Collection Baccara Band 322

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Die Kellnerin und der Milliardär? Eigentlich unmöglich. Doch als ein Tornado Christinas Snackbar verwüstet, zieht der faszinierende Scott Fortune die junge Frau in seine starken Arme. Und was als Trost beginnt, endet in heißer Leidenschaft …


  • Erscheinungstag 11.12.2012
  • Bandnummer 0322
  • ISBN / Artikelnummer 9783954461912
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Karen Templeton, Katherine Gabera, Leanne Banks

COLLECTION BACCARA, BAND 322

KAREN TEMPLETON

Die Kellnerin und der Milliardär

Eine Naturgewalt bringt sie zusammen: Der Milliardär Scott und die Kellnerin Christina geraten in einen Tornado. Und weil Scott Christina unglaublich sexy findet, elektrisiert sie ihn von der ersten Sekunde an. Verboten unvernünftig! Doch als er merkt, dass sie verletzt ist, kann er nicht anders: Er muss sie beschützen – indem er sie hautnah an sich zieht …

KATHERINE GABERA

Verführ mich in Vegas

„Sie wird meine Frau“, wettet Deacon, ganz fasziniert von der eleganten Schönen, die er auf dem Überwachungsbildschirm seines Casinos entdeckt hat. Als erfahrener Verführer weiß er auch schon, wie. Seine Traumfrau darf nur nichts davon merken – selbst die leidenschaftlichsten, verliebtesten Frauen wollen keinen Mann, der auf sie wettet, das weiß er …

LEANNE BANKS

Affäre mit der sexy Ex

Groß und stark – Erikas Ex, der Verleger Gannon, sieht immer noch wie der Mann aus, den sie sich als Vater für ihr zukünftiges Kind wünscht. Als er ihr einen Job anbietet, schlägt sie einen Deal vor: Er macht ihr ein Baby, dafür bringt sie seine Zeitung an die Spitze. Nur eine kühle Zweckbeziehung? Gannon ist alles, aber nicht kühl – zumindest nicht im Bett …

1. KAPITEL

Musste denn ausgerechnet heute ein Sturm über Texas hinwegfegen? Scott Fortune fand das sehr ärgerlich. Er wollte so früh wie möglich in Atlanta sein und noch einiges im Büro erledigen, bevor das Charity Dinner begann, das Fortune South wie üblich zum Ausklang des Jahres veranstaltete.

Dieser heftige Sturm würde entweder zu Verzögerungen führen – oder den Flug in dem kleinen Privatjet sehr ungemütlich werden lassen.

Während Scott unter dem Vordach der Casa Paloma stand, sah er, wie sich die Bäume im Wind bogen. Der Himmel wurde immer dunkler, und der Regen prasselte auf die kiesbedeckte Auffahrt des exklusiven Ferienhotels. Dort hatte die gesamte Familie Fortune einige Tage verbracht, um an der Hochzeit seiner Schwester Wendy mit Marcos Mendoza teilnehmen zu können.

Doch so schön es gewesen war – jetzt wurde es Zeit, aufzubrechen. Und warum trödelten seine Geschwister noch in der Lobby herum? Ihr Gepäck lag bereits in den beiden Geländewagen, mit denen Javier und Miguel – die Brüder des Bräutigams – sie zum Flughafen von Red Rock fahren würden.

„Willst du mich wirklich schon allein lassen, Scotty?“

Er lächelte, als Wendy zu ihm ins Freie trat, und ihre fröhliche Miene ließ ihn für einen Moment alles andere vergessen. Er freute sich sehr über ihr Glück. „Du bist ja nicht allein. Du hast Marcos. Und bald ein Baby. Glaub mir, ich werde der stolzeste Onkel sein.“

„Dann musst du deine Nichte aber auch häufig besuchen.“

„Natürlich. Wir sehen uns bald wieder. Diesmal kann ich aber nicht länger bleiben. Im Büro wartet viel Arbeit auf mich. Und …“

„Ich weiß.“ Wendy boxte ihn gegen den Arm. „Daddy verlangt, dass seine Söhne und Töchter zu dem Dinner erscheinen, das die Firma sponsert.“

Ja, und niemand wagte es, ihm zu widersprechen.

Nur Wendy – das Nesthäkchen der Familie – war immer aus der Reihe getanzt. Mit ihrem Eigensinn hatte sie ihren Vater schier zur Verzweiflung getrieben. Und während ihre fünf Geschwister schon früh Verantwortung in der Firma übernommen hatten, war Wendy der Meinung gewesen, als reiche Erbin müsse sie nicht arbeiten.

Eine Einstellung, die ihre Eltern gar nicht schätzten. Darum hatten sie vor einem Jahr hart durchgegriffen und die kleine Prinzessin nach Red Rock geschickt. Ohne Kreditkarte, allerdings mit einem Jobangebot – als Kellnerin im Red, dem Restaurant der Familie Mendoza, das von Marcos geleitet wurde.

Die Liebe zu ihm schien Wendy völlig verändert zu haben. Sie war nicht mehr das verwöhnte Millionärstöchterchen, sondern sprach mit Begeisterung von ihrer Arbeit im Restaurant. Ja, sie wirkte rundum glücklich und zufrieden.

Als hätte sie ihren Platz im Leben gefunden, dachte Scott und wünschte sich plötzlich, noch ein wenig in ihrer Nähe bleiben zu können. „Willst du nicht mit uns zum Flughafen kommen?“

Wendy legte die Hände auf ihren Bauch, während sie den Kopf schüttelte. „Meine Ärztin möchte, dass ich mich schone. Und ehrlich gesagt …“, sie grinste, „… euch alle hier zu haben, hat mich ziemlich angestrengt.“

„… ausgeschlossen“, beendete ihr Vater gerade einen Satz, als er in diesem Moment – gefolgt von seiner Frau – durch die breite Tür schritt. „Wenn die Leute tausend Dollar pro Gedeck zahlen, erwarten sie auch, dass die Gastgeber anwesend sind.“

„Ach.“ Virginia Alice Fortune seufzte. „Bei dreihundert Gästen fällt das kaum auf. Es ist ja nicht so, als würden wir ihnen den Lachs persönlich servieren. Der Eventmanager hat alles organisiert.“

„Aber ich muss die Begrüßungsrede halten.“

„Ich würde lieber bei dir bleiben, Schatz.“ Ihre Mom umarmte Wendy, dann tippte sie auf die rosa Tüte, die an einer Kordel von ihrem Handgelenk baumelte. „Danke für die Pralinen.“

Ihr Vater hingegen blieb distanziert wie immer. „Das Baby kommt im März?“

„Ja“, bestätigte Wendy.

„Gut. Dann sehen wir uns.“ Nach diesen Worten fasste er seine Frau am Arm und führte sie zum Wagen.

Das war typisch für John Michael Fortune. Er legte keinen Wert darauf, mit seinen Kindern zu plaudern. Auf seine Rede beim Wohltätigkeitsdinner würde er dagegen niemals freiwillig verzichten.

Nein, denn er war durch und durch Geschäftsmann. Für ihn zählte nur die Firma, sein Ansehen in der Gesellschaft. Der finanzielle Erfolg.

Und der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Zumindest bei den Fortunes, dachte Scott, als der Rest der Familie aus dem Hotel kam.

Sein älterer Bruder Mike, im dunklen Anzug und mit Krawatte, hielt das Handy ans Ohr und führte ein geschäftliches Gespräch.

Seine Schwester Emily und sein Bruder Blake unterhielten sich lebhaft – über die Umsatzzahlen aus dem Weihnachtsgeschäft.

Nur ihre Cousine Victoria scherzte mit Javier und Miguel. Sie hatte die gleichen braunen Locken, das gleiche Temperament wie Wendy. Und sie umarmte Wendy stürmisch, bevor sie Marcos bat: „Pass gut auf sie auf.“

„Versprochen.“ Er blickte seine Frau zärtlich an. „Darum bringe ich sie jetzt ins Kaminzimmer. Hier draußen ist es zu kalt.“

„Ja, wirklich.“ Scott küsste Wendy zum Abschied auf die Wange. „Geht schnell rein. Wir müssen auch los.“

Doch kaum waren die beiden im Hotel verschwunden, hielt ein Jeep mit der Aufschrift Flugschule Redmond hinter Javiers Explorer, und ein Kerl in Cowboystiefeln und Pilotenjacke stieg aus. Scott lächelte, als er Tanner Redmond sah, und reichte ihm die Hand. Als guter Freund der Mendozas und der Fortunes war Tanner auf der Hochzeit gewesen … und er hatte lange mit Jordana getanzt.

Die nirgendwo zu sehen war, wie ihm erst jetzt auffiel.

„Schön, dass ich euch noch erwische.“ Tanner grinste. „Gestern hatte ich laufend Termine, aber ich wollte mich gern verabschieden, bevor ihr fliegt. Obwohl …“ Der frühere Air-Force-Pilot blickte zum Himmel und schüttelte den Kopf.

Oh bitte! Scott schob die Hände in die Taschen seiner Lederjacke. „Sag es nicht.“

Wieder grinste Tanner. „Wer ist der Pilot?“

„Ein Jack Sullivan.“

„Den kenne ich gut. Ist ein erfahrener Mann. Geht kein unnötiges Risiko ein. Und das Wetter wird besser … vielleicht.“

„Danke“, erwiderte Scott ironisch.

Tanner schlug ihm lachend auf die Schulter, bevor er zu Blake und Emily hinüberging, die neben dem luxuriösen SUV standen, in dem ihre Mutter saß.

„Weiß jemand, wo Jordana ist?“, fragte Scott in die Runde.

„Ich bleibe hier.“ Seine mittlere Schwester trat aus dem Hoteleingang. Sie trug Jeans und eine Tunika und hatte ihr dunkelblondes Haar wie üblich zum Pferdeschwanz gebunden. Obwohl sie einen fantastischen Job in der Firma machte, war Jordana nicht so modebewusst wie ihre Schwestern. Oder so selbstsicher.

„Unsinn.“ Ihr Vater, der neben Tanner an dem Geländewagen stand, blickte sie streng an. „Natürlich kommst du mit.“

„Nein, ich … hab dir doch schon gesagt, dass ich bei dem Wetter nicht fliege. Erst recht nicht in so einer Blechbüchse.“

„Ein Learjet ist keine Blechbüchse.“

„Tut mir leid, Daddy.“ Ihr Gesicht rötete sich. „Aber ich werde nicht in diese kleine Maschine steigen.“

Scott wusste, wie sehr Jordana unter Flugangst litt. Und bei diesem Sturm … „Sie kann doch morgen nachkommen“, unterstützte er sie. „Mit einem Linienflug. Wenn das Wetter besser ist.“

Tanner sprach leise mit John Michael und bekam ein Nicken zur Antwort. Nun gab auch ihr Vater nach. „Gut, wir erwarten dich morgen, Jordana.“

Scott atmete auf. Konnte die Fahrt jetzt endlich losgehen?

Sobald alle anderen eingestiegen waren, setzte er sich auf den Beifahrersitz des Escalade, des großen Geländewagens, den die Fortunes gemietet hatten. Javier ließ den Motor an und meinte: „Sind nur zehn Meilen bis zum Flughafen. Bei dem Sturm könnten wir jedoch länger brauchen. Falls Bäume umgeknickt sind …“

Na toll! Scott ahnte es – seine Arbeit im Büro würde er wohl morgen erledigen müssen. Er winkte Jordana zu, als sie abfuhren. Tanner sagte etwas zu ihr und deutete auf die offene Tür. Vermutlich hatte er vorgeschlagen, dass sie hineingingen in die angenehm warme Lobby.

„Toller Wagen“, schwärmte Javier. „Anders als meine alte Karre.“

„Ich fürchte, das wird uns bei diesem Wetter nicht viel nützen.“

Es regnete in Strömen, der Wind wirbelte Blätter und Zweige durch die Luft. Und außer dem Geräusch der Scheibenwischer hörte Scott, wie Mike und sein Vater, die hinter ihm saßen, zu telefonieren begannen – geschäftlich.

„Madre mia!“ Javier deutete auf die schwarzen Wolken. „Da braut sich was zusammen. Wie gut, dass es nur regnet und nicht schneit.“

„Allerdings.“

„Machst du dir Sorgen um deine Schwester?“

„Warum sollte ich?“, fragte Scott überrascht. „Sie hätte keinen besseren Mann finden können als deinen Bruder. Davon sind wir alle überzeugt.“

Javier lachte. „Das gilt umgekehrt genauso. Wendy ist ein Schatz. Wir alle lieben sie. Aber ich meinte die andere Schwester, die im Hotel geblieben ist. Jordana.“

„Ach, sie kommt gut klar. Jordana ist eine intelligente junge Frau.“

„Glaube ich. Nur … ein bisschen schüchtern? Im Gegensatz zu Wendy.“

Scott grinste. „Verglichen mit Wendy ist jeder schüchtern. Und wer weiß … noch so ein Wirbelwind in der Familie? Wäre wohl schwer zu ertragen gewesen.“

Sie plauderten über dies und jenes, während der Regen aufs Dach trommelte. Nach einigen Meilen wurde die Sicht jedoch so schlecht, dass Javier sich auf die Straße konzentrieren musste.

Scott nutzte die Gelegenheit, um seine Nachrichten auf dem iPhone abzurufen. Zwischen Weihnachten und Neujahr kam die Geschäftswelt zur Ruhe, aber irgendwer meldete sich garantiert mit einem Problem, sogar an den Feiertagen.

Er hörte, wie seine Mutter etwas fragte und sein Vater schroff antwortete. Wie üblich. Es interessierte John Michael nicht, was seine Frau wollte. Er war in Gedanken in der Firma. Oder er feilte an seiner Rede!

Na ja, Scott kannte es nicht anders. Darum hatte er die Beziehung seiner Eltern immer für normal gehalten. Bis er Wendy und Marcos zusammen erlebt hatte.

Die beiden strahlten vor Glück, respektierten sich gegenseitig und sorgten liebevoll füreinander. Wie man es sich nur wünschen konnte, oder?

Darum überlegte Scott auch – und nicht zum ersten Mal –, warum seine Eltern fünfunddreißig Jahre lang verheiratet geblieben waren. Aus Loyalität? Gewohnheit? Jeder in der Familie spürte, wie angespannt ihr Verhältnis war. Obwohl … sein Vater bemerkte es vermutlich nicht. Der lebte in seiner eigenen Welt.

Und eins ließ sich nicht leugnen – die Söhne schlugen ganz nach ihm. Sie waren ebenso ehrgeizig wie er, dachten schon vor dem Frühstück an Umsatzzahlen und Bilanzen, und auch bei ihnen drehte sich alles nur um die Firma.

Da blieb kaum Zeit für romantische Stunden. Scott genoss die Gesellschaft von Frauen, natürlich. Er hatte Freundinnen gehabt … Dates, aber nie eine ernsthafte Liebesbeziehung. Er hatte dies auch nie gewollt. Sich verlieben, heiraten, eine Familie gründen, das gehörte nicht zu seiner Lebensplanung.

Sein Handy klingelte. „Scott Fortune.“

„Mr Fortune, gut, dass ich Sie erreiche. Hier ist Jack Sullivan. Ihr Pilot.“

„Ja. Was kann ich für Sie tun?“

Er lachte hölzern. „Nichts, leider. Ich habe schlechte Nachrichten für Sie – der Regen hat hier einige Straßen überflutet. Darum werde ich mich verspäten.“

„Heißt das, Sie sind auf dem Weg zum Flugplatz?“

„Ja. Ich werde bald da sein, machen Sie sich keine Sorgen. Ich brauche nur viel länger, als ich dachte.“

„Und wie lange?“

„Schwer zu sagen. Vielleicht sehen wir uns in einer halben Stunde. Oder in einer. Aber solange es dermaßen stürmt, bleibt der Jet ohnehin am Boden. Also, Sie fahren bitte in aller Ruhe zum Flughafen, setzen sich dort in die Lounge, und falls wir Glück haben, ist der Himmel klar, wenn ich eintreffe. Denn hundert Meilen östlich von hier scheint bereits wieder die Sonne.“

„Okay. Verstanden.“ Scott beendete das Gespräch.

„Gibt’s ein Problem?“, fragte Mike hinter ihm.

„Der Pilot verspätet sich.“ Als Mike verächtlich schnaubte, fügte er hinzu: „Der Mann kann nichts dafür. Die Straßen sind überflutet.“

Wie aufs Stichwort wurde der Wagen von einer Orkanböe erfasst und beinahe von der Straße gefegt – sodass Javier die Fahrt verlangsamen musste.

„Mann“, schimpfte er, „bei dem Wetter möchte ich auch nicht fliegen. Ich glaube, Jordana ist die Klügste von euch. War ’ne gute Idee von ihr, im Hotel zu bleiben.“

Wahrscheinlich. Aber Scott wollte nach Atlanta. Heute. Und genau wie sein Vater oder Mike hasste er es, wenn nicht alles nach seinen Wünschen verlief.

Schließlich war auch er ein Fortune. Und die Fortunes akzeptierten kein Nein.

Niemals.

Aha, da sind die illustren Gäste, dachte Christina Hastings, als einige gut gekleidete Leute in die Wartehalle des kleinen Flughafens traten. Die drei Damen in eleganten Mänteln und mit edlen Handtaschen.

Sei nicht neidisch, ermahnte sie sich. Auch wenn du hinterm Tresen einer Snackbar stehst, und sie first class durch die Welt reisen.

Nein, von so einem Luxus träumte sie gar nicht. Ihre Wünsche und Ziele sahen anders aus. Sie war stolz darauf, alles allein zu schaffen. Und dankbar für das, was sie hatte. Diesen Job, zum Beispiel. Denn wie sollte sie sonst ihre Miete zahlen?

Darum hatte sie ihren freien Tag geopfert und stand hier, falls jemand ein Sandwich wollte oder ein Fläschchen des völlig überteuerten Mineralwassers.

Die Fortunes könnten es sich ja leisten. In Red Rock hatte wohl jeder von der Hochzeit gehört, die im Red gefeiert worden war. Dem Restaurant der Mendozas, das Christina nur von außen kannte.

Und jeder wusste, dass die Familie der Braut einen Learjet gechartert hatte, um zurück nach Atlanta zu fliegen. Ob der Start allerdings möglich sein würde …

Als Christina durch die hohe Glaswand blickte, sah sie nur dunkle Wolken und den Regen, der aufs Rollfeld prasselte. Seit Stunden das gleiche Bild! Gott, war es hier heute langweilig.

Auf diesem privaten Flugplatz ging es oft ruhig zu, aber der heftige Sturm hatte den Betrieb komplett zum Erliegen gebracht. Und bei dem schlechten Wetter kam natürlich kein einziger Besucher. Ja, sogar die Büros auf der Empore des zweistöckigen Gebäudes wirkten verlassen.

„Hi. Was können Sie denn heute empfehlen?“

Christina lächelte die rothaarige Stewardess an. „Ein Truthahnsandwich?“

„Bitte. Und eine Diät-Cola.“

„Begleiten Sie die Gruppe?“

„Ja. Nach Atlanta. Die Fortunes. Der Ältere ist der Vater, die Jüngeren die Söhne.“

Die vier Männer waren hochgewachsen, dunkelhaarig, attraktiv. Sie sahen sich sehr ähnlich. Und alle vier blickten wie gebannt auf ihre iPods, Smartphones oder was auch immer, während sie dort standen.

Die Frauen gingen zur Lounge hinüber, die sich unterhalb der Empore befand.

„Die schlanke silberhaarige Dame ist Mrs Fortune. Die mit dem langen blonden Haar wohl ihre Tochter“, meinte die Stewardess. „Nur bei dem braunen Lockenkopf bin ich mir nicht sicher.“

Christina reichte ihr das Sandwich und die Cola, während sie den Blick zu den Brüdern wandern ließ. Einer von ihnen war gekleidet, als habe er einen Termin beim Präsidenten. Der Nächste trug ein sportliches Sakko und Jeans. Der Dritte eine coole Lederjacke zu einer schwarzen Hose.

„Bis zum nächsten Mal“, verabschiedete sich die Stewardess, sobald sie bezahlt hatte. „Ich setze mich zu Mrs Fortune. Sie ist nervös wegen des Sturms. Vielleicht kann ich sie beruhigen. Bei Orkan starten wir ja nicht.“

Die junge Frau mit den braunen Locken schien ebenfalls nervös zu sein. Sie sprang vom Sessel auf, ging quer durch die Halle und blickte in die Schaukästen mit den Miniaturflugzeugen. Nur, um sogleich in die Lounge zurückzukehren, wo nun auch der ältere Mann und einer der Söhne Platz nahmen.

Zwei weitere junge Männer brachten Gepäck herein, das sie an der Tür zum Vorfeld abluden. Einer von ihnen lächelte Christina zu, bevor er wieder hinausging. Der einzige Lichtblick an diesem trüben Tag!

Was sollte sie eigentlich hier, wenn sie kaum Umsatz machte?

Da wäre es doch schöner gewesen, zu Hause auf dem Sofa zu sitzen, mit Gumbo, ihrem Hund, und sich an ihrem kleinen künstlichen Weihnachtsbaum zu erfreuen – das war ihr Programm für morgen, den Silvesterabend.

Ja, ihr Leben könnte nicht aufregender sein.

Es donnerte laut, der Regen klatschte gegen die Glaswand und …

„Hallo? Ich hätte gern einen Espresso.“

Als Christina herumwirbelte, blickte sie in die braunen Augen eines Mannes. Ah. Der in der Lederjacke. Er wirkte verärgert.

Was nichts daran änderte, dass er umwerfend aussah. Er hatte ein markantes Gesicht, sinnliche Lippen … Und du wirst nicht fürs Träumen bezahlt! „Tut mir leid, wir haben nur einfachen Kaffee. Oder entkoffeinierten.“

„Das ist ja nicht gerade ein guter Service.“

So, so. Er war der attraktivste Kerl, den sie je gesehen hatte – doch reichlich schroff und verdammt anspruchsvoll, oder?

Du bist hier nicht bei Starbucks, Junge. Andererseits … sie gab ihm ja recht. Und sollte sie einem Mann böse sein, der eine süße rosa Tüte mit sich herumtrug, als wäre darin ein Schatz? Sie musste lächeln.

„Glauben Sie mir, seit ich hier arbeite, erzähle ich meinem Chef, dass wir eine Espressomaschine brauchen. Aber er …“ Christina zuckte zusammen, als plötzlich Hagel aufs Stahldach prasselte.

Ihr Gast blickte grimmig nach draußen.

„Ist gleich wieder vorüber“, meinte sie. „Dann kann Ihr Flugzeug starten. Was darf ich Ihnen einschenken? Normalen Kaffee oder entkoffeinierten?“

Er verzog das Gesicht. Und das, bevor er die Köstlichkeit probiert hatte. Es war sinnlos, von Espressomaschinen zu reden. Wenn Jimmy nicht mal bereit war, anständigen Bohnenkaffee zu kaufen.

„Normal. Schwarz.“

Christina füllte einen Becher und stellte ihn auf die Granitplatte des Tresens. „Ein Dollar fünfzig. Die Stewardess sagte, Sie gehören alle zu einer Familie?“

„Ja. Wir waren zur Hochzeit meiner Schwester hier.“

„Wie schön. Sie sind aus Atlanta, richtig?“

Jetzt zog er die Stirn kraus, als würde ihn der Smalltalk nerven. Tja, sein Pech. Sie brauchte die Unterhaltung mit ihren Gästen, um nicht an Einsamkeit zu ersticken. Gumbo war ein lustiger Hund, nur antwortete er selten.

Der Mann blickte auf, als das laute Prasseln über ihnen abrupt stoppte.

„Na, habe ich zu viel versprochen? Es hagelt nicht mehr. Und gleich kommt die Sonne raus.“ Sie könnten wirklich mal lächeln, wenn ich hier Optimismus verbreite.

Er sah ihr in die Augen und – was war das denn? Woher kam denn plötzlich dieses wohlige Prickeln?

Er blieb jedoch völlig unbeeindruckt, wirkte aber beunruhigt, als sein Handy klingelte. Er meldete sich mit „Scott Fortune“, gab ihr einen Zwanzigdollar-Schein und wandte sich zum Gehen.

Muss ja nett sein, wenn man zwanzig Dollar wie zwanzig Cent behandeln kann, dachte Christina. „Warten Sie bitte! Ihr Wechselgeld …“

Ein lautes, unheimliches Heulen ließ sie augenblicklich erstarren. Scott drehte sich zu ihr um, suchte ihren Blick, und sie sah das Erschrecken in seinen Augen – bevor die fünf Meter hohe Glaswand zersprang und die Hölle über sie hereinbrach.

2. KAPITEL

Als Scott wieder zu Bewusstsein kam, hörte er den gellenden Schrei einer Frau. Sein Herz hämmerte, obwohl er reglos dalag. Seine Augen waren noch geschlossen, seine Ohren dröhnten. Und er versuchte, sich zu erinnern – da schrie sie erneut.

Wie sollte er dabei nachdenken können? „Was … was ist los?

Einen Moment lang herrschte eine himmlische Ruhe. Dann hörte er: „Ich dachte, Sie wären tot.“

Diese heisere Stimme … ah. Die Kellnerin. Sie beide waren in der Snackbar … „Nein. Ich …“ Er musste husten, weil ihm Staub in die Kehle drang. Hastig schob er sich den Kragen der Lederjacke über Mund und Nase, öffnete die Augen – und nun erfasste ihn die Panik. Er war unter Trümmern begraben … nur durch einige wenige Spalten drang Licht zu ihm.

Mit bebenden Fingern tastete er nach seinem Telefon, doch vergebens. Er hatte es verloren!

„Äh, sind Sie … okay?“, fragte die Frau. „Ich meine, k…können Sie mir helfen? Ich stecke hier fest.“

Adrenalin schoss ihm ins Blut. „Ja, ich komme.“ Scott setzte sich auf. „Wo sind Sie?“

„In Ihrer Nähe. Ich kann Sie sehen. Als dunklen Schatten jedenfalls.“

Sie hatten wohl Glück im Unglück gehabt, denn sie befanden sich in einer Art Höhle. Die allerdings nicht sehr hoch war. Als Scott sich weiter aufrichten wollte, stieß er sich den Kopf. Also kroch er auf allen vieren in die Richtung, aus der die Stimme kam. „Wie lange war ich bewusstlos?“

„Vielleicht einige Minuten. Erinnern Sie sich an den Tornado? Der hat das ganze Flughafengebäude zerstört.“

„Oh ja.“ Das grausige Heulen des Windes würde er bestimmt nie vergessen. Oder wie plötzlich die Glaswand zerborsten war.

„Gut so. Noch einen halben Meter.“

Und endlich war er bei ihr. Die junge Frau hatte sich rückwärts auf die Unterarme gestützt und den Kopf gegen – den Sockel des Tresens? – gelehnt, während ihre Beine unter einem Haufen von Trümmern steckten.

„Haben Sie Schmerzen?“, fragte Scott besorgt.

„Nein. Aber ob das ein gutes Zeichen ist? Ich kann die Beine ja nicht bewegen. Und …“ Im schwachen Licht war zu erkennen, wie sie eine Grimasse zog.

Er streichelte ihre Schulter. „Es wird alles gut.“

„Ja. Nur … ich will hier raus.“

„Sofort“, murmelte Scott, während er begann, die leichteren Dinge wie Holzlatten, Schutt und Glasscherben zu entfernen. Das Problem war jedoch ein anderes. Und obwohl er seit Jahren im Fitnessstudio Gewichte stemmte – die Granitplatte, die über den Beinen der jungen Frau lag, konnte er nicht anheben.

Er versuchte es wieder und wieder, seine Schultermuskeln brannten höllisch, aber er hatte keine Chance. „Verflucht noch mal! Warum haben die echten Granit für den Tresen verwendet?“

Sie seufzte. „Aber eine Espressomaschine gab’s nicht. Das muss man sich mal vorstellen.“

„Wie schaffst du es, in dieser Situation ironisch zu sein?“ Aus den Trümmern über ihnen rieselte Staub auf sie beide herab, doch vor allem knarrte es da oben recht bedrohlich.

„Wäre es Ihnen lieber, wenn ich vor Verzweiflung schreie?“

„Oh nein. Ich heiße übrigens Scott. Lassen wir die Förmlichkeiten, okay?“

„Christina. Hastings.“

Er setzte sich neben sie, nahm ihre Hand und streichelte sie tröstend mit dem Daumen, als sie ihre Finger fest um seine schloss. „Hast du Angst, Christina?“

„Natürlich habe ich Angst, wenn ich dem Tod ins Auge blicke.“

„Wir werden nicht sterben.“

„So?“ Ihre Stimme zitterte. „Heute scheint mein absoluter Pechtag zu sein. Eigentlich hätte ich freigehabt … gemütlich auf dem Sofa sitzen können. Doch jetzt stecke ich in diesem Trümmerhaufen fest.“

Ihr musste ja kalt sein. Scott ließ ihre Hand los, um aus der Lederjacke zu schlüpfen.

„Nein, das ist nicht nötig.“

„Ich habe einen Pullover an. Du nicht. Also keine Widerrede. Kannst du dich etwas aufsetzen?“ Als Christina es tat, half er ihr in die Jacke, dann zupfte er behutsam ihren langen blonden Zopf heraus.

„Danke.“

„Gern.“ Scott ließ den Blick durch die enge düstere Höhle wandern. Von draußen hörte man den Regen. Sonst nichts. „Ist irgendwie … unwirklich.“

„Ja. Vor allem, da es bei uns noch nie einen Tornado gegeben hat. Nur weiter im Norden oder im Westen von Texas. Aber …“

„Ausgerechnet heute.“ Es schien auch sein Pechtag zu sein. „Mein iPhone ist verschwunden. Hast du ein Handy?“

„In meiner Handtasche.“

„Und die ist wo?“

„Keine Ahnung. Sei bitte einen Moment still.“

Scott blickte auf ihr Gesicht. Christina hatte die Augen geschlossen. „Was machst du?“

„Ich bete. Versuche es jedenfalls.“

„Glaubst du wirklich, das könnte uns helfen?“

„Wir werden es nicht herausfinden, wenn du mich weiter störst.“

„Ist dein Kopf in Ordnung?“

„Wieso? Hältst du mich für verrückt, weil ich bete?“

„Nein. Falls dir ein herumfliegendes Teil gegen den Kopf geprallt ist, könntest du eine Gehirnerschütterung haben. Dann solltest du nicht einschlafen.“

„Oh. Danke. Aber der Kopf tut mir nicht weh. Nicht mehr als sonst.“

Ein gedämpftes Geräusch aus der Ferne ließ Scott zusammenzucken. Du lieber Himmel! Wie hatte er vergessen können …?

Hastig kroch er zu der Wand aus Trümmern, die ihn von seiner Familie trennte. „Blake! Mike!“ Er riss ein Brett heraus, und schon rieselten Staub und feiner Schutt auf sie beide herab. „Dad! Kannst du mich hören?“

„Um Gottes willen, lass das!“, fuhr Christina ihn an. „Oder willst du riskieren, dass uns der ganze Schrott auf den Kopf fällt?“

„Nein, aber …“ Er schluckte hart. „Ich habe Angst um meine Familie. Die sind da drüben irgendwo … und vielleicht verletzt.“

„Es wird alles gut.“

Er kroch zu Christina zurück und setzte sich neben sie. „Glaubst du?“

„Natürlich kommt Hilfe. Man wird uns hier finden. Wir müssen nur geduldig warten.“

„Für jemanden, der eben noch meinte, dem Tode ins Auge zu blicken, bist du erstaunlich ruhig.“

„Ich habe mich wieder gefangen. Oder stehe unter Schock. Schwer zu sagen.“

Scott blickte sie an. Es war hier so dunkel, dass er ihr Gesicht nur undeutlich sah. Er konnte sich jedoch bestens an die hübsche Kellnerin erinnern. An ihr Lächeln, ihre nette Art, das humorvolle Funkeln in ihren blauen Augen.

Und an seine schlechte Laune. „Tut mir leid, wenn ich vorhin unfreundlich war. Nur weil es keinen Espresso gab.“

„Vergeben und vergessen.“

„Ich war nur sauer, weil der Sturm immer heftiger wurde. Ich wollte unbedingt nach Atlanta zurück.“

„Ich hatte mir diesen Abend auch anders vorgestellt.“

Also, er bewunderte Christina mit jeder Sekunde mehr. Die meisten Frauen, die er kannte, wären längst hysterisch geworden.

Seine Haut war mit Mörtelstaub bedeckt, sein Mund ausgetrocknet und ihm brannten die Augen. Bei ihr musste es ebenso sein. Dazu steckte sie unter der Granitplatte fest. Sie konnte ihre Füße nicht bewegen, würde nicht mal ausweichen können – falls die Trümmer über ihnen einstürzten. Trotzdem blieb sie ruhig und gefasst.

Ja, diese zierliche Frau ist wirklich bewundernswert, dachte Scott.

Und sollte er jemals wieder in eine so schreckliche Situation geraten, dann bitte nur mit der tapferen Christina Hastings.

„Erzähl mir von deiner Familie“, bat sie. „Es würde mich ein wenig ablenken.“

„Gut.“

Er brachte sie zum Lachen.

Ließ sie die Gefahr vergessen. Na ja, nicht wirklich. Es half Christina jedoch sehr, dass Scott an ihrer Seite blieb. Er hatte einen Arm um sie gelegt und erzählte und erzählte.

Dafür war sie ihm unendlich dankbar.

Er schien ein wunderbarer Mann zu sein. Hilfsbereit und fürsorglich. Humorvoll, obwohl er auf den ersten Blick so ernst gewirkt hatte. Und nur ihr zuliebe plauderte er seit Stunden über seine Familie.

So lebhaft, dass Christina fast meinte, die Fortunes persönlich zu kennen.

Allerdings … wenn Scott von seiner Kindheit erzählte, spürte sie, dass es für ihn nicht immer lustig gewesen sein konnte, mit fünf Geschwistern aufzuwachsen. Doch vor allem mit diesem Vater.

Schon die eine Geschichte sagte ihr das: Scott und sein Bruder Mike hatten jeder einen Limonadenstand errichtet. Als Konkurrenzunternehmen! Früh übt sich, wer ein guter Kaufmann werden will. Und der Vater hatte den elfjährigen Mike dafür gelobt, dass er Scott – der erst neun gewesen war – die Kunden weggeschnappt hatte.

Das musste den kleinen Jungen tief enttäuscht und gekränkt haben.

Mike ließ wohl nie eine Gelegenheit aus – weder damals noch heute –, um zu beweisen, dass er cleverer und erfolgreicher war als sein jüngerer Bruder.

Und der Vater schien nur Sieger zu mögen. Wer auf dem zweiten Platz landete, war in seinen Augen wohl schon ein Loser.

Das hatte Scott nicht gesagt, doch Christina hörte es aus seinen vielen kleinen Geschichten heraus.

Sie nahm auch an, dass Scott sich wahnsinnig bemühte, um die Anerkennung seines Vaters zu bekommen. Da konnte sie mitreden. Niemand wusste besser als sie, wie es war, sich nach der Liebe eines Elternteils zu sehnen.

Aber gütiger Himmel! Mr Fortune schien seine Kinder ja früh auf Erfolg getrimmt und sie auch noch zu Rivalen erzogen zu haben. Wenn er immer nur den Besten lobte. Von Teamgeist hielt der Mann wohl nicht viel.

Umso erstaunlicher, dass Scott über niemanden ein böses Wort verlor, sondern sehr freundlich und liebevoll von seinen Geschwistern sprach.

„Ist es nicht schwierig, wenn ihr alle bei eurem Vater arbeitet?“

„Nein. Fortune South ist ja ein großer Konzern. Jeder von uns hat seinen eigenen Bereich. Nur … Mike und ich kommen uns häufiger in die Quere. Liegt wohl daran, dass wir die beiden ältesten Söhne sind.“

Und um die Gunst des Vaters wetteifern, fügte sie in Gedanken hinzu.

Es wurde immer kälter in dieser dunklen Höhle. Christina spürte Schmerzen in ihrem linken Bein und war froh, als Scott sich noch enger an sie schmiegte. Denn sie brauchte seine Wärme, seinen Trost. Ja, ohne diesen Mann wäre sie hier schon längst vor Angst gestorben.

„Du hast mir alles Mögliche über die Firma erzählt. Was macht ihr denn gern in der Freizeit?“

„Freizeit?“

„Um Spaß zu haben.“

„Wir … gehen oft zu Veranstaltungen.“ Sein Akzent war der eines privilegierten Südstaatlers, seine Stimme betörend, tief und rau. Eine verführerische Kombination. „Wohltätigkeitskonzerte, festliche Abendessen.“

„Klingt langweilig.“

„Ist es.“

„Scott, ich sagte Spaß. Was bereitet dir Freude?“

„Die Arbeit.“

„Okay. Und sonst? Was unternimmst du und fühlst dich wohl dabei? Nicht gelangweilt, sondern glücklich.“

„Hm. Ich weiß nicht. Wann fühlst du dich wohl?“

Sie überlegte. „Wenn … ich auf einem Jahrmarkt bin und jede Menge Schmalzgebäck essen kann. Und Zuckerwatte. Oder im Sommer abends auf der Veranda sitze und Leuchtkäfer beobachte.“

„Klingt auch nicht besonders aufregend.“

„Na, entscheidend ist ja, ob es mir gefällt.“

„Ich war noch nie auf einem Jahrmarkt.“

„Glaube ich dir nicht.“

„Stimmt aber. Und ehrlich gesagt … mein einziges Vergnügen besteht darin, die Umsatzzahlen zu steigern.“

„Oje!“

„Das ist wichtig, Christina. Es geht ja nicht nur um unser Geld. Bei Fortune South arbeiten Tausende von Menschen. Die brauchen ein sicheres Einkommen.“

„Oh, du musst dich nicht verteidigen. Ich finde es nur bedauerlich, wenn du an nichts Freude hast – außer an deiner Arbeit. Gönn dir doch hin und wieder mal einen freien Tag. Genieße dein Leben.“

„Du erinnerst mich an Wendy, meine jüngste Schwester.“

„Die von deinen Eltern nach Red Rock geschickt wurde, weil sie die beiden zur Verzweiflung getrieben hatte?“

„Genau die.“

„Magst du sie von all deinen Geschwistern am liebsten?“

„Ja. Aber wage es nicht, ihr das zu verraten.“

„Dein Geheimnis ist bei mir gut aufgehoben.“ Christina zögerte. „Und ich fühle mich sehr geschmeichelt.“

Scott lachte. „Jetzt erzähl mir von deiner Familie.“

„Da gibt es nicht viel. Mein Vater hat uns verlassen, als ich ein Jahr alt war, ist nie wieder aufgetaucht. Und zu meiner Mutter habe ich kein inniges Verhältnis.“

„Das tut mir leid.“

„Mir auch.“

„Hast du Geschwister?“

„Nein. Aber einen Hund … oh, mein Gott!“ Plötzlich stiegen ihr die Tränen in die Augen. „Ich weiß ja gar nicht, wie es ihm geht. Wenn ihm etwas passiert ist …“

Der Tornado könnte überall gewütet haben. Vielleicht war Gumbo verletzt worden, lag jetzt irgendwo … allein und brauchte Hilfe, hatte Schmerzen. Oh, ihr armer Liebling. Christina musste weinen, ob sie wollte oder nicht.

Scott drückte sie tröstend an sich. „Wie heißt er?“

„G…gumbo. Er ist ein Mischling. Sieht lustig aus. Der Hund ist dumm wie Stroh, ich schwöre es.“ Sie lachte zittrig. „Aber er gehört mir, und ich liebe ihn.“

„Ist niemand da, der sich um ihn kümmern könnte?“

„Meine Vermieterin. Doch wenn ihr Haus in Trümmern liegt?“

„Ach, du darfst jetzt nicht den Mut verlieren“, meinte Scott. „Wollen wir hoffen, dass wir bald gerettet werden und es draußen nicht allzu schlimm aussieht.“

Sie horchte. „Es hat aufgehört zu regnen.“

„Ja. Ich schätze, wir haben eine sternenklare Nacht. Und Vollmond.“

Darum war es hier unten etwas heller geworden. „Wir sollten das Licht nutzen. Ich würde so gern einen Schluck Wasser trinken.“

„Ich auch.“

„Gleich neben dem Tresen stand ein Kühlschrank mit Snacks und Getränken. Vielleicht findest du ihn?“

„Bin schon auf dem Weg.“

Scott verschwand. Nach einigen Minuten hörte sie: „Wow! Ich habe mein Telefon wieder. Obwohl … Mist! Keine Verbindung. Aber … es reicht als Taschenlampe. Um in den Kühlschrank zu leuchten. Der lässt sich öffnen … ist noch gut gefüllt. Keine Angst, Christina, ich bin gleich wieder bei dir.“

Sie musste lächeln. Der Mann war ein Schatz.

Er kam mit zwei Flaschen Wasser und einigen Snacks zurück. „Sieh mal, was ich noch gefunden habe. Mein Geschenk.“

„Die rosa Tüte?“

„Ja.“ Er leuchtete mit dem Telefon hinein. „Handgeschöpfte Pralinen und selbst gebackene Kekse. Von Wendy. Sie hat ihr Talent als Patissière entdeckt. Seitdem ist Marcos’ Restaurant für die exquisiten Desserts bekannt, die sie kreiert.“

„Hört sich gut an.“ Christina griff sich ein Sandwich.

„Die Süßigkeiten sind auch für dich. Bitte. Ich nasche nicht gern. Doch eher beiße ich mir die Zunge ab, als Wendy das zu verraten. Sonst glaubt sie noch, ich würde ihre Arbeit nicht schätzen.“

Christina trank durstig von dem Wasser und aß das Sandwich. Dann suchte sie sich eine Praline aus. Hmm … sie ließ die Schokolade auf der Zunge schmelzen. Cremig, sahnig, süß. Himmlisch. Noch nie hatte sie etwas so Köstliches probiert.

Wie auch? Sie liebte Schokolade. Für sie war es jedoch schon purer Luxus, sich hin und wieder echte Oreo-Kekse leisten zu können.

„Wundervoll.“ Sie stellte die Tüte zur Seite.

„Bitte. Nimm dir, so viel du möchtest.“

Und das hatte noch nie jemand zu ihr gesagt. „Danke. Eine Praline reicht.“

Ja, Christina wollte gar nicht erst auf den Geschmack kommen. Sonst träumte sie bald von Dingen, die sie nicht haben konnte, und wäre total frustriert. Ihre Lage war auch so bitter genug. Würde sie neue Arbeit finden? Existierte ihre Wohnung noch? Würde sie ihre Beine bewegen können?

Oder würde sie in diesem Trümmerhaufen sterben, bevor man sie hier fand?

Ihr grauste bei dem Gedanken, die ganze Nacht in dieser feuchten, kalten Höhle ausharren zu müssen.

Scott schien das zu spüren. „Du zitterst ja.“ Er nahm sie sanft in die Arme. „Ich wärme dich. Okay?“

„Ja.“ Christina schmiegte die Wange an seinen weichen Pullover. Sie spürte die harten Muskeln darunter, genoss seine Nähe und fühlte sich getröstet und geborgen in seinen Armen. In diesen Kerl könnte sie sich glatt verlieben.

Nur wäre das sehr dumm von ihr. Oh ja! Noch viel dümmer … und gefährlicher, als von seinen köstlichen Pralinen zu naschen.

Scott konnte sich nicht daran erinnern, schon mal eine wildfremde Frau getröstet zu haben. Doch seltsamerweise war Christina ihm gleich so vertraut gewesen. Er hatte einfach das Bedürfnis, sie zu beschützen. Er hielt sie gern in den Armen und empfand eine unbeschreibliche … Zärtlichkeit für sie.

Besonders, wenn sie sich an ihn kuschelte. „Besser so?“

„Wunderbar.“ Sie rieb über seine Brust – sofort überlief ihn ein warmer Schauer. „Was ist das? Kaschmir?“

„Seide und Lambswool. Ein Weihnachtsgeschenk von Wendy.“

„Das Mädchen hat einen guten Geschmack.“

„Absolut.“ Scott streichelte ihre Schulter. „Erzähl mir von dir … wer ist Christina Hastings, wenn sie nicht am Flughafen steht und lausigen Kaffee ausschenkt?“

Sie lachte. „Du hast ihn probiert?“

„Leider. Also? Was sind deine Wünsche und Ziele?“

„Ach, damit würde ich dich nur langweilen.“

„Nein, es interessiert mich wirklich. Bitte.“

„Gut. Als Erstes … möchte ich meine Ausbildung zu Ende bringen. Nach der Highschool habe ich … etwas anderes gemacht. Ich war schon einundzwanzig, als ich mit dem College anfing. Betriebswirtschaft. Da ich arbeiten muss, kann ich pro Semester nur wenige Kurse belegen. So brauche ich eine Ewigkeit, doch was soll’s?“

„Du hast niemanden, der dich unterstützt?“

„Nein. Aber … ich hoffe, dass ich im nächsten Jahr meinen Abschluss schaffe. Irgendwann hätte ich gern … ein eigenes Geschäft.“

„Und zwar?“

Sie seufzte. „Es ist … zu albern für jemanden wie dich.“

„Christina. Ich höre dir fasziniert zu.“

„Und wehe, du lachst. Ich würde gern einen Hundesalon eröffnen. Na ja … viel lieber hätte ich eine Tierpension. So eine Art Wellnessfarm, weißt du? Wo ich die Hunde und Katzen verwöhnen kann, während ihre Besitzer im Urlaub sind. Dafür bräuchte ich allerdings ein großes Haus mit Garten. Darum werde ich mir diesen Traum wohl erst in vielen, vielen Jahren erfüllen können.“

„Wieso?“

„Ich habe nicht das nötige Startkapital.“

„Du könntest einen Kredit aufnehmen.“

„Aha. Würdest du mir Geld leihen? Meine Bank tut es nicht, weil ich keine Sicherheiten habe.“

„Zeig mir deinen Businessplan, dann verhandeln wir.“

„Das sagst du nur aus Freundlichkeit, weil du meinst, dass wir hier sterben.“

„Wir überleben diese Nacht, Christina.“

Sie legte ihre Hand an seine Taille. „Weißt du … von meiner Tierpension habe ich noch nie jemandem erzählt.“

„Auch nicht deiner Mutter?“

„Der erst recht nicht.“ Christina schwieg einen Moment. „Weil sie immer alles schlechtgeredet hat, was ich jemals angefangen habe. Oder tun wollte. Sie hat mich nicht ein einziges Mal unterstützt.“

„Das ist hart.“

„Ach. Dadurch bin ich früh selbstständig geworden. Und ’ne Einzelgängerin. Was mich wohl nicht gerade zu einer idealen Freundin macht. Jedenfalls habe ich keine.“

„Du bist viel allein?“

„Meistens.“

„Und Dates?“

„Das letzte ist zwei Jahre her.“

„Zwei Jahre?“

„Ich war das Spiel leid. Ist ja immer die gleiche Enttäuschung. Zuerst freue ich mich, einen netten Mann kennengelernt zu haben – und stelle fest, dass er mir nur ein Essen spendiert hat, um mich ins Bett zu kriegen, doch an mir als Person gar nicht interessiert ist.“ Ihre Stimme klang bitter. „Ich will das nicht mehr.“

„Nicht alle Männer sind so“, verteidigte Scott seine Geschlechtsgenossen.

„Dann bin ich eben immer an die falschen geraten. Was soll’s? Ich komme gut allein klar. Ist ja auch irgendwie nett, wenn ich alles selbst entscheiden kann, ohne jemanden fragen zu müssen.“

„Du bist verdammt jung, um so zynisch zu sein.“

Christina rieb ihre Wange an seiner Brust. „Besser als eine Träumerin.“

Sie seufzte. „Ich mache mir keine Illusionen, Scott. Ich weiß, wer ich bin. Was ich erreichen kann und was nicht. Danach richte ich meine Ziele aus. Wie zum Beispiel … wenn ich nie heiraten sollte, möchte ich irgendwann … ein Kind adoptieren. Hm. Auch das habe ich noch nie jemandem verraten.“

Und je mehr sie von sich erzählte, desto mehr faszinierte sie ihn. „Du hast dein Leben gut im Griff, oder?“

„Ich bemühe mich. Doch so schwer ist das gar nicht. Ich denke, man muss sich nur selbst treu bleiben. Wissen, was man kann … was man möchte. Und versuchen, die beiden Dinge in Einklang zu bringen.“

„Nur ist das nicht immer möglich. Oft ist die Karriere vorbestimmt.“ Wer wusste das besser als er? „Man hat Verpflichtungen. Erwartungen zu erfüllen.“

„Ja, sicher. Und trotzdem darf man sich nicht einfach fügen. Ist jedenfalls meine Meinung. Wenn dir dein Job gefällt, prima. Aber ich finde es traurig, wenn jemand unzufrieden ist und nicht den Mut hat, etwas Neues zu beginnen. Jeder sollte sich einen Platz im Leben suchen, an dem er glücklich ist.“

Worte, die Scott zu denken gaben. Ihn aufwühlten. Sein Herz hämmerte. Es war unglaublich. Noch nie hatte eine Frau es geschafft, ihn so aus der Bahn zu werfen. Ihn dazu gebracht, sein ganzes Leben infrage zu stellen. Mit wenigen Worten.

Noch nie hatte eine Frau diese Fülle von Emotionen in ihm ausgelöst.

Und der Gedanke, Christina nie wiederzusehen, quälte ihn plötzlich viel mehr als die Angst, hier nicht lebend herauszukommen.

Das wollte er ihr gerne sagen, traute sich jedoch nicht.

Nicht mit Worten.

„Christina?“, flüsterte er und wartete, bis sie den Kopf hob, umfasste sanft ihr Gesicht. „Es ist verrückt, aber ich möchte …“ Er schluckte.

„Ja, küss mich.“ Sie lachte rau. „Ich kann einfach nicht widerstehen.“

Zumindest meinte Scott, das gehört zu haben, während sein Herz pochte und er den Mund auf ihren senkte.

3. KAPITEL

„Hey! Ich hab sie gefunden!“

„Sind sie okay?“

„Glaub schon. Obwohl die Frau … scheint festzustecken. Frank! Hernando! Ich brauche euch hier!“

Scott schreckte aus dem Schlaf, ein grelles Licht ließ ihn blinzeln … bis er begriff, dass es die Sonne war, die ihm ins Gesicht schien.

„Na, wie geht’s?“

Er konnte sein Glück kaum fassen. Christina rührte sich in seinen Armen und schrie kurz auf. Vor Überraschung? Oder hatte sie Schmerzen? „Mir fehlt nichts, aber sie …“

„Steckt fest“, ergänzte der ältere Mann vom Rettungstrupp. Er wirkte müde, war sicherlich die ganze Nacht lang im Einsatz gewesen. „Keine Sorge, junge Frau, wir holen Sie da raus.“

Dann lobte er Scott: „Gut gemacht. Sie haben die Kleine gewärmt. Das ist wichtig. Können Sie gehen?“

„Ja. Zumindest …“ Oh, seine Beine waren steif. „… konnte ich es, bevor ich eingeschlafen bin.“

„Gut“, sagte der Mann, als vier weitere Leute auftauchten. „Denn ich muss Sie jetzt bitten, hier Platz zu machen für die Sanitäter.“

„Aber …“

„Geh zu deiner Familie.“ Christinas Stimme klang rau. „Die warten sehnsüchtig auf dich.“ Als er immer noch zögerte, schloss sie die Augen. „Geh!“

„Ich komme zurück. Versprochen.“ Scott wäre lieber bei ihr geblieben, doch nun kroch er in den Tunnel, den die Retter geschaffen hatten. Auf der anderen Seite bot sich ihm ein entsetzliches Bild …

Der Flughafen war komplett verwüstet. Eine einzige Wand stand noch. Tausende von Glasscherben bedeckten den Boden, sie glitzerten im Sonnenlicht. Die Möbel waren Kleinholz, die Sessel der Lounge … unter den Trümmern der eingestürzten Empore begraben.

Oh Gott! Seine Mutter …

Ein Trupp von Soldaten und andere Rettungskräfte suchten in dem Chaos nach weiteren Verschütteten.

„Scott! Bin ich froh, dich zu sehen!“

Er wirbelte herum – Blake kam auf ihn zugelaufen. Auch Mike. Cousine Victoria. Alle drei schmutzig und zerzaust, doch – wie es schien – unverletzt.

Victoria umarmte ihn, dann fingen alle gleichzeitig an zu reden.

„… das Dach ist eingestürzt, wir saßen in der Falle …“

„… Javier wurde schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht. Miguel ist bei ihm …“

„… Dad liegt draußen in einem Krankenwagen, hat Schmerzen in der Brust …“

„… Mom hat sich das Handgelenk gebrochen …“

„Man hat ihr ein Beruhigungsmittel gegeben“, sagte Victoria mit Tränen in den Augen. „Weil die Stewardess … sie hat es nicht überlebt.“

Scott fluchte. Da legte Mike ihm eine Hand auf den Arm. „Und Emily wurde noch nicht gefunden.“

Einen Moment lang brachte Scott keinen Ton hervor. Emily. Er konnte sich nicht entscheiden. Sollte er nun seine Schwester suchen oder zu Christina zurückgehen? Ein Versprechen halten, das er vor wenigen Minuten gegeben hatte? Oder seiner Familie helfen, die ihn brauchte?

Was gab es da noch zu überlegen? Christina wurde bereits versorgt. Und Emily musste so schnell wie möglich gefunden werden. „Wo war sie zuletzt?“

„Da drüben.“ Victoria zeigte zur früheren Lounge. „Ich stand in ihrer Nähe, wurde durch die Luft gewirbelt und bin in den Trümmern auf der anderen Seite der Halle gelandet.“ Sie begann zu weinen. „Oh Gott! Wenn Emily …“

Blake legte Victoria einen Arm um die Schultern. Im nächsten Moment hörten sie einen Mann rufen: „Wir haben sie! Alles okay!“

Mike lächelte. „Das muss Emily sein. Es wird sonst niemand mehr vermisst.“

Scott lief mit den anderen zu ihr. Voller Sorge beobachtete er, wie die Retter seine Schwester aus den Trümmern bargen und auf eine Trage legten. Die Sanitäter versorgten sie. Auch Emily war schmutzig und sah schrecklich aus – doch bis auf einen Knöchel tat ihr nichts weh.

Scott atmete erleichtert auf. Ihr ging es gut, und er durfte sich jetzt hoffentlich um Christina kümmern.

Nein! Leider nicht. Als er auf den Tunnel zusteuerte, hielt ihn ein Soldat am Arm fest. „Falsche Richtung. Da hinten ist niemand mehr. Sie müssen das Gelände bitte verlassen.“

„Aber Christina Hastings …“

„Ist bereits auf dem Weg ins Krankenhaus.“

„Welches?“

„San Antonio Memorial.“ Der Soldat blickte zu Emily hinüber. „Ihre Schwester und Ihre Eltern werden auch dorthin gebracht. Möchten Sie mitfahren?“

„Ich … weiß nicht. Unsere Wagen …“

„Oh, ich fürchte, die sind Schrott. Kommen Sie.“

Scott folgte ihm, während der Soldat erzählte: „Nur ein Escalade sieht noch aus wie nagelneu. So etwas erstaunt mich immer wieder. Ich habe schon gesehen, wie ein ganzes Stadtviertel in Trümmern lag – und mittendrin stand ein völlig unbeschädigtes Haus.“

Ja. Der schwarze Geländewagen glänzte im Sonnenschein. Doch …

Es schnürte Scott die Kehle zu, als er die Verwüstung sah – wohin er auch blickte. Und die junge Stewardess war tot. Seine Eltern hatten Schmerzen. Er wusste nicht, wie es Christina ging …

Um ihn herum standen Rettungsfahrzeuge. Militär. Feuerwehr. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Mike in einen Krankenwagen stieg, der mit Blaulicht losfuhr. Lag sein Vater darin? Hoffentlich hatte er keinen Herzinfarkt.

„Ist wohl ein Leihwagen“, meinte der Soldat. „Dem Nummernschild nach. Gehört er vielleicht zu Ihnen?“

„Ja. Den Escalade haben wir gemietet.“

„Prima.“ Der Mann griff in seine Jackentasche und gab ihm einen Autoschlüssel. „Der steckte im Zündschloss. Und okay … der Wagen hat einige Schrammen. Er lag auf der Seite. Wir mussten ihn aufrichten.“

„Danke. Meine Brüder sagten … Javier Mendoza? Wissen Sie vielleicht …?“

„Mendoza? Das war der junge Kerl, den wir als Ersten gefunden haben. Vorn am Eingang. Er ist wohl schon im Krankenhaus.“

„Scotty!“, hörte er seine Mutter rufen. „Oh Gott sei Dank! Dir ist nichts passiert?“

Er verabschiedete sich von dem Soldaten und eilte zu ihr. In eine silberne Decke gehüllt lag sie auf einer Trage. „Hat man Jordana gefunden?“

Jordana? Das Beruhigungsmittel – oder die traumatische Nacht – schien sie etwas verwirrt zu haben.

Scott küsste seine Mutter auf die Wange. „Du meinst Emily, nicht wahr? Jordana ist doch im Hotel geblieben.“

„Nein, nein. Ich weiß schon, dass man Emily gefunden hat. Und Jordana ist nicht im Hotel. Sie hat mich auf dem Handy angerufen. Zehn Minuten bevor das Gebäude einstürzte. Sie hatte ihre Meinung geändert und wollte sich von diesem … Tanner zum Flughafen fahren lassen.“

Auch das noch! Hätte Jordana nicht auf ihr Bauchgefühl hören können?

„Oh, Scott.“ In den Augen seiner Mutter spiegelte sich die Angst. „Wenn sie auf der Straße …“

„Mom. Ihr ist nichts passiert. Glaub mir.“ Na, sein Magen glaubte ihm nicht.

„So, Mrs Fortune, jetzt müssen wir starten“, sagte ein Sanitäter, als Emily auf einer Fahrtrage gebracht wurde. „Ihre Tochter fährt mit Ihnen.“

„Emily, Schatz …“

Wenige Minuten später fuhr der Krankenwagen mit den beiden Frauen davon.

Scott blickte sich um und freute sich für Tanner Redmond, denn die Flugschule hatte den Tornado überstanden. Gut, den Zustand des Gebäudes konnte er nicht beurteilen. Aber es hatte ein Dach!

Blake fluchte. „Die halbe Region wurde überschwemmt und verwüstet. Hat mir ein Feuerwehrmann erzählt. Auch in Red Rock sind viele Häuser zerstört.“

„Und Jordana ist da irgendwo auf der Straße.“

„Mit Tanner. Das beruhigt mich. Bei uns auf dem Flughafen hätte sie es kaum besser gehabt. Mein Gott! So ein Tornado ist wohl eins der Erlebnisse, von denen man sagen kann, das hat mein ganzes Leben verändert.“

Du ahnst nicht, wie recht du hast. Scott dachte an Christina, er spürte förmlich, wie sie sich an ihn schmiegte … spürte ihren süßen, wundervollen Kuss. Noch immer. Sogar im hellen Tageslicht.

Verrückt.

Aber worauf wartete er noch? Er wollte zu ihr. Er musste wissen, ob es ihr gut ging. Ob sie seine Hilfe brauchte. Vielleicht hatte sie Schmerzen.

Vielleicht waren ihre Beine …

Wie auch immer, er würde Christina nicht mit ihren Problemen allein lassen.

„Kommt!“, forderte er Blake und Victoria auf. „Wir fahren zum Krankenhaus.“

Und als Scott wenige Minuten später auf den Highway einbog, drückte er kräftig aufs Gaspedal.

In der Notaufnahme des San Antonio Memorials herrschte das Chaos. Der Warteraum quoll über, und die Krankenschwestern liefen gestresst hin und her, denn sie mussten sich um Dutzende verletzter Leute kümmern.

„Scott! Hier!“

Sie entdeckten Emily, die in einer Ecke saß, und eilten zu ihr. Ihren verletzten Fuß – umwickelt mit einer kühlenden Bandage – hatte sie auf den Tisch vor sich gestützt.

Blake sah sich um. „Der Tornado hat also auch hier gewütet?“

„Nein“, erwiderte Emily. „San Antonio ist verschont geblieben. Doch Red Rock hat es hart getroffen. Das dortige Krankenhaus ist total überlastet.“ Sie deutete auf einen Fernseher oben an der Wand. „Es laufen die ganze Zeit Berichte.“

„Wo sind Mom und Dad?“, fragte Scott.

„In Untersuchungsräumen. Mike pendelt zwischen beiden hin und her.“

Der Mann neben Emily wurde aufgerufen. Da ließ Victoria sich auf den freien Stuhl sinken und legte den Kopf auf Emilys Schulter. „Cousinchen.“

Emily lächelte. Dann wurde sie jedoch wieder ernst. „Ich mache mir Sorgen um Javier“, flüsterte sie. „Miguel sitzt da hinten. Er wirkt so bedrückt.“

Ja. Als Scott sich umwandte, sah er den Bruder von Marcos und Javier. Miguel, der in New York lebte, war zur Hochzeit hergekommen. Nun hockte er hier in der Notaufnahme, ganz unglücklich, den Kopf in die Hände gestützt.

„Geh du zu ihm“, sagte Blake. „Ich suche Mom und Dad.“

Miguel lächelte gequält, als Scott ihn begrüßte, und erkundigte sich sofort nach der Familie Fortune. „Sind alle gesund?“

„Mehr oder weniger. Doch was ist mit deinem Bruder?“

„Es sieht ernst aus. Sehr ernst.“ Der junge Mann schluckte hart, rang offensichtlich um Fassung. „Javier ist … bewusstlos. Die Ärzte wissen noch gar nicht, was operiert werden muss. Sein Kopf, seine Beine …“

„Verdammt!“ Scott wünschte, er könnte irgendwie helfen. „Soll ich jemanden für dich anrufen?“

„Nein. Marcos ist schon auf dem Weg hierher.“ Miguel kämpfte mit den Tränen. „Ich habe Javier gefunden, gleich nach dem Tornado. Ich wusste, dass er dringend Hilfe braucht, aber ich konnte nichts tun … nicht mal der Notruf funktionierte.“

„Ich schätze, das Handynetz war komplett ausgefallen.“

„Und die Autos waren zerstört, die Straßen blockiert, durch Trümmer … Bäume. Der Escalade war umgekippt, und ich allein …“ Miguel schüttelte den Kopf. „Alles, was ich tun konnte, war … Javier ein bisschen vor dem Regen zu schützen, aber …“ Er blickte zur Seite, während ihm eine Träne über die Wange lief.

„Hey.“ Scott legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Er hat die Nacht überstanden … da draußen. Also gibt’s Hoffnung …“

„Wären die Rettungskräfte nur früher gekommen. Ihr wart alle irgendwo in den Trümmern eingeschlossen. Und ich allein … konnte Javier nicht helfen.“

Oh Gott! Die letzte Nacht musste für Miguel der reinste Albtraum gewesen sein. Er hatte von allen wohl die schlimmsten Stunden hinter sich.

Andererseits … Christina hatte nicht gejammert, doch bestimmt furchtbare Angst gehabt. Schmerzen. Und vielleicht war der Albtraum für sie noch gar nicht vorbei. Vielleicht brauchte sie Trost. Scott wollte zu ihr.

Als er Blake sah, winkte er ihn heran. „Miguel, ich muss jetzt zu meinen Eltern. Doch Blake wird bei dir bleiben, bis deine Familie eintrifft. Und ich verspreche dir: Wir werden euch helfen, wo immer wir können. Wenn Javier irgendetwas braucht – egal was –, bekommt er es. Verstanden?“

Miguel blickte ihn an, seine Augen waren gerötet. „Danke.“

„Es wird alles gut.“ Das hoffte Scott von Herzen. „Wo liegen Mom und Dad?“

„Keine Ahnung“, erwiderte Blake. „Ich wollte mich gerade erkundigen.“

„Dann mache ich das.“ Scott ging zum Empfangstresen. „Ich möchte zu meinen Eltern. Virginia Alice und John Michael Fortune.“

„1A und 1B.“ Die Schwester deutete den Flur hinunter.

„Und Christina Hastings?“

„Auch eine Verwandte?“

„Nein, aber …“

„Dann dürfen Sie nicht zu ihr.“

„Ach, bitte, ich muss wissen, wie es Christina geht.“

„Und ich habe keine Zeit, mit Ihnen zu plaudern.“ Die Schwester eilte davon.

Scott seufzte. Jetzt war niemand mehr am Tresen. Gut, dann würde er eben erst mal nach seinen Eltern sehen.

Im Untersuchungsraum 1A lag sein Vater. Er war sehr blass und an medizinische Apparate angeschlossen.

„Dad, wie fühlst du dich?“

„Warum kommst du erst jetzt? Mike war bereits hier.“

Ich freue mich auch, dass du den Tornado überlebt hast. „Mike konnte sich schneller als ich aus den Trümmern befreien“, erwiderte Scott ironisch.

„Ja. Er hat mich im Krankenwagen begleitet. Und erledigt nun ein paar wichtige geschäftliche Telefonate. Auf Mike kann ich mich eben immer verlassen.“

Ach ja, seinen Lieblingssohn, den lobte er bei jeder Gelegenheit. Wie ungerecht und herzlos sein Vater war. Sogar nach diesem Unglück dachte er nur an seine Geschäfte.

„Hast du noch Schmerzen in der Brust?“

„Kaum.“ Er schnaubte. „Trotzdem wollen sie mich über Nacht hierbehalten.“

„Das ist vernünftig.“

„Nein, völlig übertrieben. Aber … morgen fliege ich nach Hause. Du arrangierst alles, ja?“

„Willst du nicht vorher mit den Ärzten sprechen?“

„Der Flug dauert nur zweieinhalb Stunden. Wenn es nötig sein sollte, engagiere ich eine Krankenschwester, die uns begleitet. Wie geht es deiner Mutter?“

Fiel ihm erst jetzt ein, dass sie nebenan lag? „Ich will gleich zu ihr. Wie ich hörte, brauchte Mom ein Beruhigungsmittel.“

„Wundert mich nicht. Virginia hatte immer schwache Nerven.“

„Dad, sie war eine Nacht lang in den Trümmern des Flughafens eingeschlossen. Sie muss schreckliche Angst gehabt haben, oder?“

John Michael schwieg eine Weile. Und er klang viel freundlicher, als er Scott bat: „Geh und sag deiner Mutter, dass wir morgen nach Atlanta fliegen. Sie soll sich hier ausruhen, und morgen Abend ist sie wieder zu Hause.“

„Gut.“

Im Zimmer nebenan begrüßte ihn seine Mutter mit einem verträumten Lächeln. „Oh, Scotty … hi.“

Er küsste sie auf die Wange. „Wie geht’s dir, Mom?“

„Ach, besser. Mir tut nichts mehr weh. Nur … die Schmerzmittel machen mich so müde.“

Scott blickte auf den Verband an ihrem linken Handgelenk. „Ist es gebrochen?“

„Ja. Und ich habe eine dicke Beule am Hinterkopf. Der Arzt sagt, dein Vater und ich werden gleich in den ersten Stock verlegt. Wir sollen über Nacht hierbleiben. Als Vorsichtsmaßnahme.“

„Ich denke, das ist sehr vernünftig. Meinst du nicht?“

„Ich wäre lieber in meinem eigenen Bett. Und dieses Krankenhaushemd … Wo sind meine Sachen?“

„Keine Ahnung. Vielleicht in Red Rock verstreut. Oder bis nach Atlanta geflogen, und wenn du Glück hast, warten sie zu Hause auf dich.“

Virginia Alice lachte. „In diesem grünen Hemd kann ich nicht reisen.“

„Wir besorgen dir Kleidung und alles, Mom. Ich schicke Victoria zu dir. Dann könnt ihr beide besprechen, was du brauchst.“

„Danke, Schatz.“ Plötzlich wurde sie ernst. „Hast du etwas von Jordana gehört?“

„Nein.“ Er drückte ihre Hand. „Tut mir leid.“

Seine Mutter nickte. „Danke. Dafür, dass du nicht sagst, ich solle mir keine Sorgen machen. Ich mache mir immer Sorgen um euch.“

„Oh, ich weiß.“

„Und du weißt auch, warum, oder? Weil dein Vater es nicht tut. Da muss ich ja seinen Teil mit übernehmen.“

Das war ihr auch fantastisch gelungen. Virginia Alice hatte nie eine Nanny ins Haus gelassen, sondern ihre sechs Kinder allein erzogen. Geduldig und aufmerksam. Ja, sie war die liebevollste Mom der Welt.

Scott küsste sie auf die Stirn. „Ruh dich aus. Ach … ich soll dir von Dad sagen, dass ihr morgen zurückfliegt. Wenn er seinen Willen bekommt – und wann ist das nicht der Fall? –, bist du bald wieder zu Hause. Jetzt schlaf ein wenig.“

Als er gehen wollte, hielt sie ihn jedoch zurück.

„Dein Vater und ich … Ich weiß, dass unsere Beziehung für euch Kinder …“

„Mom, es ist kaum der richtige Zeitpunkt, um …“

„Ich habe gesehen, wie eine Frau gestorben ist, Scotty. Und ich dachte, wir würden sterben. Das lässt einen über vieles nachdenken. Man fragt sich, was wirklich wichtig ist. Und mir ist jetzt wichtig, dass ihr Kinder wisst … egal, wie sich dein Vater verhält … ich liebe ihn. Und ich weiß, dass er mich liebt. Ja, manchmal könnte ich ihn prügeln. Wenn er mich kaum beachtet. Wenn er mir das Gefühl gibt, ich würde ihm weniger bedeuten als die Firma.“

Virginia Alice setzte sich auf. „Aber ich wusste, wer er war, als ich ihn geheiratet habe. Genau wie er wusste, dass ich ein gutherziges Mädchen bin, das sich vor dem eigenen Schatten erschreckt.“

Sie lächelte. „Und ich kenne eine Seite an ihm, die er seinen Kindern nicht zeigt, warum auch immer. Ja. Euer Vater ist stur und wirkt oft kühl. Aber in seinem Herzen ist er ein guter Mann, der immer nur das Beste für seine Kinder will. Und das darfst du nie vergessen.“

Seine Mutter ließ sich aufs Kissen sinken, ihre Augenlider flatterten. Einen langen Moment lang stand Scott einfach da, verblüfft von ihrer Rede. Bis er an ihren ruhigen Atemzügen merkte – sie war eingeschlafen.

Und Christina? Verdammt! Er wusste noch immer nicht, wie es ihr ging.

Scott eilte zum Empfangstresen, wo die Krankenschwester ihn nur flüchtig ansah.

„Ihre Eltern werden in einer halben Stunde verlegt …“

„Darum bin ich nicht hier.“

„Sondern? Ihre Freundin? Tut mir leid. In der Notaufnahme dürfen nur Angehörige zu den Patienten.“

Eine Kollegin rief herüber: „Dr. Karofsky hat eine Patientin fürs County General. Melde sie bitte an. Orthopädie.“

„Name?“ Sie griff zum Telefonhörer.

„Hastings. Christina.“

Da langte Scott über den Tresen und riss ihr den Hörer aus der Hand.

„Mr Fortune! Soll ich den Sicherheitsdienst rufen?“

„Ich möchte wissen, warum Miss Hastings verlegt wird. Bitte. Ich … habe Angst um sie“, gab er zu. „Ich meine … braucht sie eine Spezialbehandlung?“

„Nein.“ Seine Worte schienen die Krankenschwester zu erweichen. „Sie hat nur einen gebrochenen Fuß, einige Kratzer, blaue Flecken.“

Scott gab ihr das Telefon zurück. „Warum wird sie dann verlegt?“

„Weil sie keine Versicherung hat. Und wir sind ein privates Krankenhaus. Natürlich versorgen wir jeden, der als Notfall hereinkommt. Doch sobald die Patienten stabil sind, überweisen wir sie an öffentliche Einrichtungen. Im County General ist sie …“

„Sie bleibt hier.“ Scott griff nach seiner Brieftasche und zog seine Scheckkarte heraus. „Ich bezahle die Rechnung von Miss Hastings.“

„An der Kasse.“ Die Schwester lächelte. „Neben dem Eingang.“

„Danke.“ Er eilte in die Halle und hatte der Dame hinter der Glasscheibe kaum erzählt, was er wollte, da kreischte jemand: „Scott!“

Er wirbelte herum – Jordana, schmutzig und zerzaust. Und Tanner Redmond, ebenso schmutzig und zerzaust, mit ihrem Gepäck in der Hand.

„Jordy!“ Scott umarmte sie. „Oh, bin ich froh. Was ist passiert?“

„Tanner wollte mich zum Flughafen fahren“, erzählte sie aufgeregt. „Aber wir sind im Graben gelandet. Mussten in einem Schuppen übernachten, weil der Sturm nicht aufhörte. Erst heute Morgen haben uns Soldaten geholfen, den Wagen aus dem Graben zu ziehen, und die Männer waren am Flughafen gewesen und wussten, dass ihr in den Trümmern gefangen wart. Sind alle okay?“

Scott berichtete kurz. „Nur Javier …“

Sie schnappte nach Luft. „Er ist nicht …?“

„Er lebt, ist jedoch bewusstlos. Miguel sagt, es sieht nicht gut aus.“

„Wie schrecklich.“ Jordana stiegen Tränen in die Augen. „Ist seine Familie schon hier?“

„Sind auf dem Weg, schätze ich. Und Mom ist krank vor Sorge um dich.“

„Oh, das kann ich mir vorstellen. Ich gehe zu ihr.“ Lächelnd reichte sie Tanner die Hand. „Danke, für alles. Auf Wiedersehen.“

Tanner zog die Stirn kraus, als er ihren Koffer absetzte. „Äh … gern geschehen. Möchtest du nicht … dass ich auf dich warte?“

„Nein.“ Sie nahm ihm die Tasche aus der Hand und schnappte sich ihren Rollkoffer. „Danke. Nochmals.“

Und schon lief sie davon. Tanner blickte ihr nach.

„Ich muss los“, murmelte er, drehte sich um und ging zur Tür hinaus.

„Sir? Ihre Rechnung.“

„Oh ja!“ Scott nahm seine Kreditkarte an sich. Er konnte es kaum glauben. In der Familie gab es niemanden mehr – im Moment jedenfalls –, der seine Hilfe brauchte. Nach den langen Stunden der Angst waren alle versorgt und in Sicherheit.

Christina hatte sich nur einen Fuß gebrochen! Er durfte zu ihr. Endlich. Und er freute sich so sehr darauf, sie wiederzusehen.

4. KAPITEL

„Nein, das kann nicht sein“, widersprach Christina. „Ich soll hier auf den Sanitäter warten.“ Sie hatte ein Schmerzmittel bekommen. Ihr verletzter Fuß war geschient worden. Und sie machte sich keine Illusionen – zur weiteren Behandlung musste sie ins County General, wo die Ärzte völlig überlastet waren.

„Ihre Kollegin meinte, ich würde gleich …“

„Ja.“ Die Schwester lächelte. „Doch jetzt bleiben Sie bei uns. Auf der orthopädischen Station wird man sich gut um Sie kümmern.“

„Oh, das kann ich mir nicht leisten.“ Christina stiegen Tränen in die Augen. Nicht, weil sie arm war. Sie fand es nur schrecklich, es anderen sagen zu müssen.

„Ein edler Spender übernimmt alle Kosten.“ Die Ärztin mit dem russischen Akzent trat in die schmale Kabine. „Und Sie werden bald wieder laufen können.“

„Bald?“, fragte sie hoffnungsvoll – und verwirrt. Jemand wollte für ihre Behandlung zahlen? „Was heißt das in meinem Fall?“

„Die Brüche sind unkompliziert, also, in einigen Wochen.“

Wochen! Christina stöhnte auf.

„Ich denke, bei Ihnen wird ein Gehgips möglich sein.“ Dr. Karofsky lächelte. „Und Sie sollten sich glücklich schätzen. Ein Sanitäter hat mir erzählt, in welcher Lage Sie waren. Ihre Verletzungen hätten wesentlich schlimmer sein können.“

„Ich weiß, ich hatte sehr viel Glück …“

„Auch wenn Sie noch etliche Male fluchen werden. Denn ja, eine Granitplatte ist keine Steppdecke. Ihre Beine sind zerschunden. Ihnen wird jeder Knochen, jeder Muskel wehtun. Oh, hier kommt Ihr Prinz, nehme ich an.“

Die Ärztin lächelte, gab der Schwester ein Zeichen, und die beiden gingen hinaus. Sie ließen Christina mit Scott allein.

Da stand er. Im hellen Tageslicht. Dieser attraktive Mann, der sie eine Nacht lang in den Armen gehalten, sie gewärmt und getröstet hatte. Prompt starrte sie auf seine Lippen und dachte an den wundervollen Kuss.

Dabei wollte sie ihn vergessen. Den Mann und den Kuss.

Sie musste ihn vergessen.

Ja, viel Glück dabei.

„Wie geht’s dir?“

„Wie geht’s deiner Familie?“, begannen sie gleichzeitig zu sprechen.

„Gut. Mehr oder weniger.“ Scott drehte den Klappstuhl herum, setzte sich rittlings darauf. Lässig, selbstsicher. Und sein Anblick, seine souveräne Art bestätigten ihr nur, was sie ohnehin schon wusste – er gehörte in eine andere Liga.

Ein erfolgreicher Mann wie Scott Fortune würde sich nie für eine arme Kellnerin interessieren, die von einer Hundepension träumte.

Im nächsten Moment lächelte er. Ein breites „Du hast keine Ahnung, wie sehr ich mich freue, dich zu sehen“-Lächeln, das auch seine Augen strahlen ließ.

Fast meinte sie, die Engel singen zu hören.

„Und du?“, fragte Scott, noch immer lächelnd. Obwohl sie schrecklich aussah. Hatte das Trauma der letzten Nacht sein Augenlicht getrübt?

„Im linken Fuß sind einige Knochen gebrochen.“ Christina strich sich eine Strähne hinters Ohr, die sich aus ihrem langen Zopf gelöst hatte. „Ansonsten … bis auf blaue Flecken und ein paar Schrammen fehlt mir eigentlich nichts.“

„Soll ich irgendwo anrufen, damit sich jemand um Gumbo kümmert?“

Ihr Herz machte einen Satz. „Nein, ich meine, danke, aber das hat schon ein Pfleger getan. Er war so nett, meine Vermieterin anzurufen.“

„Dem Hund geht’s gut?“

Christina nickte. „Ja. Und am Haus gibt es kaum Schäden. Wie Enid – meine Vermieterin – sagt, sind nur ein paar Dachziegel heruntergefallen. Vor dem Büro ist ein Baum umgestürzt. Du erinnerst dich an den Namen meines Hundes?“

Scott grinste. „Obwohl du ihn höchstens zwanzigmal erwähnt hast.“

„Tut mir leid. Ich hänge an dem Tier.“

„Ist doch schön. Das Gefühl kenne ich.“

„Hast du auch einen Hund?“

„Nein, ich hatte mal einen schwarzen Hengst. Er hieß Blackie.“

Nun grinste Christina. „Wie originell.“

„Hab Verständnis. Ich war erst acht. Und den fantasievollen Namen, unter dem er registriert war, konnte ich mir nie merken. Mann, habe ich das Pferd geliebt.“

„Du bist geritten?“

Autor

Katherine Garbera
<p>USA-Today-Bestsellerautorin Katherine Garbera hat schon mehr als neunzig Romane geschrieben. Von Büchern bekommt sie einfach nicht genug: ihre zweitliebste Tätigkeit nach dem Schreiben ist das Lesen. Katherine lebt mit ihrem Mann, ihren Kindern und ihrem verwöhnten Dackel in England.</p>
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