Winterzauber am Hudson River

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Endlich! Weddingplanerin Alexandra hat für eine Weihnachtshochzeit in Manhattan die perfekte Location gefunden. Jetzt muss sie nur noch den sexy Besitzer Drew Parker davon überzeugen, ihr das Herrenhaus am winterlichen Central Park zu überlassen. Was der Single Dad strikt ablehnt. Eine Hochzeit in seinem Anwesen? Er weiß doch, dass es das Glück für immer nicht gibt! Bis Alexandra ihm einen pikanten Vorschlag macht, zu dem er nicht Nein sagen kann. Und das Fest der Wunder ist nah – können Alexandra und Drew gemeinsam ihren Weg zurück in die Liebe finden?


  • Erscheinungstag 01.11.2022
  • Bandnummer 222022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751510066
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Alexandra Harris besaß eine ausgezeichnete Vorstellungskraft. Besonders liebte sie es aber, wenn etwas noch besser oder spektakulärer war als in ihrer Vorstellung.

So wie im Fall von Parker&Parker. Die imposante Fassade des prachtvollen Gebäudes im Renaissance-Stil, direkt gelegen am Central Park, erinnerte an ein altehrwürdiges Herrenhaus, wenn nicht sogar an ein Schloss.

„Wie im Märchen …“, flüsterte sie ehrfurchtsvoll.

Für sie fühlte es sich fast an, wie nach Hause zu kommen. Denn Märchen waren, beruflich gesehen wie auch privat, so etwas wie ihre Spezialität. Nicht umsonst wurde ihre Firma Ever After momentan als die gefragteste Wedding-Planner-Agency in New York gehandelt.

Fast ehrfürchtig schritt sie durch ein schwarzes schmiedeeisernes Tor, das auf beiden Seiten von einer hohen, perfekt gestutzten Hecke begrenzt wurde, die sich an diesem ersten Oktobertag bereits herbstlich verfärbte. In ihrer Fantasie sah Alexandra sie in zweieinhalb Monaten vor sich: blattlos, aber zehnmal so magisch, mit einer Million kleiner weißer Lichter bestückt, nicht zu Weihnachten, sondern zur Hochzeit des Jahrhunderts.

Zweieinhalb Monate mögen den meisten Leuten wie eine lange Zeit erscheinen, doch Alexandra wusste aus Erfahrung, wie schnell diese letzte Vorbereitungszeit für die Hochzeit vergehen würde.

Ivy Jenkins, Erbin des milliardenschweren Unternehmens Jenkins Inc., und Sebastian Davis, CEO von New Yorks aufregendstem Tech-Start-up, würden den Bund fürs Leben schließen. Und sie hatten sie als Organisatorin für dieses unvergessliche Event engagiert: The Christmas Wedding!

Weihnachten! Ein Thema, das ihr beruflich gut lag, aber persönlich belastet war durch eine bedrohliche Vorahnung, die sich einfach nicht abschütteln ließ.

Energisch befahl sie sich, damit aufzuhören. Sie hatte eine Hochzeit auszurichten, die sie, dem Himmel sei Dank, hundertprozentig in Anspruch nehmen würde. Denn eines stand felsenfest: Alles musste perfekt sein im Wettstreit der Reichen und Berühmten. Diese Herausforderung angenommen zu haben, war ein Risiko und bedeutete maximalen Stress, denn ihre einflussreichen Kunden konnten sie mit derselben Leichtigkeit bekannt und begehrt machen wie vernichten.

Eine steile und dauerhafte Karriere war untrennbar verbunden mit einem nicht nachlassenden Streben nach absoluter Perfektion. Für ein Karriere-Aus reichte ein einziger Fauxpas oder auch nur eine winzige Enttäuschung bei der Braut.

Was hätte Alexandra unter dieser Prämisse anderes machen können, als gleich nach den Sternen zu greifen und für diese Hochzeit Parker&Parker ins Visier zu nehmen? In ihren Augen der einzige Veranstaltungsort, der infrage kam. War es da ein Wunder, dass sie mit Fassungslosigkeit reagiert hatte, als Gabe Evans, der Veranstaltungsleiter des 1832 erbauten hochherrschaftlichen Gebäudes sie darüber informiert hatte, dass dort keine Hochzeiten stattfanden?

Keine Hochzeiten in diesem perfekten Ambiente, das dafür geschaffen zu sein schien? Alexandra war absolut schockiert und wollte es nicht wahrhaben.

Doch Mr. Evans Aussage nach zog Drew Parker, der Eigentümer dieser architektonischen Preziose, es offenbar vor, sie allein für Konferenzen und ähnliche Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen.

Konferenzen? Horden von Kinderärzten oder Neurowissenschaftlern konnten sich derart horrende Mietkosten leisten? Veranstaltungen? So was wie langweilige Wohltätigkeitsbälle und nervtötende Auktionen für den guten Zweck? Was davon, bitteschön, hatte das Flair und den romantischen Charme einer fürs Leben zu besiegelnden Liebe?

Alexandra wäre nicht da, wo sie heute karrieremäßig stand, hätte sie je ein Nein klaglos und ohne Widerspruch akzeptiert. Trotz des Zeitdrucks würde sie Gabe nicht aus ihren Klauen lassen, bis sie hatte, was sie wollte. Und jetzt, wo sie direkt vor dem Prachtbau stand, war sie davon überzeugter denn je. Nichts könnte perfekter sein! In ungefähr einer Stunde würden Ivy und Sebastian hier ankommen und den außergewöhnlichen Ort zum ersten Mal sehen, der die unverzichtbare Kulisse für ihren großen Tag abgeben sollte.

Und sie selbst würde Gabe heute zum ersten Mal persönlich treffen, der Scheck für die Kaution lag in ihrer Handtasche. Gabe hatte ihr eine Zusage für den vierzehnten Dezember gegeben und natürlich für die Tage davor. Den Vertrag hatten sie über einen Online-Unterzeichnungsservice abgeschlossen.

Alles war in bester Ordnung.

Warum es ihr so vorkam, als würde er ihrem Blick ausweichen und sich irgendwie wegducken, konnte sich Alexandra daher nicht erklären. Aber sie spürte ein seltsames Kribbeln im Nacken. Am Telefon hatte Gabe Evans immer so locker und charmant gewirkt und sich sogar ausgesprochen begeistert von der Promi-Hochzeit gezeigt.

Doch jetzt, im Nachhinein, fiel ihr ein, dass er ihr ab und zu etwas fahrig und abgelenkt erschienen war. E-Mails kamen später als avisiert, Rückrufe wurden vergessen, und wenn sie mit ihm sprach, konnte sie ihn teilweise kaum verstehen, weil er zu flüstern schien.

Trotzdem stand Alexandra jetzt nicht nur vor ihrem Wunschort, sondern auch kurz vor ihrem erklärten Ziel, mit dem Scheck in der Handtasche. Also schoss sie ihre Bedenken gnadenlos in den Wind. Ihr Job war es, sich um alles zu kümmern und was schiefgehen konnte, zu beheben, bevor es überhaupt als Problem definiert wurde.

Sie konnte es kaum abwarten, mit Gabe das gesamte Anwesen zu erkunden und die infrage kommenden Räumlichkeiten zu besichtigen. Sobald auch Sebastian und Ivy vor Ort waren, konnten sie die besten Locations auf dem Anwesen festlegen, für die Zeremonie, das Dinner, den Hochzeitstanz und die unverzichtbaren Fotos und Videos.

Und in den kommenden Tagen und Wochen könnte sie mit Gabe an der perfekten Symbiose aus traditioneller Weihnachtsdekoration und dem Weiß-Silber-Thema der Jenkins-Davis-Hochzeit feilen.

Versonnen betrachtete sie die prächtige Treppe, die sich im zunehmend breiter werdenden Bogen anmutig nach unten schlängelte. Sie konnte sich das Brautpaar bildhaft genau dort vorstellen: die Schleppe des prachtvollen Brautkleides, die über die Stufen floss. Das massive steinerne Geländer würden dicke Girlanden aus Kiefernzweigen schmücken, weiße Weihnachtssterne die Treppe flankieren …

Vielleicht doch keine Weihnachtssterne, da nicht sie, sondern Hailey Thomas, die sie in ein paar Tagen zum ersten Mal treffen würde, für die Blumendeko verantwortlich war. Hailey war, was florale Designs betraf, mindestens so bekannt und begehrt wie Alexandra in ihrer Hochzeitsplanung, und sie konnte es kaum abwarten, mit ihr zusammenzuarbeiten.

Alexandra seufzte und warf einen Blick auf ihre Uhr. Sie war ein kleines bisschen zu früh, und so bog sie von der breiten, mit Kopfstein gepflasterten Allee ab in ein Gehölz, das einem das Gefühl vermittelte, mitten in New York einen Wald zu betreten. Und schon konnte sie sich dazwischen silberweiß geschmückte Tannenbäume vorstellen, die es zu einem absoluten Weihnachtszauber machen würden.

Gerade als sie auf die Allee zurückkehren wollte, schreckte sie ein unerwartetes Geräusch auf. Ein unterdrücktes Kinderlachen.

Das war unmöglich, sie hatte hier niemanden gesehen. Ob ihre lebhafte Fantasie auf diese märchenhafte Umgebung überreagierte?

So, wie manchmal ganz unerwartet ein Kind durch ihre Träume tanzte?

Sie riss sich zusammen. Heute war kein guter Tag, um an ein Kind zu denken, denn das … würde unweigerlich zu dem quälenden Gedanken führen: Was wäre gewesen, wenn …

Trotzdem suchte sie mit den Augen das Gebüsch ab. Nichts zu sehen, aber da war es wieder, atemlos, gedämpft. Ein Haufen welker Blätter bewegte sich verdächtig, dann sah sie einen winzigen schwarzen Lackschuh darunter hervorlugen.

Also hatte sie sich das glockenhelle Lachen doch nicht eingebildet, sondern war möglicherweise unwissentlich in ein Versteckspiel hineingeplatzt. Aber wo waren die anderen Kinder? Und wo die erwachsene Aufsichtsperson?

Alexandra schaute suchend um sich und sah dann auf ihre Uhr. Sie hatte keine Zeit zu verschwenden, aber ein ungutes Gefühl dabei, ein offenkundig kleines Kind in der riesigen Parker&Parker Gartenanlage sich selbst zu überlassen. Immerhin befanden sie sich hier nicht irgendwo auf dem Land, sondern praktisch im Zentrum von New York.

Erfahrung mit kleinen Kindern hatte sie ausreichend, da ihre Schwester und ihr Bruder sie mit einem halben Dutzend ebenso liebenswerter wie ausgelassener Nichten und Neffen beglückt hatten. Das war ihre Familie – und mehr als genug! Da wäre jede Sehnsucht nach etwas, das nicht hatte sein sollen, doch ebenso unsinnig wie undankbar, oder?

„So einen tollen Laubhaufen habe ich schon ewig nicht mehr gesehen“, rief Alexandra theatralisch aus. „Da muss ich einfach hineinspringen! Eins, zwei …“

„Nein, nein, du wirst mich zerquetschen!“

„Du meine Güte!“ Alexandra tat erschrocken. „Eine Fee!“

Und so sah das kleine Mädchen wirklich aus. Blätter hafteten an einer rosa Angora-Mütze und ihrem weißen Zopfmusterpullover, unter dem rosa karierten Rock trug sie eine pinkfarbene Strumpfhose.

Doch ihr herzförmiges Gesicht war das eines Engels. Unter der Mütze lugten dicke schwarze Locken hervor, dichte Wimpern umrahmten smaragdgrüne Augen, ihre runden Apfelwangen leuchteten.

Alexandra zuckte zusammen und dachte an etwas, das sie längst ad acta gelegt zu haben glaubte: Mein eigenes Baby wäre jetzt …

Ein brennender Schmerz drohte ihre Brust zu sprengen. Rasch verbannte sie ihn ins Nirwana … das Mädchen vor ihr konnte kaum älter als vier sein. Wo war die Aufsichtsperson?

„Ich bin keine Fee, und wer bist du? Ich hatte schon Angst, du wärst eine Hexe.“

„Oh, besten Dank … aber wenn du keine Fee bist, wer bist du dann? Um allein im Wald zu sein, erscheinst du mir ein wenig zu jung.“

„Ich verstecke mich vor meiner Nanny“, sagte das Kind verschwörerisch. „Und das kann ich sehr gut.“

Alexandra versuchte, sich ihre Besorgnis nicht anmerken zu lassen. „Wie lange hast du dich denn schon versteckt? Deine Großmutter sorgt sich bestimmt um dich.“

Die Kleine schien verwirrt. „Ich habe keine Granny.“

„Dann also deine Mutter? Jemand muss doch auf dich aufpassen.“

Jetzt biss sich die Kleine auf die Unterlippe und starrte auf den Boden. „Ich habe auch keine Mom. Sie ist tot.“

„Oh …“ Alexandra versuchte ihre Bestürzung zu verbergen und strich instinktiv über die runde Wange. „Das tut mir sehr leid.“

Der traurige Ausdruck verschwand, die Kleine hob das Kinn und musterte ihr Gegenüber. „Möchtest du meine Mommy sein?“

Was für eine Frage! Was sollte sie sagen, ohne dem Kind wehzutun oder falsche Hoffnungen zu wecken? „Nun … natürlich wäre ich gern deine Mutter, denn du bist wirklich reizend, aber man kann Mütter nicht aus einer Laune heraus im Wald suchen.“

„Ich weiß nicht, was eine Laune ist, aber ich hätte gerne eine Mommy, die in Blätter springt. Mein Daddy findet mich nicht lieb. Er sagt, ich bin ein kleines Monster.“

„Das war sicher ein Witz“, warf Alexandra ein.

„Oder wahr“, kam es sorglos zurück. Dann blitzte es schalkhaft in den Augen der Kleinen auf. „Würdest du denn meine Mutter sein wollen, wenn ich reizend und ein Monster wäre?“

Für ihre Größe und ihr vermutliches Alter war sie ungewöhnlich wortgewandt, ja, fast frühreif. Und da es auf ihre Frage keine sinnvolle Antwort gab, hielt Alexandra es für besser, sie zu ignorieren und sich um Wesentlicheres zu kümmern.

„Komm“, sagte sie schmeichelnd. „Lass uns deine Nanny gemeinsam suchen.“

Das kleine Monster sah nicht so aus, als würde es sich darauf einlassen, gab dann aber doch nach und akzeptierte mit einem Seufzer die angebotene Hand.

Da war es wieder, dieses Gefühl … Alexandra wurde ganz schwindelig vor Schmerz und Sehnsucht. Wie lächerlich! Sie verbrachte schließlich auch jede Menge Zeit mit ihren Nichten und Neffen und stürzte dabei nicht in unerwartete Trauer ab.

Das Kind kannte sich offensichtlich sehr gut in dem kleinen Wäldchen aus und führte Alexandra geradewegs auf den Weg zurück.

Die tiefe Stimme eines Mannes durchdrang die Stille. „Genevieve!“

Die Kleine kicherte.

„Das bist du, oder?“

Sie nickte.

„Es ist nicht schön, andere in Angst und Schrecken zu versetzen.“

„Ich weiß.“

Sie traten aus dem Schatten der Bäume auf die gepflasterte Allee. Ein Mann stand am oberen Ende der geschwungenen Treppe vor der Doppeltür aus Eichenholz, die zu Parker&Parker führte. Er ließ seinen Blick ängstlich über das Gelände schweifen und war offenkundig besorgt.

Und sehr attraktiv, wie Alexandra selbst aus der Ferne feststellen konnte.

Genaugenommen unfassbar attraktiv …

Etwa Mitte dreißig, so lässig gekleidet, wie es nur diejenigen fertigbrachten, die sich in ihrem Reichtum wohlfühlten, ohne damit protzen zu müssen: schmale dunkle Designer-Jeans und unter dem grauen Kaschmirpullover ein knackig weißer Hemdkragen.

Er war groß, auf jeden Fall über einen Meter achtzig, perfekt proportioniert, mit breiten Schultern, muskulöser Brust, einem flachen Bauch und langen Beinen.

„Wer ist das?“, fragte Alexandra etwas atemlos. Ihre Nanny ganz offensichtlich nicht!

„Das ist mein Dad.“

Natürlich … sein Haar war so schwarz wie das des Kindes, aber es fehlten die verspielten Locken seiner Tochter. Die leiseste Andeutung eines Schattens verdunkelte seine Wangen, und eine kleine Kerbe zierte das energische Kinn. Er sah außerordentlich gut aus, und Alexandra war sich nicht sicher, ob diese Wirkung durch eine gewisse Strenge in seinen Zügen verstärkt oder geschmälert wurde.

Das kleine Mädchen neben ihr schien wenig beeindruckt. Sie ließ Alexandras Hand los, hüpfte davon, drehte sich nach ein paar Metern zu ihr um, streckte ihr die Zunge raus und rannte dann auf ihren Vater zu. „Daddy!“, weinte sie auf. „Ich habe mich verlaufen …“

Ungeheure Erleichterung erhellte seine dunklen Züge. Er sprintete förmlich die Freitreppe herunter, um seine Tochter in den starken Armen aufzufangen.

„Sie hat mich gefunden.“ Genevieve zeigte auf Alexandra, die angesichts der rausgestreckten Zunge kurz zuvor froh war, dass dieses kleine Monster sie nicht noch einer Entführung bezichtigt hatte!

Die beiden kamen auf sie zu, das Kind offensichtlich zufrieden auf dem starken Arm des Vaters, die Ärmchen liebevoll um seinen Hals geschlungen.

Mit zunehmendem Erfolg in ihrem Business – eine Boulevardzeitung hatte sie gerade erst als Die Hochzeitsplanerin der Stars betitelt – traf Alexandra immer häufiger auf Prominente, Würdenträger, Sportstars, Unternehmer und sogar einen Prinzen! Kronprinz Giovanni würde einer der Trauzeugen auf der Jenkins-und-Davis-Hochzeit sein.

Und sie war tatsächlich stolz darauf, sich von niemandem einschüchtern zu lassen. Doch unter dem sengenden Blick aus den meergrünen Augen – den Augen seiner Tochter, nur dass letztere wesentlich unschuldiger wirkten – fühlte sie sich wie ein Teenager, der unversehens auf seinen heimlichen Schwarm trifft.

Da war es wieder, dieses unsinnige Verlangen, und er war absolut der Typ Mann, der solche Sehnsüchte in ihr weckte. Nach jemandem zum Festhalten, nach jemandem, mit dem man bis tief in die Nacht reden konnte.

Wünsche oder Träume, die er unter Garantie in jeder Frau, die ihm begegnete, weckte. Er war sich seiner Männlichkeit hundertprozentig bewusst, absolut atemberaubend und … einfach umwerfend. Die Lässigkeit, mit der er das kleine Mädchen trug, verstärkte noch seine Anziehungskraft.

Doch ungeachtet des Kindes auf seinem Arm, das sich jetzt offenkundig wohlfühlte, hatte er nichts Weiches an sich, sondern wirkte extrem kühl, geradezu einschüchternd.

Alexandra warf einen Blick auf ihre Uhr. Verdammt! Sie würde zu spät zu ihrem Termin kommen, war aber zugleich froh, der beunruhigenden Ausstrahlung dieses Mannes entfliehen zu können, ohne unhöflich zu wirken. Was hatten diese vermaledeiten Sehnsüchte auch für einen Sinn? Keinen, entschied sie energisch, zumal ich längst geglaubt hatte, sie ein für alle Mal ad acta gelegt zu haben.

„Hallo.“ Seine dunkle Stimme war Sinnlichkeit pur, und Alexandra spürte, wie sich ihre Nackenhärchen sträubten. Er streckte eine Hand aus. „Ich bin Drew Parker.“

„Von … von Parker&Parker?“, stammelte sie.

So würde sich nicht mal ein alberner Teenager aufführen! Was war nur mit ihr los? Warum dachte sie plötzlich völlig grundlos über ihr Outfit nach: professioneller schwarzer Blazer über einem rauchfarbenen Kaschmirpulli zur schwarzen Bleistifthose. Und warum wünschte sie sich unsinnigerweise, ihre Ballerinas gegen High Heels eintauschen zu können? Oder dass sie ihr Haar offen tragen würde, anstatt es zu einem respektablen Knoten hochgesteckt zu haben? Sie musste sich unbedingt zusammenreißen!

Ganz kurz verdunkelten sich die meergrünen Augen des Mannes vor ihr. „Ja, das sind wir beide … Parker&Parker“, sagte er und drückte seine kleine Tochter kurz an sich.

Alexandra erinnerte sich an die Worte des kleinen Mädchens: Ich habe auch keine Mom. Sie ist tot.

„Es freut mich, Sie kennenzulernen, Mr. Parker.“

„Drew, bitte.“

Alexandra ergriff seine Hand, spürte mühsam zurückgehaltene Stärke und schluckte krampfhaft. Sie hatte sich schon einmal von Verlangen leiten lassen, und es hatte ihr Leben in Schutt und Asche gelegt.

Es jetzt wieder zu spüren, war eine Warnung, keine Einladung!

„Was für einen wunderbaren Besitz Sie haben“, sagte sie, um von sich abzulenken.

„Ja …“ Er wandte den Kopf und warf einen Blick über die Schulter auf das Gebäude hinter ihm. „Es ist so, als ob man eine Katze besitzt. Du bist nicht wirklich ihr Herr. Sie besitzt dich und wird es dir nicht verzeihen, wenn die Behandlung nicht ihrem hohen Standard entspricht.“

Eine ebenso fantasievolle wie bildhafte Art, den prachtvollen Besitz zu beschreiben, was bewies, dass er nicht nur attraktiv, sondern auch intelligent war, was ihn nur noch unwiderstehlicher machte. Trotzdem blieben Tonfall und Blick kühl und erinnerten Alexandra daran, dass sie geschäftlich hier war und nicht …

„Ich bin Alexandra Harris.“

Kein Anflug von Erkennen huschte über seine dunklen Züge. Wahrscheinlich war er als Eigner gar nicht ins Tagesgeschäft involviert.

„Sie würde gerne meine Mommy sein“, verkündete Genevieve überraschend.

Alexandra versuchte, die eine erhobene Braue zu ignorieren, und spürte, wie sich ihre Wangen verfärbten. „Das ist reichlich … aus dem Zusammenhang gerissen.“

„Ein Wettbewerb!“, quietschte seine kleine Tochter und klatschte in die Händchen. „Für eine neue Mommy.“

„Du veranstaltest keine Wettbewerbe für eine Mommy“, sagte Drew rau und maß Alexandra mit einem Blick, der sie zur Schuldigen in dieser Sache machte.

„Aber das ist eine tolle Idee!“ Genevieve legte ihre Patschhändchen auf die Wangen des Vaters und zwang ihn, sie anzusehen. „Sie muss in Blätterhaufen springen, Kekse backen und Gutenachtgeschichten erzählen können.“

Alexandra schluckte mühsam. Also genau die Art von Mutter, die sie sich einst gewünscht hatte, sein zu können.

„Ich will eine lebendige Mommy.“

Und sie hatte sich ein lebendes Baby gewünscht. Das Leben war so grausam …

Dass auch Drew Parker sich der Launen des Schicksals sehr bewusst war, zeigte sich an dem Schatten, der seine markanten Züge verdunkelte. Alexandras Herz, das ohnehin bereits ganz oben im Hals schlug, fühlte sich an, als müsse es brechen.

Wenn sie seine angespannte Miene richtig interpretierte, war der Wunsch des Kindes nach einer Mutter das Einzige, was er seiner Tochter nicht erfüllen würde: eine lebendige Mommy.

Er sah aus wie ein Mann, der sein Herz nur einmal verschenkte. Und für immer.

Diese Erkenntnis erfüllte Alexandra überraschend mit einem Gefühl des Versagens. Auch sie hatte dieses ewige Gelübde einst abgelegt und daran geglaubt.

Jetzt war sie hier … und geschieden.

Während sie unauffällig seine starre Miene musterte, fragte sie sich, wie es sein mochte, von jemandem geliebt zu werden, der die Liebe so hochhielt, dass es sie für ihn nur einmal im Leben gab. Und wie es sich anfühlen mochte, diejenige zu sein …

Alexandra lächelte nervös, als ihr bewusst wurde, dass Genevieve sie vom Arm ihres Vaters aus immer noch mit dem eifrigen Interesse eines Kindes beäugte, das verzweifelt Kandidatinnen für eine Mommy-Challenge suchte.

„Oh …“ Alexandra schaute auf ihre Uhr. „Ich … ich habe einen Termin mit Gabe Evans. Vielleicht wären Sie so freundlich, mir den Weg zu seinem Büro zu zeigen?“

„Tut mir leid, Gabe ist heute nicht hier.“

Das Gefühl einer drohenden Katastrophe überfiel sie wie ein Blitz aus heiterem Himmel. „Nicht hier?“

„Der Zustand seiner Mutter hat sich verschlechtert, weshalb er sich beurlauben lassen hat“, erklärte Drew Parker.

Und Gabe war nicht einmal auf den Gedanken gekommen, sie anzurufen? Was sie gerade gehört hatte, ließ auf eine längere Krankheit seiner Mutter schließen. Das würde auch sein seltsames Verhalten erklären, die Fahrigkeit und sein Flüstern am Telefon.

„Das tut mir leid zu hören“, sagte sie mit erzwungener Ruhe. „Trotzdem gibt es einige Fakten, die es hier und heute zu klären gilt. Wer vertritt Gabe denn während seiner Abwesenheit?“

Ein spitzer Schrei schreckte sie alle auf, und als Alexandra sich umwandte, sah sie eine junge Frau in gelbem T-Shirt, Yogahose und Turnschuhen auf sie zustürmen. „Mr. Parker … dem Himmel sei Dank! Sie haben den kleinen Ausreißer eingefangen. Da bist du ja, Genevieve! Ich hätte fast einen Herzinfarkt bekommen.“

Das war also ihre Nanny. Sie sah aus wie eine patente junge Frau, die vor Sorge fast den Verstand verloren hatte.

„Es tut mir leid, Mr. Parker“, entschuldigte sie sich hastig. „Wie gesagt, als ich sie vermisst habe, war ich nur kurz auf der Toilette gewesen. Ganz ehrlich, nicht länger als fünf oder zehn Minuten.“

„Sie hat mit ihrem Freund telefoniert“, klärte Genevieve die Anwesenden sonnig auf.

Drew Parkers Miene verfinsterte sich, und Alexandra dachte in einem Anflug von Feigheit, wie froh sie sein konnte, dass nicht sie bei ihm in Ungnade gefallen war.

„Miss Carmichael“, sagte er mit klirrender Stimme. „Sie wurden mir vom besten Nanny-Service in New York wärmstens empfohlen.“

Die Unterlippe der jungen Frau begann zu zittern.

„Und Sie haben Ihre Schutzbefohlene aus den Augen verloren, weil Sie telefoniert haben?“

„Nicht nur“, versuchte sich die Ärmste zu verteidigen. „Ich war auch auf der Toilette. Ich meine, ich kann Genevieve ja schlecht dorthin mitnehmen. Aber es wird nicht wieder vorkommen, Mr. Parker, das verspreche ich hoch und heilig.“

Die junge Nanny war absolut fertig mit den Nerven, während Genevieve nicht unzufrieden mit sich und der Situation zu sein schien.

Halte dich da raus, warnte Alexandra sich selbst, allerdings umsonst.

„Um Miss Carmichael gegenüber fair zu sein, Genevieve war nicht verloren. Ich fand sie dort drüben zwischen den Bäumen, wo sie sich vor ihrer Nanny unter einem Haufen Blätter versteckt hat.“

Während Miss Carmichael ihr dankbar zulächelte, warf Genevieve ihr einen Blick zu, der besagte, dass sie von der Mommy-Kandidatinnenliste gestrichen war.

„Stimmt das?“, wandte sich Drew ernst an seine kleine Tochter, nachdem er Alexandra einen Moment nachdenklich gemustert hatte. „Bist du deiner Nanny weggelaufen, als sie auf der Toilette war?“

„Ich wollte nichts Böses tun …“

„Nein …“, sagte ihr Vater mit einem Seufzer, der zwischen Zuneigung und Verzweiflung schwankte. „Es passiert dir immer wieder einfach so.“

„Ja, ich weiß auch nicht, warum“, murmelte seine kleine Tochter, barg den dunklen Lockenkopf an seiner Schulter und steckte den Daumen in den Mund … übergangslos und – wie Alexandra argwöhnte – eine Spur berechnend.

„Wie wäre es, wenn du mit Miss Carmichael ein Eis essen gehst?“, schlug ihr Vater sanft vor.

Sofort erwachte Genevieve wieder zum Leben und strebte vom Arm des Vaters herunter. „Ich mag das mit den pinken Streifen am liebsten“, verkündete sie munter.

Halt dich da raus, ermahnte sich Alexandra erneut, brachte es aber nicht fertig. „Ich finde nicht, dass Eiscreme eine angemessene Konsequenz für die Flucht vor ihrem Kindermädchen ist.“

Drew starrte sie ebenso fassungslos an wie seine Tochter. Offensichtlich war ein Mann in seiner Position nicht daran gewöhnt, ungebetene Ratschläge von Fremden zu erhalten, besonders wenn darin noch ein dezenter Verweis enthalten war.

„Und woher beziehen Sie Ihr Fachwissen über Kindererziehung?“, fragte Drew Parker kühl. „Haben Sie eigene Kinder?“

„Ich bin nicht verheiratet.“ Was sollte das denn? Er hatte sie nur nach Kindern gefragt, oder? „Geschieden“, fügte sie spröde hinzu.

Genevieves Vater wirkte so unbeeindruckt, dass sie einfach weiterstammelte. „Mein Bruder hat vier Kinder und meine Schwester zwei. Entschuldigung, ich weiß, dass mich das nicht automatisch in die Lage versetzt, weise Ratschläge zu Kindererziehung zu geben …“

„Das sehe ich genauso“, bestätigte Drew knapp. „Aber wenn Sie schon mal dabei sind, verraten Sie mir doch, wie Ihr Bruder oder Ihre Schwester mit einer solchen Situation umgehen würden.“

Alexandra hielt das für einen perfekten Zeitpunkt, um sich dafür zu entschuldigen, dass sie ungefragt ihre Meinung kundgetan hatte. Andererseits … obwohl er kein Mann war, der unbedingt Mitleid erweckte, würde er es zukünftig schwer mit seiner Tochter haben, wenn er das Kind für ein Fehlverhalten auch noch belohnte.

Vielleicht ein kleiner Wink, bevor sie sich dezent zurückzog?

Autor

Cara Colter
<p>Cara Colter hat Journalismus studiert und lebt in Britisch Columbia, im Westen Kanadas. Sie und ihr Ehemann Rob teilen ihr ausgedehntes Grundstück mit elf Pferden. Sie haben drei erwachsene Kinder und einen Enkel. Cara Colter liest und gärtnert gern, aber am liebsten erkundet die begeisterte Reiterin auf ihrer gescheckten Stute...
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