Zärtliche Nächte mit dem Boss

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Ihr Boss. Ihr Traummann. Und nun ihr Liebhaber! Vom ersten Moment an hat Aleksi Kolovskys unwiderstehliche Ausstrahlung Kate in den Bann gezogen. Doch es scheint eine hoffnungslose Schwärmerei, mehr nicht. Bis Aleksi eines Nachts überraschend bei Kate auftaucht und sie mit einem unmoralischen Angebot überrascht: Um sein Playboy-Image zu bessern, soll sie ab sofort seine Verlobte spielen, zärtliche Nächte inklusive. Kates Herz schlägt höher. Doch Aleksi stellt gleich klar, wie er sich ihr Verhältnis vorstellt: "Liebe kannst du von mir nicht erwarten?"


  • Erscheinungstag 04.03.2014
  • Bandnummer 2117
  • ISBN / Artikelnummer 9783733700409
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Sie konnte unmöglich wieder hineingehen.

Jedenfalls nicht so.

Kates Herz hämmerte, ihre Wangen brannten, während sie mit zittrigen Händen Kaffee für ihren Chef Levander Kolovsky und seinen jüngeren Halbbruder Aleksi kochte.

Niemals, wirklich noch nie hatte sie so stark auf einen Mann reagiert.

Und das jetzt, in der sechsunddreißigsten Woche ihrer Schwangerschaft.

Aleksi Kolovsky war aus London zu einem wichtigen Meeting in der australischen Firmenzentrale eingeflogen, und Kate hatte zu wissen geglaubt, was sie erwartete. Schließlich kannte sie seinen Zwillingsbruder Iosef und hatte sich vorstellen können, wie Aleksi aussah. Auch von seinem Ruf als Playboy hatte sie gehört.

Aber es war nicht sein fabelhaftes Aussehen, das sie völlig aus der Bahn geworfen hatte. In der Zentrale von Kolovsky-Design wimmelte es nur so von fantastisch aussehenden Menschen. Kate war völlig nervös gewesen, als die Arbeitsagentur sie als Zeitkraft dorthin vermittelt hatte. Selbst jetzt war sie sicher, dass Levander sie nur behalten hatte, weil sie tüchtig war – und eben nur eine Zeitarbeitskraft. Um als persönliche Assistentin Vollzeit bei Kolovsky-Design zu arbeiten, musste man sehr viel mehr bieten als Tüchtigkeit. Vor allem auch Schönheit. Und da haperte es bei ihr.

Nein, es war etwas anderes als Aleksis Aussehen, das sie so stark ansprach.

Ihr Herz hatte zu rasen begonnen, als sie Levanders Büro betrat – peinlich heiß war ihr geworden, als der berühmte Playboybruder von den Unterlagen aufgeblickt und sie verwundert angesehen hatte …

„Gehören Sie wirklich hierher?“, hatte er sie gefragt. Mit leiser, dunkler Stimme und gepflegtem Oxfordakzent hatte er gesprochen. In seinen grauen Augen war ein seltsamer Ausdruck erschienen, während er den Blick über ihren kugelrunden Bauch schweifen ließ, ehe er ihr ins Gesicht geblickt hatte.

Aber er hatte ja recht! Sie war hochschwanger. Während manche Models in der Schwangerschaft nur ein hübsches kleines Bäuchlein und BH-Körbchen kaum größer als AA aufzuweisen hatten, bedeutete für Kate, schwanger zu sein, dass ihr Körper vom Busen bis zu den Fesseln wie ein einziger unförmig geschwollener Ballon aussah. Sie war so unübersehbar, überwältigend schwanger, dass Aleksi recht hatte. Sie dürfte gar nicht hier sein.

„Wie bitte?“, war Kate ungewollt herausgeplatzt. Normalerweise hätte sie die Bemerkung mit einem kurzen, höflichen Lächeln abgetan. Nach vier Monaten im Modehaus Kolovsky war sie es gewöhnt, mit den Reichen und Berühmten Small Talk zu machen und sich ansonsten diskret im Hintergrund zu halten. Doch aus einem ihr selbst nicht erklärlichen Grund hatte die taktlose Bemerkung des Chefbruders die wahre Kate auf den Plan gerufen.

„Sie sehen aus, als wären Sie jeden Moment fällig“, hatte Aleksi beharrt.

„Fällig für was?“ Mit stiller Genugtuung hatte Kate beobachtet, wie sich auf seiner arroganten Miene so etwas wie Panik abzeichnete – als wäre dem selbstbewussten Aleksi Kolovsky bewusst geworden, was für ein unverzeihlich peinlicher Patzer ihm unterlaufen war.

„Für eine Gehaltserhöhung.“ Der sonst so ernste Levander hatte schallend gelacht, als er die Betroffenheit seines Bruders bemerkte. „Und die haben Sie verdient, Kate. Nicht viele schaffen es, Aleksi in Verlegenheit zu bringen.“

„Sie ist also wirklich schwanger?“, hatte Kate ihn leise fragen gehört, als sie aus dem Büro geflüchtet war, um Kaffee zu kochen.

„Was sonst?“ Levander lächelte immer noch, nachdem Kate gegangen war. Er genoss es, seinen Bruder endlich einmal verlegen zu erleben. „Leider ja.“

„Leider?“

„Ich versuche, lieber nicht daran zu denken, dass sie jeden Moment niederkommen kann. Hier herrschte das Chaos, ehe Kate bei mir anfing. Inzwischen hat sie tatkräftig durchgegriffen, alles läuft wieder wie am Schnürchen. Ich weiß, wann und wo ich in den nächsten Wochen sein muss. Außerdem versteht Kate es bewundernswert, selbst mit den schwierigsten Kunden umzugehen.“

„Sie kommt also wieder …“

„Nein.“ Levander schüttelte den Kopf. „Kate ist nur aushilfsweise bei uns. Nachdem sie nach der Trennung von ihrem Freund nach Melbourne zurückgezogen ist, brauchte sie einen Job, um die Zeit bis zur Geburt zu überbrücken. Danach kommt sie nicht zu uns zurück.“

Näher hatte Levander sich nicht geäußert und sich wieder der Arbeit zugewandt. Und Kate hätte sich eigentlich nicht sorgen müssen, ob Aleksi bemerkt hatte, dass sie über und über rot geworden war und ihre Hände zitterten.

Die beiden Männer arbeiteten konzentriert an ihrem Projekt, als Kate mit dem Kaffee zurückkehrte. Aleksi saß über ein Dokument gebeugt, sodass das dunkle Haar ihm etwas in die Stirn fiel, und vergaß sogar, sich für den Kaffee zu bedanken.

In den folgenden Wochen kam er jeden Tag in die Firma. Meist blieb er sogar an ihrem Schreibtisch stehen, um sich zu erkundigen, wie es ihr gehe, während er wartete, dass Levander vom morgendlichen Joggen zurückkehrte. Manchmal erzählte Aleksi ihr kurz von London, wo er die britische Niederlassung von Kolovsky leitete, doch nur selten fragte er sie nach persönlichen Dingen. Und weil sie ihn sicher nicht wiedersehen würde, und vielleicht auch, weil sie sich hoffnungslos einsam und müde fühlte, antwortete Kate ihm ehrlich.

Sie sprach ganz offen, wurde Aleksi bewusst. Die junge Frau hatte Angst vor der Geburt, dem Leben als ledige Mutter, fern der Familie …

Und dann, am letzten Morgen vor seiner Rückkehr nach London, vor der wichtigen Besprechung mit Levander, seinem Vater Ivan und seiner Mutter Nina, war das Einzige, auf das er sich freute, Kates freundliches Lächeln und der Kaffee, den sie ihnen in den Konferenzsaal bringen würde.

Doch statt Kate erwartete ihn an ihrem Schreibtisch ein spindeldürres Model mit zentimeterdickem Make-up und einem Kopf, der zu viel groß für den knochigen Körper wirkte.

„Guten Morgen, Mr Kolovsky. Drinnen warten schon alle auf Sie. Kann ich Ihnen einen Kaffee bringen?“

„Wo ist Kate?“, fragte Aleksi.

Das Mädchen blinzelte. „Ach … Sie meinen die Aushilfe?“ Kunstvolles Stirnrunzeln. „Na ja, gestern Abend hat sie das Baby bekommen.“

„Mädchen oder Junge?“

Das Model zuckte die Schultern, und Aleksi fragte sich, ob das Schlüsselbein das durchhielt. „Das weiß ich nicht. Aber gut, dass Sie mich daran erinnern. Ich rufe in der Klinik an und erkundige mich. Levander meint, wir sollten ein Geschenk für sie besorgen.“

Es wurde eine endlose Besprechung. Kaffee, später wieder Kaffee, dann Mittagessen im Besprechungsraum. Es geschah nicht oft, dass die drei Kolovsky-Söhne und ihre Eltern sich zusammensetzten. Aleksis Zwillingsbruder Iosef war Arzt und hatte sich den Tag im Krankenhaus freigenommen. Irgendwann saßen alle schweigend da, während Ivan ihnen von seiner Krankheit und den ungewissen Diagnosen der Ärzte berichtete – und dass niemand davon erfahren dürfe.

„Menschen werden nun mal krank“, erklärte Iosef daraufhin. „Dafür muss man sich nicht schämen.“

„Die Kolovskys zeigen keine Schwäche“, war die harsche Erwiderung ihres Vaters gewesen.

Danach sprachen sie über Umsatzzahlen und – ziele, eine neue Modelinie, die sie vorstellen wollten, und dass Aleksi die Firma bei allen europäischen Modeschauen repräsentieren solle, während Ivan sich der Behandlung unterzog. Levander würde Australien und Asien übernehmen.

Zu dem Zeitpunkt war Iosef längst gegangen.

Trotz des traurigen Anlasses gab es bei der Besprechung keinerlei Gefühlsbezeugungen, dafür aber literweise ungenießbaren Kaffee.

Der Abschied fiel betont kühl aus. Seine Mutter wünschte Aleksi keine gute Reise und warnte ihn, das soeben Besprochene müsse in der Familie bleiben. Sein Widerstand wuchs, ihm wurde schlecht – wie als Kind, wenn die Eltern an seinem Bett gestanden und ihn gewarnt hatten, seine Schmerzen mit keinem Wort zu erwähnen, nicht zu weinen, alles für sich zu behalten, niemandem etwas zu erzählen …

Kolovskys zeigten keine Schwäche.

Levander verabschiedete sich von Aleksi, als würde sein Bruder nur kurz einkaufen gehen, statt um die halbe Welt zurück nach London zu fliegen.

Ehe Aleksi die elegante Empfangshalle verließ, fiel ihm ein üppiger Geschenkkorb mit Blumen, Champagner und einer zartrosa Seidendecke auf, der von einem Boten abgeholt werden sollte.

Kate musste ein Mädchen bekommen haben.

Nur selten stellte Aleksi seine Beweggründe infrage. Er hätte nicht sagen können, was in ihm vorging, als er durch die goldene Drehtür der Kolovsky-Firmenzentrale zur Limousine ging, die ihn zum Flughafen bringen sollte.

Unvermittelt machte er kehrt, ging in die Eingangshalle zurück, wechselte einige Worte mit der erstaunten Empfangsdame und nahm den Korb mit. Als er auf dem Rücksitz des Luxuswagens saß, nannte er dem Taxifahrer die Adresse, die er auf der Karte am Korb gefunden hatte.

„Soll ich ihn für Sie im Krankenhaus abgeben, Sir?“, erbot sich der Fahrer, als sie vor dem weitläufigen Betonkomplex hielten.

Doch aus irgendeinem Grund wollte Aleksi das selbst tun.

Sein Vater war todkrank, und er fühlte sich benommen, konnte keinen klaren Gedanken fassen.

Er hätte nicht sagen können, wieso er auf einmal am Informationspult stand und sich nach dem Weg zu Kates Zimmer erkundigte. Ohne nachzudenken, betrat er den Aufzug und registrierte nur, dass es hier nicht so angenehm roch wie in den Privatkliniken, die er kannte. Ach ja, er war ein bisschen nervös, wie Kate reagieren würde. Was ihre Besucher sagen würden, wenn er unerwartet an ihrem Bett erschien.

Er wollte sich einfach von ihr verabschieden.

Für Kate waren die letzten vierundzwanzig Stunden die Hölle gewesen.

Zwölf Stunden lang hatten die Wehen sich hingezogen, dann hatte man einen Kaiserschnitt vornehmen müssen. Jetzt lag ihre kleine Tochter rosig und engelsgleich in dem Bettchen neben ihr, doch Kate hatte sich in ihrem ganzen Leben noch nie so einsam gefühlt.

Am Abend wollten ihre Eltern vorbeikommen. Mit Craig hatte sie telefoniert, aber es sah nicht so aus, als würde er sie besuchen.

Nein, die endlosen Wehen und der Eingriff waren nichts im Vergleich mit der Scham und Einsamkeit, die sie jetzt zur Besuchszeit erfüllten.

Natürlich entgingen Kate nicht die neugierig mitfühlenden Blicke der anderen drei Mütter und deren Besucher zu ihrem schmucklosen Bett, ohne Ballons, Blumen und Glückwunschkarten.

Sie war einsam und schämte sich, völlig allein dazustehen.

Ungeliebt.

Irgendwann hatte sie eine Schwester gebeten, die Bettvorhänge zu schließen, doch die musste sie missverstanden haben, denn sie hatte die Vorhänge ganz aufgezogen, sodass Kate in ihrem Bett mit ihrer Schande allen Blicken preisgegeben war.

Auf einmal war er da.

Er entdeckte sie sofort.

Dann sah er die anderen Mütter, den ungläubigen Ausdruck in ihren Augen, als ihnen bewusst wurde, wen er besuchte. War er der …? Nein! Das war doch nicht möglich. Oder doch …?

Er lächelte Kate zu. „Bitte entschuldige, Darling!“

Zielstrebig, die Krawatte gelockert, eilte er durchs Viererzimmer an ihr Bett, wo er im eleganten dunklen Maßanzug völlig fehl am Platz wirkte. Er stellte den Präsentkorb auf Kates Nachttisch und betrachtete sie besorgt.

Ihr Gesicht war geschwollen, die Augen nach den endlosen Presswehen gerötet. Bisher hatte Aleksi gedacht, Frauen würden die überflüssigen Pfunde nach der Geburt gleich wieder los sein, doch Kate wirkte eher noch schwerer. Ihr welliges dunkles Haar war strähnig und verschwitzt, doch sie lächelte matt.

Aleksi war froh, dass er bei ihr war.

„Kannst du mir verzeihen, dass ich nicht eher kommen konnte?“, fragte er laut, damit die anderen es hören konnten.

Fast hätte Kate gekichert, aber lachen tat einfach zu weh. Erschöpft, wie sie war, und um die Situation nicht weiter zu komplizieren, ging sie auf Aleksis Du ein. „Ach hör auf. Sonst hält man dich noch für den Vater“, setzte sie leise hinzu.

„Na ja …“ Vorsichtig setzte er sich zu ihr aufs Bett und senkte die Stimme. „Aber könnte es nicht ganz lustig sein, so zu tun als ob?“ Er blickte ihr in die geröteten Augen. „War es sehr schlimm?“

„Die Hölle.“

„Wozu sind die ganzen Schläuche?“

„Ich hatte einen Kaiserschnitt.“ Kate entging nicht, dass er zusammenzuckte.

„Und wann darfst du nach Hause?“

„In zwei, drei Tagen.“ Bei der Vorstellung schauderte Kate. Sie konnte ihr Baby nicht einmal hochheben. Der bloße Gedanke, nach der Entlassung aus der Klinik völlig auf sich gestellt zu sein, war einfach zu schrecklich.

„Das ist doch viel zu früh!“ Aleksi war entsetzt. „Auch bei meiner Cousine war ein Kaiserschnitt nötig. Danach musste sie über eine Woche im Krankenhaus bleiben.“ Er dachte an die luxuriöse Privatstation, wo er das Baby hinter einer Glaswand hatte beobachten dürfen. Unwillkürlich schweifte sein Blick zu Kates Baby, und ihm lag eine nette Bemerkung auf den Lippen. Stattdessen lächelte er bewegt: Das süßeste Baby der Welt sah ihn an, als wollte es ihn genauer ausmachen. Es hatte unglaublich dunkle blaue Augen und die vollen rosa Lippen seiner Mutter.

„Sie ist wunderschön.“ Das meinte er ehrlich.

„Vielleicht liegt das daran, dass sie per Kaiserschnitt zur Welt gekommen ist“, bemerkte Kate. „Ich denke, ihre Augen werden braun sein, wenn ich sie nach Hause hole.“ Und endlich stellte sie ihm die Frage, die ihr auf dem Herzen brannte. „Wieso bist du hier, Aleksi?“

„Ich bin auf dem Weg zum Flughafen.“ Als Kate wenig überzeugt wirkte, setzte er schulterzuckend hinzu: „Nach fünf Stunden mit meinen Eltern brauchte ich einen Tapetenwechsel.“ Er blickte wieder auf das Baby. „Sie ist aufgewacht.“

„Möchtest du sie auf den Arm nehmen?“

„Nein. Lieber nicht.“ Aleksi zögerte und überlegte es sich anders. Ein Baby auf dem Arm zu halten war wirklich mal etwas Neues. „Wird sie dann nicht protestieren?“

„Warum sollte sie?“, fragte Kate lächelnd.

„Ich dachte, Babys schreien dann immer gleich.“ Aleksi hatte keine Ahnung von Säuglingen, und dabei sollte es auch bleiben. Doch irgendwie war er neugierig, wie so ein Neugeborenes sich anfühlte.

Zögernd, überaus vorsichtig hob er das weiche Bündel aus dem Bettchen. Instinktiv wollte Kate ihn ermahnen, das Köpfchen abzustützen, doch er tat es bereits, sogar unglaublich einfühlsam. Einen verrückten Moment lang wünschte sie sich das Unmögliche: dass es auch sein Baby wäre.

„Mein Dad ist schwerkrank“, verriet Aleksi ihr. Das war topsecret, und ihm war klar, dass Kate diese Information für Zehntausende Dollar verkaufen könnte. Doch das kümmerte ihn im Moment nicht. Er hielt ein neues Leben in den Händen und roch etwas Unbekanntes, das ihn seltsam berührte. Behutsam strich er mit dem Finger über die samtige Wange des Babys, deren Zartheit ihn an die Pfote eines neugeborenen Kätzchens erinnerte.

„Das tut mir leid“, sagte Kate.

„Niemand darf etwas davon erfahren.“ Aleksi blickte immer noch auf das Baby. „Wie heißt sie?“

„Georgina.“

„Georgie.“ Er lächelte seine neue Freundin an.

„Georgina!“, berichtigte Kate ihn.

„Möchte wissen, ob ich damals auch so süß aussah“, überlegte Aleksi laut. „Wenn ich mir zwei davon vorstelle …“

Kate verdrehte die Augen. Zwei eineiige Kolovsky-Zwillinge in einem Bettchen dürften damals die gesamte Entbindungsstation auf den Kopf gestellt haben.

„Also ich kann mir nicht vorstellen, dass du mal süß aussahst“, konnte sie sich nicht verkneifen, ihn zu necken.

„Oh doch! Ich war ein richtiger Wonneproppen.“ Aleksi lächelte. „Iosef war der Ernste von uns beiden.“ Er legte Georgina ins Bettchen zurück und sah Kate nachdenklich an. „Ich glaube, du wirst eine wunderbare Mutter sein.“

„Meinst du?“ Waren es die Hormone, Erschöpfung oder einfach Angst – um Kates Tapferkeit war es geschehen, ihr kamen die Tränen. „Ich möchte alles für sie sein und tun, aber wie soll ich das schaffen?“

„Du schaffst es schon“, ermunterte Aleksi sie. „Meinen Eltern fehlte es an nichts, dennoch haben sie bei uns Kindern alles falsch gemacht. Während du …“ Versonnen blickte er ihr in die braunen Augen und sah dort nicht die Erschöpfung, nur Tränen und Besorgnis und so etwas wie Schicksalsergebenheit, aber auch Zärtlichkeit und Liebe. „Du wirst alles wunderbar richtig machen.“

Dann war es vorbei. „Und jetzt muss ich gehen.“

„Danke.“

Kate erwartete, dass er jetzt aufstand und sich verabschiedete, und spannte unwillkürlich die schmerzenden Bauchmuskeln an. Doch dann geschah etwas Unerwartetes. Aleksi beugte sich über sie und nahm sie in die Arme, sie roch ihn, das berühmte Kolovsky-Cologne – und etwas unverkennbar Männliches, das sie erröten ließ wie an jenem ersten Tag.

„Nehmen wir deinem Publikum die letzten Zweifel“, flüsterte er ihr zu.

Und küsste sie.

Es war himmlisch … so unglaublich zart und berauschend. Dabei war sie vor zwölf Stunden operiert worden. Doch da war diese wunderbare Zärtlichkeit, die Flucht aus der Wirklichkeit … Dann spürte sie seinen Mund, die gefährliche Süße seiner Zunge. Selbst den letzten Zweiflern im Krankenzimmer bewies der Kuss, dass dies kein Höflichkeitsbesuch war.

„Ich darf meine Maschine nicht verpassen.“

Er hätte Schauspieler werden sollen, dachte Kate, als Aleksi sich noch einmal bedauernd zu ihr umblickte, ehe er den Raum verließ. Eine Weile blieb sie mit geschlossenen Augen reglos auf dem Kissen liegen und überließ sich den neugierig neidvollen Blicken der anderen Mütter, die nur ach so gewöhnliche Partner vorzuweisen hatten.

Leider blieb ihr nicht viel Zeit, den Augenblick der Verzauberung auszukosten.

Verklärt durchlebte sie die kostbaren Minuten erneut, als ein Pfleger brutal gegen die Bremsvorrichtungen ihres Bettes trat.

„Sie werden verlegt.“

„Wohin?“

Meine Güte, nur das nicht! Nicht wieder mit drei anderen Müttern in einem Zimmer liegen! Oder noch schlimmer: in einem Achterzimmer.

„Sie bekommen ein Upgrade.“

Vor fünf Jahren, bei einem Geschäftsflug mit ihrem geizigen Chef nach Singapur, hatte das Kabinenpersonal sie upgegradet, als sie an Bord gekommen war.

Und an diesem Nachmittag geschah das Gleiche.

Schon schob man ihr Bett aus dem Dritterklassebereich mit den fleckigen Wandfliesen. An einer Stelle bockte es kurz auf, wie um darauf hinzuweisen, dass sie eigentlich nicht hierhergehörte, dann ließ es sich mühelos über den weichen Teppichboden des Privatflügels weiterschieben.

Aber das sollte ihr egal sein. Und dem Krankenhauspersonal auch.

Aleksi Kolovsky hatte ihr die Luxusklasse für eine ganze Woche bezahlt.

Es war traumhaft, in das große Doppelbett überzuwechseln.

Himmlisch, ein Fünfsternemenü serviert zu bekommen, während Georgina in der Babystation versorgt wurde, um Kate später wieder zum Stillen gebracht zu werden.

Es war das Zweitwunderbarste, das ihr je passiert war, wurde ihr später am Abend bewusst, als eine hübsche Kinderkrankenschwester Georgina für die Nacht übernahm und das Licht ausschaltete.

Das Wunderbarste war Aleksis Kuss.

1. KAPITEL

Es tat nicht so weh, wie alle vorausgesagt hatten.

Nach sechsmonatiger Reha würde das bei einem Verkehrsunfall gebrochene Bein möglicherweise wieder so weit hergestellt sein, dass er mit Krücke gehen könne, hatten die anderen gemeint.

Auf den Tag genau vier Monate nach dem Unfall, bei dem er fast ums Leben gekommen wäre, watete Aleksi Kolovsky jetzt ohne Krücke zweimal täglich eine Viertelstunde angestrengt durch das Meerwasser der Karibik, wie der Arzt ihm geraten hatte.

Heute war seine dritte Therapieeinheit, und es ging erst gegen Mittag zu.

Und jedes Mal dehnte er die Bewegungsübungen bewusst länger aus als nötig.

Er wollte wieder ganz gesund werden.

Das hatte er schon einmal geschafft. Unter sehr viel schlimmeren Bedingungen.

Damals war er noch ein Kind gewesen, und es hatte für ihn weder Ärzte noch Physiotherapie gegeben – schon gar nicht eine paradiesische Umgebung wie die Karibik und das lindernde Meer, das seine schmerzenden Muskeln kühlte. Als Junge hatte er seinen zerschmetterten Körper schon einmal selbst geheilt, anfangs im Zimmer, bis die Wunden sich schlossen. Danach hatte er, ohne eine Miene zu verziehen, alles getan, um wieder laufen zu lernen, und war zur Schule zurückgekehrt. Nicht einmal seinem Zwilling Iosef war aufgefallen, wie verzweifelt er gekämpft hatte. Beharrlich, verbissen hatte Aleksi seine Heilung selbst in die Hand genommen und niemanden daran teilhaben lassen.

Iosef … sein eineiiger Zwilling.

Aleksi lächelte ironisch. Am Vorabend hatte er sich eine Fernsehsendung angesehen. Na ja, wirklich hingesehen hatte er nicht, der Film war nur eine Hintergrundkulisse gewesen. Seine Aufmerksamkeit hatte der Frau gegolten, die sein bestes Stück mit ihren Lippen geschickt liebkost hatte. Doch diesmal war es anders gewesen. Normalerweise schaltete er dann völlig ab. Sex als heilender Balsam … aber irgendwie hatte er sich nicht wirklich entspannen können. Das Fernsehen war ihm viel zu laut gewesen, jemand hatte von telepathischen Banden zwischen Zwillingen gefaselt, und das lustvolle Seufzen seiner Sexpartnerin hatte Aleksi gestört. Seit dem Unfall nervten ihn leeres Gerede, platte Unterhaltungen, und seine Bettgefährtinnen konnten ihn nicht mehr recht befriedigen. Dennoch war er hart geworden, und das gab ihm zu denken. Er sehnte sich nach schneller Befriedigung, aber die hatte die Frau ihm nicht verschaffen können. Nur um seinem Ruf gerecht zu werden, hatte er halbherzig die Stellung gewechselt und begonnen, sie mit dem Mund zu verwöhnen.

Bis das Telefon klingelte.

Aleksi hatte entnervt aufgestöhnt.

Schon wieder. War es ihm nicht einmal vergönnt, beim Sex Erleichterung zu finden?

Diesmal hatte das Telefon ihm jedoch einen willkommenen Vorwand geliefert, um die Frau loszuwerden …

Hier in der Karibik genoss Aleksi Sonnenschein im Überfluss, seine Haut war tief gebräunt, der Körper fit und muskulös. Oberhalb des Wasserspiegels wirkte er wie ein Sinnbild von Gesundheit und Kraft. Doch unter der Oberfläche machten die Narben sich stechend bemerkbar, wenn er sich bis an die Grenzen belastete, sich zwang, im Wasser zu rennen.

Bis es richtig wehtat.

Es schmerzte höllisch, aber Aleksi schonte sich nicht.

Spürte sein Bruder in Australien, was er durchmachte? Weiter! Nur nicht aufgeben! Brach Iosef in der Notaufnahme in Australien jetzt auch der Schweiß aus? Versuchte auch er, den Tag irgendwie durchzustehen?

Aleksi bezweifelte es.

Ach, er verübelte es seinem Zwilling nicht, dass er sich von der Firma losgesagt und Medizin studiert hatte. Sie standen in Verbindung und telefonierten regelmäßig. Aleksi mochte seinen Bruder. Doch zwischen ihnen gab es keine tiefere Bindung, kein Ineinanderaufgehen, keinen sechsten Sinn.

Wo waren die telepathischen Bande gewesen, als sein Vater ihn als Siebenjährigen halb tot geprügelt hatte?

Wo der sechste Sinn, als sein Zwillingsbruder ihn eine Woche später besuchen durfte?

„Ich habe gehört, du bist gestürzt …“, hatte Iosef gebrummelt. „Dad will dir ein neues Fahrrad kaufen.“ Lachend und gut aufgelegt hatte sein Bruder sich zu ihm aufs Bett gesetzt, doch die nachgebende Matratze hatte dafür gesorgt, dass Aleksi immer wieder ein stechender Schmerz durchzuckte – so fürchterlich, dass er nahe daran gewesen war zu schreien. Dann hatte er den warnenden Ausdruck in den Augen seiner Mutter gesehen.

„Wie schön“, hatte er nur gesagt.

Nein, ein besonderes Band zwischen ihnen gab es nicht.

Man litt und blutete nicht mit dem Bruder.

Aleksi rannte schneller.

Riminic, Riminic, Riminic.

Selbst die Möwen kreischten höhnisch den Namen.

Für ihn hatte sein Bruder nicht mehr existiert. Er hatte ihn vergessen wollen.

Seine Schande war grenzenlos, und mit dem Bein konnte er nicht davonlaufen.

Schluss mit dem Sprint! Aleksi war erschöpft und froh darüber. Vielleicht kam er jetzt ein wenig zur Ruhe.

Die Krankenschwester erwartete ihn mit den Pillen, als er in das luxuriöse Strandchalet zurückkehrte. Er weigerte sich, sie zu nehmen. Stattdessen trank er einen Vitamincocktail aus frisch gepresstem Saft und ging ins Schlafzimmer.

„Ich lege mich etwas hin.“

„Soll ich mitkommen?“ Verheißungsvoll lächelte sie. „Um dich zu massieren?“

Aleksi brummelte etwas Abweisendes. Konnte sie ihn nicht einfach in Ruhe lassen? Er wollte gesund werden und suchte Frieden.

Ausgestreckt lag er auf den Seidenlaken, die Luftströme des Ventilators kühlten seine erhitzte Haut, doch innerlich fror er.

Die Schmerzen machten ihm keine Angst. Es war seine Seele, die Heilung brauchte. Er hatte alle Tests bestanden, die Ärzte überzeugt, dass es ihm gut ging. Manchmal schaffte er es sogar, es selbst zu glauben. Doch da war ein Gewirr von verschwommenen Erinnerungen, Gesprächen, an die er sich nicht erinnern, Bilder, die er nicht einordnen konnte. Wissen, das irgendwo vergraben war.

Das Telefon klingelte.

Aleksi richtete sich auf, um es abzuschalten. Er war müde und brauchte Ruhe.

Dann sah er ihren Namen.

Kate.

Nur kurz zögerte er, dann nahm er ab. Auch wegen Kate hatte er sich für die Physiotherapie auf den Westindischen Inseln entschlossen. In Melbourne hatte er sich daran gewöhnt, sie an seinem Krankenhausbett zu sehen, sich fast ein wenig zu sehr auf ihre Besuche gefreut und begonnen, sich auf sie zu verlassen. Dabei wollte er sich auf niemanden mehr verlassen.

„Was gibt’s?“, meldete er sich.

Autor

Carol Marinelli
Carol Marinelli wurde in England geboren. Gemeinsam mit ihren schottischen Eltern und den beiden Schwestern verbrachte sie viele glückliche Sommermonate in den Highlands. Nach der Schule besuchte Carol einen Sekretärinnenkurs und lernte dabei vor allem eines: Dass sie nie im Leben Sekretärin werden wollte! Also machte sie eine Ausbildung zur...
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