Wiedersehen mit dem sexy Millionär

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Es ist der perfekte Job für die hübsche PR-Spezialistin Cady Collins: Sie soll dem Schmuckimperium der Ballantynes ein neues Image verpassen. Tolle Ideen hat sie - aber leider auch eine Vergangenheit mit dem Geschäftsführer Beckett Ballantyne höchstpersönlich! Den attraktiven Millionär jetzt als Auftraggeber zu haben, stürzt Cady ins Chaos der Gefühle, besonders als die Medien ihr auch noch eine Verlobung mit Beckett andichten. Für Cady wird es immer schwieriger, ihm zu widerstehen - und ihr größtes Geheimnis vor ihm zu verbergen …


  • Erscheinungstag 03.04.2018
  • Bandnummer 2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783733720537
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Am internationalen Flughafen von Bangkok kreuzte Beckett Ballantyne die Füße, die in abgewetzten Stiefeln steckten, lässig auf seinem Rucksack. Über die Sitzreihe hinweg sah er zu Cady hinüber und lächelte. Sie hatte die Augen geschlossen und sang lautlos das Lied mit, das sie über die neuen Ohrhörer hörte, die sie gestern im Einkaufszentrum Pantip Plaza gekauft hatte.

Ein hellgrünes Stirnband hielt ihr das lange dunkelbraune Haar aus dem Gesicht und ließ ihre wintergrauen Augen dunkler wirken. Sie hatte die Fersen auf den Sitz hochgezogen und trug Denimshorts, ein weißes Top und Perlenarmbänder. Man sah ihr an, was sie war: eine sexy Rucksacktouristin, die die Welt entdeckte.

Ihr halbes Lächeln und das verführerische Grübchen in ihrer Wange machten bestimmt alle neidisch auf ihre Freiheit und ihr nächstes Abenteuer.

Sie war jung, wunderschön und unternehmungslustig. Beck war sicher, dass niemand ahnte, dass sie außerdem todunglücklich war.

Aber nicht seinetwegen. Ihnen ging es, soweit er wusste, ziemlich gut für ein Paar, das einen Monat nach dem Kennenlernen auf einer Unifete in New York gemeinsam nach Südostasien abgehauen war. Da er die Reise schon länger geplant hatte, war eigentlich nur sie abgehauen, um die Semesterferien mit ihm zu verbringen.

Ihre konservativen frommen Eltern waren ausgerastet.

Beck sah das Handy in ihrer Hand an und fragte sich, wie viele SMS und Sprachnachrichten ihre Eltern wohl inzwischen hinterlassen hatten, um sie anzuflehen, nach Hause zu kommen. Wie viele Tränen würden noch fließen? Wie lange würde es dauern, bis sie sich von der Panik erholte, in die diese Vorwürfe sie immer wieder stürzten?

Seiner Ansicht nach war das psychologische Folter.

Ihre Eltern machten immer weiter Druck: Sie verschwende ihr Leben; sie sei eine respektlose Tochter; sie lebe in Sünde mit ihm. Ihr Vater habe ein Magengeschwür; ihre Mutter sei deprimiert. Wie könne sie die Reise genießen, wenn es ihnen so schlecht gehe? Sie vermissten sie und machten sich Sorgen – was, wenn sie von Menschenhändlern entführt und zur Prostitution gezwungen würde? Sie hätten von einem Bombenanschlag in Thailand gehört – was, wenn sie bei einer Explosion verletzt würde?

Beck hatte Cady geraten, ihre Eltern zu ignorieren und sich nur einmal pro Woche zu melden, aber Cady konnte einfach nicht loslassen. Die Psychospielchen machten sie völlig fertig. Sie wollte mit ihm zusammen sein, aber ihr schlechtes Gewissen nagte an ihr.

Beck wusste, dass sie das Gefühl hatte, zwischen allen Stühlen zu sitzen. Er fand ihre Eltern engstirnig, und sie hielten ihn für einen verwöhnten Jungen aus einer reichen Familie, der ihre unschuldige Tochter nach Übersee gelockt hatte, um sie ins Verderben zu stürzen.

Sofern „ins Verderben stürzen“ hieß, ihren Körper bei jeder Gelegenheit anzubeten …

Beck spürte, dass er erregt war, legte den Kopf in den Nacken und starrte an die Decke. Er konnte von Cady wirklich nicht genug bekommen. Mit seinen dreiundzwanzig Jahren hatte er schon andere Freundinnen gehabt, und er verstand nicht, warum er absolut süchtig danach war, mit Cady zu schlafen und bei ihr zu sein.

Wenn er an das Gefühl geglaubt hätte, wäre er vielleicht auf den Gedanken gekommen, dass es Liebe sein könnte. Da er das nicht tat, machte er es wie immer und verdrängte die unangenehmen Überlegungen.

Die Missbilligung ihrer Eltern wäre für Cady wahrscheinlich leichter zu ertragen gewesen, wenn sie das Reisen geliebt und gern andere Kulturen erkundet hätte. Aber sie war behütet aufgewachsen, hatte über die Armut und die Slums in Indien geweint und war über die Prostitution in Phuket schockiert gewesen. Die Menschenmassen, der Lärm und das exotische Essen verstörten sie, und sie fühlte sich hilflos, wenn sie sich nicht auf Englisch verständigen konnte.

Beck konnte ihr nicht vorwerfen, dass sie sich nicht bemühte, und sie jammerte auch nicht, aber es machte ihr alles keinen Spaß. Zu allem Übel hatte man ihr auch noch das Portemonnaie gestohlen und ihr an den Po gefasst, und sie hatte nach einem verdorbenen Essen vier Tage in einem schmutzigen Bad über eine rissige Toilettenschüssel gebeugt verbracht.

Er hatte geglaubt, dass sie das klare Wasser und die weißen Strände der Insel Phi Phi mögen würde, von der sie gerade zurückgekehrt waren. Aber Cady war unglücklich. Und weil Cady unglücklich war, war er es auch. Er hatte gedacht, ihr verzweifeltes Bedürfnis, beieinander zu sein, könnte alles andere überwinden.

Er hatte sich geirrt.

Angesichts seines lächerlich hohen Intelligenzquotienten war das für ihn eine ganz neue Erfahrung.

Die letzten beiden Wochen zusammen würden eine reine Qual werden. Immer wenn er daran dachte, dass sie abreisen würde, wurde ihm fast schlecht, und seine Lunge verkrampfte sich. Sie hatten einen Plan, rief er sich ins Gedächtnis: Sie hatten abgemacht, drei Monate zusammenzubleiben. Dann würde sie wieder aufs College gehen, und er würde seine Reise fortsetzen.

Aber jetzt, nach zweieinhalb gemeinsamen Monaten, wusste er, dass er sie und seine Gefühle nicht auf die leichte Schulter nehmen konnte. Und deshalb hatte er den Eindruck, dass sein Leben außer Kontrolle geriet. Einerseits tat es ihm schon im Voraus leid, dass sie abreisen würde, andererseits sagte er sich, dass sie Abstand voneinander vertragen konnten. Er brauchte mehr Zeit für sich, denn er hatte langsam den Verdacht, dass Cady für ihn so unverzichtbar war wie die Luft zum Atmen.

Er musste sie loslassen, denn wenn er nicht aufpasste, würde er sie innig und wie verrückt lieben – für immer. Eine solche Liebe war ein großes Risiko. Sie würde bewirken, dass er sich verloren, ausgeliefert und viel zu verletzlich fühlte – alles, was er zu vermeiden versuchte, seit er acht Jahre alt war. Liebe hieß Schmerz, und er war zu klug, sich dem freiwillig auszusetzen.

Liebe hieß, die Kontrolle zu verlieren.

Liebe sollte einen angeblich glücklich machen und das Leben bereichern. Er hatte es jedoch nicht verdient, glücklich zu sein, und würde sich auch nie bereichert fühlen. Wie könnte er, wenn er der Grund dafür war, dass seine Eltern und sein ungeborenes Geschwisterchen auf einem Berg in Vermont gestorben waren?

Beck spürte, wie das Handy in seiner Hosentasche vibrierte, und zog es heraus. Er lächelte, als er den Namen auf dem Display sah. Er hatte zwei ältere Brüder. Linc war adoptiert, Jaeger war sein leiblicher Bruder, aber er hatte beide gleich gern.

Sie waren auch beide gleich nervtötend, weil sie glaubten, auf ihn aufpassen zu müssen. Inzwischen war er größer und stärker als sie, aber sie bemutterten ihn trotzdem noch so wie seine kleine Schwester Sage.

Diesmal rief Jaeger an.

Beck nahm ab. „Was ist los, Jay?“

„Ich wollte nur sehen, wie es dir geht. Irgendwelche Probleme?“

Beck rollte die Augen. So dumm war er doch nicht! „Ich wollte dich gerade anrufen. Wir sitzen in einem Thai-Knast. Sie haben Kokain bei uns gefunden.“

Lange herrschte Schweigen. Dann fluchte Jaeger derb. „Das ist nicht witzig, Beck.“

Beck grinste. „Doch.“

„Du bist so ein Blödmann!“

Beck klopfte Cady aufs Knie und zeigte auf seinen Rucksack, um ihr zu bedeuten, dass sie darauf aufpassen sollte. Sie nickte, und Beck stand auf, um zum Fenster zu schlendern, das aufs Rollfeld hinausging. Dort herrschte Hochbetrieb.

„Wo bist du? In Bangkok?“, fragte Jaeger. „Willst du immer noch nach Vietnam?“

„Ja, warum?“

„Ich reise übermorgen dorthin. Ich habe den Tipp bekommen, dass in einer Mine in Yen Bai sehr hochwertige Rubine abgebaut werden. Willst du mit?“

Beck war sofort Feuer und Flamme. Die Aussicht, mit seinem Bruder auf die Jagd nach Edelsteinen zu gehen, die den Ansprüchen der reichen und verwöhnten Kunden von Ballantyne and Company genügten, versetzte ihm einen Adrenalinschub. „Ja, unbedingt!“ Dann fiel ihm ein, dass er nicht allein war. „Kann ich Cady mitbringen?“

„Bei der Gegend bin ich mir nicht sicher, Beck. Lieber nicht“, antwortete Jaeger. „Kann sie nicht ein paar Tage in Hanoi bleiben?“

Beck rieb sich den Nacken. Die Rucksacktouristen, die sie auf Phi Phi kennengelernt hatten, wollten auch nach Hanoi, und sie übernachteten alle im selben Hostel. Vielleicht konnten sie auf Cady aufpassen, vor allem ihre neue Freundin Amy. Ihr würde schon nichts passieren.

Dann erschienen vor seinem inneren Auge die missbilligenden Gesichter von Cadys Eltern, und er bekam ein schlechtes Gewissen. Er war für Cady verantwortlich, nicht Amy.

„Ich überlege es mir“, sagte er zu Jaeger. Aber er wusste, dass er Cady nicht in Hanoi allein lassen konnte.

„Kein Problem“, antwortete Jaeger. „Ich bin froh, dass du dich mit dem Reisen angefreundet hast. Connor hatte Angst, dass du es nie tun würdest, aber ich wusste, dass die Abenteuerlust unserer Eltern auch in dir steckt.“

„Es ist nicht so, als ob ich eine Wahl hätte, Jaeger. Das war das Ultimatum, das Connor und Linc mir gestellt haben, mit deiner Unterstützung, wie ich hinzufügen möchte.“

Beck reiste gern, aber er war immer noch wütend, dass sein Onkel und seine Brüder ihn erst bei Ballantyne International einsteigen lassen wollten, nachdem er sich ein Sabbatjahr gegönnt hatte.

„Du weißt warum, Beck“, sagte Jaeger leise. „Du hast alles mit Lichtgeschwindigkeit gemacht, seit du ein Kind warst. Du hast deinen Schulabschluss vorzeitig geschafft, zum Teil, weil du ein Genie bist, aber vor allem, weil du wie verrückt geschuftet hast. Du hast an den nationalen Schwimmmeisterschaften teilgenommen, weil du jeden Moment, den du nicht gelernt hast, im Becken verbracht hast. Als du mit dem Leistungsschwimmen aufgehört hast, dachten wir, du würdest nun vielleicht endlich ein richtiges Leben führen. Mit Mädchen ausgehen, Spaß haben, ein bisschen über die Stränge schlagen. Aber du doch nicht! Du bist aufs College gegangen und hast in Rekordzeit dein Management-Studium abgeschlossen. Wenn du zurückkommst, machst du bestimmt so weiter. Also ist es uns egal, ob du die nächsten Monate am Strand verbringst oder in einem Ashram meditierst, aber eines tust du gefälligst nicht: sofort wieder an die Arbeit gehen.“

Beck kniff sich in die Nase. Er hatte diesen Vortrag bestimmt schon hundertmal gehört.

„Und überhaupt ist das eine dumme Diskussion, denn wir wissen doch alle, wie gern du reist.“

Das tat er. Er liebte die Freiheit und Anonymität. Auf Reisen war er Beck und hatte keinen Nachnamen. Zum ersten Mal seit fünfzehn Jahren fühlte er sich ansatzweise frei, fand ein bisschen Frieden und war entspannt.

„Glaubst du, dass es eine gute Idee ist, dich an Cady zu binden, solange du unterwegs bist?“, fragte Jaeger.

„Wovon sprichst du?“ Beck warf einen Blick auf Cady, die ihm in die Augen sah und ihm das sonnige Lächeln schenkte, das ihm immer Herzklopfen bescherte.

„Laut ihren Social-Media-Posts schmeißt sie die Uni.“

Was zum Teufel …?

„Sie geht zurück aufs College“, stieß Beck hervor.

„Nein, sagt Sage, die euch beiden in den sozialen Medien folgt. Irgendein Mädchenkram darüber, dass sie dich genug liebt, um weiter mit dir zu reisen.“

Eine große Schweißperle rollte Beck die Schläfe hinab in die dichten Bartstoppeln. Ihm klingelten die Ohren, und sein Magen fühlte sich an, als hätte er eine Achterbahnfahrt hinter sich.

Das war nicht der Plan. Sie mussten sich an den Plan halten.

„Kommt nicht infrage“, brachte er trotz aller Panik heraus.

„Hör zu“, sagte Jaeger ungeduldig. „Ich habe Wichtigeres zu tun, als über dein Liebesleben zu reden. Sag mir einfach Bescheid, wie es mit der Rubinjagd in Yen Bai aussieht.“

Beck rief auf dem Handy Cadys Social-Media-Account auf. Sie hatte wirklich gepostet, dass sie nicht aufs College zurückkehren, sondern ihre Reise mit ihm fortsetzen wollte.

Beck steckte das Handy ein und umklammerte das Geländer vor den Fenstern. Er ließ den Kopf hängen und starrte seine schmutzigen Stiefel an. Die Angst griff kalt nach seinem Herzen, ein bitterer Geschmack stieg ihm in den Mund.

Er wollte mit Cady doch nur drei Monate Spaß haben. Es sollte nicht alles so schnell so intensiv werden. Er hatte fest damit gerechnet, dass sie nach Hause fliegen und aufs College zurückkehren würde. Ihre Abreise war sein Netz und doppelter Boden, sein Schutz davor, sich unsterblich in sie zu verlieben. Wenn sie bei ihm blieb, konnte er ihr bestimmt nicht widerstehen, und dann würde er tief im Schlamassel stecken.

Das wollte er nicht. Wenn er sie liebte und verlor …

Nein, zum Teufel! Das kommt nicht infrage.

Warum hatte sie nicht erst mit ihm gesprochen, bevor sie alles ausgeplaudert hatte? Er wusste, dass sie ein Zeichen setzen wollte, indem sie sich für ihn statt für ihre Eltern entschied, aber sie war nicht die Einzige, die etwas dazu zu sagen hatte. Er hatte das Recht, zu entscheiden, ob er weiter mit ihr reisen wollte. Er konnte es nicht ertragen, sie gehen zu lassen, aber er durfte nicht sein Herz riskieren, indem er sie bleiben ließ.

Er saß in der Klemme.

Instinktiv erkannte er, dass die einzig vernünftige Option war, sich an den Plan zu halten, auf den sie sich in New York geeinigt hatten. Sie musste nach Hause, zurück aufs College, und er würde sich zu Weihnachten mit ihr treffen. Die einzige Änderung, die er an diesem Plan vornehmen würde, war, Cady so schnell wie möglich nach Hause zu schicken. Sie waren auf einem Flughafen, also konnte er das sofort erledigen.

Denn wenn er sie heute nicht verließ, würde er es nie tun.

Sobald er die Entscheidung gefällt hatte, ging Beck zu ihr, hob mit einer Hand seinen Rucksack auf und schnappte sich ihren mit der anderen.

Cady nahm die Ohrhörer ab und stand auf. „Was ist los?“

Als Beck auf das vertraute Logo einer amerikanischen Fluglinie am nächsten Gate zeigte, strahlten ihre Augen vor Begeisterung. „Oh mein Gott, wir fliegen nach Hause?“, quietschte sie und führte einen Freudentanz auf.

Er sah sie nur an und wollte, dass sie es verstand, ohne dass er es aussprechen musste. Nach einem kurzen verwirrten Schweigen verblasste das Strahlen in ihren Augen, und alle Farbe wich aus ihrem Gesicht. „Du kommst nicht mit?“

Beck schüttelte den Kopf.

Er ließ die Rucksäcke fallen und stemmte die Hände in die Hüften. Er brauchte eine Weile, um die richtigen Worte zu finden. „Jaeger will, dass ich mich in Vietnam mit ihm treffe, um nach Rubinen zu suchen. Du kannst nicht mitkommen, und ich kann dich nicht allein lassen.“

Cady zitterte die Unterlippe. Sie wankte, als hätte er sie geschlagen, aber er fuhr fort: „Es ist nur zwei Wochen früher als geplant, Cady, und es ist ja nicht so, als ob du Spaß hättest.“

„Ich liebe es, bei dir zu sein! Ich hatte mich sogar gerade entschieden, noch länger zu bleiben, auch wenn es meinen Eltern nicht recht ist. Ich will bei dir …“

Beck unterbrach sie: „Du gehst zurück aufs College, Cady. Das war immer der Plan. Ich schicke dich bloß zwei Wochen früher nach Hause.“

Cady wich einen Schritt zurück. Ihr kamen die Tränen. „Du schickst mich nach Hause?“

Verdammt. Schlechte Formulierung. „Ich komme über Weihnachten nach Hause. Dann können wir alles noch einmal neu bewerten.“

„Du schickst mich nach Hause?“, wiederholte Cady und betonte jedes einzelne Wort.

„Weihnachten ist schon in drei Monaten …“

Cady verschränkte die Arme. „Liebst du mich, Beck?“, fragte sie.

Oh nein. Nicht diese Frage. Möglicherweise ja, gestand er sich ein, und deshalb musste sie zurück in die Staaten. Er war nicht bereit, sich in Cady oder irgendjemanden sonst zu verlieben.

Als er nicht antwortete, packte Cady ihn am Arm. Ihre Fingernägel bohrten sich in seine Haut.

Beck riss sich los und zwang sich, ihr in die Augen zu sehen. Er wünschte, er hätte es nicht getan. Solange er lebte, würde er sich an die Enttäuschung erinnern, die er darin sah, an das Leid, das er verursacht hatte.

Cady hob die Hand, um sein Shirt genau über seinem Herzen zu packen. „Tu es nicht, Beck. Wirf uns nicht weg, stoß mich nicht von dir. Wir können alles in Ordnung bringen.“

„Das ist es ja, Cades. Mich kann man nicht in Ordnung bringen.“

Mitanzusehen, wie ein Herz zerbricht, ist eine ganz besondere Hölle, dachte Beck. Es war sogar noch schlimmer, wenn man es selbst gebrochen hatte.

1. KAPITEL

Fast zehn Jahre später

Cady Collins saß im Bonnets, einer edlen Cocktailbar in einer Nebenstraße der Fifth Avenue, und musste sich davon abhalten, die große Margarita mit Salzrand zu stibitzen, die gerade am Nachbartisch serviert wurde. Die Geschmacksknospen ganz hinten auf ihrer Zunge prickelten, als sie sich die perfekte Kombination aus Salz und Tequila vorstellte.

Der Tag, nein, die Woche verlangte nach Tequila. Das ganze Jahr.

Der Kellner sprach sie an, als er ihr leeres Glas sah: „Noch eine Virgin Bloody Mary?“

Freitagabend. Sie saß in der angesagtesten Cocktailbar der Stadt und trank Tomatensaft.

Wie traurig.

Cady sah das Display ihres Handys aufleuchten. Dort stand „Der Boss“. Sie seufzte und nahm ab. „Hi, Mom.“

„Cady, wo bist du?“, fragte Edna Collins in ihrem Lehrerinnen-Tonfall.

Cady widerstand der Versuchung, ihr zu erzählen, sie würde gerade einem muskulösen Stripper Dollarnoten in den Tanga schieben. Du bist erwachsen. Du musst nicht mehr versuchen, deine Eltern zu schockieren.

„Was ist, Mom?“

Edna rief sie jeden zweiten Sonntag um acht Uhr morgens an. Zu jedem anderen Zeitpunkt bedeutete ein Anruf, dass etwas nicht stimmte.

„Du hast ja vielleicht gehört, dass der Prediger unserer Schwesterkirche in Wilton in den Ruhestand geht.“

Nein. Sie war nicht auf dem Laufenden, was das hochspannende Thema Kirchenpolitik im Staat New York betraf.

Cady warf noch einen Blick auf die eisgekühlte Margarita. Ihr Mund kribbelte. Nur einen kleinen Schluck … Wie viel konnte ein einziger Schluck schon anrichten?

„Dein Vater wird als Nachfolger in Betracht gezogen.“

„Das freut mich für ihn“, sagte Cady, weil ihre Mutter es von ihr erwartete.

„Du musst in zwei Wochen nach Hause kommen“, verkündete Edna in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.

„Ich? Warum?“

„Dein Vater muss sich einer Reihe anspruchsvoller Vorstellungsgespräche unterziehen. Man wird auch mich befragen. Und da du unser einziges Kind bist, möchten sie auch dich kennenlernen.“

Cady hätte gern zu ihrer Mutter gesagt, dass sie kein Einzelkind war, sondern einen Bruder gehabt hatte, aber sie hielt sich zurück. Sie sprachen nicht oft über Will. Oder überhaupt jemals.

„Mom, was habe ich denn mit dem Bewerbungsprozess zu tun? Ich lebe in New York City und komme nur selten nach Hause.“

„Du kommst nie nach Hause“, verbesserte Edna sie.

Das lag vielleicht daran, dass sie zu Hause keinen Freiraum hatte und keine Fehler machen durfte. Nachdem Will weggeschickt worden war, hatte Cady in der ständigen Angst gelebt, dass es ihr auch so ergehen würde. Zu Hause gab es nur Hymnen und Strickstrümpfe, religiöse Literatur und Frömmigkeit.

Cady schauderte. „Tut mir leid, da mache ich nicht mit.“

Sie hörte ihre Mutter schockiert aufkeuchen. „Aber du musst! Wenn du dich nicht mit dem Komitee triffst, wird das sehr negativ auf deinen Vater zurückfallen. Seit du mit diesem Reisequatsch aufgehört hast, bist du eine perfekte Tochter, die sehr für uns spricht, hochgebildet und mit einer eigenen Firma. Du bist anderen in dieser sündigen Stadt ein Vorbild.“

Na klar, Cady Collins, das Musterbeispiel für ein tugendhaftes Leben. Ihre Mutter würde tot umfallen, wenn sie das Neueste erfuhr. Und was den „Reisequatsch“ anging: Ihre Zeit mit Beck in Thailand war die einzige gewesen, in der sie sich ganz wie sie selbst gefühlt hatte. Frei.

Geliebt. Ganz kurz hatte sie sich sehr geliebt gefühlt.

„Es wäre ein gewaltiger Karrieresprung für deinen Vater“, redete ihre Mutter weiter. „Und wenn sie dich kennenlernen, haben sie den Beweis, dass wir eine gottesfürchtige junge Frau großgezogen haben, die mit beiden Beinen fest im Leben steht.“

Wenn es nicht so traurig gewesen wäre, hätte Cady sich darüber kaputtgelacht. „Mom, vertrau mir, du willst nicht, dass ich komme. Finde eine Ausrede, dann erspart uns das eine Menge Ärger.“

„Ich habe keine Zeit, mich mit dir zu streiten. Wir haben Gäste zum Abendessen. Enttäusch uns nicht, Cady.“ Edna legte auf.

Cady klopfte sacht mit der Ecke des Handys auf die Tischplatte. Sie war vor über zehn Jahren zu Hause ausgezogen, aber der Drang, es ihren Eltern recht zu machen, war immer noch stark. In ihrer ländlichen Kleinstadt im Staat New York war Cady das beliebte Pastorenkind gewesen: Musterschülerin, Cheerleader, Schulsprecherin, Ballkönigin. Hübsch und nett. So perfekt, wie sie nur sein konnte.

Sie sagte „bitte“, „danke“ und „entschuldigen Sie“, war hilfsbereit und versäumte nie den Gottesdienst. Sie rauchte nicht, trank nicht und ging nicht mit Jungen aus. Sie hatte nie die Chance gehabt, ein normales Kind zu sein und Fehler zu machen.

Der Druck, perfekt zu sein, war immens, und alle wussten, dass sie so viel leistete, weil ihre Eltern es erwarteten. Aber niemand ahnte, dass sie entsetzliche Angst davor hatte, das Falsche zu tun.

Davor, verbannt zu werden wie Will, ihr großer Bruder.

Deshalb wollte sie ihren Eltern heute noch alles recht machen. Allerdings war sie sich zugleich ziemlich sicher, dass Bill und Edna Collins nur darauf lauerten, dass sie wieder Mist baute, seit sie vor neun Jahren mit Beck Ballantyne nach Südostasien abgehauen war. Sie hatte lieber mit Beck zusammen sein wollen, als ihrer Mom und ihrem Dad zu gehorchen, und das hatte den beiden gar nicht gepasst.

Genauer gesagt waren sie vor Empörung förmlich explodiert.

Und wenn sie die neueste Bombe platzen ließ, würde das die Welt ihrer Eltern erneut erschüttern. Cady presste sich die Finger gegen die Stirn und unterdrückte ein Stöhnen. Ganz zu schweigen davon, dass ihre Firma ins Trudeln geraten war und ihr die Optionen ausgingen …

„Cady?“

Cady sah ruckartig auf und bemerkte, dass eine kleine Blondine und eine hochgewachsene Brünette neben ihrem Tisch standen. Die Blonde kam ihr vage bekannt vor, aber die klassische brünette Schönheit erkannte sie sofort: Julia Parker, eine Unternehmensberaterin, die mit New Yorks Reichen und Schönen auf Du und Du war. Cady würde Julia nie vergessen, denn die Frau hatte vor Kurzem Trott’s Sports – eine Sportladenkette, die einer von Cadys beiden besten Kunden gewesen war – überzeugt, den Vertrag mit Collins Consulting nicht zu erneuern.

Gott sei Dank hatte sie immer noch den Vertrag mit Toms Reformhauskette Natural Fuel. Cady kümmerte sich um die Presseerklärungen und die Werbung. Ohne den Vertrag konnte sie einpacken.

Trott’s zu verlieren, hatte ein beträchtliches Loch in ihr Geschäftskonto gerissen. Cady widerstand dem Drang, Julia ihren Tomatensaft über das schneeweiße Kleid zu kippen, und reichte ihr stattdessen die Hand. Manchmal war es richtig doof, erwachsen zu sein.

„Cady Collins, Collins Consulting.“

Julia zog sofort die Verbindung. „Trott’s … Sie konnten es sich nicht leisten, den Vertrag zu erneuern“, murmelte sie. „Tut mir leid.“

Cady zuckte die Schultern.

„Geht es Ihnen gut?“

Julias Frage überraschte Cady, vor allem, weil sie klang, als ob es ihr wirklich wichtig war. Sie hob hilflos die Hände. „Es ist schwer.“

„Auch wenn es nicht viel hilft: Ich finde Ihre Arbeit gut“, bemerkte Julia.

Cady hörte, dass sie es ehrlich meinte, und wusste es zu schätzen. „Danke.“

„Du erkennst mich nicht, oder?“, fragte die Blonde und lächelte strahlend.

Cady schüttelte den Kopf.

„Ich bin Amy Cook. Wir haben uns auf Phi Phi kennengelernt, als du mit Beck auf Reisen warst.“

Beck. Witzig, sie hatte gerade an ihn gedacht.

Als ob das ein Zufall wäre. Du denkst ständig an ihn, und das seit knapp zehn Jahren.

Sie legte den Kopf schief und musterte Amy. Plötzlich sah sie sie wieder mit hüftlangem blonden Haar und im Bikini vor sich. „Jetzt erinnere ich mich! Du hast schamlos mit Beck geflirtet.“

„Sie flirtet mit jedem. Nehmen Sie es nicht persönlich“, sagte Julia lachend.

„Lebst du in Manhattan?“, fragte Amy. „Was machst du beruflich? Bist du verheiratet? Hast du Kinder?“

Cady wusste nicht, welche Frage sie zuerst beantworten sollte. Mit der Arbeit war es einfach, alles andere war kompliziert. „Ich wohne in Brooklyn und habe eine PR-Firma.“

Amy riss die Augen auf. „Wirklich?“

Millionen von Frauen arbeiteten im PR-Sektor, und viele hatten eigene Firmen. Warum war das so überraschend? Aber da sie schon übers Geschäft sprachen, konnte sie sich die Chance nicht entgehen lassen, dass eine der besten Unternehmensberaterinnen der Stadt vor ihr stand. Cady zog eine Visitenkarte aus der Handtasche.

Schulterzuckend reichte sie Julia die Karte. „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich im Hinterkopf behalten, falls einer Ihrer Kunden Hilfe mit PR und Marketing benötigt.“

Julia nahm die Karte und nickte. „Das mache ich.“

Amy legte den Kopf schief. „Du hast mir noch nicht gesagt, ob du verheiratet bist oder Kinder hast.“

Über diese heiklen Themen würde sie mit einer Frau, mit der sie vor zehn Jahren ein paar Worte gewechselt hatte, nicht sprechen. Cady sah zum Eingang hinüber und setzte ein Lächeln auf. „Ah, da kommt ja endlich die Person, auf die ich warte! Es war schön, dich wiederzusehen, Amy. Hat mich gefreut, Sie kennenzulernen, Julia.“

„Aber …“, protestierte Amy.

„Komm.“ Julia legte Amy eine Hand auf den Rücken und schob sie weiter. „Lass uns jemand anderen suchen, an dem du deine CIA-Verhörmethoden üben kannst.“

Autor

Joss Wood
<p>Schon mit acht Jahren schrieb Joss Wood ihr erstes Buch und hat danach eigentlich nie mehr damit aufgehört. Der Leidenschaft, die sie verspürt, wenn sie ihre Geschichten schwarz auf weiß entstehen lässt, kommt nur ihre Liebe zum Lesen gleich. Und ihre Freude an Reisen, auf denen sie, mit dem Rucksack...
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