Die schöne Witwe und der Viscount

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Ein Mann wie Alaric Defford käme der verwitweten Marianne eigentlich nicht ins Haus! Doch der arrogante Viscount ist verletzt und sie die Einzige, die ihn nach seinem Sturz vom Pferd gesund pflegen kann. Widerwillig, aber hingebungsvoll widmet sie sich dieser Aufgabe und stellt fest, dass ihr adliger Patient hinter der rauen Schale ein weiches Herz verbirgt. Dennoch kommt Verlieben nicht in Frage! Sobald Alaric wieder gesund ist, muss er zurück in seine Welt. Niemals darf er daran denken, eine Bürgerliche wie Marianne zu lieben!


  • Erscheinungstag 20.12.2022
  • Bandnummer 626
  • ISBN / Artikelnummer 9783751511353
  • Seitenanzahl 256
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. Kapitel

Viscount Stratford nahm die vom Regen durchweichte Landschaft, durch die er ritt, kaum wahr, ebenso wenig wie die wolkenverhangenen Hügel, die langsam aus der Finsternis hervortraten.

Verwünschtes Unwetter, dachte Alaric flüchtig, doch absolute Notwendigkeit trieb ihn unbarmherzig voran.

Nichts war jetzt wichtiger, als seine Nichte so schnell wie möglich zu finden, und der Regen der vergangenen Nacht hatte ihn wertvolle Stunden gekostet. Er hatte zu viel Zeit damit verbracht, ungeduldig in einer Scheune auf und ab zu gehen und das erste, auch noch so schwache Licht abzuwarten. Natürlich hatte er nicht schlafen können, und wie wäre es auch möglich gewesen, während seine Nichte noch in dieser wahren Sintflut vermisst wurde? Um diese Jahreszeit waren die Nächte kurz und der Regen hatte endlich aufgehört, doch in diesem Moment könnte Juno irgendwo allein und hilflos und bis auf die Haut durchnässt über die Hügel irren. Und selbst wenn sie von Fremden aufgenommen worden war, konnte er nicht sicher sein, dass sie freundlich zu ihr sein und sie nicht womöglich dazu benutzen würden, sich zu bereichern. Er schüttelte den Kopf und versuchte, die Vorstellung zu vertreiben, seine Nichte könnte von skrupellosen Schurken gefangen worden sein oder würde irgendwo verletzt oder krank in Ketten liegen und bräuchte seine Hilfe. Es schmerzte ihn zu sehr zu wissen, dass er sie erneut enttäuscht hatte.

Wie hatte er sich jemals einreden können, dass es eine gute Idee wäre, Juno in der Obhut seiner Mutter zu lassen, während er in seiner neuen Rolle als britischer Botschafter versucht hatte, dem Duke of Wellington in Paris zur Seite zu stehen? Die Königstreuen und selbst manche ehemaligen Bonapartisten mochten Wellington zwar schmeicheln, aber dennoch handelte es sich hier um Bonapartes Hauptstadt, Himmel noch mal! Es war Alaric ein Rätsel, wie jemand auf die Idee hatte kommen können, einem Gegner des besiegten Kaisers den Posten zu geben. Aber wie dem auch sei, jetzt war nur Juno wichtig. Glücklicherweise war er rechtzeitig von seinem Londoner Sekretär gewarnt worden, dass nicht alles zum Besten stand, denn so befand er sich bereits auf der Heimreise, als sie davonlief.

Und wer könnte es ihr auch verdenken? Ihr Leben war unerträglich geworden, während du zu sehr damit beschäftigt warst, dich woanders aufzuspielen, Stratford. Du hast dich wirklich als großartiger Vormund erwiesen!

Welchen Trost hatte Juno jemals von ihm oder seiner Mutter erhalten? Nicht den geringsten, teilte sein Gewissen ihm unbarmherzig mit. Wen wunderte es also, dass seine verwaiste Nichte davongelaufen war, um Schutz bei ihrer früheren Gouvernante zu suchen? Zu der Stadt, in der die wohnte, war er gerade unterwegs, und in diesem Moment kam sie in Sicht.

Der Gedanke an die Dowager Viscountess Stratford vertiefte nur noch die Erschöpfung der langen Reise von Paris bis hierher, und er versuchte, ihn abzuschütteln. Allerdings konnte er sich jetzt, da Juno vor den einzigen Verwandten geflohen war, die ihr noch geblieben waren, nicht mehr verstecken, sondern musste sich der Wahrheit stellen. Seit er den verwünschten Titel geerbt hatte, hatte er seine Nichte vernachlässigt, war in Länder gereist, an denen ihm nichts lag, und hatte Dinge getan, die ihm nichts bedeuteten, nur um nicht an jene verflixte Frau denken zu müssen und alles, was sie ihm mit ihrer grausamen Herzlosigkeit angetan hatte. Kurz, er hatte sich wie ein Feigling benommen.

Immer weiter näherte er sich der verschlafenen kleinen Stadt hier in Herefordshire. Alaric hätte gut verstehen können, warum es Juno zu diesem stillen, abgelegenen Ort hinzog, selbst wenn Miss Grantham hier nicht gewohnt hätte. Seine Mutter wäre eher barfuß und in Lumpen gekleidet die New Bond Street hinuntergegangen, als hierherzukommen und ihrer Enkelin zu befehlen, gehorsam zu sein. Also hatte Juno natürlich in Miss Grantham ihre beste Verbündete gesehen. Die Dame hatte sie vier Jahre lang unterrichtet, in allen Dingen geleitet und sich wie eine Freundin um sie gekümmert – ganz im Gegensatz zu ihm. Seine Nichte hatte nicht gedacht, dass sie sich um Hilfe an ihn wenden könnte, als seine Mutter beschloss, Juno gegen ihren Willen mit einem reichen Mann mittleren Alters zu verheiraten, der zweifellos bereit gewesen war, die Dowager Viscountess großzügig dafür zu entschädigen.

„Nur über meine Leiche“, knurrte Alaric leise, und in seiner Ungeduld und Unruhe kam es ihm vor, als würde sich der Weg bis Broadley endlos hinziehen.

Sein Hengst musste sich vorsichtig über tiefe Furchen und mit Regenwasser angefüllte Löcher im Weg fortbewegen, und es wäre unbesonnen und grausam gewesen, ihn anzutreiben … Wie hatte seine Mutter nur versuchen können, einem scheuen jungen Mädchen wie Juno eine so abstoßende Verbindung aufzuzwingen? Und was für ein Narr er gewesen war zu glauben, es würde seiner schüchternen Nichte guttun, Menschen ihres Alters kennenzulernen, die ihr beibringen würden, das Leben weniger ernst zu nehmen. Er hatte nur gewollt, dass sie Freundschaften schloss und entdeckte, dass die feine Gesellschaft unter all dem Glanz lediglich aus gewöhnlichen Menschen bestand, mit all ihren Fehlern, Tugenden und Schwächen. Niemals hatte er vorgehabt, sie so jung zu verheiraten, und ganz gewiss nicht gegen ihren Willen.

Er hatte geglaubt, dass er es seiner Mutter deutlich zu verstehen gegeben hatte, als er eine völlig neue Garderobe für sie und Juno finanzierte und Stratford House vorbereiten ließ, damit seine Nichte in großem Stil in die Gesellschaft eingeführt werden konnte. Früher oder später würde Juno dieses Übergangsritual eingehen müssen, und da war früher besser als später. Außerdem erwartete die Gesellschaft von der einzigen Tochter des vorigen Viscount Stratford, dass sie sich vorstellte, sobald sie das Alter dazu erreicht hatte. Alaric wollte nicht, dass man zu tuscheln begann, etwas sei nicht in Ordnung mit dem Mädchen, wenn es so aussah, als würde die Familie es vorziehen, sie vor der Welt zu verstecken.

Er wusste, dass Juno aufgeweckt war und sich in der Gesellschaft von Menschen, bei denen sie sich wohlfühlte, unbeschwert unterhalten konnte, denn er hatte sie bei ihren Spaziergängen im Park und den Gärten von Stratford Park mit Miss Grantham lachen und plaudern hören. Ab und zu hatte sie sogar in seiner Gegenwart jede Schüchternheit überwunden, aber sie standen sich nicht nahe genug, als dass es oft geschehen wäre. Und dafür musste er sich ganz allein die Schuld geben, ebenso sehr wie an so vielem anderen, was in Junos Leben schiefgegangen war, während er mit anderen Dingen beschäftigt gewesen war.

Endlich erreichte er die ersten Häuser des Ortes, der zum Glück so klein war, dass Alaric sein Zentrum schon bald gefunden hatte. So schnell wie möglich lenkte er sein erschöpftes, schmutziges Pferd auf den Stallhof des Gasthauses und bezahlte einen verschlafenen Pferdeknecht dafür, sich um das Tier zu kümmern.

„Kennst du Milton Cottage?“, fragte er den gähnenden Mann, der sich am Kopf kratzte und Alaric anstarrte, als hätte er noch nie einen Gentleman gesehen.

„Ja.“

„Und wo ist es?“, verlangte Alaric zu wissen, in seiner Sorge ungeduldiger als beabsichtigt. Auch er war so erschöpft, dass er glaubte, im Stehen einschlafen zu können, aber er durfte sich keine Ruhe erlauben, bevor er nicht wusste, dass es Juno gut ging.

„Da drüben.“ Der Mann wies auf eine Reihe gepflegt aussehender Häuser im Osten der Stadt, hinter denen noch mehr Hügel und Heideland zu sehen waren.

„In welcher Straße?“, fragte Alaric. Er hatte nicht vor, in jedes einzelne Haus zu schauen.

„Auf der Hügelseite von Silver Square. Sehen Sie die kleinen Häuser, die schon fast nicht mehr zur Stadt gehören? Gleich beim großen Haus da oben, Sir?“ Alaric nickte. „Ungefähr in der Mitte davon liegt Milton Cottage.“

„Vielen Dank.“ Alaric warf dem Mann eine weitere Münze zu und machte sich sofort mit langen Schritten auf den Weg. Die Sonne war inzwischen wenigstens schon im Begriff aufzugehen. Er konnte nicht auf die Zeit warten, wenn es sich schickte, einen Besuch abzustatten, sondern musste sofort, wenn möglich, herausfinden, ob Juno sicher bei ihrer ehemaligen Gouvernante angekommen war.

Nach Londoner Maßstäben war der Silver Square nicht wirklich ein Platz, und das einzige Haus, das einen zweiten Blick verdiente, war das große Haus, das die gesamte südliche Seite des sogenannten Platzes einnahm. Eine Reihe von Häuschen befand sich im rechten Winkel dazu und eine weitere ihm genau gegenüber. Der Rest hatte Blick auf das Land im Westen, wo Alaric die Hügel in der Ferne ausmachen konnte. An einem Tag mit klarem Himmel musste die Aussicht atemberaubend sein. Heute jedoch gelang es der Sonne nur teilweise, durch die Wolken zu dringen, die noch vom gestrigen Unwetter verblieben waren. Alaric kniff leicht die Augen vor einem jener wenigen Sonnenstrahlen zusammen, während er den Türklopfer aus glänzendem Messing laut genug gegen das Holz schlagen ließ, um jeden aus dem Bett zu werfen, dessen Aufgabe es sein mochte, die Tür für Besucher zu öffnen.

Er hob schon eine Hand, um erneut zu klopfen. Er musste wissen, ob Juno in Sicherheit war. Doch endlich hörte er Schritte hinter der Tür. Jemand zog den Riegel zurück und drehte den Schlüssel im Schloss. Wurde auch Zeit, dachte er grollend und blickte durch den Spalt auf die Fremde, die ihn misstrauisch anstarrte.

Alaric blinzelte verblüfft, als traute er seinen Augen nicht. Aber die Frau war noch immer da und musterte ihn, als böte er den schlimmsten Anblick, dem man beim Öffnen der Tür gewahr werden könnte – und das zu jeder Zeit, ganz besonders aber zu dieser ungehörig frühen Stunde. Lieber Himmel, was war nur in ihn gefahren? Er hatte noch nie zu jenen verächtlichen Männern gehört, die den Dienstmädchen schöne Augen machten oder sich gar an ihnen vergriffen. Doch während er sich noch ermahnte, sich auf den Grund seines Kommens zu konzentrieren, konnte er dennoch nicht den Blick von ihr wenden, als wäre sie das Schönste, was er je gesehen hätte, und könnte nicht genug von ihr bekommen.

Einer der seltenen Sonnenstrahlen am heutigen bewölkten Tag drang durch eine offene Tür in der Halle und verlieh ihrem honigfarbenen Haar einen warmen Goldton. Ihre Augen waren von einem klaren, hellen Blau, das ihn an Vergissmeinnicht-Blüten erinnerte, aber der Vergleich war viel zu klischeehaft, denn nichts an diesen Augen war alltäglich oder gewöhnlich. Nun, er würde ja wohl kaum Gedichte über ein Dienstmädchen verfassen, also war es kaum wichtig, wie er ihre faszinierenden Augen beschreiben würde. Und doch ließ sich nicht leugnen, dass dieses hochgewachsene, schlanke Geschöpf im frühen Morgenlicht ein wirklich hinreißender Anblick war.

Sie musste in ihrem dunklen Kleid geschlafen haben, und das Haar fiel ihr über die Schultern und weckte den Wunsch in Alaric, es zu berühren und zu sehen, ob es sich so seidig anfühlte, wie es aussah. Das vollkommene Oval ihres Gesichts, die fein ziselierten Züge, die stolz erhobene Nase – alles an ihr war hinreißend. Aber es war vor allem ihr Mund, der ihm endgültig zum Verhängnis wurde. Er zog Alarics Blick an wie ein Magnet und entfachte ein Verlangen in ihm, zu dem er kein Recht hatte. Hastig verdrängte er die Vorstellung, sie zu küssen, bis er sie ganz aus ihrem Halbschlaf aufgeweckt hatte, und fragte sich, wie eine so energisch aussehende Frau es über sich brachte, Befehle von jenen anzunehmen, die angeblich über ihr standen. Doch wie mochte es sich anfühlen, diesen weichen Mund zu küssen, bis es keine Unterschiede mehr zu geben schien zwischen Adligem und Dienstmädchen und er von dem Gefühl erfüllt wäre, endlich einen Ort gefunden zu haben, wo er hingehörte.

Auf dem Weg zur Tür hatte Marianne Turner kurz gehofft, es könnte das vermisste Mädchen sein, doch dann machte sie sich klar, dass es den Türklopfer kaum mit solcher Kraft betätigen würde. Marianne seufzte vor Müdigkeit und Enttäuschung, als sie den Riegel zurückschob und die Tür so leise wie möglich öffnete.

„Wird aber auch Zeit“, knurrte eine tiefe Männerstimme, während Marianne durch den Spalt schaute, den Fremden musterte und ungläubig den Kopf schüttelte. Sein Ton deutete an, dass sie eine unfähige Person wäre, die viel zu spät auf sein Klopfen reagiert hätte, dabei war er vielmehr ausgesprochen unhöflich und anmaßend, zu dieser Stunde vorzusprechen.

„Was denken Sie sich dabei, beim ersten Hahnenschrei an die Tür einer Dame zu klopfen? Sie werden noch die halbe Straße wecken.“ Sie betrachtete kühl den unrasierten, schlammbespritzten und sehr männlichen Grobian, der vor der Tür stand, als hätte er jedes Recht aufzutauchen, wo und wann er wollte. Finster ließ sie den Blick über ihn gleiten, und ihr fiel auf, wie groß er war. „Sie müssen doch gehört haben, wie ich versuchte, die Tür zu öffnen. Haben Sie keine Manieren?“

„Nicht unfähigen Stümpern gegenüber. Und jetzt beeil dich und lass mich ein. Dann teil Miss Grantham mit, dass ich mit ihr sprechen muss“, befahl er, und ihm schien keinen Moment der Gedanke zu kommen, sie könnte sich weigern.

„Nein“, antwortete Marianne gereizt und weigerte sich, sich von seiner Größe und kraftvollen Gestalt einschüchtern zu lassen.

Er konnte natürlich nicht ahnen, dass Fliss Grantham gar nicht in ihrem jungfräulichen Bett lag. Tatsächlich war sie durch das gestrige Unwetter auf den Broadley-Hügeln zurückgehalten worden. Miss Donnes Zofe hatte Mariannes Bruder Darius von einer Schäferhütte erzählt, in der sie Zuflucht gefunden hatten. Insgeheim war Marianne entzückt gewesen über den Verlauf der Dinge. Das dickköpfige Paar würde jetzt die starke Anziehungskraft zugeben müssen, die es von Anfang an zwischen ihnen gegeben hatte. Nach einer Nacht allein in den Hügeln würden sie natürlich heiraten müssen, also wenigstens ein Grund zur Freude heute Morgen, wenn sie es sich recht überlegte. Nur leider schob der ungehobelte, unrasierte, reisemüde Fremde den Stiefel vor, sodass sie ihm nicht die Tür vor der Nase zuschlagen konnte.

Und zu allem Übel wurde Juno Defford, Fliss’ ehemalige Schülerin, nach dem heftigen Regen von gestern Nacht noch immer vermisst. Marianne hatte viel Wichtigeres zu tun, als zu überlegen, wie dieser arrogante Kerl wohl aussehen mochte, wenn er rasiert wäre und saubere Kleidung trüge. Sie rief sich streng zur Ordnung.

„Gehen Sie, nehmen Sie ein Bad und rasieren Sie sich erst einmal, dann können Sie zu einer zivilisierteren Stunde zurückkommen“, wies sie ihn ungeduldig an. „Aber nur, wenn Sie bereit sind, sich bei Ihrer Rückkehr höflich zu verhalten. Haben Sie verstanden? Einfach mit Befehlen um sich zu werfen, als könnte der Rest der Welt es kaum erwarten, Ihnen zu gehorchen, bringt die Leute nur gegen Sie auf. Und wir haben schon genug Sorgen, auch ohne Sie.“

Sie sah vielsagend auf den bestiefelten Fuß hinunter in der Hoffnung, der Fremde würde ihn zurückziehen. Aber da wurde sie enttäuscht – der Mann hatte weder Manieren noch brachte er einer Dame gebührenden Respekt entgegen. Sie bemühte sich, seinem prüfenden Blick standzuhalten, aber er war so hochgewachsen, und sie war es nicht gewohnt, so weit zu einem Mann aufsehen zu müssen. Es kam ihr so vor, als müsste sie sich einer Naturgewalt entgegenstellen, und es war zu früh für so etwas. Außerdem musste sie sich um so viele Dinge kümmern. Also ließ sie den Blick wieder über seinen kräftigen männlichen Körper in der überaus schmutzigen Kleidung wandern und rümpfte die Nase, um ihm zu zeigen, was sie von seiner schäbigen Erscheinung hielt.

Unter den Bartstoppeln waren seine Züge markant und edel. Er sah aus wie ein Pirat und nicht wie der müßige, zweifellos wohlhabende Adlige, der er gewiss war. Wenn er allerdings schon hier sein musste, stellte sie sich ihn lieber als wilden Piraten vor. Sie hegte tiefe Abneigung gegen die glatt rasierten, tadellos gekleideten Gentlemen der vornehmen Gesellschaft, die die Rebellin in ihr weckten, wann immer sie an den Luxus dachte, den sie für sich in Anspruch nahmen, während so viele Menschen nicht mehr besaßen als die Lumpen auf ihrem mageren Körper.

„Ich muss sofort mit Miss Grantham sprechen“, beharrte er herrisch.

Marianne rührte sich nicht.

„Über persönliche Angelegenheiten“, fügte er mit seiner tiefen Stimme knurrend hinzu, und Marianne erschauerte unwillkürlich. „Lass mich umgehend ein und teil Miss Grantham mit, dass ich hier bin. Sie braucht sich nicht erst vollständig anzuziehen, denn es ist dringend“, fuhr er fort, als könnte sein ungeheuerliches Anliegen Mariannes Meinung ändern.

„Ausgeschlossen“, erwiderte sie und verschränkte entschieden die Arme vor der Brust.

Sie würde hier stehen bleiben, bis die halbe Stadt hellwach war, wenn es nötig sein sollte, und sie hatte nicht die Absicht, diesem düsteren, arroganten Fremden zu verraten, dass Fliss die ganze Nacht mit einem Mann unterwegs gewesen war, den sie jetzt würde heiraten müssen, wenn sie ihren guten Ruf retten wollte. Doch der Fremde schien ebenso hartnäckig zu sein wie sie. Plötzlich empfand sie einen Hauch von Mitleid mit ihm, als ihr die dunklen Schatten unter seinen harten blauen Augen auffielen und der erschöpfte Zug um den Mund. Er sah aus, als hätte er auf dem Weg hierher den Elementen trotzen müssen. Zwar war er nicht so nass, dass er ins übelste Unwetter geraten sein konnte, aber er schien die Nacht dennoch nicht viel geschlafen zu haben. Vielmehr machte er den Eindruck, tagelang keine Anstrengung gescheut zu haben, um bei Morgengrauen hier einzutreffen.

Flüchtig erinnerte er sie an ihren Mann Daniel nach einem langen, schweren Tag auf dem Vormarsch. Doch jetzt war nicht der richtige Moment, um zu betrauern, was sie verloren hatte, und dieser Mann brauchte ihr Mitleid nicht. Ihre Erinnerungen an die Strapazen auf der spanischen Halbinsel, die sie ausgestanden hatte, während sie im Tross des Regiments gefolgt war, würden ihr nicht helfen, sachlich zu bleiben. Dieser herrische Mann hatte nichts gemeinsam mit ihrem edlen, liebenswerten Sergeant Daniel Turner, und falls er glaubte, sein Stand gäbe ihm das Recht, sie herumzukommandieren, würde sie ihm wohl einen Dämpfer versetzen müssen.

„Gehen Sie zum hiesigen Gasthof und schlafen Sie sich erst einmal aus“, sagte sie schroff. „Sollten Sie da zusammenbrechen, können die Knechte Sie wenigstens in die Scheune tragen, damit Sie Ihren Schlaf nachholen können. Hier wären wir gezwungen, Sie zu lassen, wo Sie hinfallen, bis Sie wieder wach sind.“

„Ich nehme an, du glaubst, so deine Herrin zu beschützen, aber das Leben einer jungen Frau könnte davon abhängen, dass du tust, was man dir sagt, mein gutes Kind. Und im Moment behinderst du mich nur“, sagte er mit betonter Gelassenheit.

„Sie ist nicht meine Herrin, Sie dummer Mann, und ich bin auch kein Mädchen“, herrschte sie ihn heftig an. Er hatte einen Blick auf ihren zerknitterten Morgenrock und ihr zerzaustes Haar geworfen und war offensichtlich zu dem Schluss gekommen, dass sie ein Dienstmädchen war und somit seiner Aufmerksamkeit nicht wert.

„Wer sind Sie dann?“, brachte er ungeduldig hervor, hörte aber wenigstens auf, sie mit dem vertraulichen Du anzusprechen.

„Eine Freundin von Miss Grantham und ihrer ehemaligen Gouvernante Miss Donne, deren Ruhe Sie stören, indem Sie zu dieser ungehörigen Stunde an die Tür hämmern.“

„Zum Teufel mit ihrer Ruhe“, stieß er hervor und sah so aus, als würde er gleich an ihr vorbei ins Haus stürmen, den ganzen Haushalt aufwecken und womöglich jede Tür aufreißen, bis er Fliss aufgestöbert hätte. Nur dass er lediglich ein leeres Zimmer vorfinden würde und ein leeres Bett, in dem niemand geschlafen hatte – und das konnte sie unmöglich zulassen.

„Verraten Sie mir bitte, wo Sie wohnen, Sir, damit ich Sie zu nachtschlafender Zeit in Ihrem Haus überfallen kann. Dann könnten wir ja sehen, wie es Ihnen gefallen würde.“ Sie hielt seinem Blick mutig stand.

„Stratford Park“, knurrte er ungeduldig.

Oh, dann musste er der Viscount Stratford sein, Juno Deffords Onkel und Vormund und Fliss’ ehemaliger Dienstherr. Wieso hatte sie es sich nicht gleich gedacht? Er war der einzige Adlige, dessen Besuch hier einigermaßen wahrscheinlich wäre. Allerdings hatte sie geglaubt, dass er sich in Paris aufhielt und dort die Franzosen belästigte. Offensichtlich irrte sie sich, denn hier stand er auf Miss Donnes Schwelle und belästigte stattdessen sie.

Sie sind also der Dummkopf, der den ganzen Ärger überhaupt erst verursacht hat“, sagte Marianne empört, um ihn wissen zu lassen, was sie von einem Mann hielt, der sein Mündel so vernachlässigt hatte wie er.

„Mag sein“, erwiderte er matt, zog einen Lederhandschuh aus und rieb sich die Augen.

„Dann sind Sie also wirklich Lord Stratford?“, hakte sie kühl nach. Er sollte ruhig wissen, dass sein Titel sie nicht im Geringsten beeindruckte.

„Ja, und Sie stehen mir noch immer im Weg. Wer Sie auch sind, Sie scheinen sehr viel über mich und meine Familie zu wissen, obwohl ich Sie zum ersten Mal in meinem Leben zu Gesicht bekomme. Und so muss Ihnen auch bekannt sein, wie dringend mein Anliegen ist. Woraus ich schließe, dass Sie sich bewusst unhöflich mir gegenüber benehmen und es ihr Zweck ist, sich mir in den Weg zu stellen.“

„Schließen Sie, was Ihnen beliebt. Ich wecke nicht das ganze Haus auf, nachdem alle gestern so viel Sorge ausgestanden und kaum geschlafen haben. Und alles dank Ihnen und allem, was Sie Ihrem bedauernswerten Mündel angetan haben.“

„Dann ist Juno hier? Geht es ihr gut?“

2. Kapitel

Wenigstens klang seine Stimme jetzt aufrichtig besorgt, fast verzweifelt. Seit Marianne gestern Juno Deffords traurige Geschichte gehört hatte, war sie davon überzeugt gewesen, dass ihm sein Mündel völlig gleichgültig wäre. Er hatte das arme Kind wie ein unerwünschtes Paket behandelt, das er einfach an seine Mutter weitergereicht und ihr überlassen hatte, wie sie sich davon befreien wollte. Und dann hatte man ja gesehen, wie diese entsetzliche Frau beschlossen hatte, Juno loszuwerden. Die Vorstellung allein, dass ein so blühend junges Mädchen einen alten Mann heiraten sollte, hatte Marianne schaudern lassen vor Abscheu. Wie verzweifelt musste das arme Kind gewesen sein, wie einsam musste sie sich gefühlt haben, als ihr bewusst wurde, was ihr bevorstand. Marianne atmete tief durch, um ihre Wut zu zügeln, und versuchte sich daran zu erinnern, dass jede Geschichte ihre zwei Seiten hatte. Sie würde sich bemühen, ihn noch nicht völlig zu verurteilen, wenn es sie auch fast übermenschliche Mühe kostete.

„Nein“, antwortete sie schonungslos. Sie konnte ihm keine Hoffnung machen. Seit gestern hatten sie nichts von dem Mädchen zu sehen bekommen.

„Dann möge Gott uns beistehen“, sagte er niedergeschlagen und so matt, als hätte nur die Hoffnung, sein Mündel hier vorzufinden, ihm die Kraft gegeben, nicht schon längst zusammenzubrechen. „Was muss ich tun, um sie zu finden?“, fügte er verzweifelt hinzu.

Marianne wusste, dass er nicht sie ansprach, als er die Augen schloss und leicht schwankte. Offensichtlich kämpfte er mühsam gegen Erschöpfung und Verzweiflung an, und ihre Wut ließ nach. Womöglich war ihm das einsame, kleine reiche Mädchen doch nicht gleichgültig. Sie ahnte jedoch, dass ihr Mitleid einen so stolzen Mann nur verärgern würde, also riskierte sie es besser nicht.

„Wir haben gestern von hier bis ganz nach Worcester nach ihr gesucht. In jedem Versteck, das uns einfallen wollte“, erklärte sie knapp. „Am Ende regnete es aber so stark, dass wir nur wenige Schritte weit sehen konnten, und so waren wir gezwungen, die Suche in der Nacht aufzugeben. Wir werden sie fortsetzen, sobald alle sich ein wenig von der Anstrengung erholt haben und aufgewacht sind.“

„Ich hätte die Suche nicht abgebrochen“, sagte er anklagend.

Sie furchte verärgert die Stirn. „Dann wären Sie jetzt für niemanden mehr von Nutzen, oder? Ich habe doch gesagt, wir konnten im Regen kaum noch sehen. Wenn Sie weiter nach ihr gesucht hätten, obwohl Sie die Gegend gar nicht kennen, würden wir jetzt nicht nur Ihre Nichte finden, sondern zu allem Übel auch noch ihren Onkel retten müssen.“

„Sie waren also ebenfalls unterwegs?“, fragte er ungläubig.

„Selbstverständlich. Haben Sie etwa gedacht, ich würde zu Hause an meiner Stickerei arbeiten, während eine junge Frau irgendwo ganz allein durch die Gegend irrt? Und die Wolken warnten uns vor dem schweren Unwetter, das uns bevorstand.“

„Ich habe gar nichts gedacht, Madam. Sie sind eine Fremde für mich – und stehen mir noch immer im Weg.“

So sehr sie auch versuchte, ihn gerecht zu behandeln, dieser Mann forderte ihre Wut geradezu heraus. Es gab keinen Grund, ihren Ärger zu unterdrücken, da er keinen Hehl daraus machte, wie wenig ihre Meinung für ihn zählte. „Nun, Sie können jedenfalls davon ausgehen, dass ich zutiefst empört darüber bin, dass ein junges Mädchen die einsame und sehr wahrscheinlich beängstigende Reise von London bis nach Worcester in der Postkutsche zurücklegen musste, bei der sie das Opfer von Dieben wurde und sehr leicht von viel schlimmeren Schurken hätte werden können. Gewiss war es das erste Mal, dass sie sich allein auf eine solche Reise gewagt hat, und ich bewundere sie dafür, dass sie überhaupt so weit gekommen ist.

Und Sie können ebenfalls davon ausgehen, dass ich ihren Mut bewundere, sich einfach in eine ihr völlig unbekannte Gegend zu wagen, obwohl sie bisher wahrscheinlich nichts Abenteuerlicheres unternommen hat als einen Spaziergang im Park. Und gehen Sie von meinem Mitgefühl für ein einsames, vernachlässigtes Mädchen aus, das glaubte, der einzige Mensch, an den sie sich um Hilfe wenden könnte, wäre ihre ehemalige Gouvernante. Wie können Sie von mir erwarten, dass ich Sie für einen pflichtbewussten Vormund halte, wenn Sie sich offensichtlich keinen Deut um Ihre Nichte scheren, Mylord?“

„Ich erwarte nichts von Ihnen. Ich weiß ja nicht einmal, wer Sie sind“, entgegnete er knapp.

Eigentlich hätte sie noch wütender werden müssen, aber er war offensichtlich so erschöpft, dass er sie anstarrte, als könnte er kaum klar sehen vor Sorge und Müdigkeit. „Umso besser“, meinte Marianne gereizt, weil sie kein Mitgefühl mit ihm haben wollte. Ihr Abscheu für die hartherzige Familie, die einem scheuen Mädchen keine andere Wahl gelassen hatte, als davonzulaufen, hatte ihr gestern den ganzen Tag über die Kraft gegeben, die Sorge, die Erschöpfung und die Furcht vor dem drohenden Sturm zu überstehen. Sie wollte diesem Mann nicht entgegenkommen, bevor Juno Defford nicht wieder in Sicherheit war. Außerdem war sie selbst noch immer sehr müde. Irgendwann in der Nacht war sie eingeschlafen, während sie darauf gewartet hatte, dass Juno an Miss Donnes Tür klopfte.

„Mrs. Turner? Marianne? Wer ist es?“ Miss Donnes schläfrige, ängstliche Stimme war von der obersten Stufe der Treppe zu hören.

Lord Stratford nutzte die Ablenkung, um Marianne mühelos zur Seite zu schieben. Und er war in der Halle, bevor sie protestieren oder sich ihm widersetzen konnte. „Oh, zum Kuckuck mit dem Mann!“, schimpfte sie leise. Sie hätte auf der Hut sein sollen. Jetzt würde er jedem Befehle erteilen, ohne auch nur die geringste Ahnung zu haben, was er tat, da er sich hier gar nicht auskannte! Ungehalten schloss sie die Tür. Er war genauso hochmütig und rüpelhaft, wie sie von Anfang an geahnt hatte. Wie dumm von ihr, auch nur einen Moment lang Mitleid mit ihm gehabt zu haben. Ganz offensichtlich hatte er es nicht verdient.

„Viscount Stratford!“, rief sie, um Miss Donne zu warnen. Doch sie spürte noch immer die Berührung seiner Hand an ihrer Schulter und die Kraft, die er ausstrahlte.

„Oh.“ Miss Donnes Stimme verriet das Entsetzen, das sie empfand, einen solchen Besucher empfangen zu müssen, ohne dass Fliss hier war, um ihr beizustehen.

Einige Augenblicke angespannter Stille zogen sich hin, und Marianne hoffte, dass Seine Lordschaft sich endlich bewusst wurde, wie falsch es von ihm war, sich zu dieser Stunde Zugang in das Haus einer Dame zu verschaffen, und sich zutiefst schämte. Aber natürlich tat er das nicht. Sein Blick blieb düster und ungeduldig.

„Dann musst du Seine Lordschaft selbstverständlich einlassen, Marianne, meine Liebe. Bitte ihn, im vorderen Salon zu warten, während ich mich ankleide. Ich werde herunterkommen und ihm das Wenige mitteilen, das wir über die Schritte seiner Nichte wissen, sobald ich vorzeigbar bin.“

Sie kehrte auf ihr Zimmer zurück und schloss die Tür hinter sich, während Marianne den verschmutzten Aufzug des Viscounts betrachtete. Sollte er ruhig merken, dass sie ihn für alles andere als vorzeigbar hielt, am allerwenigsten für eine so reinliche und ordentliche Dame wie Miss Donne. „Sie könnten allerdings auch zurückkommen, nachdem Sie sich gewaschen und umgezogen haben – und in etwas besserer Stimmung sind“, schlug sie kühl vor.

„Wo ist die Küche?“, stieß er hervor, als hätte sie gar nichts gesagt.

„Natürlich. Wie dumm von mir. Sie sind nicht demütig oder höflich genug, um zu baden, sich zu rasieren, Ihre Reisekleidung abzulegen und später zurückzukehren, nicht wahr? Wie konnte ich nur auf den Gedanken kommen, Sie würden sich wie ein Gentleman benehmen und nicht wie ein Adliger?“, höhnte sie und erntete dafür einen ungeduldigen Blick von ihm, bevor sie ihm zur Küche vorausging, die Miss Donne und Fliss als Speiseraum und Salon benutzten, wenn sie keine Besucher empfingen.

„Das Einzige, was mich jetzt kümmert, ist meine Nichte. Alles andere kann warten“, erklärte er, während er sich im sonnigen Raum umsah, als könnten sie Juno in irgendeiner Ecke versteckt haben.

Marianne musste zugeben, dass er offenbar doch verzweifelt darauf erpicht war, seine Nichte aufzufinden, und er wirkte auch sehr viel weniger gefährlich, wenn sie sich nur einreden konnte, dass er nicht vollkommen herzlos war. Er seufzte leise und heftete den Blick auf die Reste des Kaminfeuers vom gestrigen Abend, als hätte er noch nie welches gesehen. Gegen ihren Willen empfand Marianne doch wieder ein gewisses Mitleid mit ihm. Doch dann errötete sie verlegen, als ihr Blick auf die Kissen und Decke fiel, die noch immer auf einem Windsor-Stuhl lagen und Mariannes größtenteils schlaflose Nacht bezeugten.

Hastig faltete sie die Decke zusammen. Sie hatte darauf bestanden, hier unten zu bleiben für den Fall, dass Juno doch noch den Weg zu Miss Donnes Haus fand und niemand ihr Klopfen hörte. Vielleicht hätte sie doch das Gästezimmer annehmen sollen, das Miss Donne ihr angeboten hatte, denn dann wäre sie nicht mit einem steifen Hals aufgewacht, noch völlig verwirrt und durcheinander, als dieser Mann an die Tür gehämmert hatte. Als Marianne sich jetzt um das Kaminfeuer kümmern wollte, war er ihr bereits zuvorgekommen.

Schweigend machte er sich daran, das Feuer zu beleben, und ignorierte Marianne, als wäre sie nicht da. Wer hätte gedacht, dass er überhaupt wusste, wie man ein Feuer machte, oder überhaupt rücksichtsvoll genug sein würde, die Asche zusammenzufegen, damit sie sich nicht auf dem Küchenboden verteilte? Dann betrachtete er die Schaufel, als wüsste er nicht, was er damit anfangen sollte. Marianne war froh, dass sie ihn missbilligend ansehen konnte, als sie ihm die Schaufel wortlos abnahm und sie draußen im Garten auf dem Aschehaufen neben dem Zaun leerte. An der frischen Luft hielt sie kurz inne und sah stirnrunzelnd zu den sich erneut zusammenballenden Wolken hinauf, die schon jetzt versuchten, das frühe Sonnenlicht zu verdecken.

„Ich hoffe wirklich, es wird nicht wieder regnen“, sagte sie, als sie die Küche betrat. Der Viscount sah noch größer und dunkler aus, wenn die Sonne den Raum nicht mit ein wenig Hoffnung erhellte.

Er sah sie finster an, als wäre alles ihre Schuld. „Wo zum Teufel kann Juno nur sein?“, knurrte er. Offenbar war ihr kurzer Waffenstillstand bereits vorbei, jetzt da er das Feuer neu entfacht hatte und Miss Donne bald herunterkäme, zu der er hoffentlich angemessen höflich sein würde.

„Wenn ich das wüsste, wäre ich nicht fast den ganzen gestrigen Tag auf der Suche nach ihr gewesen“, fuhr Marianne ihn an, weil auch sie nur einige wenige Stunden geschlafen hatte und nicht einsah, warum sie sich wie eine Dame benehmen sollte, wenn er einen äußerst armseligen Gentleman abgab.

„Wenn Sie meinem Mündel wirklich helfen wollen, dann verraten Sie mir alles über ihre Reise und die Suche nach ihr.“

„Ich bezweifle sehr, dass ich mehr weiß als Sie.“

„Ich weiß nur, dass sie schon viel zu lange irgendwo in der freien Natur von Herefordshire vermisst wird. Ich ritt nach Worcester in der Annahme, sie hätte die Leominster-Kutsche genommen, um herzukommen. Doch am Ende musste ich erfahren, dass irgendein niederträchtiger Schurke ihr jeden Penny abgenommen hatte, den sie besaß, sodass sie sich kein Ticket kaufen konnte. Wäre ich nur wenige Stunden früher gekommen, hätte ich ihr die Tortur ersparen können, allein und mittellos durch eine unbekannte Gegend zu irren. Hätte ich Paris nur einen Tag eher verlassen, hätte ich dafür sorgen können, dass sie sicher hier ankommt oder gar nicht erst zu fliehen brauchte. Doch da ich sie nicht rechtzeitig finden konnte, ist sie jetzt wahrscheinlich außer sich vor Angst. Selbst wenn sie keinem Verbrecher in die Hände gefallen ist, könnte sie ins Unwetter geraten sein und hat jetzt womöglich starkes Fieber.“

Marianne hatte insgeheim gehofft, er würde irgendeine Art von Gefühlsaufwallung zeigen, doch jetzt da er es getan hatte, wusste sie nicht, wie sie reagieren sollte. „Stellen Sie sich nicht gleich das Schlimmste vor“, sagte sie aufmunternd. „Wenn wir die Suche mit einem klaren Kopf fortsetzen wollen, müssen wir daran glauben, dass Ihre Nichte vernünftig genug gewesen ist, sich vor dem Unwetter in Sicherheit zu bringen. Nachdem sie ausgeraubt worden ist, war sie sicher vorsichtig genug, sich möglichst im Verborgenen zu halten. Also ist es wahrscheinlich sogar ein gutes Zeichen, dass wir keine Spur von ihr gefunden haben, wenn man es sich recht überlegt.“

„Aber wo kann sie sein?“

Sie konnte nur mit dem Kopf schütteln. Das Mädchen schien wie vom Erdboden verschluckt zu sein, seit sie die New Bridge in Worcester überquert hatte und einfach weitergewandert war. Es war ganz gut, dass schnelle Schritte Miss Donnes Ankunft ankündigten und Marianne und den Viscount davon abhielten, sich noch beängstigendere Situationen auszumalen, in denen Juno sich befinden könnte.

„Haben Sie uns gute Neuigkeiten von Miss Defford gebracht, Mylord?“, fragte Miss Donne als Erstes atemlos.

Marianne wunderte sich, dass die unzerstörbare Hoffnung in Miss Donne sie blind werden ließ gegenüber Lord Stratfords unübersehbar grimmiger Miene.

„Nur dass sie noch immer vermisst wird, Madam. Ich hatte gehofft, meine Nichte hier anzutreffen, wurde aber bitter enttäuscht.“

„Wirklich?“, sagte Miss Donne mit einem tiefen Seufzer. „Dann müssen wir die Suche von Neuem beginnen“, fuhr sie entschieden fort und sah Marianne an, als wüsste sie bestimmt, wo sie am besten anfangen sollten.

„Miss Defford betritt vielleicht genau in diesem Moment die Stadt, nachdem sie irgendwo vor dem Gewitter Schutz gesucht hat, seien Sie nicht allzu besorgt“, sagte Marianne mit einer Zuversicht, die sie nicht empfand.

3. Kapitel

Alaric starrte ins Feuer und versuchte zu tun, was Marianne ihm geraten hatte, und die größten Ängste aus seinen Gedanken zu verscheuchen. Er konnte die junge Frau von vorhin nicht anders nennen, weil er nicht wusste, wer sie war und welche Rolle sie in Miss Donnes Haushalt und vielleicht auch in Miss Granthams Leben spielte. Apropos, wo zum Henker war die Frau bloß? Er blickte zur Tür, die diesen gemütlichen Raum vom übrigen Teil dieses seltsam stillen, leer wirkenden Hauses trennte, und spürte, dass es ein weiteres Geheimnis geben musste. Leider schien der Schlafmangel ihm jede Fähigkeit genommen zu haben, einen klaren Gedanken zu fassen. Aber gerade jetzt war es wichtig, dass er geistig auf der Hut war, zum Handeln bereit und jeder Situation gewachsen.

Stattdessen war er verwirrt und wie benebelt in dieser unbekannten neuen Welt, die er betreten zu haben schien, seit er Stratford House erreicht – es schien eine Ewigkeit seitdem vergangen zu sein – und erfahren hatte, dass Juno vermisst wurde. Und ausgerechnet hier begegnete er diesem Dienstmädchen oder wer sie sonst war – hinreißend und schlagfertig und vielleicht sogar ein wenig mitfühlend mit dem linkischen Dummkopf, der er geworden zu sein schien. Sie war sich offenbar ihrer eigenen Reize gar nicht bewusst, hochgewachsen und schlank, wie sie war, genau die richtige Größe für einen hochmütigen Mann wie ihn, auch wenn er sich einzureden versuchte, dass er sich ebenso wenig für sie interessierte wie sie sich für ihn.

Marianne gab sich vielmehr alle Mühe, so zu tun, als wäre er gar nicht da, während sie den vollen Kessel über das Feuer hängte, ohne ihm zu nahe zu geraten. Hastig trat sie dann zurück, als wäre er ansteckend. Allerdings wusste Alaric natürlich, dass er schmutzig war und nach Pferd und Schlamm roch und sicher auch nach der Scheune, in der er letzte Nacht Zuflucht gefunden hatte. Er konnte sich glücklich schätzen, dass beide Damen bessere Manieren besaßen oder sehr viel größeres Mitgefühl als seine eigene Mutter.

Er konnte sich die Verachtung in den harten grauen Augen der Dowager Viscountess vorstellen, hätte sie ihn in diesem Zustand zu sehen oder gar zu riechen bekommen. Die Kälte seiner Kindheit überflog ihn wie der eisige Januarwind direkt von den arktischen Eiskappen des Nordpols. Trotz des Feuers und der Tatsache, dass sie sich laut Kalender im Hochsommer befanden, erschauderte er und versuchte zu ermessen, was sie ihm über Miss Granthams Abwesenheit verbergen wollten.

Während seiner Reise nach Paris und zurück hatte er sich klargemacht, dass es vernünftig wäre, die freundliche, wohlerzogene, schöne Miss Grantham zu heiraten, um Juno ein gutes Zuhause zu bieten und seinen Kindern, sobald sie denn kommen sollten, eine liebevolle Mutter. Seine Kindheit war düster und lieblos gewesen, und er würde alles tun, um seinen Söhnen und Töchtern eine solche Hölle zu ersparen. Doch jetzt, da er hier war und Miss Grantham vielleicht bereit wäre, seinen vernünftigen Vorschlag anzunehmen, war ihm plötzlich so, als hätte er etwas sehr Wichtiges bei seiner Berechnung vergessen. Gewiss hätte er doch nicht vom ersten Moment an das Gefühl haben können, bei Marianne all jene Warmherzigkeit, Teilnahme und Treue gefunden zu haben, die er sich je gewünscht hatte, wenn mehr zwischen ihm und Junos ehemaliger Gouvernante bestünde als höfliche Freundschaft? Dass ihm das unmöglich genügen könnte, wurde ihm in dem Augenblick bewusst, als ihm eine ganz andere Frau die Tür geöffnet hatte. Und diese Frau begehrte er mit einer Heftigkeit, die ihm den Atem nahm.

„Tee, Mylord?“, fragte Miss Donne, und es kostete ihn einige Überwindung, sich auf ihre Worte zu konzentrieren.

„Hm?“, hörte er sich antworten, als wüsste er nicht, wovon sie sprach.

„Ein Getränk aus Blättern der Teepflanze, die unter großen Kosten aus China importiert werden“, warf Marianne spöttisch ein und wies auf die große Teekanne auf dem sauber geschrubbten Küchentisch.

„Ich habe eine ungefähre Vorstellung, was das ist, danke“, sagte er mit einem entschuldigenden Lächeln für Miss Donne und einem verstohlenen Blick auf Marianne. Er konnte nur dankbar sein, dass sie nicht ahnte, weswegen er so in Gedanken versunken gewesen war. Doch ihrer Miene nach zu urteilen, sah sie in ihm wohl eher einen lästigen, unnützen Aristokraten als einen lüsternen. Zumindest blieb ihm also die Demütigung erspart, von Marianne Wer-immer-sie-war abgewiesen zu werden. Nachdem er seiner Mutter Vorwürfe gemacht hatte für die Art, wie sie Juno behandelt hatte, und sie ihm zornig an den Kopf geworfen hatte, sie wünschte, er wäre nie geboren worden, wusste er nicht, ob er die Verachtung einer weiteren Frau über sich ergehen lassen wollte. „Die Franzosen scheinen Kaffee vorzuziehen“, fuhr er fort, „oder trinken zum Frühstück Schokolade.“

„Sie können kaum von uns erwarten, Kaffeebohnen zu mahlen und zu rösten oder unseren nächsten Nachbarn um Kakaobohnen zu bitten, wenn Sie bei Morgengrauen und uneingeladen bei uns auftauchen, Lord Stratford.“

„Aber, aber, Marianne, das ist nicht sehr höflich, und Etikette ist in Zeiten der Not nebensächlich“, sagte Miss Donne. Alaric hätte sie am liebsten umarmt, aber er mochte sie bereits zu sehr, um ihr seine verschwitzte, verschmutzte Nähe zuzumuten.

„Ich danke Ihnen, Miss Donne. Miss …“ Er hielt inne, da er sie ja wohl kaum Marianne nennen konnte.

„Mrs.“, sagte sie giftig, schien ihre Schroffheit jedoch fast sofort zu bereuen. Alaric ahnte, dass sie fast so erschöpft sein musste wie er. „Ich bin Mrs. Turner“, fügte sie hinzu und wich seinem Blick aus, während sie allen einschenkte.

Umso besser, dachte er, nachdem heiße Eifersucht und tiefer Hass auf den glücklichen Mr. Turner die ersten Reaktionen gewesen waren, die ihn durchzuckten. Er war zu spät gekommen. Aber was für ein alberner Gedanke! Wie könnte er zu spät bei einer Frau erschienen sein, die er kaum vor einer Stunde kennengelernt hatte? Außerdem konnte sie ihn offensichtlich nicht besonders leiden, was das wilde Verlangen nach der Frau eines anderen Mannes nur noch lächerlicher aussehen ließ.

„Ich bin Witwe“, sagte sie jetzt fast herausfordernd, ohne einen blassen Schimmer davon zu haben, was für Gefühle das in ihm hervorrief.

„Ihr Verlust tut mir sehr leid“, log er.

„Danke“, entgegnete sie in einem Ton, der deutlich machte, dass sie dieses Thema als abgeschlossen betrachtete. „Lassen Sie Ihren Tee nicht kalt werden. Es ist vielleicht kein Kaffee und keine Schokolade, aber er ist heiß und Sie sehen so aus, als hätten Sie ihn nötig, Mylord.“

„Also wirklich, meine Liebe“, schalt Miss Donne. „Es ist nicht der richtige Zeitpunkt, aufeinander herumzuhacken, wenn wir uns darauf konzentrieren müssen, Miss Defford zu finden, und keine Zeit verschwenden dürfen.“

„Nein, Sie haben natürlich recht“, gab Mrs. Turner zu. „Wir müssen etwas essen und uns wieder auf die Suche machen, sobald die anderen aufgewacht sind.“

Alaric nickte nur zustimmend und trank seinen Tee. Beide Damen hatten recht. Sie mussten etwas zu sich nehmen, um zu Kräften zu kommen. Nichts war jetzt wichtiger als seine Nichte – auch nicht seine seltsame Besessenheit von einer honigblonden Witwe mit verträumten blauen Augen und einem Mund, für den ein Mann Hunderte von Meilen hinter sich legen würde, um ihn ein einziges Mal küssen zu dürfen. Er wünschte sich dennoch, diese Augen würden von ihm träumen und ihr Mund würde sich nach seinen Küssen sehnen.

Als Miss Donnes Zofe heruntergekommen war, hastig die Schürze um die Taille bindend und mit dem Häubchen kämpfend, erzählte sie bereits davon, dass Fliss gestern Abend im strömenden Regen zu den Hügeln gerannt war, um nach Miss Defford zu suchen, bevor ihr der reisemüde Viscount vor dem Kaminfeuer auffiel. Und so hatte Miss Donne schließlich Seiner Lordschaft mitteilen müssen, dass Mariannes Bruder Darius gestern Fliss gefolgt war und bisher noch keiner von beiden zurückgekommen war.

Lord Stratford hatte knapp nach der Richtung gefragt, die Fliss eingeschlagen hatte, und war auch schon durch die Hintertür hinaus, kaum dass Bet ihm erschrocken die Information gegeben hatte. Bis Marianne ihre noch feuchten Schuhe angezogen hatte und ihm nachgelaufen war, war er fast schon außer Sicht gewesen und offensichtlich in sehr schlechter Laune. Sie war gezwungen gewesen, auf der gewundenen Straße, die aus der Stadt hinausführte, hinter ihm herzuhetzen, und selbst dann gelang es ihr nur, ihn gerade eben nicht aus den Augen zu verlieren.

Als sie endlich in Hörweite war, erfuhr sie den Grund für seine Eile. Offenbar war es Darius gelungen, Fliss zu kompromittieren, gerade als Lord Stratford im Begriff gewesen war, sie selbst zu heiraten. Aber so verträumt wie Fliss Darius in diesem Moment ansah, glaubte Marianne nicht, dass Lord Stratford ihre Einwilligung bekommen hätte, selbst wenn er rechtzeitig aufgetaucht wäre, um die gestrige Nacht zu verhindern. Der Viscount sagte, dass Fliss kürzlich ein Vermögen geerbt habe, und beschuldigte Darius, ein Mitgiftjäger zu sein. Wie ironisch das doch ist, dachte Marianne, hatte der arme Darius doch so gegen seine Liebe für Fliss angekämpft, weil sie eine arme Gouvernante war und er eine reiche Frau hätte heiraten müssen. Wäre ihre Sorge um Juno nicht so groß gewesen, hätte Marianne sich vielleicht darüber amüsiert zu sehen, wie dem Viscount eine reiche Braut vor der Nase weggeschnappt wurde.

In Gedanken daran musste Marianne lächeln. Sie erinnerte sich an den Ausdruck in Fliss’ und Darius’ Gesichtern, während sie Seiner Lordschaft auf dem Hügel die Stirn boten. Und dann war allen eingefallen, dass Juno noch immer vermisst wurde und wie unwichtig es doch war, wer wen heiraten würde.

Lord Stratford war der Vormund des Mädchens, und er hatte gesagt, dass sich niemand um den Klatsch scheren sollte. Wenn die ganze Welt wusste, dass sie vermisst wurde, brauchten sie sie nur noch zu finden. Und so war jetzt das halbe Dorf auf der Suche nach ihr. Marianne hatte es viel aufreibender gefunden, in Miss Donnes Haus auf Neuigkeiten zu warten, statt aktiv nach dem Mädchen zu suchen, und war froh, als Darius sie bat, nach Owlet Manor zurückzukehren und den Männern seine Befehle für heute zu übermitteln. Dann konnte er in Broadley bleiben.

Marianne schüttelte den Kopf darüber, dass ihr nach so vielen Stunden noch immer deutlich das Bild von Lord Stratford vor Augen stand, wenn sie sich lieber Sorgen um Juno hätte machen sollen. Ihr Mitgefühl für Juno war tief empfunden, denn sie konnte das arme Mädchen sehr gut verstehen. An ihrer Stelle wäre sie auch davongelaufen. Und tatsächlich hatte sie vor Jahren genau das getan, um Daniel zu heiraten. Doch für sie war es ein wundervolles Abenteuer gewesen, das sie nicht allein hatte bestehen müssen, sondern an der Seite ihres Geliebten. In Marianne erwachte in diesem Moment erneut die Trauer über Daniels Tod in der Schlacht von Badajoz vor über zwei Jahren. Bis heute hatte sie seinen Verlust nicht verwunden. Er fehlte ihr jeden Tag, da sie ihn nicht necken, mit ihm zanken und lachen und ihn mit jeder Faser ihres Seins lieben konnte. Wie streng er mit ihr schimpfen würde, wenn sie ihm sagen könnte, dass in ihrem Herzen Leere herrschte! Er würde darauf bestehen, dass sie ihr Leben in vollen Zügen genoss und sich wieder verliebte, dabei war sie in der Nacht, als er starb, mit ihm gestorben.

Marianne schüttelte den Kopf, um die düsteren Gedanken zu vertreiben. Es ging ihr jetzt besser, denn sie hatte sich von der erstickenden Wohlanständigkeit der guten Gesellschaft Baths und dem neuen Heim ihrer Eltern befreit. Als Darius Owlet Manor geerbt hatte, hatte er sie vor ihrer Mutter und den Klatschbasen Baths gerettet. Lieber hätte sie Fußböden geschrubbt, als wieder dorthin zurückzukehren, also täte sie gut daran, jeden Augenblick zu genießen und sich erst über die Zukunft das Hirn zu zermartern, wenn es nicht anders ging.

Jetzt zeigten sich die hohen, kunstvoll geformten Schornsteine von Owlet Manor über den Baumkronen. Sie war fast daheim. Ein schlankes dunkelhaariges Mädchen trat hinter dem größten Baum neben der großen Pforte zum Herrenhaus hervor, die seit mindestens einem halben Jahrhundert nicht mehr geschlossen worden war. Marianne zog so abrupt die Zügel an, dass Robin protestierend schnaubte und den Kopf schüttelte, während sie nur ungläubig das Mädchen anstarren konnte. Hätte sie nicht Lord Stratford gesehen, hätte sie sich gefragt, ob mehr als ein Mädchen in der Gegend herumirrten, denn sie befand sich am völlig falschen Ort. Aber es war ebenso dunkelhaarig wie der Viscount und hatte die gleichen strahlend blauen Augen.

Autor

Elizabeth Beacon
<p>Das ganze Leben lang war Elizabeth Beacon auf der Suche nach einer Tätigkeit, in der sie ihre Leidenschaft für Geschichte und Romane vereinbaren konnte. Letztendlich wurde sie fündig. Doch zunächst entwickelte sie eine verbotenen Liebe zu Georgette Heyer`s wundervollen Regency Liebesromanen, welche sie während der naturwissenschaftlichen Schulstunden heimlich las. Dies...
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