Wenn dich die Liebe endlich findet

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Wenn Mollie einen ausgesetzten Hund findet, nimmt sie ihn mit. Solch traurigen Blicken kann sie nicht widerstehen - und entdeckt sie überraschend auch bei dem Künstler Noah James! Mollie sucht bestimmt nicht nach Liebe. Aber wenn die Liebe sie findet ..?


  • Erscheinungstag 23.05.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733746872
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Das waren bestimmt nicht die schlimmsten Flitterwochen aller Zeiten, beschloss Noah James. Diese Ehre gebührte dem unglücklich verheirateten Ehepaar hinter ihm. Die beiden hatten sich schon über alles Erdenkliche gestritten – angefangen damit, wer am Fenster sitzen durfte, bis hin zur Frage, wo sie fürs Abendessen einen Tisch reservieren sollten. Klar, Noah ging gerade allein auf Hochzeitsreise. Praktisch am Altar verlassen zu werden, hatte durchaus Vorteile – wie zwei Wochen in Paradise in Florida. Zwei Wochen, in denen er niemandem Rede und Antwort stehen musste. Anders als das frisch vermählte Paar hinter ihm konnte er essen, was er wollte, konnte er hingehen, wohin er wollte, und tun, wozu er Lust hatte.

Auch wenn sein Ego gelitten hatte – sein Herz war nicht gebrochen. Sich mit Angela einzulassen, war ein Fehler gewesen. Mit ihr Schluss zu machen, war nicht infrage gekommen, nachdem sie ihm den Schwangerschaftstest gezeigt hatte. Nur deswegen war aus einer Geliebten eine Verlobte geworden. Er würde doch nie auf sein Kind verzichten.

Also hatte er an der Beziehung festgehalten, um den Herzschlag des Babys hören zu hören. Er brütete über Ultraschallbildern und war überwältigt gewesen. Er war dabei gewesen, als die ersten Tritte zu spüren gewesen waren – die ersten winzigen Bewegungen seines ungeborenen Sohns.

Nur war es gar nicht sein Sohn!

Vor zwei Tagen war Angela verschwunden. Den Verlobungsring und eine Nachricht hatte sie zurückgelassen, einen großen Teil seines Barvermögens hatte sie jedoch mitgehen lassen. Ihre schriftliche Entschuldigung war kurz. Irgendein anderer Kerl war der Vater, was bedeutete, dass er einer Heiratsschwindlerin auf den Leim gegangen war.

Anfangs hatte er mit der verwöhnten Diva durchaus Spaß gehabt, aber dann hatte sie ihr wahres Gesicht gezeigt. Jetzt empfand er nur noch Dankbarkeit, dass er nicht rechtlich an sie gefesselt war. Seit er seinen Sohn verloren hatte – oder besser gesagt, das Baby, das er für sein Kind gehalten hatte –, fühlte er sich jedoch verloren und war sehr verwirrt.

Dann hatte er herausgefunden, dass es zu spät für einen Rücktritt von der Reise war. Aus den Flitterwochen hatte er kurzerhand einen Junggesellenurlaub gemacht. Er würde die Zeit nutzen, um den Kopf freizubekommen. Dann würde er nach Atlanta zurückkehren und sich wieder voll und ganz seiner Kunst widmen – solange der Name Noah James in der Kunstwelt noch etwas bedeutete. Sonst hätte er am Ende passend zur Exverlobten auch noch eine Exkarriere.

„Hätten Sie gerne einen Cocktail?“ Auf dem Servierwagen der Stewardess drängten sich die Flaschen.

„Ich denke nicht. Ein Wasser reicht mir.“ Er hatte noch nie viel getrunken. Und ein paar tausend Meter in der Luft schien ihm nicht der passende Ort zu sein, um damit anzufangen. Die hübsche Flugbegleiterin wollte ihm eine Plastikflasche reichen, musste aber ausweichen, um eine Mutter vorbeizulassen, die ein quengeliges Baby auf dem Arm hielt. Das Kind starrte ihn mit großen blauen Augen an, während es nachdenklich auf seiner kleinen Hand kaute. Noahs Magen verkrampfte sich.

„Das tut mir so leid“, entschuldigte sich die entnervte Mutter. „Er zahnt und beruhigt sich anscheinend nur, wenn ich ihn herumtrage.“

Noah zwang sich zu lächeln. „Schon okay.“ Er winkte dem kleinen Kerl sogar zu. Dafür wurde er mit einem zahnlosen Lächeln belohnt, das ihm zu Herzen ging und den ganzen Schmerz wieder aufwühlte, den er doch vergessen wollte.

Vielleicht würde er doch einen Cocktail trinken. „Miss, könnten Sie mir doch einen Whiskey-Cola geben?“

Noah hatte vorgehabt, sich nur einen Drink zu genehmigen. Er hatte bestimmt nicht geplant, sich zu betrinken. Der Anblick des Babys aber hatte ihn an den erbärmlichen Zustand seiner Existenz erinnert, und ehe er sich’s versah, füllte eine beeindruckende Sammlung winziger Schnapsfläschchen sein Tablett. Das bedeutete, dass er betrunken war. Egal. Ich fühle mich fantastisch. Das einzige Problem war, dass ihm das Laufen schwerfiel. Außerdem hatte er beabsichtigt, am Flughafen ein Auto zu mieten. Das war jetzt undenkbar. Zum Glück half ihm ein netter Wachmann in ein Taxi.

Dieses Taxi hatte ihn gerade vor einem zweistöckigen Holzgebäude abgesetzt. Dabei handelte es sich um das historische „Sandpiper Inn“ – der perfekte Ort für Flitterwochen. Wenigstens hieß es so in der Hotelbroschüre. Hoffentlich war es auch ein geeigneter Ort, um einen Rausch auszuschlafen.

Noah umklammerte seine Reisetasche und versuchte, die Stufen zum Haupteingang zu erklimmen.

Und er scheiterte kläglich bei diesem Versuch.

Er schaffte zwei Stufen. Dann landete er auf seinen vier Buchstaben.

„He, alles okay da unten?“

Er sah sich um. Keiner da. Verdammt, halluziniere ich jetzt schon?

„Brauchen Sie Hilfe?“

Diesmal brachte er es fertig, dem Klang der Stimme mit seinem unsteten Blick zu folgen. Auf einer Bank auf der Veranda saß die schönste Frau, die er je gesehen hatte. Sie hatte kurzes braunes Haar und das Gesicht einer Elfe.

„Oh, du bist wunderschön.“ Ups. Er war sich ziemlich sicher, dass er das gerade laut ausgesprochen hatte.

Ihr Lachen bestätigte die Vermutung. Dämlicher Alkohol.

„Sind Sie betrunken?“ Sie stand auf und kam die Treppe herunter auf ihn zu. Ihre Beine waren lang und schlank und mit den gleichen Sommersprossen übersät, die auch ihre Nase zierten. Sie blieb neben ihm stehen, und er fiel beinahe um, als er versuchte, nach oben zu schauen.

„Könntest du nicht kleiner sein?“, fragte er – wie er glaubte – äußerst höflich.

„Klar.“ Sie lachte wieder und setzte sich neben ihn. „Du bist wirklich betrunken, was?“

„Vermutlich.“ Das konnte er genauso gut zugeben. „Verstehst du, das Problem ist, ich trinke nicht.“

Sie musterte ihn skeptisch. „Klar.“

„Ich meine, normalerweise, aber heute schon. Ziemlich viel, glaube ich.“

„Ja, daran besteht wohl kein Zweifel.“ Sie grinste. „Na, du wirst auch wieder nüchtern. Aber nicht hier. Jillian hat mich hergeschickt. Ich soll nach den Gästen Ausschau halten, die die Hochzeitssuite gebucht haben. Sie will dem Paar einen ganz besonderen Empfang bereiten. Und ich glaube, dabei hat sie nicht unbedingt an einen Betrunkenen vor dem Haus gedacht.“

„Kein Problem“, versicherte er ihr. „Das bin ich. Ich bin das Paar.“ Er streckte seine Hand aus. „Noah James.“

„Mollie Post. Nett, dich kennenzulernen.“ Sie schaute an ihm vorbei. „Aber wo ist deine Frau?“

„Sie kommt nicht.“ Der Rausch war wohl schon am Abklingen, denn seine Worte hörten sich sogar in seinen Ohren jämmerlich an.

„Was meinst du damit, sie kommt nicht? Ohne Braut kannst du doch keine Flitterwochen machen!“

Wahrscheinlich dachte sie, dass er verwirrt war, weil er sich betrunken hatte. Doch was diesen Punkt anging, hatte er einen völlig klaren Kopf. „Es gibt für alles ein erstes Mal. Keine Braut, übrigens auch keine Hochzeit. Sie ist vorher abgehauen.“

Ihr blieb der Mund offen stehen. „Wow, das ist übel.“

Ihre unverblümte Reaktion half mehr als alle rücksichtsvollen Plattitüden, die er in der vergangenen Woche zu hören bekommen hatte. „Ja, das ist es. Aber ich hab gedacht, entweder geht’s mir zu Hause mies oder hier am Strand – mit einer Margarita in der Hand.“ Ihm drehte sich der Magen um. „Obwohl ich auf die Margarita lieber verzichte, glaube ich.“

Mollie beobachtete den Neuankömmling fasziniert. Ganz persönlich hatte sie nicht viel für Alkohol übrig. Und dennoch machte es ihr nichts aus, dass er sturzbesoffen war. Der Mann wirkte ziemlich harmlos. Außerdem sah er aus, als ob er gerade jemanden zum Anlehnen brauchte.

Auf jeden Fall bot er einen durchaus angenehmen Anblick. Er war groß und schlank. Sein leicht gewelltes braunes Haar war ein bisschen zu lang. Sein Gesicht war schon fast schön, mit hohen Wangenknochen. Allerdings waren es seine Augen, die sie berührten – dunkel und verhangen. Die Art von Augen, die Dinge sehen konnten, die für andere Leute unsichtbar waren.

„Du starrst mich an.“

„Na und? Du siehst eben interessant aus.“

Er blinzelte. Dann lachte er. „Sagst du immer genau das, was du denkst?“

„Mehr oder weniger.“ Sie zuckte die Achseln. „Eine Weile habe ich probiert, immer nur das Richtige zu sagen, aber das hat irgendwie nicht funktioniert.“

„Da bin ich froh. Es gibt nicht viele Leute, die willens und bereit dazu sind, ehrlich zu sein. Das ist eine gute Eigenschaft!“

„Die meisten Leute sind an der Wahrheit nicht interessiert.“

„Tja, manchmal tut die Wahrheit weh.“

„Na, dann erzähl mal.“ Sie stand auf. „Wir besorgen dir ein Abendessen und Wasser, um den Rausch runterzuspülen. Und du erzählst mir, wie es kommt, dass du gerade auf Antihochzeitsreise bist.“ Normalerweise war Klatsch und Tratsch nicht ihr Ding, aber er wirkte wirklich so, als ob er eine Schulter zum Ausweinen brauchte.

Sein jungenhaftes Lächeln bildete einen überraschenden Kontrast zu seinen seelenvollen Augen. „Hast du mich gerade gefragt, ob ich mit dir ausgehen will?“

Das hatte sie nicht. Oder doch? „Nein. Ausgehen und so, das ist nicht mein Ding. Ich habe nur Hunger, und du musst was essen, um mit dem Restalkohol fertigzuwerden. Und ich will deine Geschichte hören. Neue Freunde gehen zusammen essen. Sie haben keine Verabredung.“

„Du hast echt nie Verabredungen?“ Er musterte sie mit zusammengekniffenen Augen.

„Das ist eine lange Geschichte, und ich bin am Verhungern. Frag mich das später noch mal, ja?“

„Sollte ich nicht erst einchecken?“

„Das kommt darauf an. Schaffst du es inzwischen die Treppe hoch?“

Er schüttelte den Kopf. „Gutes Argument. Also gehen wir essen. Wo ist dein Auto?“

„Kein Auto – wir laufen.“

„Hast du etwa Angst, mit mir allein zu sein?“

Vorsicht spielte durchaus eine Rolle. Ihre Eltern glaubten vielleicht, dass sie naiv war. Aber sie war zu klug, um mit jemandem in ein Auto zu steigen, den sie gerade erst kennengelernt hatte, auch wenn sie selbst am Steuer saß. Im Moment gab es noch einen anderen, wichtigeren Grund.

„Ich hab einfach nur Angst, dass du mir ins Auto kotzt.“

Noah hätte beinahe gelacht, aber Mollie sah aus, als ob sie das ernst meinte. Und wer konnte ihr da etwas vorwerfen? Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal mehr als ein Bier getrunken hatte. Und nun saß er da und musste wie ein kleines Kind an der Hand genommen werden. Unter anderen Umständen hätte er sich erniedrigt gefühlt. Mollie nahm an seinem absoluten Tiefpunkt teil und hatte Noah trotzdem nicht fertiggemacht. Klar, sie hatte ihn ausgelacht, aber auf eine nette Art, sodass er mitlachen konnte.

Sie liefen ungefähr fünfzehn Minuten einen nicht geteerten Fußweg entlang, der hinter dem „Sandpiper Inn“ anfing und parallel zu den Dünen verlief. Obwohl sie an zahlreichen anderen Spaziergängern vorbeikamen, konnte er nichts entdecken, was wie ein Restaurant aussah. „Wo bringst du mich überhaupt hin?“

Sie zwinkerte ihm zu. „Hast du Angst, dass ich dich kidnappen will?“

„Angst habe ich nicht, Hoffnung hege ich schon.“

Da grinste sie. „Pech gehabt, tut mir leid. Was hältst du denn von kubanischer Küche?“

Eine Minute später erreichten sie ihr Ziel. Dabei handelte es sich eher um eine Bude am Straßenrand als um ein Lokal. Über einer Durchreiche hing eine Tafel mit den Tagesgerichten. Vor dem Imbiss standen ein paar Tische mit bunten Sonnenschirmen. In der Luft hing ein köstlicher Duft. „Oh oh, jetzt läuft mir aber das Wasser im Mund zusammen!“

Sie lächelte. „Hier gibt’s das beste kubanische Essen weit und breit. Und einen Kaffee, da glaubst du, dass du im Himmel gelandet bist!“

Noah sah Mollie an und dachte, dass er sich jetzt schon dort befand. Und das hatte nichts mit seinem Rausch zu tun. Um ehrlich zu sein – je nüchterner er wurde, umso besser sah sie in seinen Augen aus. Sie war winzig, mindestens einen Kopf kleiner als er mit seinen eins achtzig. Sie hatte eine schlanke, zarte Figur, fast wie ein Vögelchen. Aber ihr Gesicht zog ihn wirklich in seinen Bann. Die Knochenstruktur war so fein, dass sie wie ein von Meisterhand geschaffenes Kunstwerk wirkte.

„Ich nehme das Ropa Vieja, und er hätte gerne einmal Medianoche mit Maduros. Und eine Colada und eine Flasche Wasser.“ Der Mann hinter dem Fenster nickte und schrieb sich die Bestellung auf.

Noah zog seine Geldbörse heraus. „Lass mich das machen, bitte.“

Sie ließ ihn vortreten. „Bitte sehr.“

Er bezahlte eine Summe, die ihm viel zu niedrig vorkam, und nahm eine Tüte mit Essen und eine Flasche Wasser in Empfang. Mollie schnappte sich den großen randvollen Styroporbecher und zwei kleinere leere Plastikbecher. Sie suchten sich einen Tisch möglichst weit weg vom Weg und setzten sich einander gegenüber.

„Okay, also erklär mir mal, wofür ich jetzt gerade bezahlt habe.“

„Für meine Gesellschaft?“ Auf seinen vielsagenden Blick hin lenkte sie ein und fing an, die Packungen zu öffnen. „Ich habe Ropa Vieja bestellt – Alte Kleider bedeutet der Name. Das sind Rindfleischstreifen mit Reis, die ein bisschen wie zerfetzte alte Klamotten aussehen. Dein Medianoche ist Schweinefleisch auf einem weichen süßen Brot.“ Sie wickelte es für ihn aus, während sie weitersprach. „Der Name bedeutet Mitternacht, weil man es normalerweise isst, wenn man feiert und trinkt. Ich hab gedacht, das ist bestimmt perfekt, um den letzten Rest Alkohol in deinem Magen aufzusaugen. Die Maduros sind gebratene Kochbananenscheiben. Und die Colada ist so was Ähnliches wie ein Espresso – diesen großen Cafecito verteilt man auf mehrere Becher.“

Er nahm einen Bissen. Das salzige Schweinefleisch und das eingelegte Gemüse wetteiferten in seinem Mund mit dem Käse und dem Senf. „Fantastisch!“ Er nahm noch einen Bissen und überlegte. „Das Brot ist so ähnlich wie die geflochtene Challa, die meine Oma immer gemacht hat. Lecker.“

Challa? Bist du Jude?“

„Meine Bubbe schon und meine Mutter auch. Mein Vater ist Katholik. Ein Punkt von vielen, wo sie nicht einer Meinung sind – Religion war nur eines der Schlachtfelder vor der Scheidung.“

„Wahnsinn. Das ist irgendwie verrückt.“ Sie schnappte sich ein Stück Kochbanane aus der Tüte. „Das Verrückteste, was meine Eltern je gemacht haben, war, den Weihnachtsbaum einen Tag vor Thanksgiving statt am Tag danach aufzustellen.“

„Das hört sich sehr … normal an.“

„Wenn du mit normal spießig und konservativ meinst, dann bin ich definitiv das schwarze Schaf der Familie.“

„Klingt immer noch besser als die ständigen Streitereien bei mir zu Hause.“

Er aß sein Sandwich auf und versuchte ein Stück Kochbanane.

Als er keinen Bissen mehr herunterbrachte, sah er sich um. Das Restaurant war zwar bescheiden ausgestattet, der Blick war dafür aber umso beeindruckender. Die Dünenlandschaft erstreckte sich anscheinend meilenweit um sie herum. Und jenseits der Dünen konnte er das tiefe Blau des Ozeans erkennen.

Mollie war ja nicht blind. Ihr war durchaus aufgefallen, wie er sie ansah. Sie war sich nur nicht sicher, was sie deswegen unternehmen sollte. Wahrscheinlich sollte sie einfach mit ihm zum „Sandpiper Inn“ zurücklaufen und dann nach Hause fahren. Das wäre vernünftig. Als schwarzes Schaf ihrer Familie war das natürlich nicht wirklich ihr Stil. Nein, Mollie glaubte daran, ihrem Bauchgefühl folgen zu müssen. Und ihr Instinkt sagte ihr, dass es noch zu früh war, um sich zu verabschieden. „Was hältst du davon, schwimmen zu gehen?“

Er sah an sich herunter und betrachtete sein verblasstes T-Shirt und die Jeans. „Jetzt gleich? Ich bin nicht gerade passend angezogen.“

„Nicht hier, beim Inn. Ich nehme an, du hast eine Badehose eingepackt?“

Er grinste. „Was? Kein Nacktbaden bei der ersten Verabredung?“

Lieber Himmel. Er war süß und hatte auch noch einen Sinn für Humor. Doch er wollte ja bloß über seine Ex wegkommen. „Das interpretiere ich jetzt mal als ein Ja. Ich habe einen Badeanzug im Auto. Also kann ich mich schnell bei Jillian umziehen, während du eincheckst.“

„Jillian?“

„Jillian Caruso. Sie und ihr Mann Nic sind die Eigentümer des ‚Sandpiper Inns‘.“

„Ach ja, als ich reserviert habe, hat Nic erwähnt, dass er vor Kurzem geheiratet hat.“ Er stand auf. „Ich glaube, ich würde ja nur ungern dort wohnen, wo ich arbeite. Und vor allem mit den Gästen nur ein paar Türen weiter.“

„Ja, ideal ist das nicht. Sie bauen auch gerade ein eigenes Haus auf dem Grundstück. Den Platz brauchen sie, weil sie ein Kind bekommen.“

Sein Lächeln verblasste.

„Was, magst du Kinder nicht?“

„Doch, schon. Bis vor ein paar Tagen habe ich geglaubt, dass ich demnächst Vater werde.“

Sie setzte sich wieder auf die Bank. „Wie bitte?“

Er rieb sich mit der Hand über die Bartstoppeln an seinem Kinn. „Meine Exverlobte ist schwanger. Sie hat in einem Monat Termin.“

„Aber es ist nicht dein Baby?“

Er schüttelte den Kopf. „Als sie abgehauen ist, hat sie mir einen Zettel hingelegt. Da stand, dass sie die Hochzeit nicht durchziehen kann und dass ich nicht versuchen soll, sie zu finden. Kann natürlich auch sein, dass sie damit nur das Geld gemeint hat, das sie vorher von meinem Konto abgehoben hat.“ Er wandte sich ab. „Abgesehen davon hat sie noch zugegeben, dass das Kind nicht von mir ist.“

Schockiert saß Mollie eine Minute einfach nur da und beobachtete, wie er sich entfernte. Abserviert zu werden, war ja schon schlimm genug. Aber diese Geschichte hörte sich wirklich an wie der Aufmacher aus einer schlechten Nachmittagstalkshow. Mit einiger Verspätung sprang sie auf und rannte ihm nach. „Glaubst du ihr?“

Er seufzte. „Ich weiß es nicht. Muss ich aber wohl. Wir hätten gar nicht erst was miteinander anfangen sollen. Sie war die Freundin von einer Freundin. Ich habe nicht lange gebraucht, um herauszufinden, dass wir nichts gemeinsam haben. Dann war sie eben schwanger. Ich war so schockiert, dass ich um ihre Hand angehalten habe.“ Ein bitteres Lachen entschlüpfte ihm. „Es kam mir so vor, als wäre das nur anständig, weißt du? Aber je besser ich sie kennengelernt habe, umso weniger konnte ich mir vorstellen, wie wir als Ehepaar miteinander gelebt hätten. Die letzten paar Monate haben wir hauptsächlich getrennt verbracht. Wenigstens hatte sie den Mut, sich einzugestehen, dass es nicht funktionieren würde. Ich war zu stur, um das zuzugeben.“

„Weil du gedacht hast, dass sie dein Kind bekommt.“

„Genau. Und auch wenn ich sie nicht geliebt habe, ich wollte für meinen Sohn da sein.“ Er verstummte.

„Und was hast du jetzt vor?“

„Es gibt nicht viel, was ich tun kann. Ich habe einen Privatdetektiv angeheuert. Wenn er sie findet, werde ich einen Gerichtsbeschluss für einen DNA-Test einholen. Aber der Detektiv macht mir nicht viel Hoffnung.“

„Das ist richtig übel.“

Er fuhr sich frustriert mit der Hand durchs Haar. „Ja, das ist es. Ich konnte eben nicht einfach nur in meinem Apartment herumsitzen und in Selbstmitleid zerfließen.“

„Also bist du hergekommen.“

Er zuckte die Achseln. „Es war zu spät für einen Rücktritt von der Reise.“

Schweigend ging sie neben ihm her. Sie konnte spüren, wie verraten er sich fühlte und wie verwirrt er war. Sie konnte sein derzeit so verkorkstes Leben nicht reparieren, aber vielleicht konnte sie ihm helfen, seine Probleme zu vergessen. Manchmal war Ablenkung die beste Medizin.

Beim „Sandpiper Inn“ legte sie einen Zwischenstopp auf dem Parkplatz ein, um ihren Badeanzug aus dem Auto zu holen.

„Haben alle Leute in Florida immer einen Badeanzug im Auto?“

„Nicht alle, aber ich schon. Nur falls ich nach der Arbeit oder in der Mittagspause mal schwimmen gehen will.“

Noahs einsamer Koffer stand immer noch auf der Veranda. Noah ergriff ihn mit einer Hand und hielt Mollie mit der anderen Hand die Tür auf. „Warte mal, du gehst in deiner Mittagspause an den Strand?“

„Klar. Ist ja nur fünf Minuten weit weg von der Praxis, wo ich arbeite. Ich kann mich umziehen, eine halbe Stunde schwimmen gehen und auf dem Rückweg im Auto ein Sandwich essen.“

Lächelnd schüttelte er den Kopf. „Kein Wunder, dass der Ort hier Paradise heißt.“

Mollie ließ Noah an der Rezeption mit Jillian zurück, während sie sich umziehen ging. Als sie Jillians Wohnung betrat, fiel ihr der neue Parkettfußboden auf. Nic leistete wirklich hervorragende Arbeit bei der Restaurierung des alten Inns. Natürlich freute sie sich auch für ihre Freundin, aber das ganze Konzept von Ehe und Familie war zu viel für sie. So weit war sie noch lange nicht. Sie hatte miterlebt, wie dieser Lebensentwurf die Träume ihrer Mutter zerstört hatte. Deren Karriere als Tänzerin war vorbei gewesen, noch ehe sie wirklich begonnen hatte. Mollie würde nicht zulassen, dass ihr auch so etwas passierte.

Darum verabredete sie sich nicht. Rendezvous führten nämlich zu Beziehungen – nein, danke. Sie hatte Ziele, und Mutterschaft gehörte nicht dazu.

Noah wartete hinter dem Inn auf Mollie.

Autor

Katie Meyer

Katie Meyer kommt aus Florida und glaubt felsenfest an Happy Ends. Sie hat Englisch und Religion studiert und einen Abschluss in Veterinärmedizin gemacht. Ihre Karriere als Veterinärtechnikerin und Hundetrainerin hat sie zugunsten ihrer Kinder und des Homeschoolings aufgegeben. Sie genießt ihre Tage gerne mit der Familie, ihren vielen Haustieren,...

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