Zurück in den Armen des griechischen Milliardärs

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Alles verzehrendes Verlangen - abgrundtiefe Verzweiflung: Keiner weckt solch extreme Gefühle in Naomi wie ihr Exmann, der arrogante griechische Milliardär Andreas Sarantos. Am liebsten würde sie ihn sofort vor die Tür setzen, als er nach Jahren überraschend bei ihr auftaucht. Doch Andreas erhebt plötzlich Anspruch auf Naomis geliebte kleine Nichte Dora. Und Naomi bleibt bloß eins, um Dora nicht für immer zu verlieren: Sie muss Andreas’ Willen gehorchen und ihn ein zweites Mal heiraten! Auch wenn sie weiß, dass sie verloren ist, sobald er sie nur berührt …


  • Erscheinungstag 08.09.2015
  • Bandnummer 1888
  • ISBN / Artikelnummer 9783733721381
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Naomi Sinclair starrte das Gesicht an, das den Fernsehbildschirm im Büro ausfüllte. Es erinnerte sie an die Zeit, in der sie geahnt hatte, wie sich die Leute auf der Titanic gefühlt haben mussten.

Denn sie selbst hatte auch einen Eisberg gerammt. Einen riesengroßen sogar. Sein Name war Andreas Sarantos. Er hatte sie frieren und zugleich dahinschmelzen lassen …

Obwohl sie eine Menge Geschichten darüber gehört hatte, was mit denen geschah, die mit ihm kollidierten, hatte sie Kurs gehalten. So war es zum Zusammenstoß gekommen. Er war allerdings nicht kurz gewesen, oh nein! Zwei Jahre lang hatte er angedauert. Und das Ergebnis war die totale Zerstörung gewesen.

Andreas nach vier Jahren wiederzusehen, erschütterte Naomi zutiefst. Ihr fiel wieder ein, was er am allerersten Tag zu ihr gesagt hatte.

Sie möchten mit mir nichts zu tun haben, Miss Sinclair. Gehen Sie, solange Sie noch können.

Sie hörte immer noch seine tiefe Stimme mit dem leichten griechischen Akzent und sah seinen Blick, der sich in ihr Innerstes zu bohren schien.

Sie hätte damals auf ihn hören sollen. Erst viel zu spät hatte sie begriffen, dass seine Worte ein Versprechen waren – und zwar das Versprechen, sie zu vernichten.

Dass er es gehalten hatte, konnte man ihm eigentlich nicht vorwerfen. Er hatte sie gewarnt. Die Verantwortung für das, was geschehen war, lag ganz allein bei ihr.

„Was sagt man dazu? Er ist wieder in der Stadt!“

Die Sätze holten Naomi in die Realität zurück.

Sie wandte den Blick von dem umwerfenden, aber Unglück verheißenden Gesicht auf dem Bildschirm ab, sah ihren Geschäftspartner Malcolm Ulrich an und nickte.

Malcolm hatte recht, Andreas war wahrhaftig wieder in der Stadt, in seiner Kommandozentrale in der Fifth Avenue. Nachdem er vier Jahre lang fort gewesen war … Naomis Herz begann zu hämmern.

Malcolm schien aufgeregt zu sein. „Ich hatte die Idee schon aufgegeben, mit ihm ins Geschäft zu kommen. Er macht ja immer alles selbst, und man kommt wirklich schwer an ihn ran.“ Malcolm schaute wieder zum TV. „Aber nun ist er zumindest schon mal vor Ort.“

Ohne es zu wollen, folgte sie Malcolms Beispiel und sah wieder in Andreas’ Augen, der mit derselben Aufmerksamkeit, die ein Wolf einem Kaninchen widmet, in die Kamera schaute.

Malcolm seufzte. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich ihn nicht festnageln konnte, als er damals zu uns gekommen ist, um über die Probleme mit Stefanides zu reden. Aber dieses Mal werde ich ihn dazu bringen, ernsthaft über unsere Erweiterungspläne nachzudenken.“

Fast hätte Naomi etwas Spöttisches geantwortet. Über sie hatte Andreas jedenfalls nie „ernsthaft nachgedacht“, wenn sie miteinander geschlafen hatten. Und über eine berufliche Verbindung noch viel weniger. Nicht einmal dieser Wahnsinnssex hatte ihn dazu gebracht, sich auf etwas einzulassen, dass er für „wenig lukrativ“ hielt.

Er hatte erklärt, dass die Entwicklungsmethoden ihrer Firma zu viele logistische Probleme mit sich brachten und zu wenig Profit abwarfen. Weitere geschäftliche Gespräche hatte es zwischen ihnen nicht gegeben, solange sie miteinander liiert gewesen waren.

Aber Naomi bezweifelte, dass sie Malcolm davon abbringen konnte, Andreas weiter zu verfolgen. Außerdem war es zu riskant. Malcolm sollte nicht erfahren, dass mehr zwischen ihr und Andreas gewesen war … Nur ihre Schwester Nadine und Andreas’ einziger Freund, Petros, kannten die Wahrheit. Für alle anderen waren Andreas und sie Geschäftsleute gewesen, deren Wege sich hier und da gekreuzt hatten. Der milliardenschwerer Spekulant, dem alles gelang, was er anfasste – und die Teilhaberin einer kleinen Immobiliengesellschaft, die sich erst noch einen Namen zu machen versuchte.

Im Nachhinein war Naomi unglaublich dankbar gewesen, dass so gut wie niemand davon wusste, dass sie ein Paar gewesen waren. Sie konnte deswegen so tun, als sei nichts geschehen. Und so wollte sie es auch weiterhin halten. Sie würde also nichts dagegen unternehmen, dass Malcolm sich die Zähne an Andreas Sarantos ausbiss.

Vielleicht ahnte Malcolm ja auch selbst, dass es sinnlos war. Er hatte sich bereits vor sieben Jahren um eine Finanzierung durch Andreas bemüht – vergeblich. Damals hatte Naomi gerade mit Malcolm und Ken die Firma Sinclair, Ulrich & Newman Developments, kurz SUN Developments, gegründet.

Andreas hatte vorbeigeschaut, um eines ihrer ersten Projekte zu prüfen, und Malcolm hatte gehofft, ihn dazu zu bringen, ihre ambitionierten Pläne zu finanzieren. Von Fotos hatte Naomi gewusst, dass er unglaublich gut aussah. Doch ihm persönlich zu begegnen, war verstörend gewesen.

Sein Blick und seine Begrüßung waren ihr kühl und unbeteiligt, aber gleichzeitig wie ein Übergriff erschienen. In den fünfzehn Minuten ihrer ersten Begegnung hatte er sie fasziniert und eingeschüchtert. Er hatte ein paar schonungslose Kommentare zu ihrem Projekt abgegeben und dabei Schwächen aufgedeckt, die weder ihr noch ihren Partnern aufgefallen waren. Dann war er unvermittelt gegangen. Das hatte sie jedoch nicht daran gehindert, an ihn zu denken …

Auf dem Bildschirm sah sie ihn zu seiner Limousine gehen. Selbst von hinten wirkte er wie ein Raubtier, das mühelos siegte, zerstörte und sich um den angerichteten Schaden nicht kümmerte. Die Reporterin, die von der Begegnung mit ihm verunsichert zu sein schien, bedauerte, dass sie nicht länger mit ihm hatte sprechen können.

Naomi hätte der Frau gerne gesagt, dass niemand etwas Positives von Andreas Sarantos bekam. Es endete immer in Verletzungen, Liebeskummer und Demütigungen.

Malcolm griff nach seinem Handy. „Ich rufe ihn am besten gleich an und frage ihn, ob er eine Stunde Zeit für mich hat, bevor die ganze Stadt hinter ihm her ist.“

Als Naomi aufstand, fühlte sie sich, als sei sie kilometerweit gelaufen. „Das überlasse ich dir.“

„Hey …“ Malcolm sah irritiert aus. „Wo willst du hin? Wir haben gleich ein Meeting.“

„Morgen ist auch noch ein Tag. Außerdem würde ich dir heute nicht mehr viel nützen. Ich mache mir zu große Sorgen um Dora.“

Es war die Wahrheit. Dora hatte diesen Morgen Fieber gehabt. Hannah, das Kindermädchen, behauptete zwar, es sei nichts Schlimmes, doch Doras Krankheit und das anschließende Auftauchen von Andreas machten es Naomi für heute unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen. Sie konnte genauso gut früh nach Hause gehen.

Sie versuchte zu lächeln. „Außerdem hast du ja jetzt noch etwas Wichtiges zu tun.“

„Es gibt nichts Wichtigeres als dich.“

Naomi antwortete nicht, sondern ging.

Malcolm hatte immer schon charmante Bemerkungen gemacht, doch neuerdings hatte sie den Eindruck, dass mehr dahinter steckte. Sie hoffte, dass sie sich irrte.

Bisher hatten sie eine reibungslose Arbeitsbeziehung unterhalten und waren miteinander befreundet gewesen. Ken und Malcolm waren glücklich verheiratet gewesen – überhaupt der wichtigste Grund, warum sie sich mit ihnen zusammengetan hatte

Doch seit Malcolms Frau vor drei Jahren an Krebs gestorben war, hatte sich die Stimmung im Büro verändert. Und seit Nadines und Petros’ Tod vor drei Monaten waren diese Entwicklungen noch deutlicher geworden. Naomi konnte nur hoffen, dass Malcolm nicht insgeheim daran arbeitete, sie zu erobern.

Als Naomi ihre Wohnung in der Upper East Side von Manhattan betrat, beschäftigten sie nicht nur Malcolms Absichten, sondern auch Andreas’ Auftauchen aus dem Nichts. Warum nur war er zurückgekehrt?

Naomi warf ihre Tasche auf den Tisch im Flur und hängte ihren Mantel auf, da hörte sie Schritte. Sie drehte sich um und sah Hannah, die früher schon ihr Kindermädchen gewesen war und nun Dora hütete, auf sich zukommen. Hannah sah besorgt aus.

Naomis Herz, das schon auf dem Heimweg viel zu heftig geklopft hatte, schlug nun noch schneller. „Was ist los? Ist Doras Fieber gestiegen? Warum hast du mich nicht angerufen? Ich wäre sofort gekommen und hätte sie zum Arzt gebracht.“

Hannah sah Naomi verblüfft an. „Ich habe dir heute doch schon unzählige Male gesagt, dass Doras Temperatur gleich gefallen ist, nachdem du ihr die Medizin gegeben hast. Wir haben einen schönen Tag miteinander verbracht. Vor ein paar Stunden ist sie eingeschlafen.“

Naomi lehnte sich gegen die Wand und atmete erleichtert aus. „Du hast so besorgt ausgesehen … Tut mir leid. Ich bin heute schon den ganzen Tag durcheinander.“

Hannah schaute sie mitfühlend an. „Nach all dem, was du durchgemacht hast, ist es ganz natürlich, dass du nervös bist. Es ist ein Wunder, dass du dich so gut hältst. Aber um Dora musst du dir wirklich keine Sorgen machen. Kleine Racker wie sie stehen ganz andere Sachen durch. Ich habe vier eigene Kinder groß gezogen, dazu Nadine und dich. Ich sollte es also wissen.“

„Während ich den Eindruck habe, rein gar nichts zu wissen“, klagte Naomi. „Nächste Woche wird Dora zehn Monate alt, und ich fühle mich immer noch wie eine blutige Anfängerin. Wenn ich sie nicht sehe, mache ich mir ununterbrochen Sorgen um sie. Es könnte einen Unfall geben …“ Wie der, bei dem Nadine und Petros ums Leben gekommen waren, ergänzte sie in Gedanken. Die Worte schnürten Naomi die Kehle zu, und die Wunde, die in den vergangenen drei Monaten kaum aufgehört hatte zu bluten, riss wieder auf.

Hannah umarmte sie. Selbst in den schlimmsten Zeiten schaffte es ihr altes Kindermädchen, sie zu beruhigen. „Wenn man für ein Kind sorgt, ist es ganz normal, sich schreckliche Sachen vorzustellen. Und du hast ja noch mehr Grund als andere, sich vor Unfällen zu fürchten. Aber wir werden gemeinsam dafür sorgen, dass Dora nichts zustößt. Sie wird in Sicherheit aufwachsen und irgendwann eine ebenso schöne außergewöhnliche Frau werden wie ihre Mutter Nadine. Und wie ihre Tante Naomi.“

Der Gedanke an ihre Schwester trieb Naomi die Tränen in die Augen. Schluchzend drückte sie ihr Gesicht gegen Hannahs Schulter und ließ sich von ihrem Duft und ihrem Streicheln beruhigen. Hannah war schon immer ein wichtiger Teil ihres Lebens gewesen. Sie hatte die Lücke gefüllt, die einst der Tod ihrer Mutter hinterlassen hatte. Naomi war damals erst dreizehn gewesen.

Sie löste sich aus Hannahs Armen und probierte, ein Lächeln aufzusetzen. „Warum bist du so rasch den Flur entlanggelaufen? Hast du gedacht, ich sei ein Einbrecher? Dann hättest du eine Waffe mitbringen sollen.“ Und schon wieder überwältigte sie die Sorge. „Falls das je passieren sollte, dann versprich mir, dass du dich mit Dora einschließt und die Polizei rufst.“

Hannah hob die Hände. „Du bist heute wirklich nervös. Diese Wohnung ist absolut sicher, du hast ja Extraschlösser anbringen lassen, als würdest du einen Armeeangriff erwarten. Hier kommt niemand rein, der nicht eingeladen worden ist.“ Sie unterbrach sich und zögerte, während ihr freundliches Gesicht wieder einen beunruhigten Ausdruck annahm. „Und das bringt mich zur Ursache meiner Eile vorhin. Ich wollte dich abfangen.“

„Mich abfangen? Wieso?“

„Bevor du ins Wohnzimmer gehst und mich dort findest“, hörte Naomi plötzlich eine männliche Stimme hinter sich sagen. Sie taumelte.

Das war genau die Stimme, die nie aufgehört hatte, in ihrem Inneren zu flüstern. Andreas!

Langsam drehte sie sich um. Und tatsächlich, da war er. Andreas Sarantos. Der Mann, dem sie vor vier Jahren nur knapp entkommen war.

Sie konnte nicht glauben, dass er vor ihr stand. In ihrer Wohnung, in die er in all den Jahren, in denen sie zusammen gewesen waren, keinen Fuß gesetzt hatte.

Doch er war hier, nahm mit seiner Anwesenheit den ganzen Raum ein. Er schaute sie an, und die Luft schien kaum noch zum Atmen zu reichen.

Sie kämpfte mit widerstreitenden Gefühlen, von denen sie gehofft hatte, sie nie wieder durchmachen zu müssen. Die Zeit hatte sie vergessen lassen, welche Wirkung er auf sie hatte. Oder war er etwa noch überwältigender als früher?

Aber er kann gar nicht hier sein, schrie ihr Verstand, während ihr Herz immer schneller schlug.

Sein hypnotischer Blick ließ Naomi auf der Stelle festfrieren. Als er sie von Kopf bis Fuß musterte, schien sie sich in unbewegliches Eis zu verwandeln. Sie spürte Schauer auf ihrem Rücken.

Sein Haar war sonnengebleicht, seine Haut hatte die Farbe von poliertem Teakholz, sein Gesicht erinnerte an eine griechische Büste. Er trug einen Anzug, der wie angegossen saß. Sie wusste aus Erfahrung, dass der Körper darunter wie von einer göttlichen Hand geformt war.

Doch seine Makellosigkeit hätte sie nie so beeindruckt wie seine Ausstrahlung und sein Charakter. Dieser Mann war eine dunkle Gewalt, er herrschte über die Massen. Jede seiner Entscheidungen beeinflusste Millionen von Menschen. Auch Naomi hatte er einmal völlig in seiner Hand gehabt. Er hätte mit ihr tun und lassen können, was er wollte. Sie hatte ihn einst sogar darum gebeten.

Sie hatte ihn aber auch angefleht, sie gehen zu lassen, nachdem sie selbst nicht die Kraft aufgebracht hatte, ihn zu verlassen. Aufgrund seiner Gehässigkeit und seiner Quälereien danach hatte sie sich geschworen, nie wieder mit ihm zu sprechen. Sie hatte geglaubt, dass er für immer gegangen war. Dass sie ihn nie wieder sehen würde.

Aber nun war er hier. Warum? Warum?

„Was zum Teufel tust du hier?“, fragte sie kühl.

Bevor er antworten konnte, hörte sie Hannahs aufgeregte Stimme: „Als er vor der Tür stand, habe ich angenommen, dass du den Concierge angewiesen hast, ihn hochzuschicken.“ Selbst Hannah hielt Andreas offensichtlich für einen harmlosen Bekannten. „Er hat so getan, als hättest du ihn eingeladen, und gesagt, er sei ein bisschen früh dran.“

Naomi drehte sich zu Hannah um, hörte ihre Erklärung aber kaum. Dafür wurde sie wütend auf Andreas. Wie kam er dazu, sich hier einzunisten?

Andreas räusperte sich und wandte sich an die ältere Frau. „Ich danke Ihnen, Mrs McCarthy. Sie waren eine perfekte Gastgeberin. Der Tee war ausgezeichnet. Aber nun, wo Naomi da ist, können Sie sich wieder Ihren üblichen Verrichtungen zuwenden.“

Naomi konnte es kaum glauben. Er schickte sie weg!

Und Hannah, die sonst wirklich eine starke Persönlichkeit hatte, gehorchte ihm sofort. Sie vergewisserte sich nicht einmal, ob es für Naomi in Ordnung war, wenn sie ging.

Das brachte das Fass zum Überlaufen!

Naomi biss die Zähne zusammen. „Jetzt, wo ich da bin, wird es wohl eher für dich Zeit zu gehen.“

Andreas wartete, bis Hannah verschwunden war, und legte dann seinen Kopf zur Seite. „Ich werde ins Wohnzimmer zurückgehen. Oder möchtest du lieber, dass wir unser Treffen in ein anderes Zimmer verlegen?“

In ein anderes Zimmer. Seine Worte waren voller Andeutung …

Wobei es bei ihm eigentlich gar kein Schlafzimmer brauchte. Früher hatte er jeden Quadratmeter, auf dem sie sich trafen, in eine intime Zone verwandelt.

Wobei er selbstverständlich nur körperliche Intimitäten im Sinn gehabt hatte.

Dass er jetzt auf so etwas anspielen konnte, fügte seinem finsteren Charakter eine weitere düstere Schicht hinzu.

„Der einzige Ort, an den du gehst, liegt draußen“, stieß sie hervor. „Es ist mir egal, weshalb du hier bist. Es ist zu spät. Alle sind längst tot und begraben.“

Der Andreas, den sie gekannt hatte, hätte sie mit ausdruckslosen Augen zurechtgewiesen. Nur bei ihrem letzten Treffen hatte sie ihn anders reagieren sehen. Er war wütend gewesen. Es hatte ihn maßlos geärgert, dass sie den Willen aufgebracht hatte, ihre Beziehung zu beenden – bevor er sie durch eine andere Frau ersetzt hatte.

Doch nun las sie etwas anderes in seinem Blick. In seinen unergründlichen stahlgrauen Augen sah sie so etwas wie Überraschung. Oder war es Belustigung?

Fand er Tote und Beerdigungen vielleicht amüsant? Wahrscheinlich.

Vielleicht wunderte er sich auch nur über den mickerigen Menschen, der es wagte, einen Gott wie ihn anzugreifen. Wenn es so war, dann würde er sich nun prächtig unterhalten. Naomi machte auf dem Absatz kehrt, schnappte sich ihre Tasche, zog ihr Handy heraus und tippte drei Zahlen ein.

Sie drückte auf „Wählen“ und drehte sich zu ihm um. „Verschwinde sofort oder ich erzähle der Polizei, dass du hier eingebrochen bist.“

Unbeeindruckt erwiderte er: „Wenn du gehört hast, warum ich hier bin, wirst du mich darum bitten zu bleiben.“

„Ich würde eher einen Hai bitten, mich zu fressen.“

Seine sinnlichen Lippen hoben sich lässig. „Wo wir schon von fressen reden: Meine letzte Mahlzeit auf dem Flug hierher war grauenhaft.“

„Wie kommt das? Hast du dich etwa mit Sterblichen eingelassen und einen ganz normalen Flug gebucht?“

„Auch in Privatjets kann das Essen schlecht sein. Jedenfalls habe ich Hunger bekommen, als ich in der vergangenen halben Stunde die köstlichen Düfte aus der Küche gerochen habe. Ich wette, Mrs McCarthy hat genug gekocht, um mich ebenfalls zu beköstigen. Lass uns ihren Aufwand ehren und uns beim Essen weiter unterhalten.“

Naomi schüttelte den Kopf, als könne das diesen Albtraum namens Andreas verschwinden lassen. Doch seine Anwesenheit war kein Traum. Er war wirklich hier, setzte sich über ihren Ärger und ihre Drohungen hinweg und lud sich tatsächlich selbst zum Essen ein. Er verhielt sich so arrogant, dass sie wie betäubt war.

Sie schüttelte noch einmal den Kopf. „Ich weiß, dass du glaubst, jeder andere sei nur eine Schachfigur in deinem Spiel. Doch wenn du davon ausgehst, du könntest auch mich herumschubsen, dann hast du eine neue Stufe deines Seins erklommen. Dann hast du dich nicht nur von der Menschheit gelöst, sondern bereits die Wirklichkeit hinter dir gelassen.“

Statt einer Antwort sah er sie nur kühl an. Sein Blick ging ihr durch die Glieder.

Sie hielt ihre Finger vor sein Gesicht und schnippte. „Siehst du das hier? Ich existiere! Und ich weigere mich, in einem Stück mitzuspielen, in dem du der Einzige bist, der sprechen darf. Und nun zum letzten Mal: Verschwinde!“

Sie konnte nahezu sehen, wie ihr Zorn an seiner Gleichgültigkeit zerschellte. Wenn es gefallene Engel gab, dann sahen sie bestimmt genauso aus: unglaublich schön, unheilvoll und ehrfurchtgebietend. Es war unmöglich, ihnen zu widerstehen oder den Blick von ihnen zu wenden.

Er senkte seufzend den Kopf.

Das Geräusch ließ sie zittern. Sie schloss die Hände zu Fäusten, weil sie daran denken musste, wie es sich anfühlte, mit den Fingern durch sein seidiges Haar zu fahren.

Dann fragte er mit spöttischem Ton: „Empfängt man so seinen geliebten Ehemann, nachdem man vier Jahre von ihm getrennt war?“

2. KAPITEL

Ehemann.

Das verlogene Wort machte Naomi wütend.

Exehemann!“, fauchte sie.

Ihre Richtigstellung hinterließ keinen Eindruck bei ihm. Er zuckte nur die Achseln. „Technisch gesehen.“

Die Lässigkeit, mit der er sich über die schlimmste Zeit ihres Lebens hinwegsetzte, machte sie noch zorniger.

„Das, was wir hatten, nennt man Scheidung“, polterte sie.

Und diese Scheidung war weder einfach noch schnell über die Bühne gegangen. Andreas hatte sie durch die Hölle geschleift, bis sie endlich die Papiere unterschreiben konnte, die das Theater beendeten, das sie Ehe genannt hatten.

Er zuckte noch einmal die Achseln, was ihr noch gleichgültiger und herausfordernder vorkam als das letzte Mal. „Was soll das Getue? Jeder, der uns hören könnte, würde glauben, ich hätte dich betrogen. Dabei hast du mich verlassen.“

„Die Krankheit, an der du leidest, scheint ihr letztes Stadium erreicht zu haben. Du bist wirklich nicht in der Lage, etwas außer dir und deinen eigenen Belangen wahrzunehmen.“

„Kommt da noch mehr? Hattest du einen schlechten Tag und musst Dampf ablassen?“

Sie öffnete den Mund – und schloss ihn wieder. Als emotionalen Menschen mit echten Gefühlen hatte sie seine Distanziertheit immer wieder enttäuscht und frustriert. Aber sein Verhalten jetzt war jenseits dessen, was er sonst mit ihr gemacht hatte.

Er fuhr fort. „Falls du in den Jahren unserer Trennung irgendein eingebildetes Leid gegen mich gehegt und gepflegt hast, macht es mir nichts aus, hier stehenzubleiben und mir deine Beleidigungen anzuhören, bis du fertig bist.“

„Es wäre nur eine Beleidigung, wenn es eine Lüge wäre. Außerdem mir fehlen die Worte, um all das Schreckliche zu beschreiben.“

„Ich kenne mich damit zwar nicht aus, aber ich habe gehört, dass es manche Menschen sehr erleichtert, wenn sie auf andere einprügeln können.“

„Das reicht. Ich werde deine Anwesenheit keine Minute länger dulden!“

„Willst du damit sagen, dass du bisher geduldig warst?“

„Geh. Jetzt. Andreas.“

Einen nervenaufreibenden Moment lang richtete er diese eiskalten Augen auf sie, bis sie beinahe erfror. Dann drehte er sich um und ging ins Wohnzimmer.

Sie schaute ihm hinterher, bis er verschwunden war. Dann rannte sie ihm nach, um ihn daran zu hindern, sich wieder in ihr Leben zu drängen.

Ihre Finger verwandelten sich in Krallen, als sie seinen Arm packte. Er war so stark und fest, dass sie mit beiden Händen zupacken musste, um daran zu zerren. Trotzdem drehte er sich nicht um. Als er schließlich doch stehen blieb, hätte sie wetten können, dass er das nur tat, um ihr zu beweisen, dass sie keinen Einfluss auf ihn und seine Entscheidungen hatte. Natürlich wusste sie das bereits.

Ihre Wut wogte erneut hoch, als er sich seelenruhig umdrehte. Dann lächelte er – das ließ sie ausrasten.

Sie schlug mit beiden Fäusten auf ihn ein, hieb mit der ganzen Verbitterung, die sie so lange zurückgehalten hatte, auf seine Brust, und traf ihn immer und immer wieder.

Er stand einfach da und ertrug ihren Angriff, ohne seinen Gesichtsausdruck zu ändern, ließ sie Dampf ablassen und beobachtete sie dabei, als wolle er sich das Verhalten eines fremdartigen Wesens merken. Gerade weil er überhaupt nicht reagierte, brach alles aus ihr heraus, was sie erlitten hatte: Verlust und Trauer, Verzweiflung, Erniedrigung, Hass …

Dann waren ihre Arme urplötzlich auf ihrem Rücken fixiert. Andreas hielt Naomi mit einer Hand fest und presste sie mit seinem heißen Körper gegen die kühle Wand. Bevor sie auch nur Luft holen konnte, schob er ein Knie zwischen ihre Beine und spreizte sie.

Seine andere Hand lag auf Naomis Nacken, verfing sich in ihrem Haar. Er hielt sie gefangen. Nach einem letzten tiefen Blick in ihre Augen beugte er sich herunter und drückte seinen Mund auf ihre Lippen.

Vergiftete Erinnerungen überfluteten Naomi und zogen sie in die Vergangenheit zurück.

Genau so war es das erste Mal gewesen. Und trotzdem hatte sie ihn gebeten, sie mit hinauf in seine Hotelsuite zu nehmen. Instinktiv hatte sie von Anfang an gewusst, dass Grobheit ein wichtiger Bestandteil seiner Natur war. Er war bis an die Grenzen gegangen, um sie abzuschrecken. Aber als das nicht funktioniert hatte und sie stattdessen verrückt vor Begehren geworden war, hatte er ausprobiert, wie viel sie zulassen würde.

Und sie hatte alles zugelassen, hatte in seiner zügellosen Leidenschaft geschwelgt. Seit ihrer ersten gemeinsamen Nacht hatte er ihr körperliches Vergnügen jenseits aller Vorstellungskraft bereitet. Jede Begegnung war wilder und befriedigender gewesen.

Doch weil seine Gefühle nicht stärker geworden waren, hatten selbst die intensivsten sexuellen Erlebnisse Naomi ausgelaugt zurückgelassen. Sie hatte sich verbraucht gefühlt, wie eine Süchtige, die unbeschreibliche Höhen erklomm, denen trostlose Tiefen folgten.

Der vergessene Schmerz klang in ihr nach, als sein Kuss leidenschaftlicher wurde. Er drang in jeden Winkel ihres Mundes ein. Seine Zunge war Sex und Seide und überschwemmte sie mit Empfindungen, an die sie sich genau erinnerte und nach denen sie sich in Wahrheit gesehnt hatte.

Ihre Unterwerfung machte seinen Vorstoß drängender. Er griff mit der Hand in ihr Haar und sandte tausend Pfeile der Lust in ihr Herz. Dann drückte er seine Erektion gegen ihren zitternden Bauch. Sie zuckte zusammen und schmolz dahin.

An ihrem Ohr hörte sie seine Stimme. „Du schmeckst noch berauschender, als ich es in Erinnerung habe.“

Und du schmeckst genau so wie früher, erwiderte sie in Gedanken. Überwältigend … unwiderstehlich …

Nein!

Sie war schon einmal in diesen Abgrund gefallen. Zweimal.

Autor

Olivia Gates
<p>Olivia Gates war Sängerin, Malerin, Modedesignerin, Ehefrau, Mutter – oh und auch Ärztin. Sie ist immer noch all das, auch wenn das Singen, Designen und Malen etwas in den Hintergrund getreten ist, während ihre Fähigkeiten als Ehefrau, Mutter und Ärztin in den Vordergrund gerückt sind. Sie fragen sich jetzt bestimmt...
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Olivia Gates
<p>Olivia Gates war Sängerin, Malerin, Modedesignerin, Ehefrau, Mutter – oh und auch Ärztin. Sie ist immer noch all das, auch wenn das Singen, Designen und Malen etwas in den Hintergrund getreten ist, während ihre Fähigkeiten als Ehefrau, Mutter und Ärztin in den Vordergrund gerückt sind. Sie fragen sich jetzt bestimmt...
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