Bezaubert von der schönen Gouvernante

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Mit ihren roten Locken und den verführerischen Kurven weckt die junge Gouvernante Felicity vom ersten Moment an Captain Darius Yelvertons Begehren. Nur leider ist sie ebenso mittellos wie er. Um seinen Landsitz zu erhalten und seinen Schwestern eine bessere Zukunft zu bieten, muss er eine reiche Erbin heiraten! Doch bei einer Begegnung im Mondschein kann er sich nicht länger zurückhalten: Gegen jede Vernunft zieht er Felicity in seine Arme und küsst sie leidenschaftlich. Prompt steht er vor der schwersten Entscheidung seines Lebens, zerrissen zwischen Pflicht und Verlangen …


  • Erscheinungstag 01.03.2022
  • Bandnummer 619
  • ISBN / Artikelnummer 9783751511285
  • Seitenanzahl 256
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Fliss fürchtete, den Hund ihrer Freundin im dichten Unterholz dieses Waldes niemals wiederzufinden, und versuchte, das Gefühl von aufsteigender Panik zu ignorieren. Vielleicht sollte sie zu Miss Donnes Haus zurückkehren und ihr gestehen, dass sie das Tier verloren hatte. Aber da sie sich ohnehin verlaufen hatte, konnte sie genauso gut weitersuchen.

Sie eilte einen fast völlig überwucherten Weg entlang und wünschte, sie hätte am Morgen nicht darauf bestanden, allein spazieren zu gehen, trotz der Proteste ihrer früheren Gouvernante. Einer Entscheidung, was sie als Nächstes tun sollte, war sie jedenfalls kein bisschen näher gekommen.

Das ganze Land befand sich in Feierstimmung, nur sie nicht, denn sie irrte ja in diesem riesigen Wald herum. Vor zwei Monaten hatte Napoleon abgedankt, und der Krieg, der Europa während des Großteils ihres Lebens fest im Griff gehalten hatte, war vorbei. Es war ein schöner Junitag, sie war am Leben, hatte gute Freunde und eine Aufgabe, die sie lieben gelernt hatte, bis ihre letzte Anstellung ein Ende gefunden hatte, und außerdem schien die Sonne. Oh, und sie war reich, dank der unerwarteten Hinterlassenschaft ihrer Patentante in Höhe von dreißigtausend Pfund. Es gab einen durchaus akzeptablen Antrag, über den sie nachdenken musste, während sie bei Miss Donne Ferien machte, aber jetzt musste sie erst einmal dieses verflixte Tier finden, ehe sie beide vermisst wurden.

Dann erinnerte sie sich an den letzten Brief von Juno Defford, der von Tränen gezeichnet war, und runzelte die Stirn, obwohl es doch so viele Gründe gab, guter Laune zu sein. Ihre frühere Schülerin hasste Menschenmengen und laute, überfüllte Räume, aber Junos Großmutter, die Dowager Viscountess Stratford, hatte die Ängste des Mädchens ebenso ignoriert wie Fliss’ Proteste und darauf bestanden, dass Juno in der Gesellschaft debütierte, solange sie noch in der Blüte ihrer Jugend stand. Es war eine vollkommene Katastrophe gewesen. Das arme Mädchen war einsam und traurig, obwohl London en fête war, weil die verbündeten Herrscher den Frieden feiern wollten. Aber Juno war in London, und Fliss war hier, deswegen konnte sie sich auch später noch um ihre frühere Schülerin sorgen.

„Luna!“, rief sie, ohne große Hoffnungen, dass der Hund sie hörte. „Lu-na!“ Diesmal brüllte sie, obwohl die Wahrscheinlichkeit, dass das kluge kleine Tier zu ihr kam, noch viel geringer war, wenn es den Unmut in ihrer Stimme hörte. „Verdammtes Biest“, murmelte sie verstimmt.

Doch da war etwas. Aus der Ferne hatte sie ein aufgeregtes Yip! Yip! gehört, fast wie eine Antwort auf ihr letztes Rufen, und einem Impuls folgend stürzte sie der Hündin nach ins Unterholz. Dieses Mal hatte sie sogar den Eindruck, als wäre Luna ihr etwas näher. Zwar war die Hündin nicht direkt angerannt gekommen, als Fliss ihren Namen rief, aber sie in der Nähe zu wissen, war weitaus besser, als wenn das Tier über alle Berge war. Fliss verfiel in Laufschritt, dann begann sie zu rennen, als Lunas überraschend tiefes Bellen noch aufgeregter und näher klang als vorher. Beinahe wagte sie zu hoffen, dass der kleine Hund des Versteckspiels müde geworden war und sich von ihr einfangen lassen würde. Anhand der Länge der Schatten versuchte sie abzuschätzen, wie viele Stunden vergangen sein mochten, seit sie Broadley verlassen hatten. Was bedeutete, dass sie nicht sah, wohin sie trat, und über eine emporragende Baumwurzel stolperte. Sie streckte die Arme aus, um das Gleichgewicht noch halten zu können, doch im Fallen wusste sie schon: Es war zu spät, um der Schlammpfütze zu entgehen, die sich an der Wurzel gebildet hatte, obwohl sie weit nach vorn flog und mit einem hörbaren Plumps so abrupt auf dem Boden landete, dass es ihr den Atem verschlug.

Einen Moment lang blieb sie bäuchlings in der Lache liegen, die sich mitten im Sommer dank der Lage des Landstücks und des Schattens, den die mächtige Eiche warf, dort gebildet hatte, und deren Wasser unerwartet kalt war. Dass der Boden unter ihr sich einigermaßen weich anfühlte, beruhigte sie nicht gerade. Sie spürte, wie der Schlamm ihr leichtes Sommerkleid durchweichte, bis sie den Eindruck hatte, ebenso gut nackt hier liegen zu können. Außerdem stank der Schlamm, und sie rümpfte die Nase und kämpfte gegen einen starken Würgereiz an. Jetzt war sie schmutzig, hatte sich verlaufen und auch noch das geliebte Haustier ihrer Freundin verloren.

Schreck und Unmut trieben ihr die Tränen in die Augen, und sie blinzelte dagegen an, rang immer noch nach Luft und zwang sich gleichzeitig dazu, den Schaden an ihren Gliedern abzuschätzen, ehe sie sich darüber ärgerte, dass sie vermutlich alles ruiniert hatte, was sie am Leib trug, und in dieser schrecklichen Verfassung noch immer irgendwie zurück nach Broadley und zu Miss Donne gelangen musste. Abgesehen von den aufgeschlagenen Knien, ein oder zwei blauen Flecken und zerkratzten Händen dort, wo sie versucht hatte, sich abzufangen, ging es ihr gut, und es hätte alles weit schlimmer sein können. Sie war schrecklich schmutzig, ihr tat alles weh, aber es war nichts gebrochen, nichts verstaucht, und sie schien auch nirgendwo zu bluten.

Es waren ihr einige Flüche entschlüpft, ehe sie sich wieder unter Kontrolle hatte und sich behutsam aufrichtete. Jetzt, da der Schreck über ihren Sturz nachließ, fühlte sie den Schmerz überall noch deutlicher. Sie erinnerte sich, wie ihr Vater, der Seemann, leise vor sich hin geflucht hatte, wenn sie als kleines Kind gestürzt war auf einem ihrer langen Spaziergänge durch Devon – was, wie sich herausstellte, der letzte Landurlaub ihrer Eltern gewesen war, ehe das Schiff ihres Vaters als vermisst erklärt worden war. Selbst die Erinnerung daran, wie wütend ihre Mutter auf sie beide gewesen war, als Fliss die Flüche voller Unschuld wiederholt hatte, tat weh, denn ihre Eltern waren nun schon so lange tot, dass es ihr schwerfiel, sich ihrer Gesichter zu entsinnen.

Aber sie würde jetzt nicht anfangen zu weinen. Luna war noch immer irgendwo im Unterholz unterwegs, und wenn sie sie gefunden hatte, dann hatte sie in ihrem desolaten Zustand noch einen langen Rückweg vor sich. Tränen würden es nicht leichter machen.

„Du wirst dich einfach durchkämpfen müssen, Felicity“, sagte sie verstimmt zu sich selbst. Aufgeregtes, hohes Bellen von der anderen Seite eines großen Baumes veranlasste sie, sich vollständig aus dem Schlamm zu erheben und trotz der Kratzer und blauen Flecke weiterzustolpern, wollte sie doch unbedingt den Hund der Freundin wiederfinden. Wenn sie das schreckliche Tierchen doch nur einfangen könnte! Dann konnte sie zurücklaufen zu Miss Donnes Haus und sich säubern. Wenn sie Glück hatte, würde sie dabei niemandem begegnen. Sie sah doch so schrecklich aus und roch so übel!

Darius Yelverton hatte das ferne Bellen auch gehört und war wütend, weil irgendjemand seinen Hund in dieser Gegend frei umherlaufen ließ. An ihren unruhigen Bewegungen konnte er erkennen, dass seine besten Mutterschafe und Lämmer die Bedrohung ebenfalls spürten. Während er in den noch immer ungewohnten Arbeitsstiefeln den Weg entlanglief, wünschte er, er hätte seine Soldatenstiefel angehabt und ein Gewehr in der Hand gehalten, um den Unhold erschießen zu können, falls der bei seinen Tieren Wolf spielen wollte.

Er hasste es, ein Lebewesen zu töten, nachdem er das jahrelang als Offizier in Wellingtons Armee für sein Vaterland hatte tun müssen, aber er war entschlossen, seine Herde und sein ihm noch fremdes neues Leben bis zum letzten Atemzug zu verteidigen. Nach der Schlacht von Toulouse, die unter keinem guten Stern gestanden hatte, war er nach Hause gekommen: ein kriegsmüder ehemaliger Infanterieoffizier, der keine konkrete Vorstellung davon hatte, was er mit dem Rest seines Lebens anfangen sollte. Aber eines wusste er genau: Auf keinen Fall sollte es etwas mit Kämpfen zu tun haben. Dann war ihm wie durch ein Wunder Owlet Manor mit seiner heruntergekommenen Landwirtschaft in den Schoß gefallen, und er würde noch mehr kämpfen müssen als in der Armee, um das alles zu behalten.

Er spürte, wie sein Herz schneller schlug, so sehr fürchtete er sich vor dem, was er vielleicht zu sehen bekäme, und er begann zu rennen, verfluchte den verwahrlosten Zustand des Landes, all dieses überwucherte Dickicht und die hohen Steinmauern, die ihm den Blick auf sein kostbares Vieh versperrten. Er erreichte das Tor und stieß vor Erleichterung einen tiefen Seufzer aus. Die Schafe liefen herum und sammelten sich lautstark am Gatter, um so weit weg wie möglich von dem Lärm des Raubtieres zu gelangen, das sich in der Nähe aufhielt. Aber sie waren in Sicherheit – für den Moment. Er musste diesen verflixten Hund einfangen, ehe er zwischen seine Tiere geriet und dort schrecklichen Schaden anrichtete. Der Anblick ihres Hirten hätte die Herde beruhigt, aber der war damit beschäftigt, dabei zu helfen, die Mauern und Zäune auszubessern, sodass die Schafe dichter am Haus untergebracht werden konnten. Bei dieser Arbeit war Darius noch nicht besonders schnell, deswegen hatte er sich angeboten, anstelle des Hirten nach der Herde zu sehen, aber da er für die Tiere noch immer ein Fremder war, hatte sein Erscheinen sie nicht besänftigt. Er musste diesen kläffenden Hund wirklich erwischen, ehe noch Schlimmeres geschah. Zum Glück waren die Tiere um diese Zeit des Jahres nicht trächtig, sodass wenigstens keines von ihnen vor Angst eine Fehlgeburt erleiden würde.

Zwar kannte er noch immer nicht jeden einzelnen Quadratzentimeter seiner Ländereien, aber dennoch – nichts hatte ihn vorbereitet auf das Gefühl, hierherzugehören, das er schon empfunden hatte, als er diesen abgewirtschafteten, aber beinahe magischen Ort zum ersten Mal gesehen hatte. Nie würde er das veraltete Herrenhaus und den vernachlässigten Hof aufgeben, solange niemand sie ihm buchstäblich aus der Hand riss. Wenn er es sich nur leisten konnte, seine beiden Schwestern irgendwann unter seinem Dach wohnen zu lassen, dann wäre er ein glücklicher Mann.

Darius stolperte über die wackeligen Zäune und in den überwucherten Wald, und er wünschte sich, er könnte sich einen Waldarbeiter leisten, vor allem, als sich eine Brombeerranke um seinen Knöchel wickelte und er stehen bleiben musste, um sich von dem aufdringlichen Gestrüpp zu befreien, ehe er seinen Weg fortsetzen konnte. Das Bellen des verdammten Hundes, das immer schriller wurde, trieb ihn an, schneller zu rennen, kaum dass er sich befreit hatte. Falls das Tier einen Fuchs jagte, dann könnte es selbst zu Tode kommen, und vielleicht wäre das auch gut so – abgesehen davon, dass er schon zu viel Tod und wüste Zerstörung in Spanien gesehen hatte, um das einfach so hinzunehmen.

Jetzt konnte er das Kratzen von Pfoten hören, als der noch immer unsichtbare Hund sich dem näherte, was ihn in solche Aufregung versetzte. Leider führte der Weg um eine knorrige alte Eiche, und er ging langsamer, als er in eine Schlammpfütze trat, die selbst jetzt im Hochsommer noch feucht war. Menschliche Fußabdrücke und Spuren menschlicher Hände, die noch nicht ganz voll Wasser gelaufen waren, zeigten ihm, dass erst kürzlich jemand hier vorbeigekommen sein musste. Er verspürte einen Anflug von schlechtem Gewissen, weil jemand auf seinem Land in diesen Morast gestürzt war, selbst wenn es sich dabei um den nachlässigen Besitzer dieses kläffenden Hundes handeln musste, den er verfluchte, seit er ihn aus der Ferne zum ersten Mal gehört hatte. Er musste wirklich noch vor dem Winter das Unterholz roden und die Gräben ausheben, selbst wenn er das ganz allein machen müsste.

„Komm her, du dreimal verfluchter Satansbraten“, hörte er eine weibliche Stimme von der anderen Seite des Baumes her schimpfen, eine Stimme, die ansonsten mit einem feinen Akzent sprach. Als er noch mehr sehr wenig damenhafte Ausdrücke hörte, lächelte er, während er über die Baumwurzel stieg, die vermutlich schuld daran war, dass sie gestürzt war. „Ich werde dich aufhängen und dir die Leber mit einem Löffel entfernen, du elendes Mistvieh“, erklärte sie mit süßer Stimme dem aufgeregten Hund, doch hörte er am Geräusch der tappenden Pfoten, dass dieser schon wieder entkommen war.

Er ging um den dicken alten Baum herum und um das Dickicht aus Brombeeren, das darunter wuchs, und sah zum ersten Mal die Frau, die vermutlich für den Hund verantwortlich war. Noch einmal versuchte sie, den gewitzten kleinen Terrier zu überlisten und sank auf Hände und Knie, als der Hund an ihr vorbeirannte und eine der Brombeerranken, die Darius selbst gerade verwünscht hatte, sich in ihrem ohnehin schon verdorbenen Kleid verfing. Er war sehr froh, dass sie zu abgelenkt war, um aufzusehen und zu bemerken, dass er sie anstarrte wie ein Narr. Er wusste, er sollte den Blick abwenden, aber er war eben nicht nur ein Offizier und Gentleman, er war auch ein Mann. Ihre üppige Figur und die wilden roten Locken hätten jeden Mann einen zweiten Blick riskieren lassen, selbst wenn ihr Kleid nicht nass von Schlamm und Schmutz gewesen wäre und wie eine zweite Haut an ihrem Körper geklebt hätte. Ihre üppigen Brüste und runden Hüften zeichneten sich deutlich unter dem nassen Kleid ab, und sie ahnte nicht, dass er sie anstarrte, als wäre sie Venus selbst und vollkommen nackt. Und das mitten in seinem eigenen Wäldchen! Er wagte kaum, seinen Augen zu trauen. Selbst ihre Rückenansicht war entzückend. Er musste sich sehr anstrengen, um eine unvermeidlich männliche Reaktion auf so viel weibliche Versuchung zu beherrschen, die so unschuldig zur Schau gestellt wurde.

Sie richtete sich auf und lief dem kleinen braun-weißen Hund nach, und ihm wurde heiß, als er sah, wie sich ihre Brüste unter dem nassen Stoff bewegten. So fasziniert war er von ihrem Anblick – und sie ahnte ja nicht, wie sehr ihre viel zu offensichtlichen Kurven seine dunklen Instinkte ansprachen – dass er für einen Augenblick vergaß, dass er ein Gentleman war, und ihr gierig nachblickte, als sie wie eine ziemlich schmutzige Nymphe über die Lichtung sprang, ganz auf den Hund konzentriert. Viel zu hingerissen war er von der Art und Weise, wie ihre langen, schlanken Beine im Gegensatz standen zu den üppigen Brüsten und den gerundeten Hüften, um auf das Tier zu achten, dem sie nachsetzte. Nie zuvor hatte er eine schönere Frau gesehen, nicht auf einem der klassischen Gemälde und auch nicht in seinem Bett, und genau dort hätte er diese hier gern gehabt. Allerdings hatte sie trotz ihres Vokabulars wie eine Lady geklungen, und als sie zu ihrem Spaziergang aufgebrochen war, hatte sie sicher auch ausgesehen wie eine sehr anständige junge Dame. Aber dann musste irgendetwas schiefgegangen sein, und nun lief sie dem emsigen kleinen Terrier offensichtlich schon seit geraumer Zeit nach.

Und er verhielt sich wie ein Satyr. Schämen sollte er sich. Selbst wenn sie die relativ unschuldige Ehefrau eines Landadligen war und nicht die alleinstehende Lady, auf die er hoffte, so verdiente sie doch mehr Respekt, als er ihr hier zollte. Er wollte nicht die Frau eines anderen Mannes begehren. Voller Abscheu sich selbst gegenüber, weil ihm der Gedanke gekommen war, dass sie als Landfrau Freiwild sein könnte, erinnerte er sich an die schrecklichen Gewalttaten gegen Frauen, die er in Spanien gesehen hatte. Für einen Augenblick hasste er sein Geschlecht – sich selbst eingeschlossen –, weil er eine Frau begehrte, die keine Ahnung davon hatte, dass er sie mit gierigen Blicken beobachtete.

Geschieht dir recht, sagte er streng zu sich selbst, als er den Blick abwandte von dieser verführerischen Frau, die so damit beschäftigt war, das kleine Tier im Auge zu behalten, das sie einzufangen versuchte, dass sie sich keinerlei Gefahr bewusst war.

Was auch gut so ist, sagte Captain Yelverton in strengem Tonfall zu Darius. Du solltest erst gesehen werden, wenn du diese lächerlichen Fantasien abgelegt hast.

Darius stritt mit sich selbst. Indem er intensiv an einen sehr kalten Ort dachte und außerdem daran, wie wütend er gewesen wäre, wenn irgendein Schuft eine seiner Schwestern so angestarrt hätte, überwand er die schlimmsten seiner animalischen Impulse und entschied einzuschreiten. Am besten überrasche ich die Frau und den Hund, entschied er, und schätzte Entfernungen und Hindernisse wie ein Artillerist ein. Zufrieden stellte er fest, dass es am besten wäre, wenn er sich mit einem Hechtsprung auf den Hund warf, wenn der auf seiner nächsten Runde an ihm vorbeikam, und zum Glück hatte er alles richtig eingeschätzt und war nahe genug dran, um das Tier zu fangen.

„Ich hab dich, kleiner Satansbraten!“, sagte er zu dem kräftigen kleinen Terrier, der sich jetzt verzweifelt in seinen Armen wand und versuchte, dem völlig Fremden zu entkommen. Darius war darauf gefasst, gebissen zu werden, deswegen hielt er das Tier am Genick gepackt, um dessen Zähne so weit von seiner Haut weghalten zu können, wie es nur möglich war, bis es sich beruhigt hatte. Irgendjemand schien dem Kleinen beigebracht zu haben, nicht zu beißen, wenn irgendein Fremder ihn packte, und er wagte es, ihn fester zu halten. Der Hund schmiegte sich in seine Armbeuge, als wäre er müde von dem anstrengenden Morgen, und verhielt sich nun wie ein braver Schoßhund.

„Wer zum Henker sind Sie?“, fragte die schlammbedeckte junge Frau ohne auch nur die geringste Spur von Dankbarkeit. Wenn sie gewusst hätte, wie viele Gründe sie hatte, dankbar zu sein, hätte sie mehr Angst davor gehabt, seinen inneren Teufel zu wecken. Jetzt betrachtete sie ihn, als wäre sie höchst elegant gekleidet und er der Eindringling.

„Hat dieser Wolf, der sich als Schoßhund tarnt, ein Halsband und eine Leine, oder verlassen Sie sich auf …“ Er zögerte einen Moment und hielt das Tier auf Armeslänge von sich. Der Hund zappelte und versuchte, ihm die Wange abzulecken, als er ihn wieder an sich presste. „… ihre damenhaften Instinkte, um diese Kleine zu kontrollieren? Falls ja, dann scheinen Sie beide grandios gescheitert zu sein.“

„Sie hat sie doch nicht gebissen, oder?“

„Nun, das hat sie nicht, aber ich wage zu behaupten, dass sie es gern getan hätte.“

„Sie hat sich erschrocken, sie ist nicht bösartig“, verteidigte sie das kleine Tier, das sie vor einigen Sekunden noch verflucht hatte.

„Und wenn Sie nicht auf sie aufpassen, wird sie von irgendeinem aufgebrachten Bauern erschossen. Sie hat mein Vieh mit ihrem Gebell aufgescheucht, also sollten Sie entweder lernen, sie besser zu kontrollieren, oder zu Hause bleiben.“

„Ich weiß, sie sollte an der Leine laufen“, sagte die Frau, aber es klang nicht sehr bedauernd. Er konnte förmlich hören, wie es sie drängte zu streiten, sich den Hund zu schnappen und davonzulaufen. Dass sie überhaupt Ausdrücke kannte wie die, die er aus ihrem Mund gehört hatte, sprach dafür, dass sie nicht annähernd so anständig war, wie sie zu sein vorgab. Er hatte ein paar Flüche auf Französisch gehört und welche in einer Sprache, die wie Niederländisch für ihn geklungen hatte, vielleicht war sie also genauso rebellisch wie ihr rotes Haar. Diese Vorstellung war zu erregend für seinen eigenen rebellischen Körper, also zwang er den Gedanken, aus seinem Kopf zu verschwinden, und versuchte, sich ebenso kühl wie skeptisch zu geben, während er auf eine bessere Erklärung wartete.

„Sie gehört mir nicht“, sagte sie und wirkte endlich ein bisschen beschämt, nun, da seine Worte endlich bei ihr angekommen waren. „Und natürlich trug sie Halsband und Leine, als wir zu unserem Spaziergang aufbrachen. Vielleicht habe ich das Halsband nicht richtig befestigt, sodass sie sich daraus befreien konnte, als ich ihr nicht genügend Aufmerksamkeit schenkte. Und dann war sie über alle Berge, ehe ich sie schnappen konnte, und ich habe keine Ahnung, wie viele Meilen wir nun entfernt sind von der Stelle, an der wir aufgebrochen sind. Zuerst ist sie einer Spur gefolgt, dann einer anderen, und jetzt sind wir hier“, erklärte sie, als hätte sie das volle Ausmaß ihrer Lage erst jetzt erfasst. „Wo genau sind wir überhaupt?“, fragte sie fast beiläufig und musterte ihn misstrauisch, als wäre ihr jetzt erst aufgefallen, dass er ein Mann war und sie sich mitten im Nirgendwo befanden. Er hatte längere Beine als sie, und er wurde nicht von nassen Röcken behindert, sodass er bei einer Verfolgungsjagd einige Vorteile gehabt hätte, wenn er sich als rücksichtsloser Jäger erweisen sollte. Zu ihrem Glück war er das nicht, aber das wusste sie nicht. Kein Wunder, dass sie ihn so wachsam ansah, nachdem sie begriffen hatte, dass er ein Mann war mit alldem Verlangen und Begehren, die Männer nun einmal so hatten.

„Brock Wood“, sagte er knapp nach einem kurzen Blick auf sie, ehe er das nächste Brombeergestrüpp betrachtete. Sie wusste nicht, dass ihre verführerische Figur auf die reizendste Art und Weise von schmutzigem Wasser und Hereforshire-Schlamm zur Schau gestellt wurde. Selbst da, wo der fein gewebte Stoff trocknete, drohte er ihren Körper nachzumodellieren. „Am Rande von Owlet Manor’s Home Farm“, fügte er ein wenig präziser hinzu.

„Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wo das ist“, entgegnete sie mit einem leicht verzweifelten Unterton in der Stimme, was ihn dazu veranlasste, sie und ihre Lage zu bedauern, anstatt sich darum zu sorgen, wie er auf ihren so dargebotenen Körper reagierte. Irgendwie musste er sie davon überzeugen, ihm genügend zu vertrauen, um mit ihm in sein Haus zu kommen, damit seine Schwester Marianne sich um sie kümmern und sie säubern konnte, ehe sie sie nach Hause brachten. Währenddessen könnte er eines der Pferde vom Feld holen und es vor das Gig spannen, denn vermutlich würde er sie und den Hund nach Hause fahren müssen, wo immer das sein mochte, und während der ganzen Zeit über so tun, als wäre er aus Stein gemacht.

Er war nicht ganz sicher, ob der Stein hart genug war, als er wieder einen Blick auf sie riskierte und sie noch immer verführerisch gerundet und zweifellos sehr weiblich aussah, trotz des stinkenden Schlamms und des Drecks. Marianne konnte besser kutschieren als er, und sie würde diese Göttin im Schaffell nach Hause bringen, bevor man einen Suchtrupp nach ihr ausschickte. Wer immer sie sein mochte, und wie schuldlos sie auch immer an ihrem derzeitigen Zustand sein mochte – er weigerte sich trotzdem, eine zufällig getroffene Fremde zu heiraten, nur um ihren Ruf zu retten. Er musste reich heiraten, sodass seine Schwestern einer besseren Zukunft entgegensahen, als sie jetzt erwarten konnten, wenn alles so weiterging wie bisher.

2. KAPITEL

Fliss wünschte, dieser große Fremde würde ihr den richtigen Weg zeigen und sie dann allein lassen, damit sie zu Miss Donnes Haus zurückkehren konnte, ehe diese die ganze Stadt mobilisierte, um den verschwundenen Gast zu suchen. Sie verspürte einen eigenartigen Anflug von Scham, weil ein so gesund er und attraktiver Mann sie in einem solch abstoßenden Zustand sah. Und doch weckten ihre nasskalten Kleider und die durchgeweichte Unterwäsche in ihr den Wunsch, seinem warmen Körper nahe zu sein, selbst an diesem heißen Sommertag, einfach nur, um sich wieder aufzuwärmen – abgesehen von …

Denk lieber nicht daran, ihm nahe sein zu wollen, wenn du nur sauber wärst, Felicity. Schließlich ist er für dich ein völlig Fremder.

Und wie stark er wirkte, wenn er so da stand ohne Jacke, nur im Hemd und einer Hose, die schon bessere Tage gesehen hatte. Seine Stiefel stammten gewiss nicht aus der Bond Street – oder wo immer reiche Gentlemen mit sehr viel Zeit ihre eleganten und makellos geputzten Stiefel her bekamen. Doch er trug seine Arbeitsstiefel mit Haltung, und er musste hart gearbeitet haben, seit er seinen für einen Gentleman unpassenden Arbeitstag begonnen hatte. Und doch – fand Miss Felicity Grantham insgeheim den Anblick und den Geruch eines so vor Kraft strotzenden und gesunden Mannes, der mitten am Tag ein wenig zerzaust und leicht verschwitzt aussah, abstoßend? Nein, das tat sie nicht. Er sah männlicher aus als jeder Gentleman, den sie unter dem Dach ihres letzten Dienstherrn getroffen hatte, Lady Stratfords Sohn und ihren zukünftigen Verlobten, Viscount Stratford, eingeschlossen.

Es ist falsch von dir, Felicity, so zu denken, flüsterte ihr die innere Gouvernante missbilligend zu.

Mit beiden Händen sollte sie den Antrag Seiner Lordschaft ergreifen und aufhören, von Männern wie diesem zu träumen. Auch wenn er aussah, als wäre er in der Blüte seiner Jahre – genau wie Seine Lordschaft, ermahnte sie sich rasch. Die Frage, ob eine Vernunftehe mit einem Viscount eine kluge Entscheidung wäre, hätte schon kompliziert genug sein sollen und sie daran hindern, über einen von der Arbeit gezeichneten Fremden nachzudenken. Vielleicht wäre es hilfreich gewesen, wenn sie sich wenigstens an Lord Stratford hätte erinnern können. Unglücklicherweise hatte sie den kühlen und gleichgültigen Lord Stratford nie in Hemdsärmeln mit Schlamm an den Stiefeln und mit dem Geruch nach Rindern oder Schafen erlebt. Und falls Seine Lordschaft einen beeindruckend muskulösen Oberkörper hatte und Arme wie ein Holzfäller, so hatte sein Schneider gute Arbeit geleistet, um das unter elegant geschnittenen Röcken, strengen Westen und vornehmen Hosen zu verbergen. Und dann waren da noch die makellosen Stiefel – bei denen sie sich vorstellte, dieser Mann würde sie tragen. Und wie kleidsam würden sie an seinen langen, muskulösen Beinen aussehen!

Hör sofort damit auf, Felicity. Lord Stratford ist dunkel und elegant und selbstsicher, und du solltest an ihn nicht in einem Satz mit diesem arbeitsamen Sohn der Erde denken.

Seine Lordschaft hatte nicht solch dichtes braunes Haar, das sich trotz des strengen militärischen Haarschnitts noch lockte, und keine durchdringend blauen Augen, die schuld waren, dass selbst ein Stirnrunzeln bei diesem Mann noch betörend aussah. Und war das Haar des Viscounts lockig oder glatt? Waren seine Augen braun oder blau? Sie erinnerte sich nicht, nicht einmal, als sie versuchte, sich ein Bild dieses Mannes ins Gedächtnis zu rufen, damit sie den anderen im Vergleich dazu betrachten konnte. Seine lebendige Wirklichkeit überdeckte ihr inneres Bild von einem höflichen und würdevollen Lord, obwohl sie sich beinahe einverstanden erklärt hätte, Seine Lordschaft zu heiraten, nur weil er das wollte. Lord Stratford liebte sie nicht, und es war ihr gelungen, ihn mit einem „Vielleicht“ abzuwehren. Derzeit hielt er sich in Paris auf und war damit beschäftigt, dort die Britische Botschaft einzurichten.

Vermutlich hatte der Viscount eine Liste mit den Eigenschaften erstellt, die seine Viscountess besitzen sollte, und die hatte ihn veranlasst, um die Hand einer früheren Gouvernante anzuhalten. Und sie vermutete, dass „gut aussehend, aber keine Schönheit“ganz oben auf dieser Liste stand, gleich nach „vernünftig, pragmatisch und nicht allzu anspruchsvoll“.

„Wer sind Sie?“, fragte sie ziemlich unhöflich. Wenn dieser Mann allerdings vorhatte, über sie herzufallen, dann hätte er jetzt schon Anzeichen für wilde männliche Lust gezeigt – und das war wenig wahrscheinlich, roch sie doch wie ein Sumpf und fühlte sich schrecklich verlegen dabei.

„Darius Yelverton, stets zu Diensten, Madam“, erwiderte er ernsthaft und verneigte sich, als wäre sie eine elegant gekleidete Lady und sie wären einander in einem Salon begegnet.

Also hatte sie recht gehabt, er musste von Geburt her ein Gentleman sein. Aber ein Gentleman arbeitete nicht. Nachdem sie ihn so unhöflich nach seinem Namen gefragt hatte, war es nur fair, wenn sie ihm auch ihren nannte – Gentleman hin oder her. „Ich bin Miss Grantham, und ich wohne zurzeit in Broadley, bei einer Freundin. Die kleine Schauspielerin, die Sie da in den Armen halten, ist Miss Donnes Schoßhündin, und sie ist Ihnen sehr dankbar. Denn ich will nichts mehr mit dir zu tun haben, du treuloses kleines Wesen“, sagte sie streng. Luna schaffte es gerade noch, mit ihrem Stummelschwänzchen zu wedeln, dann seufzte sie selig, als Mr. Yelverton ihr das Ohr an genau der richtigen Stelle kraulte. „Ich nehme an, dass das, was sie gejagt hat, inzwischen meilenweit weg ist“, sagte Fliss, damit sie nicht noch mehr sündige Gedanken hegte im Hinblick darauf, wie es sich wohl anfühlen mochte, wenn er sie und nicht den Hund so liebkosen würde.

„Ich habe keine Ahnung, was sie hier draußen gejagt hat, aber ich nehme an, dass sich eine der Hofkatzen auf ihre Kosten inzwischen sehr amüsiert. Sie sind wild und kratzen alle, außer meine Schwester, die darauf besteht, sie so gut zu füttern, dass sie inzwischen lieber die Hunde jagen als das Ungeziefer.“

„Ich wage zu behaupten, dass Sie damit recht haben, und auch wenn ich Ihnen sehr dankbar bin, dass Sie Luna für mich eingefangen haben, Sir, muss ich sie jetzt wirklich nach Hause bringen. Wenn Sie so freundlich wären, sie festzuhalten, während ich ihr das Halsband anlege und die Leine, dann wüsste ich das sehr zu schätzen“, sagte sie und bemühte sich, gefasster zu klingen, als sie es tatsächlich war, während sie versuchte, mit einem Blatt so viel Schmutz wie möglich von Lunas teurem Halsband zu entfernen. Sie hatte sich Halsband und Leine um den Hals gehängt, da ihr Kleid keine Taschen hatte, und deswegen war beides bei ihrem Sturz schmutzig geworden.

„Achten Sie darauf, dass die Leine diesmal richtig befestigt ist“, sagte er, als wäre sie so dumm, denselben Fehler zweimal zu machen.

„Vielen Dank, dass Sie mich daran erinnert haben“, entgegnete sie verstimmt.

„Und du könntest einfach stillhalten, kleine Madam“, sagte Mr. Yelverton in strengem Tonfall zu Luna, als sie sich wegdrehte und zappelte, sodass Fliss seinem warmen, muskulösen Körper viel länger nahe sein musste, als es schicklich erschien.

Sie wollte nicht seine warme Haut berühren, die sie unter dem derben Arbeitshemd aus Baumwolle erahnte, als sie das Halsband anlegte, oder von dem salzigen Geruch angelockt werden, der von der Arbeit zeugte, die er an diesem Tag schon erledigt hatte. Kaum war das Halsband endlich fest genug geschlossen, um die kleine Teufelin zu halten, wenn sie sich seinen Armen entwinden wollte, was zu der Zeit nicht ganz unwahrscheinlich erschien, wich Fliss zurück. Wenigstens konnte sie ihm jetzt das andere Ende der Leine überlassen und beiseitetreten, aber deswegen vergaß sie doch nicht, dass er den Tag sauber begonnen hatte, und das war ein weiterer Punkt auf der Liste mit den Gründen, warum sie ihn viel zu anziehend fand. An ihm war nichts vom Schmutz des Vortages zu entdecken, und auch – schrecklicher Gedanke! – kein Dreck auf seiner Kleidung. Jemand musste dafür sorgen, dass er jeden Tag ein frisches Hemd anziehen konnte, und zum Glück war er ordentlich genug, um das auch zu tun. Vermutlich hatte er zu Hause nicht nur eine Schwester, sondern auch eine Ehefrau, und das vor allem sprach dagegen, dass er eine solche Versuchung darstellte für umherspazierende Damen.

Versuchung! Welch lächerliches Wort hatte sie da gewählt, um ihn zu beschreiben. Sie geriet absolut überhaupt nicht in Versuchung durch einen großen, gut gebauten Gentleman mit spöttischen blauen Augen, mit denen er womöglich erkennen konnte, welch sündhafte Gedanken sie hegte, wenn sie nicht sofort damit aufhörte! Vielleicht war es ein Segen, dass ihr Gesicht von Schlamm bedeckt war. So sah er wenigstens nicht, wie ihre blasse Haut, die so typisch war für Rothaarige, erglühte.

„Sie können sie jetzt mir geben oder sie auf den Boden setzen, Mr. Yelverton. Wir beiden Wanderer müssen weiterziehen, und wenn Sie so freundlich wären, mir zu sagen, wie ich zurückkomme nach Broadley, dann wäre ich Ihnen noch dankbarer, als ich es ohnehin schon bin“, erklärte sie ein wenig förmlich.

„Wenn ich Sie davon überzeugen kann, dass ich kein böser Räuber oder Verführer bin, wäre es, glaube ich, besser, Sie kommen mit zu mir nach Hause, Miss Grantham. Meine Schwester Marianne wird ihr Möglichstes tun, um aus Ihnen wieder eine saubere und respektable junge Dame zu machen, sodass wir Sie in unserem Gig nach Hause fahren können, ohne dass irgendjemand sich etwas dabei denkt. Ihre Freundin wird sich weniger aufregen, wenn Sie beide ihr sauber und ordentlich unter die Augen treten. Ich kann einen Jungen mit einer Nachricht schicken, um ihr zu sagen, dass Sie unterwegs sind und sie sich keine Sorgen machen muss. Ich mag jetzt nur ein Bauer sein, aber ich hoffe doch, noch immer Gentleman genug zu sein, um einer Lady in Schwierigkeiten beizustehen.“

Die Vorstellung, sauber zurück in Broadley zu sein und nicht den ganzen Weg zu Fuß zurücklegen zu müssen, war sehr verlockend, während die Vernunft und eine angeborene Vorsicht sie ermahnten, es wäre besser, die Peinlichkeit zu ertragen, in diesem Zustand gesehen zu werden, als ein Risiko einzugehen, was seine guten Absichten betraf. Trotz des offenen Blicks aus den blauen Augen und der vornehmen Würde, mit der er vor ihr stand und sie warnte, ihn ja nicht weniger wertzuschätzen, weil er mit seinen Händen arbeitete. „Woher soll ich wissen, dass Sie überhaupt eine Schwester haben?“, fragte sie ihn schließlich.

„Ich würde niemandem empfehlen, eine Naturgewalt wie Marianne zu erfinden, aber tatsächlich bin ich mit zwei Schwestern dieser Art gesegnet. Nur Marianne wohnt bei mir, aber beide existieren, ganz ohne Zweifel“, gab er stirnrunzelnd zurück, als wäre eine abwesende Schwester ein größerer Grund zur Besorgnis als eine junge Frau, die sich verlaufen hatte und ihn jetzt von seiner harten Arbeit abhielt. „Die ältere meiner beiden Schwestern nennt sich Mrs. Marianne Turner und ist die Witwe eines alten Freundes und Kameraden aus der Armee. Sie war einverstanden, mir den Haushalt zu führen, denn sie liebt Herausforderungen, und mein Haus stellt zweifellos eine dar. Ich muss Sie warnen – Owlet Manor ist sehr vernachlässigt worden. Nach dem Tod seiner Eltern lebte mein Großonkel dort allein, und er schien wenig Wert gelegt zu haben auf Komfort und Ordnung. Obwohl meine Schwester seit sechs Wochen morgens, mittags und abends aufräumt, putzt und Staub entfernt, ist immer noch viel zu tun.“

„Ich bedaure den Verlust, den Ihre Schwester erlitten hat“, sagte sie förmlich und dachte daran, wie schrecklich es sein musste, einen geliebten Ehemann durch die Kugel oder den Bajonettstich eines Feindes zu verlieren. Deswegen also stand dieser Mann da wie ein Soldat, so steif und korrekt. Wenn er bis vor Kurzem mit den Truppen des Duke of Wellington auf der iberischen Halbinsel gekämpft hatte, dann war ihr klar, warum er gelernt hatte, seine wahren Gefühle vor neugierigen Fremden zu verstecken.

„Sehr nett von Ihnen“, sagte er plötzlich.

„Sind Sie sicher, dass Ihre Schwester eine schmutzige und verwilderte Fremde in ihrem Haus haben will, wenn sie so viel zu tun hat?“, fragte Fliss zweifelnd. Sie hatte nur vage Vorstellungen von dem Leben einer Bauersfrau, Schwester oder Haushälterin, aber Kühe melken, Kochen und vielleicht ein wenig Gartenarbeit und das Halten von Hühnern gehörten wohl dazu, wie sie vermutete, abgesehen von all dem Putzen und Schrubben. Wenn Mrs. Turner dieselbe Tatkraft eigen war, die ihr Bruder ausstrahlte, und all die Arbeit, die so viele Jahre liegen geblieben war, so schnell wie möglich erledigen wollte, dann war sie vielleicht verärgert, wenn ihr Tagesablauf durcheinandergebracht wurde.

„Marianne heißt jeden willkommen, der wirklich Hilfe braucht“, sagte er mit einem etwas schiefen Lächeln, das zeigte, welch große Zuneigung er für seine verwitwete Schwester empfand.

Es widerstrebte Fliss, das freundliche Angebot anzunehmen, denn sie kannte ihn nicht und war daran gewöhnt, unabhängig zu sein, und sie befanden sich im Nirgendwo. Ihr fiel auf, dass die Schafe, die in der Nähe grasten, zur Ruhe gekommen waren, nur ab und zu hörte sie ein mütterliches „Mäh!“, auf das mit einem etwas schrilleren Laut von den halbwüchsigen Lämmern geantwortet wurde. Selbst die Vögel hörten sich schläfrig an, und eine plötzliche Brise trug aus der Ferne das Klopfen eines Spechts und das gelegentliche Bellen eines Hofhundes herüber. Vorsichtig musterte sie ihn, und er sah sie ausdruckslos an, als überlegte er, was er noch sagen sollte, um sie zu beruhigen, und ob er sich überhaupt diese Mühe machen sollte. „Also gut. Vielen Dank für die Großzügigkeit, die Sie einer ziemlich schmutzigen Fremden entgegenbringen, der Sie nur zufällig begegnet sind“, sagte sie schließlich und bedeutete ihm, vorauszugehen. „Sie kennen den Weg“, fügte sie erklärend hinzu und überließ es ihm, Luna zu tragen, sodass die zappelige kleine Madam ihn beschäftigen würde, für den Fall, dass sie seinen Charakter missinterpretiert hatte und er unterwegs versuchen sollte, sie anzufassen. Die kleine Hündin saß so zufrieden in seiner Armbeuge, dass sie eingeschlafen war, und kam für die Rolle des Beschützers nicht infrage, trotz allem, was Miss Donne an jenem Morgen über die großartigen Fähigkeiten ihres Schoßhunds als Anstandsdame und Aufpasserin gesagt haben mochte. Es ärgerte sie ein wenig, dass er den kleinen Terrier so schnell bezaubert hatte, während sie nun schon seit einigen Wochen bei ihrer Freundin wohnte, und der Hund ihre Anwesenheit nur dann zur Kenntnis zu nehmen schien, wenn er etwas von ihr wollte.

Fliss seufzte und ergab sich ihrem Schicksal, bei der Hitze einen unangenehmen Spaziergang zu unternehmen, um welche Tageszeit es sich inzwischen auch immer handeln mochte. Sie gingen in einem Tempo, von dem sie annahm, dass es wesentlich langsamer war, als wenn er allein unterwegs gewesen wäre. Es war eine merkwürdige Prozession, in der sie sich da bewegten, und sie fragte sich, was seine alten Kameraden wohl denken würden, wenn sie ihn jetzt hätten sehen können. Officer Yelverton begleitete eine von oben bis unten verdreckte Lady und ihren Hund zu seinem Haus, damit seine Schwester sich um die beiden kümmerte. Unter all dem Schmutz errötete sie wieder, als er über den umgestürzten Zaun am Ende des Waldwegs stieg und in ihrem verwirrten Geist abermals all diese dummen Fantasien weckte. Luna hatte er sich unter den einen Arm geklemmt, bis er auf der anderen Seite des Übertritts war, und den anderen streckte er dann aus, um Fliss in ihrem schmutzigen und überraschend schweren Kleid behilflich zu sein. Er machte ein gleichgültiges Gesicht, aber Luna schien es nicht zu gefallen, dass man sie geweckt hatte und sah Fliss verärgert an, als wäre die ganze Misere ihre Schuld. Verstimmt über das sehr flexible Gedächtnis des Hundes hielt sie die Röcke mit der einen Hand hoch und griff mit der anderen nach Mr. Yelvertons starker und von der Arbeit rauer Hand, während sie über den Zaun kletterte. Damit ihr Kleid nicht zerriss, musste sie sich schwerer auf ihn stützen, als ihr lieb war. Zwar war das Kleid ohnehin verdorben, aber die Vorstellung, nicht nur mit dem Schmutz darauf, sondern auch mit einem tiefen Riss darin durch die Gegend zu laufen, gefiel ihr nicht. Es fühlte sich sehr intim an, seine schwielige, warme Hand zu halten, und das machte die Versuchung noch größer, von der sie bis zu diesem Tag kaum gewusst hatte, dass es sie gab. Bisher hatte sie bei der Berührung eines Mannes nie so intensiv empfunden. Tatsächlich war sie überhaupt nicht an männliche Gesellschaft gewöhnt, aber irgendetwas sagte ihr, dass dies hier etwas Besonderes war, und nach so vielen Missgeschicken seine Kraft zu fühlen, war einfach zu verführerisch.

„Vielen Dank“, sagte sie, als sie wieder festen Boden unter den Füßen spürte. Während sie versuchte, ihr Herz dazu zu bringen, langsamer zu schlagen, und möglichst ruhig atmete, tat sie so, als würde sie die hohen Steinmauern betrachten. Nicht, dass es da allzu viel zu sehen gegeben hätte. „Die Pfade hier sind schon ziemlich alt, oder?“, sagte sie mehr oder weniger ins Blaue hinein.

„Dieser Weg bildet die Verbindung zwischen zwei Gebäuden des Hofes, daher nehme ich an, er wird oft benutzt und ist deshalb so ausgetreten.“

„Diese Mauern verbergen mit Sicherheit den größten Teil des Landes vor unseren Blicken.“

„Das ist vermutlich auch gut so. Der Hof ist zwar nicht so vernachlässigt wie mein Haus, aber immer noch in einem so desolaten Zustand, als dass ich schon stolz darauf sein könnte.“

„Dieses Leben muss Ihnen so ganz anders vorkommen als das Soldatenleben.“ Sogar von hinten sah sie, wie er erstarrte bei der Erinnerung an sein früheres Leben, und ihr wurde klar, dass sie solche Bemerkungen nicht machen sollte gegenüber einem Mann, den sie erst vor wenigen Minuten kennengelernt hatte. Aber so fühlte es sich nicht an, und wenn sie ihm zuhörte, musste sie nicht der seltsamen Vorstellung nachhängen, er könnte ihr etwas bedeuten. Eine Vorstellung, die sich in ihr festgesetzt hatte, seit sich ihrer beider Blicke auf einer zugewachsenen Lichtung in einem überwucherten Wald zum ersten Mal begegnet waren.

„Mein Vater ist ein Geistlicher, und als wir klein waren, leitete er den zur Pfarrei gehörenden Hof, von daher habe ich zumindest eine Ahnung von dem, was ich zu tun habe“, sagte er, als wäre ihm die Kluft zwischen einem Soldaten und einem Bauern nur allzu deutlich bewusst.

„Ich hatte das nicht als Kritik gemeint“, sagte sie. Sie war es gewesen, die darauf bestanden hatte, dass er voranging, also war es allein ihre Schuld, wenn sie es ärgerlich fand, mit seinem Rücken zu sprechen. „Und es muss nach der vielen Aufregung bei der Armee als ein sehr ruhiges Leben erscheinen.“

„Das tut es in der Tat, und das war das, wonach ich suchte, nachdem ich nach der Schlacht von Toulouse den Dienst quittiert hatte und entschlossen war, nie wieder in einer Schlacht zu kämpfen. Ich sollte mich nicht beklagen über den Zustand dieses Geschenks, das mir so unerwartet in den Schoß gefallen ist. Ich danke der Großzügigkeit meines verstorbenen Großonkels, der mich zu seinem Erben ernannt hatte.“

„Sicher fühlen Sie sich hin- und hergerissen, wenn Sie ihn einerseits vermissen und andererseits diesen Ort so schnell wie möglich in einen guten Zustand versetzen wollen“, fuhr sie etwas vorsichtiger fort.

„Da ich diesen Gentleman nie getroffen habe, kann ich ihn kaum vermissen, obwohl die Tatsache, dass ich in seinem Haus wohne, sich ein bisschen so anfühlt, als würde ich in seinem Schneckenhaus leben. Es mag seltsam klingen, aber manchmal ist seine Gegenwart in Owlet Manor so stark spürbar, dass ich beinahe damit rechne, beim nächsten Umdrehen seinem finsteren Blick zu begegnen, wegen all des Aufwands und unseren neumodischen Ideen, sein Haus und den Hof betreffend. Meine Mutter sagt, ihr Onkel war schon ein Einsiedler, als sie noch ein Kind war, und sie erinnert sich, wie ihre Eltern mit ihr hierherkamen in der Hoffnung, er würde das einzige Kind aus jener Generation zu seiner Erbin machen. Sie sagt, er hätte ihr befohlen, mit dem Geplapper aufzuhören, und ihren Eltern gesagt, sie sollten sie fortbringen und ihn in Ruhe lassen, und wenn er taub werden wollte von so viel Geschnatter, dann würde er sich in sein Hühnerhaus setzen. Seitdem ging sie ihm aus dem Weg, und ich kann ihr das kaum übelnehmen. Er hat mir einen Brief hinterlassen, in dem steht, dass er mir Owlet Manor nur deshalb hinterlasse, weil ich nicht kriecherisch sei und nicht versucht hätte, ihn zu treffen, insofern verdanke ich ihr viel, weil sie ihn beim Wort genommen hatte. Es erscheint mir etwas ungerecht, dass ich so viel bekommen habe, wenn ich doch nur eine vage Ahnung davon hatte, dass er überhaupt existierte, und meine Schwestern haben ihn ja auch nicht behelligt.“

„Das klingt nach einem guten Erbe“, sagte sie und dachte an das, was sie selbst erst kürzlich erhalten hatte.

„Ja, ich bin ein glücklicher Mann.“

Einen Moment lang schwieg sie, denn es gab nichts zu sagen. Er hatte Glück gehabt, ein so reichlich bemessenes Erbe zu bekommen, aber der Zustand des Waldes und die Tatsache, dass er so hart auf seinem eigenen Land arbeitete, war ein Hinweis darauf, dass dies hier nicht gerade eine Goldgrube war. Sie gingen weiter – er schien an seine Verantwortung und sein Land zu denken, während sie die Fliegen verscheuchte. Sie hasste es, diesen Schmutz überall zu spüren, auf ihrer Haut und sogar in ihrem Haar. Fieberhaft dachte sie über ein neues Gesprächsthema nach, um sich von ihren Wehwehchen und Kratzern abzulenken. Es war albern, sich sicher zu fühlen mit einem starken Mann, der sie beschützte, wenn dieser Mann doch nur ein Fremder war, dem sie zufällig über den Weg gelaufen war, und sie bestens auf sich selbst aufpassen konnte. Sie fühlte sich so lebendig, und war sich seiner Nähe viel zu sehr bewusst, und es war höchste Zeit, dass sie aufhörte, sich zu fragen, wie es sein würde, hier mit ihm in sauberer Kleidung spazieren zu gehen und sich ganz als Frau zu fühlen, Arm in Arm mit ihm. Anstatt ihm nachzulaufen und so verdreckt zu sein, wie es überhaupt nur möglich war, während er vorausging und versuchte, ihren Geruch nicht einzuatmen.

Autor

Elizabeth Beacon
<p>Das ganze Leben lang war Elizabeth Beacon auf der Suche nach einer Tätigkeit, in der sie ihre Leidenschaft für Geschichte und Romane vereinbaren konnte. Letztendlich wurde sie fündig. Doch zunächst entwickelte sie eine verbotenen Liebe zu Georgette Heyer`s wundervollen Regency Liebesromanen, welche sie während der naturwissenschaftlichen Schulstunden heimlich las. Dies...
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