre Gefühle unbedingt besser kontrollieren.

Die Schlüsselkarte zu seinem Penthouse war noch am vergangenen Abend gebracht worden, zwanzig Minuten, nachdem sie sich getrennt hatten. Nachdenklich betrachtete sie die Karte. Sie war buchstäblich der Schlüssel zu dem, was sie sich immer gewünscht hatte. Nur hatte sie vor zehn Jahren nicht geglaubt, dass es jemals Wirklichkeit werden könnte. Aber jetzt …

Das Telefon klingelte. Sollte sie abnehmen? Nur zwei Menschen kannten die Nummer, Paige und Alan.

Schließlich griff sie zum Hörer. „Shelby Paxton.“

„Na, wie klappt unser Plan?“

Alans Stimme war tiefer und heiserer als die seines Sohnes. Kein Wunder, war er doch ein starker Raucher. Shelby hasste es, dass er sich nie mit seinem Namen am Telefon meldete.

„Hallo! Bist du noch dran?“

„Ja, Alan, ich bin dran. Irgendwie gefällt mir die ganze Sache nicht. Auf dein Drängen, um es milde auszudrücken, bin ich nach Las Vegas geflogen, aber ich will nichts mehr mit dem Plan zu tun haben, Alan. Ich will in Zukunft offen zu Hayden sein.“

„Bist du denn wirklich so naiv zu glauben, dass mein Sohn deine Vergangenheit tolerieren kann? Die miese Herkunft deiner Familie? Dass für ihn die Tatsache nicht mehr wichtig ist, dass wir MacKenzies mit den ersten Siedlern nach Amerika gekommen sind, während du noch nicht einmal weißt, wer dein Vater ist?“

Jedes Wort traf Shelby wie ein Dolchstoß, und sie wurde rot vor Scham. Dennoch glaubte sie, dass er seinen Sohn falsch einschätzte. Hayden war kein Snob. Aber sie befürchtete, dass ihr Geschäft darunter leiden würde, wenn Alan mit der Information über ihre Vergangenheit an die Presse ginge, vor allem aber, dass sie ihre Privatsphäre nicht mehr wahren könnte. Doch Hayden musste die Wahrheit erfahren, das hatte sie sich fest vorgenommen. „Ich werde das tun, was ich für richtig halte.“ Sie legte den Hörer auf.

Wieder klingelte das Telefon, aber sie nahm nicht ab. Als sie das letzte Mal getan hatte, was Alan wollte, hatte sie Hayden sehr gekränkt, ja, verletzt. Das würde nie wieder passieren.

Punkt sieben trat sie aus dem Fahrstuhl und klopfte an Haydens Tür. Sie hatte zwar die Karte, aber sie wollte nicht einfach so bei ihm eindringen.

Wenige Sekunden später öffnete er ihr. Er trug eine Tuchhose, dazu ein blaues Hemd und eine gedeckt gemusterte Krawatte. Schweigend bedeutete er ihr einzutreten, da er gerade telefonierte.

„Hört sich gut an“, sagte er nach einer Pause. „Ruf meine Assistentin an. Sie soll einen Termin für morgen machen.“

Er klappte das Handy zu. „Du bist sehr pünktlich. Ich hoffte, du würdest etwas früher kommen.“

Wenn er wüsste, wie gern sie früher gekommen wäre. Shelby sagte nichts, sondern lächelte nur.

„Ich habe auf der Terrasse decken lassen. Lass uns erst frühstücken. Wenn du willst, kann ich dir später das Penthouse zeigen.“

Sie folgte ihm ins Wohnzimmer, das durch den warmen Braunton des Holzbodens sehr einladend wirkte. Erstaunlicherweise gab es weder einen Fernsehapparat noch eine Video- beziehungsweise DVD-Anlage, ungewöhnlich für einen Junggesellen. Das breite Ledersofa stand der Fensterfront zugewandt und erlaubte einen weiten Blick über die Stadt. An einer Wand zog sich ein Tresen entlang, unmittelbar davor stand ein Pokertisch. Es war eindeutig, dass hier ein Mann lebte. Der Raum war dennoch so gemütlich eingerichtet, dass Shelby sich gleich wie zu Hause fühlte.

„Gefällt mir gut“, sagte sie.

„Schön. Du kannst alles ändern, wenn du einziehst, mit Ausnahme meiner Pokerecke. Alle drei Monate veranstalte ich ein Pokerwochenende für einige meiner Freunde.“

„Erzähl mir von deinen Freunden.“ Shelby wollte mehr über Hayden erfahren. Früher hatte sie immer Angst gehabt, seinen Freunden zu begegnen. Sie fürchtete, dass sie ihm die Augen öffnen und ihn darüber aufklären könnten, wie wenig sie in seine Kreise passte.

„Von Deacon habe ich dir ja schon erzählt. Er ist ein sehr guter Kumpel und ein zuverlässiger Geschäftsfreund. Max Williams kenne ich vom College her. Und Scott Rivers traf ich auf meinem Trip durch Europa.“

Sie hob überrascht die Augenbrauen. Scott Rivers, der frühere Kinderstar, war immer noch eine Berühmtheit. Sie hatte nicht gewusst, dass Hayden mit ihm befreundet war.

„Wann warst du denn in Europa?“

„Nachdem du mich verlassen hast.“

„Und warum?“ Sie musste daran denken, dass er seinem Vater die Million hatte zurückzahlen müssen, hatte sich aber nie überlegt, woher er das Geld genommen hatte.

„Ich habe versucht, meinen alten Herrn zu überreden, mir das Erbe vorzeitig auszuzahlen.“

„Und?“

„Es hat nicht geklappt. So landete ich schließlich an der Cote d’Azur, ohne einen Cent. Eine Zeit lang wohnte ich bei Scott, aber als ich eines Morgens mal wieder völlig verkatert aufwachte, begriff ich, dass es so nicht weitergehen konnte. Der Alte würde nie nachgeben, das war mir klar. So ging ich in das erste Kasino, an dem ich vorbeikam, und fragte nach einem Job.“

„Warum in einem Kasino?“

„Ich wollte den Alten auf seinem Terrain schlagen.“

„Und? Hat es geklappt?“

„Das kann ich nicht sagen. Auf alle Fälle verstand ich sein Geschäft dann besser, und wir hatten etwas, worüber wir uns unterhalten konnten.“

Er führte sie auf die Terrasse, wo ein Tisch für zwei gedeckt war. „Ich erinnere mich, dass du gern Croissants isst, aber ich wusste nicht, was sonst.“

„Ein Croissant ist vollkommen ausreichend“, sagte sie und setzte sich.

Es gab auch noch Eier, Schinken und gebratene Würstchen, aber Shelby hatte keinen Hunger. Wenn Hayden so dicht neben ihr saß, konnte sie nicht an Essen denken.

„Wie gefällt dir die Aussicht?“

„Sie ist umwerfend.“ Wie oft hatte sie sich als kleines Mädchen gewünscht, einmal von hier oben hinuntersehen zu können. Und jetzt hatte sich der Wunsch erfüllt. War es wirklich Hayden, den sie wollte, oder war es das Leben, das er ihr bieten konnte? Plötzlich war sie nicht mehr sicher.

Sein elektronisches Notizbuch piepte und erinnerte Hayden daran, dass seine Konferenz in fünf Minuten anfing, aber er wollte noch nicht gehen.

„Was war das?“, fragte Shelby.

„Ich muss in wenigen Minuten zu einer Sitzung.“ Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er jemals so widerstrebend zur Arbeit gegangen war. Normalerweise bedeutete sein Beruf ihm alles. Aber mit Shelby zusammen zu sein, war sehr viel aufregender als die spannendsten Geschäfte.

Shelby stand auf und ließ die Serviette auf den Teller fallen. „Ich muss auch los. Danke für das Frühstück.“

Er griff schnell nach ihrem Handgelenk und hielt sie fest. Sie fühlte sich beinahe zerbrechlich an, und dennoch wusste er, sie hatte Macht über ihn. Er begehrte sie. Und er würde alles dafür tun, sie für sich zu gewinnen. „Was sagst du zu meinem Vorschlag, bei mir zu wohnen?“, fragte er.

„Er ist sehr verführerisch“, gab sie leise zu. „Aber wenn ich bei dir einziehe, dann schlafen wir miteinander, und das will ich noch nicht. Ich möchte nicht, dass wir die gleichen Fehler wie vor zehn Jahren machen.“

„Was für Fehler?“ Er war immer der Meinung gewesen, dass sein einziger Fehler darin bestanden hatte, sie damals nicht mit Geschenken verwöhnt zu haben, da es ihr doch offenbar auf materielle Werte angekommen war. Allmählich aber dämmerte ihm, dass auch vieles andere schiefgelaufen war. Allerdings war er nicht sicher, ob er diesmal diese Fehler vermeiden konnte. Er wollte Shelby. Sie war die einzige Frau, die er nie hatte vergessen können. Aber konnte er ihr die Sicherheit bieten, die sie sich wünschte? Er war ein Spieler, und sein Leben änderte sich ständig.

„Der Fehler war, dass wir über dem fantastischen Sex ganz vergessen haben, dass wir uns kaum kannten. Und das würde heute genauso sein.“

Damals hatten sie die meiste Zeit im Bett verbracht. Er wusste, er war Shelbys erster intimer Freund gewesen, und er hatte schon damals das Gefühl gehabt, dass sie ideal zueinander passten. Noch heute war er sofort sexuell erregt, wenn er an ihre Zeit damals dachte.

„Fantastischer Sex?“, fragte er. Vielleicht war es doch nicht so schwierig, sie zu überreden, bei ihm einzuziehen.

Shelby trat einige Schritte zurück. „Ich habe mir gleich gedacht, dass du darauf anspringst.“

„Ist das ein Wunder? Das ist das einzig Positive, das du bisher über unsere Beziehung damals gesagt hast.“ Der Sex mit ihr war wirklich super gewesen. Da war es verständlich, dass Sex und Leidenschaft den Wunsch nach Freundschaft und Zuneigung gar nicht aufkommen ließen. Diesmal würde Shelby mit Sex allein nicht zufrieden sein, sie wollte mehr, das war Hayden klar. Doch er wusste noch nicht, ob er dazu bereit war.

„Hast du heute noch irgendwann Zeit?“

„Wofür?“

„Ich möchte mit dir einen kleinen Flug über die Wüste machen. Du bist doch früher immer so gern in den Sonnenuntergang geflogen.“ Sie war noch nie geflogen, bevor er sie in seiner kleinen Cessna mitgenommen hatte. Er war ein begeisterter Flieger und besaß selbst einige kleine Maschinen.

„Du weißt ja noch eine ganze Menge von früher.“

„Ja, manchmal sogar zu viel.“

Autor

Katherine Garbera
<p>USA-Today-Bestsellerautorin Katherine Garbera hat schon mehr als neunzig Romane geschrieben. Von Büchern bekommt sie einfach nicht genug: ihre zweitliebste Tätigkeit nach dem Schreiben ist das Lesen. Katherine lebt mit ihrem Mann, ihren Kindern und ihrem verwöhnten Dackel in England.</p>
Mehr erfahren