Zurück in die Arme des Bad Boys?

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Max Blythe ist zurück in Wishcliffe! Lenas Herz schlägt schneller, als sie dem ehemaligen Bad Boy der Stadt bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung plötzlich gegenübersteht. Auch wenn Max nach ihrem unvergesslichen One-Night-Stand vor sechzehn Jahren spurlos verschwand, droht sie sofort wieder seinem Sex-Appeal zu verfallen. Mit den breiten Schultern unter der Smokingjacke sieht er einfach gefährlich attraktiv aus! Aber um ihr Herz zu schützen, muss sie ihre Sehnsucht nach seinen Zärtlichkeiten zügeln – nur wie bei seinem verführerischen Charme?


  • Erscheinungstag 30.05.2023
  • Bandnummer 112023
  • ISBN / Artikelnummer 9783751518574
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Der Ballsaal in Clifford House war bis auf den letzten Platz mit dem Whos who der örtlichen Gesellschaft gefüllt.

Lena Phillips schaute sich in dem großen Saal um und betrachtete die bekannten Gesichter. Auch die weniger Prominenten und Angesehen waren dabei, aber in so kleinen Orten wie Wells-on-Water und Wishcliffe durfte man als Gastgeber mit Einladungen nicht geizen, wenn man ein volles Haus haben wollte.

Was bedeutete, dass ihre Brüder ebenfalls anwesend waren. Weder Gary noch Keith ließen sich ein Freigetränk oder eine Party entgehen. Lena glaubte keine Sekunde lang, dass einer von ihnen verantwortungsbewusst genug gewesen wäre, sich lieber um The Fox zu kümmern, den Pub, den ihr Vater ihnen hinterlassen hatte, als er vor zwei Jahren gestorben war.

Sie war fast überrascht, dass ihre Brüder sie nicht gebeten hatten, heute an der Bar einzuspringen. Seit Monaten lehnten die beiden Lenas Ideen und Verbesserungsvorschläge ab, warum sollte sie da zu jedem Extradienst Ja sagen? Für ihren Vater hatte sie das getan, weil sie ihn nie im Stich gelassen hätte, aber Gary und Keith verdienten ihre Unterstützung nicht.

Trotzdem machte Lena sich Sorgen um The Fox.

Dankbar nahm sie sich ein Glas Champagner vom Tablett eines vorbeigehenden Kellners. Nur eines, schließlich musste sie später noch nach Hause fahren.

Im Stillen begann sie, die Gäste zu katalogisieren: mit wem sie heute Abend sprechen musste – und in welcher Reihenfolge. Sie entdeckte Reverend Dominic Spade. Ihn wollte sie bitten, in den Sommerferien die Essensausgabe in der Kirche abzuhalten.

Aber zuerst musste sie mit Trevor und Kathy über den Verkauf des Gemeindehauses reden und darüber, was das für ihr Gemeindezentrum bedeutete. Wahrscheinlich sollte sie vorher versuchen, den örtlichen Immobilienmakler Paul Gardiner zu finden. Mal sehen, welche Informationen sie ihm entlocken konnte.

Auf der anderen Seite des Raums stand die Gastgeberin der Party, Victoria Blythe, die schon bald Clifford heißen würde. Lächelnd legte sie die Hände auf ihren deutlich erkennbaren Babybauch. Was für ein wunderbarer Anblick! Nach Victorias schrecklichem Verlust ihres Ehemannes und ihres einzigen Sohnes war Lena nicht sicher gewesen, ob ihre Freundin jemals wieder lächeln würde. Aber es schien, als hätte Finn Clifford einen Weg gefunden, ihre Lebensfreude wieder zu wecken.

Mit Victoria würde sie sich aber erst später unterhalten. Zuerst musste sie sich um die dörflichen Angelegenheiten kümmern.

Paul konnte sie nirgendwo entdecken, und Rev Spade stand für ihren Geschmack etwas zu nah an der Stelle, an der Gary und Keith sich gerade aufhielten, also steuerte Lena stattdessen auf das Buffet und auf Trevor und Kathy zu.

„Ah, Lena! Genau die Person, die ich gesucht habe“, sagte Trevor, als sie sich zu ihnen gesellte.

„Du wolltest doch nichts anderes als diese Mini-Wursthäppchen.“ Kathy schnappte sich eines davon von seinem Teller und steckte es sich in den Mund, bevor er etwas dagegen unternehmen konnte. „Du siehst übrigens heute Abend wunderschön aus, Liebes.“

Lena blickte auf ihr blau schimmerndes Kleid hinunter und strich den Stoff noch einmal über ihren schlanken Hüften glatt, wo er sich eng anschmiegte. „Danke.“

Das Geheimnis um die Beziehung von Trevor und Kathy war eines, das Lena nie hatte lösen können, obwohl sie die beiden schon fast ihr ganzes Leben lang kannte. Sie waren jedenfalls nicht verheiratet, so viel stand fest, und sie wohnten auch nicht direkt zusammen, sondern in zwei aneinandergrenzenden Reihenhäusern. Beide waren Stammgäste in dem Pub, in dem Lena quasi aufgewachsen war.

Nichts deutete auf eine romantische Bindung zwischen ihnen hin, und sie stritten sich viel zu oft, um wirklich enge Freunde zu sein … und doch sah man sie fast immer zusammen.

Eines Tages würde Lena herausfinden, was die beiden verband. Aber heute hatte sie andere Prioritäten.

„Ich habe auch nach euch gesucht.“ Sie schaute auf das Buffet. „Und nach diesen köstlichen Geflügel-Frühlingsrollen.“

Kathy nahm einen Teller, legte mehrere Frühlingsrollen, zwei Wursthäppchen und einen Hähnchen-Satay-Spieß darauf und reichte ihn ihr. „Gibt es Neuigkeiten wegen der Petition zur Rettung des Gemeindehauses?“

Lena schüttelte den Kopf. „Anscheinend hat unser geschätzter Stadtrat jedem erzählt, dass es auseinanderfällt und kein Geld da ist, um das Dach zu reparieren. Nachdem es eingestürzt ist, soll der Verkauf die einzige Option sein.“

Trevors Gesichtsausdruck verriet, was er von Stadtrat Morgan hielt.

„Das größte Problem ist, dass er recht hat.“ Kathy seufzte. „Allein die Kostenvoranschläge für die Erneuerung des Dachs waren astronomisch, und das Gebäude wurde einfach nicht genug genutzt, um die Sanierung zu rechtfertigen. Sogar die örtliche Pfadfindergruppe hat nach dem letzten Sturm beschlossen, lieber in die Schulaula auszuweichen.“

„Sie werden es einfach in ein Wohnhaus umwandeln, so wie alles andere in dieser Gegend. Das alte Kino in Wishcliffe haben sie schon vor fünf Jahren abgerissen, und sogar die Methodistenkapelle in Wells-on-Water hat man umgestaltet.“

„Leider“, bestätigte Trevor mürrisch.

„Zumindest fließt ein Teil des Geldes aus dem Verkauf auf das Gemeinschaftskonto, das wir im Rahmen der Wohltätigkeitsstiftung für die Rettung des Gemeindehauses eingerichtet haben.“ Kathys Gesicht hellte sich auf, während sie das sagte. „Sobald das Geld eingegangen ist, können wir uns nach einem neuen Standort umsehen.“

„Das klingt gut“, meinte Lena, obwohl sie nicht die gleiche Begeisterung aufbringen konnte wie Kathy. Denn egal wie viel Geld sie durch den Verkauf einnehmen würden, es würde wahrscheinlich nicht ausreichen, um eine weitere Immobilie zu kaufen und deren Unterhalt zu bezahlen. Also blieb ihnen nur zu mieten, was die Mittel noch schneller aufbrauchen würde.

Immerhin hatte sie die Gabe, reiche und privilegierte Menschen davon zu überzeugen, soziale Projekte zu unterstützen. Sie war eine Frau mit vielen Talenten, was ihre Familie leider nicht zu schätzen wusste.

Wenn Lena etwas wichtig war, gab sie nicht auf. Und sie war wild entschlossen, dieses Dorf und seine Bewohner mit all ihren Kräften zu unterstützen. Also würde sie einen Weg finden …

„Was wir wirklich brauchen, ist ein Sponsor“, überlegte Trevor. „Am besten jemanden, der unverschämt viel Geld und darum latente Schuldgefühle hat. Das könnte ihn doch dazu veranlassen, gute Taten zu vollbringen.“

„Stimmt, Schuldgefühle sind ein guter Antrieb für steinreiche Spender“, stimmte Kathy zu. „Was ist mit Finn Clifford, wo wir schon mal hier sind? Könnten wir ihn um eine Spende bitten?“

„Wahrscheinlich“, mutmaßte Lena und blickte sich wieder um. „Aber er ist gerade erst wieder hierhergezogen, plant seine Hochzeit, und das Baby ist unterwegs. Vielleicht bekommen wir etwas Geld, aber wir werden ihn nicht als Schirmherren gewinnen können.“

„Außerdem lebt er in Clifford House“, warf Trevor ein. „Also näher an Wishcliffe als an Wells-on-Water. Damit unsere Gemeindezentrumspläne ein Erfolg werden, brauchen wir jemanden, der fest mit unserer Gemeinde verbunden ist.“

Kathy murmelte zustimmend, während auf der anderen Seite des Raums jemand Lenas Aufmerksamkeit erregte, der sich mit der Gastgeberin unterhielt. Eine große, dunkle, eindrucksvolle Person, die im Ballsaal auffiel wie ein Kaktus in einem Rosengarten. Ein großer, stacheliger und unwillkommener Kaktus!

Er sieht aus wie …

Der Mann drehte sich um, und Lena konnte sein Gesicht sehen. Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung. Aber selbst wenn sie sein Gesicht nicht erkannt hätte, hätte die Art, wie ihr Herz plötzlich im doppelten Takt schlug, ihr verraten, um wen es sich handelte.

Hastig drehte sie sich wieder um und wandte sich dem Buffet zu, als würde sie sich plötzlich sehr für die Häppchen mit Rindfleisch und Meerrettich interessieren.

Doch Kathy war ihrem Blick gefolgt. „Na, wenn das kein günstiger Zufall ist! Max Blythe. Er hat gerade Manor House geerbt, oder? Das ist definitiv Wells-on-Water-Territorium, und nach allem, was man hört, ist er absolut stinkreich. Was meinst du, Lena?“

Ich will nie wieder ein Wort mit Max Blythe wechseln, hätte sie am liebsten gerufen. „Vielleicht“, antwortete sie stattdessen vage und versuchte, alle unangenehmen Erinnerungen tief in sich zu begraben. „Was hältst du von den Halloumi-Pommes? Zu fettig?“

Aber Kathy und Trevor ignorierten ihren wenig eleganten Themenwechsel.

„Aufgepasst, meine Damen“, verkündete Trevor. „Victoria hat ihn gerade in ihren Fängen. Und sie sind auf dem Weg hierher!“

Max Blythe hasste Partys.

Eigentlich mochte er überhaupt keine Veranstaltungen mit vielen Menschen. Geselliges Beisammensein strengte ihn ungeheuer an. Selbst bei köstlichem Catering und eisgekühlten Getränken wie heute Abend.

Finn und Victoria schienen ausgesprochen nette und vernünftige Leute zu sein. Max war hier, weil sie offenbar jeden in der Umgebung eingeladen hatten, und das schloss – ziemlich unerwartet – auch ihn mit ein.

Die neugierigen Blicke der Leute gefielen ihm nicht. Ein paar von ihnen hatten versucht, mit ihm zu reden und dabei etwas Klatsch und Tratsch aus ihm herauszubekommen – aber dagegen war er immun. Die anderen Gäste beäugten ihn nur von Weitem.

Natürlich fragten sich alle, warum er nach so vielen Jahren nach Wells-on-Water zurückgekehrt war und wie sein Verhältnis zur Familie Blythe jetzt wohl aussah. Einige hatten ihn noch als Kind gekannt. Mitleid stand im Blick von einigen, die sich wahrscheinlich an seine Mutter erinnerten. Neid in dem von anderen, weil sie sahen, wohin er es ganz allein geschafft hatte.

Anerkennung erfuhr er dagegen von den meisten anwesenden Ladys. Das war nichts Neues für ihn, und Max neigte dazu, es zu ignorieren. Der Faszination für seine Familie und seine Geschichte konnte er in dieser Gegend nicht entkommen. Wishcliffe und Wells-on-Water, die idyllischen Orte am Meer, wo er seine unglückliche Kindheit verbracht hatte … und wohin er nach dem Tod seiner Mutter niemals hatte zurückkehren wollen.

Bis Toby Blythe, der neue Viscount von Wishcliffe, Max’ Welt völlig auf den Kopf gestellt hatte.

Max war sich nicht sicher, wie viel sein Halbbruder den Leuten aus der Gegend erzählt und warum Toby ihm das Herrenhaus in Wells-on-Water geschenkt hatte, denn sein Vater hatte ihn nie offiziell anerkannt.

Seine Existenz aber war ein offenes, demütigendes Geheimnis gewesen. Max war der uneheliche Sohn vom alten Viscount – geboren zwischen den beiden legitimen Erben Barnaby und Toby. Seine Mutter hatte nie versucht zu verbergen, wer er war, hatte seine Herkunft nie geleugnet.

Du musst tun, was richtig ist, Max, auch wenn es schwer ist, hatte sie immer gesagt. Und wenn es sich am schwierigsten anfühlt, dann ist es besonders wichtig.

Und es war schwer gewesen. Unerträglich schwer sogar. Das Gerede hinter seinem Rücken hatte sich zu regelrechtem Mobbing entwickelt, als er älter wurde. Die missbilligenden Blicke der Erwachsenen im Dorf – die sich wahrscheinlich eher gegen seine Mutter als gegen ihn richteten – gaben ihm das Gefühl, für alle eine Enttäuschung zu sein. Und jeden Tag sah er dieses riesige Haus auf dem Hügel und wusste, dass sein Vater dort oben mit seinen beiden Halbbrüdern lebte, die alle so taten, als gäbe es ihn nicht.

War es da ein Wunder, dass er rebelliert hatte? Dass er die Leute dazu bringen wollte, ihm Aufmerksamkeit zu schenken, anstatt seine Existenz zu ignorieren? Dass er alle ihre negativen Erwartungen erfüllte?

Oder dass er so schnell wie möglich geflohen war, sobald er die Oberstufe hinter sich gebracht hatte. In eine Welt, die weder wusste noch sich dafür interessierte, wer er war! Und Max hatte bewiesen, wozu er fähig war, wenn man ihn nicht vorverurteilte. Seinen Nachnamen hatte er behalten, aber außerhalb von Wishcliffe und Wells-on-Water bedeutete der Name Blythe niemandem etwas. Es war herrlich befreiend gewesen.

Er hatte ein Vermögen gemacht und war zufrieden mit sich und seinem Leben gewesen … bis eine E-Mail von Toby alles auf den Kopf gestellt hatte.

Und nun war er hier, zurück im Herzen der Gesellschaft von Wishcliffe, und sah sich erneut all den neugierigen Blicken ausgesetzt. Nur war er dieses Mal als Toby Blythes Bruder da und als der rechtmäßige Erbe des Herrenhauses nahe Wells-on-Water. Sein Vater hatte ihn zu Lebzeiten zwar nie akzeptiert, aber der Sohn vom alten Viscount tat es bedingungslos.

Max gehörte jetzt dazu. Auch wenn er sich immer noch nicht hundertprozentig sicher war, dass er das wirklich wollte. Jedenfalls nicht, wenn es bedeutete, seine Zeit ständig auf solchen Feiern zu verschwenden.

„Die Leute werden sich schon an dich gewöhnen“, hatte Toby versichert, als er und seine Frau Autumn Max am Wochenende zuvor zum Essen eingeladen hatten. „Und vergessen, dass du jemals weg warst.“

Aber Max wollte nicht, dass sie vergaßen. Er wollte, dass sie sich an alles erinnerten, was er erreicht hatte – obwohl er nur der uneheliche Sohn von Viscount Wishcliffe war. Doch sie sollten den erbärmlichen, verlorenen und einsamen Jungen aus ihrer Erinnerung verdrängen, der er einst gewesen war.

Eine Bewegung am anderen Ende des Raums erregte seine Aufmerksamkeit. Gleichzeitig bewegte sich eine Person langsam auf ihn zu, und er wappnete sich für eine weitere Begegnung mit Einheimischen auf der Suche nach Klatsch und Tratsch. Zu seiner Erleichterung stellte Max fest, dass es nur die Gastgeberin war.

Victoria Blythe schritt so graziös durch den Ballsaal, wie es ihr wachsender Bauch zuließ. Max konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Er hatte Victoria und ihren Verlobten Finn Clifford am Wochenende zuvor beim Sonntagsdinner in Wishcliffe kennengelernt und fand die Witwe seines verstorbenen Halbbruders extrem sympathisch – gleichermaßen einfühlsam und entschlossen. Sie hatte ihn überhaupt erst dazu überreden können, heute Abend dabei zu sein.

„Max, alle werden über dich reden, egal was du tust“, hatte sie gesagt. „Wenn du anwesend bist, können sie es wenigstens nicht hinter deinem Rücken tun.“

„Victoria“, begrüßte er sie lächelnd. „Danke für die Einladung. Ihr habt wirklich ein wunderschönes Haus.“ Das klang hoffentlich aufrichtig!

„Danke dir, dass du gekommen bist. Es tut mir leid, aber der Saal ist leider voll mit Klatschmäulern.“

Darüber mussten sie beide lachen.

„Ich sollte dich einfach mit jemandem bekannt machen, der dir keine zu aufdringlichen Fragen stellt“, schlug sie vor.

„Das wäre schön“, antwortete Max vorsichtig, schließlich konnte er nicht sagen: Ich stehe lieber hier rum und starre deine Gäste finster an, danke!

Victoria suchte den Raum einen Moment prüfend mit ihrem Blick ab und lächelte dann auf eine vielsagende Weise, die Max noch nervöser machte. „Perfekt.“ Sie nahm seinen Arm und führte ihn in Richtung ihres auserkorenen Ziels, während er sich fragte, ob er es wohl schaffen konnte, zur Tür auszuweichen.

Denn inzwischen war ihm klar, zu wem Victoria ihn bringen wollte. Max fand, dass ein Sprung aus dem Fenster die bessere Wahl wäre.

Doch zu spät!

Die Blondine vor ihnen in einem schimmernden blauen Kleid, das sich eng an ihre Kurven schmiegte – an die er sich sehr gut erinnerte –, drehte sich bereits zu ihnen um.

„Max, darf ich vorstellen: Lena Phillips. Sie ist die Geschäftsführerin vom King’s Arms Pub in Wishcliffe.“

Lena hob überrascht die perfekt geschwungenen Augenbrauen … ganz die Klassenprinzessin, die sie in der Schule gewesen war. „Max Blythe. Echt jetzt?“

Echt jetzt? Was sollte das heißen? Tat sie künstlich überrascht, weil er es wagte, sie wieder anzusprechen? Andererseits … warum sollte sie mit ihm reden wollen, nach ihrer letzten … Interaktion in der Nacht, bevor er die Stadt verlassen hatte?

So lässig wie möglich antwortete er: „Sieht so aus. Hallo, Lena.“

Lena beschloss, dass ihr keine andere Möglichkeit blieb, als sich auf ihre Schlagfertigkeit zu verlassen. Trevor und Kathy, die Verräter, entfernten sich bereits geschickt in Richtung Desserttisch und ließen sie im Stich.

Wahrscheinlich gingen sie davon aus, dass Lena Max Blythe zu einer Millionenspende überreden könnte, dabei wollte sie ihm eigentlich nur so schnell wie möglich entkommen. Das wäre auch möglich gewesen, wenn Victoria nicht neben ihr stehen und sie genau beobachten würde.

Sie musste jetzt etwas sagen, das war Lena klar. Ein ganz normales Gespräch führen, wie ganz normale Menschen es tun. Und dabei ignorieren, dass sie Max Blythe zum letzten Mal begegnet war, nachdem er ihr auf dem Rücksitz seines alten Autos die Jungfräulichkeit genommen und anschließend grußlos die Stadt verlassen hatte.

Diese eine Nacht hatte ihr ganzes Leben verändert.

Zumindest sah er genauso schockiert über das unerwartete Wiedersehen aus, wie sie sich fühlte. Er hat es verdient, sich peinlich berührt innerlich zu winden. Ich nicht! Schließlich war er derjenige, der damals einfach weggelaufen war.

Victoria öffnete gerade den Mund, um die unangenehme Stille zu füllen, als ihr Verlobter Finn an ihrer Seite erschien.

„Entschuldigt, Max und Lena, ich muss mir nur kurz meine Liebste ausleihen.“

„Mich ausleihen?“, hörte Lena Victoria kichern, während ihr Zukünftiger sie aus dem Ballsaal führte. „Was bin ich? Ein Handy-Ladegerät?“

Und dann waren da nur noch Max und sie. Zum ersten Mal seit sechzehn Jahren, seit sie beide achtzehn Jahre alt und dumm und naiv gewesen waren.

„Ich wusste nicht, dass du heute Abend hier sein würdest“, begann Lena und ließ durchklingen, dass sie nicht gekommen wäre, wenn sie es gewusst hätte. Aber natürlich wäre sie trotzdem gekommen! Nicht wegen Max, sondern wegen der Networking-Möglichkeiten, die Victorias Party ihr bot.

Max schenkte ihr ein schiefes Lächeln. „Dann bist du wohl die Einzige hier, die nicht davon ausgegangen ist. Mir kommt es vor, als wären die meisten hier, um mich neugierig anzustarren.“

Die meisten sind wegen des guten Caterings hier“, entgegnete Lena trocken. Und du, Max Blythe, bist nicht der Mittelpunkt der Welt.

Es gab so viele Dinge, die sie ihm sagen wollte. Flüche, Anschuldigungen und … die Geheimnisse, die sie so lange mit sich herumgetragen hatte.

Aber sie war keine achtzehn mehr. Mit vierunddreißig hatte sie gelernt, ihre Zunge im Zaum zu halten. Nett zu sein, Brücken zu bauen und Menschen zu bezaubern. Alles, was sie für den Pub und für ihre Arbeit in der Gemeinde brauchte, um Wells-on-Water zu einem besseren Ort zu machen. Einen Ort, von dem Achtzehnjährige, wie sie es gewesen waren, nicht wegzulaufen brauchten.

Doch im Augenblick wünschte sie sich, sie könnte wieder jung und sorglos sein. Ein Mädchen, das noch nicht gelernt hatte, sich ständig anzupassen. Das noch sagte, was es wirklich dachte.

Wem willst du hier etwas vormachen, Lena?, verspottete sie sich selbst. Denn so ein Mädchen war sie im Grunde nie gewesen. Seit dem frühen Tod ihrer Mutter hatte Lena gelernt, die Menschen um sich herum bei Laune zu halten, um sich ihren Platz in der Gemeinschaft zu sichern – auch wenn sie die Tochter eines Säufers und die Schwester von zwei der größten Unruhestifter im Dorf war.

„Ist das Essen so gut?“ Max schaute hoffnungsvoll zum Buffet hinüber, wo sich Trevor gerade das letzte Brötchen in den Mund steckte.

Lena zuckte mit den Schultern. „Man darf bei solchen Veranstaltungen nicht zu lange zögern, sonst ist das Beste eben weg.“

„Ich werde wohl auf die nächste Party warten müssen“, murmelte er.

„Du hast also vor, hierzubleiben?“ Sie wollte sich ihr Entsetzen nicht anmerken lassen und auf keinen Fall ein Wort darüber verlieren, was damals zwischen ihnen passiert war.

An der Überraschung in Max’ Augen und dem schiefen Lächeln auf seinen Lippen erkannte sie, dass er genau wusste, woran sie gerade dachte.

„Nun …“, erwiderte er langsam. „Toby hat mir ein Haus geschenkt. Es wäre doch eine Schande, nichts daraus zu machen.“

„Das habe ich gehört. Mich überrascht nur, dass du dort wohnen willst“, antwortete sie. „Ich meine, mich zu erinnern, wie dringend du aus Wells-on-Water und Wishcliffe verschwinden wolltest.“

„Das ist lange her“, brummte Max. „Ich denke, ich bin seitdem ein bisschen erwachsener geworden.“

Himmel, wie recht er damit hatte! Der Max, an den Lena sich erinnerte, war unheimlich gut aussehend gewesen – mit dunkelbraunen Augen und schwarzem Haar –, aber längst nicht so muskulös gebaut wie der Mann, der jetzt vor ihr stand.

Max Blythe sah gefährlich attraktiv aus. Seine breiten Schultern und die kräftige Brust füllten seinen Smoking sichtbar aus, und die goldbraunen Augen, die mehr als nur verheißungsvoll funkelten, waren hypnotisch.

Er war erwachsen geworden. In jeder Hinsicht, wie es schien. Natürlich glaubte Lena das auch von sich selbst. Sie hatte ihren jugendlichen Enthusiasmus durch Reife ersetzt – und durch Selbsterkenntnis.

„Wir sind alle erwachsen geworden“, murmelte sie und merkte, wie Max sie unverhohlen musterte: von dem blond gesträhnten Haar bis zu den unverschämt hohen Absätzen an ihren Füßen. In diesem Moment war sie verdammt froh, dass sie sich die Mühe gemacht hatte, ein traumhaftes Kleid für den Abend auszusuchen.

Obwohl Lena es am liebsten ignoriert hätte, spürte sie die knisternde Spannung und Anziehungskraft zwischen ihnen, so wie damals. Seinerzeit war es ein Schock für sie gewesen, etwas völlig Unerwartetes. Jetzt fühlte es sich anders an. Irgendwie vertraut und unvermeidlich. Aber auch neu, weil sie beide eben keine achtzehn mehr waren.

Heute wussten sie, worum es zwischen Mann und Frau ging. Was sie haben konnten, wenn sie es wollten.

Lena begegnete seinem Blick und wusste, dass Max gerade an Ähnliches dachte.

Dann wandte er seine Aufmerksamkeit etwas anderem zu. Etwas hinter ihr. Als Lena über ihre Schulter sah, unterdrückte sie ein Stöhnen beim Anblick ihrer beiden Brüder, die versuchten, sich gegenseitig Häppchen in den Mund zu schieben.

„Nun, die meisten von uns sind erwachsen geworden“, ergänzte Max.

„Ich sollte wohl mal hingehen“, seufzte sie und winkte lustlos in Richtung Gary und Keith. Typisch, dass diese Chaoten das erste interessante Gespräch ruinierten, das sie seit Jahren mit einem Mann geführt hatte.

Max hob eine Augenbraue. „Warum? Du bist nicht für die beiden verantwortlich.“

„Vielleicht nicht. Aber …“ Aber was? Er hatte doch recht! Schließlich war sie die kleine Schwester. Und doch wusste sie, dass jeder in diesem Raum von ihr erwarten würde, dass sie einsprang, wenn ihre Brüder angetrunken waren und unangenehm auffielen.

Gott, sie hatte es so satt!

Sich in der Gemeinde zu engagieren, war eine Sache. Die Verantwortung für ihre gedankenlosen und unreifen Brüder zu übernehmen, das war etwas anderes.

„Ich schlage vor, du lässt sie in Ruhe und kommst mit mir auf die Terrasse, wo wir uns ungestört unterhalten können.“ Max lächelte. „Es ist so lange her, Lena. Ich würde gern hören, was du so getrieben hast.“

Mit genau diesem unwiderstehlichen Charme hatte er sie vor sechzehn Jahren in sein Auto gelockt. Die Andeutung eines Versprechens in seiner Stimme … Und sie war darauf reingefallen. Anschließend hatte er sie einfach verlassen. Und sie hatte alles, was danach kam, allein bewältigen müssen.

Das war lange her. Was sollte heute schon passieren? Max schlug ein Gespräch auf der Terrasse vor, damit sie nicht zusehen musste, wie ihre idiotischen Brüder sich und stellvertretend auch sie blamierten.

„Okay“, willigte sie ein.

Aus dem Augenwinkel meinte sie, ein siegessicheres Lächeln auf seinem Gesicht zu erkennen, als sie voraus zur Tür ging.

2. KAPITEL

Mit Lena Phillips hatte Max an diesem Tag überhaupt nicht gerechnet.

Sie hatte zwar immer behauptet, dass sie Wells-on-Water zu sehr liebe, um es zu verlassen – selbst in der letzten Nacht, die sie zusammen verbracht hatten, hatte sie es gesagt. Trotzdem hatte er angenommen, dass es irgendwo da draußen eine aufregendere Zukunft für sie gäbe. Und dass Lena ihre Chancen nutzen würde.

Jetzt bekam er die Gelegenheit herauszufinden, warum sie selbst niemals hier weggekommen war.

Mit Schwung schob er die Terrassentür hinter sich zu und hoffte auf ein klein wenig Privatsphäre. Doch die warme Sommerabendluft hatte auch viele andere Partygäste auf die Terrasse gelockt, wo sie unter Tausenden blühenden Rosen auf weißen Bänken saßen.

Er wählte einen ruhigen Platz in einer Ecke. Lena blickte durch die Glastür zurück in den Ballsaal. Ihre Brüder alberten immer noch ausgelassen herum. Doch Max wollte ihre ungeteilte Aufmerksamkeit, und so schob er sich zwischen sie und die Tür, um ihr die Sicht zu versperren.

Etwas unsicher lächelte sie ihn an, aber es war ein Lächeln von der Sorte, das die Augen nicht ganz erreichte. Reine Höflichkeit also.

Lenas Lächeln war etwas, woran er sich am meisten von früher erinnerte. Und ein ganz besonderes hatte er bisher nur einmal gesehen. An jenem letzten Abend, auf der Party am Fluss, mit der sie das Ende der Oberstufe gefeiert hatten – das Ende der offiziellen Schullaufbahn, bevor ihr Jahrgang in alle Winde verstreut wurde, an die Universität oder zur Ausbildung oder dahin, was auch immer das Leben für einen bereithielt.

Sie hatten die anderen nach einem fröhlichen Gelage am Flussufer allein gelassen und waren zusammen in sein altes Auto geflüchtet …

Vorhin hatte Max noch gedacht, dass Lena die letzte Person war, die er in Wells-on-Water wiedersehen wollte. Aber wenn er sich jetzt an diese unglaubliche Erfahrung von früher erinnerte, änderte sich das schlagartig. 

Autor

Sophie Pembroke
<p>Seit Sophie Pembroke während ihres Studiums der englischen Literatur an der Lancaster University ihren ersten Roman von Mills &amp; Boon las, liebte sie Liebesromane und träumte davon, Schriftstellerin zu werden. Und ihr Traum wurde wahr! Heute schreibt sie hauptberuflich Liebesromane. Sophie, die in Abu Dhabi geboren wurde, wuchs in Wales...
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