Das Angebot des Milliardärs

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Eine Million Dollar! William Delaney bietet Ava eine Unsumme, damit sie den Sommer mit ihm und seiner kleinen Nichte verbringt. Weil das Waisenmädchen sich ihr allein öffnet - und weil es zwischen William und ihr verheißungsvoll knistert. Zwar beschließt die schöne Lehrerin, Privatleben und Job zu trennen, doch als William ihr verführerisch Komplimente ins Ohr flüstert, übernimmt das Verlangen die Regie. Ein Fehler? Schließlich hat sie sich geschworen, ihr Herz auf keinen Fall an einen Playboy zu verlieren, der "Für immer" nur aus den Märchenbüchern seiner Nichte kennt …


  • Erscheinungstag 24.09.2013
  • Bandnummer 1786
  • ISBN / Artikelnummer 9783954467365
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

William Delaney sah in die dunkelbraunen Augen, die von dichten Wimpern umkränzt waren. Er liebte seine fünfjährige Nichte heiß und innig, aber das war das erste Mal in seinem Leben, dass er ein Problem mit einer Frau hatte. Eine Premiere. Bisher hatte ihn jede Frau ohne Ausnahme immer nur angelächelt. Er liebte die Frauen, und die Frauen liebten ihn. Carolines ernster Blick brach ihm das Herz.

William kniete sich hin, um auf Augenhöhe mit ihr zu sein. Würde er sich je daran gewöhnen, für sie verantwortlich zu sein? Die Verantwortung lastete schwer auf ihm, und er wusste nicht, was er tun sollte – noch eine Premiere in seinem Leben.

„Hier ist ein kleines Geschenk für dich, Caroline. Nur so, weil du so nett bist.“ William sah zu, wie sie mit ihren kleinen Händen das rosa Band löste und ein Buch aus dem Papier zog.

Sie drückte das Buch an sich und sah ihn an. „Danke“, flüsterte sie.

Williams Herz machte einen Satz. Es war nur ein einziges Wort, aber es kam nicht oft vor, dass das Kind überhaupt reagierte. „Wenn du magst, lese ich es dir heute Abend vor. Erst mal kann ja Miss Rosalyn es dir nach dem Mittagessen zeigen.“

Caroline schlug das Buch auf.

„Ich muss los“, kündigte William an und umarmte seine Nichte kurz, wobei sie ihm wie immer ungeheuer zerbrechlich vorkam. „Sobald ich nach Hause komme, sehe ich nach dir.“ Sie blickte ihn aus großen braunen Augen an.

„Miss Rosalyn hat dein Frühstück fertig.“

Das Kindermädchen griff lächelnd nach Carolines Hand. „Es gibt Haferbrei und dazu dein Lieblingsobst – Erdbeeren“, sagte sie aufmunternd.

Will hoffte, dass Caroline etwas essen würde. Seit er vor einem Jahr ihr Vormund geworden war, hatte sie viel zu oft nur ein paar Bissen genommen und dann stumm gewartet, bis er fertig gegessen hatte.

Will lenkte seinen schwarzen Sportwagen durch den Vorort von Dallas, in dem er wohnte, und beeilte sich, zu seinem Privatjet zu kommen.

Um halb zwölf betrat er das Restaurant in Austin, wo er mit einer Lehrerin verabredet war. Sie war ihm als ausgezeichnete Pädagogin empfohlen worden und sollte ihm ein paar gute Tutoren für Caroline nennen.

Das war ein Versuch mehr, seiner Nichte zu helfen. Seit sein Bruder letzten Sommer bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war, hatte Will seine Zeit damit verbracht, mit Kindergärtnerinnen, Vorschullehrerinnen, Therapeuten, Psychiatern und Kinderärzten zu reden. Keiner hatte es geschafft, das Kind aus seinem Schneckenhaus zu holen, in das es sich nach dem Tod seines Vaters zurückgezogen hatte. Adams Tod und das Fehlen der Mutter, die kurz nach Carolines Geburt weggelaufen war, waren zu viel für das Mädchen gewesen.

Will kannte Ava Barton nicht, er wusste nur, dass sie eine gute Pädagogin sein sollte und Witwe war. Er stellte sie sich vor wie eine seiner früheren Grundschullehrerinnen – Brille, graue Haare und ein freundliches Lächeln.

Die Lobby war schon recht voll. Will sah sich um, und sein Blick blieb an einer umwerfenden Blondine hängen. Die Lehrerin war vergessen, als er seine Augen von der schimmernden, blonden Mähne zu der schmalen Taille wandern ließ. Der kurze, braune Rock ließ ihre Knie frei und betonte die langen, schlanken Beine. Will riss seinen Blick los – und versank in den großen grünen Augen dieser Schönheit.

Sie erwiderte seinen Blick. Sekunden verstrichen, dann weiteten sich ihre Pupillen. Will ging auf sie zu, alle Gedanken an Lehrer waren wie weggeblasen. Plötzlich ging ihm auf, dass das vielleicht Ava Barton war. Seine Beziehung zu Carolines Lehrerin sollte rein professionell sein, aber die Beziehung, an die er bei dieser Frau dachte, war die zwischen Mann und Frau. Er musste sie näher kennenlernen.

Will riss sich zusammen. „Ava Barton?“

„Ja.“ Sie streckte ihm die Hand hin.

Bei ihrem Lächeln wurde ihm warm, und als er ihre Hand berührte, sprühten förmlich Funken zwischen ihnen. Widerstrebend ließ er sie los und zwang sich, Ava in die Augen zu sehen, statt sie erneut zu mustern. „Ich bin William Delaney, Carolines Onkel und Vormund“, stellte er sich vor. Seine Sekretärin hatte den Termin ausgemacht, und er bedauerte jetzt, dass er nicht mehr über Ava Barton wusste.

„Ich sage dem Kellner Bescheid.“

Kurz darauf saßen sie in einer Nische neben einem kleinen Springbrunnen.

„Ich habe Sie mir ganz anders vorgestellt“, gab Will zu. Sie hatte eine klare, leicht gebräunte Haut mit einem Hauch von Sommersprossen auf der Nase. Ihre Lippen waren voll und rosig, und Will fragte sich, wie es wäre, sie zu küssen. Auch das war nicht sehr professionell – er musste sich entscheiden, ob er sachlich mit ihr umgehen oder sie als Frau sehen wollte.

Beim Blick in ihre großen grünen Augen schien es nur eine Antwort zu geben. Kurz verspürte Will Schuldgefühle, sonst trennte er strikt zwischen Beruf und Leidenschaft. Aber bei ihrem Anblick konnte kein Mann an Berufliches denken.

„Lehrer gibt es in allen Größen und Farben“, antwortete sie. „Sie dagegen sehen genau so aus, wie ich es erwartet habe, aber es gibt auch genug Fotos von Ihnen in den Illustrierten.“

„Ich hatte nie eine Lehrerin, die so aussah wie Sie, dann hätte die Schule mir sicher mehr Spaß gemacht.“

„Das bezweifele ich.“ Sie erwiderte sein Lächeln.

„Woher wollen Sie das wissen, vielleicht war ich ja sehr fleißig?“

„Sie sehen mir eher nach dem sportlichen Typ als nach einem Denker aus.“

„Sie können Menschen schnell einordnen.“

Ehe sie antworten konnte, kam der Ober und brachte die Getränke.

„Ich freue mich, dass Sie Zeit für ein Treffen haben“, begann Will. „Sie haben einen sehr guten Ruf und sind mir von Carolines Lehrern empfohlen worden.“

„Danke.“ Sie neigte den Kopf und betrachtete ihn. „Wir hätten telefonieren können, das hätte Ihnen die Reise nach Austin erspart. Ich habe Ihrer Sekretärin schon eine Liste mit möglichen Lehrern gegeben.“

Er nickte. „Um nichts in der Welt hätte ich dieses Mittagessen verpassen mögen“, sagte er. Und das nicht nur, weil du meiner Nichte vielleicht helfen kannst, sondern weil ich deine Gesellschaft so genieße, setze er in Gedanken hinzu. Sie war hinreißend, und es fiel ihm schwer, sich auf sein Anliegen zu konzentrieren.

„Ihre Sekretärin hat mir von Ihrer Nichte Caroline erzählt. Sie wurde sehr jung traumatisiert.“

„Es ist über ein Jahr her, dass sie ihren Vater verloren hat. Danach hat sie sich vollkommen abgeschottet.“

„Was ist mir ihrer Mutter?“

„Sie hat die Familie verlassen, als Caroline vier Monate alt war.“

„Vier Monate? Was war das für eine Ehe?“

„Die Art Ehe, wie sie in meiner Familie üblich ist. Meine Eltern haben sich auch scheiden lassen, und das war bitter, aber wir waren schon älter als Caroline. Ich war vierzehn. Keiner von uns hat die Ehe danach als etwas Erstrebenswertes betrachtet.“

Ava sah ihn stirnrunzelnd an. „Nur weil zwei Ehen nicht geklappt haben, bedeutet das nicht, dass alle Ehen schlecht sind.“

„Finanziell sind wir erfolgreich, privat leider nicht. An ihre Mutter kann Caroline sich nicht erinnern, aber ihren Vater hat sie vergöttert. Nach dem Flugzeugabsturz war sie völlig verstört.“

„Besucht ihre Mutter sie ab und zu?“

„Sie hat alle Rechte abgetreten.“

„Was ist das für eine Mutter!“ Avas grüne Augen funkelten, und Will hätte darin versinken können.

„Die Art Mutter, die sehr schön ist, nur an sich denkt und hauptsächlich das Geld liebt. Als sie meinen Bruder kennenlernte, waren sie beide ungebunden und zogen von einer Party zur anderen. Das gefiel ihr, aber nach der Hochzeit ist er solide geworden. Sie wollte weiter Spaß haben, und als sie schwanger wurde, war das für sie eine ärgerliche Überraschung.“

„Caroline ist viel zu jung für diese Schicksalsschläge. Sie tut mir leid.“

Will sah den Ehering an ihrer Hand. „Auch Ihr Verlust tut mir leid. Ich sehe, dass Sie weiter Ihren Ehering tragen.“

Sie senkte den Kopf, um den Ring zu betrachten, und ihre seidigen Haare schwangen nach vorne. Will hätte gerne die Hände darin vergraben.

„Ich trage ihn weiter, weil ich kein Interesse an Verabredungen habe und Männer dadurch auf Abstand halten kann. Ich habe meinen Mann geliebt, und es war furchtbar, ihn zu verlieren. Das will ich nie wieder erleben.“

Will betrachtete sie. „Also haben Sie Männer, Ehe und das Leben im Allgemeinen aufgegeben.“

„Das Leben nicht. Ich liebe Kinder und arbeite gerne mit ihnen. Sie klingen aber auch nicht so, als wenn Sie bald heiraten wollten.“

„Ganz bestimmt nicht, in die Falle laufe ich nicht. Bei den Delaneys ist Ehe gleichbedeutend mit Liebeskummer, Bitterkeit und Verlust. Nein, vielen Dank. Wie lange sind Sie schon verwitwet?“

„Sechs Jahre. Wir haben schon während des Studiums geheiratet, und nach einem Jahr ist mein Mann bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen.“

„Das tut mir leid.“

„Danke. Aber Sie sind nicht gekommen, um über meine Vergangenheit zu reden. Erzählen Sie mir von Caroline.“

„Caroline hat sich vollkommen von der Welt zurückgezogen – vielleicht ist es eine Schutzreaktion. Wenn sie niemanden liebt, kann sie auch nicht verletzt werden, wenn sie denjenigen wieder verliert. Ich habe schon viele Erklärungen gehört, aber die leuchtet mir am ehesten ein. Caroline spricht kaum. Sie kapselt sich ab und findet dadurch im Kindergarten keinen Kontakt. Sie bleibt für sich, statt mit anderen Kindern zu spielen. Dann ist auch noch mein Vater gestorben, der in sie vernarrt war. Das war noch ein Hieb in die gleiche Kerbe. Mir gegenüber war sie danach ein wenig aufgeschlossener, vielleicht hat uns der gemeinsame Kummer verbunden.“

„Sie haben bestimmt schon alle möglichen Therapien versucht.“

„Ich habe alles ausprobiert. Deshalb bin ich ja hier.“ Will betrachtete Ava schweigend. „Sie mögen mich nicht, nicht wahr?“, sagte er dann.

Ava sah überrascht auf und wurde rot. „Ich wusste nicht, dass man mir das anmerkt.“

Will wurde ärgerlich. Er war es nicht gewöhnt, dass Frauen ablehnend auf ihn reagierten.

„Ich gebe zu, dass ich aufgrund der Dinge, die ich in der Zeitung über Sie gelesen habe, falsche Schlüsse gezogen haben könnte“, fuhr Ava fort. „Es spricht für Sie, dass Sie sich Sorgen um Caroline machen. Aber haben Sie schon mal versucht, mehr Zeit mit ihr zu verbringen?“

Verblüfft sah Will sie an. Was fiel ihr ein? „Ich kenne mich mit kleinen Mädchen nicht aus, aber ich habe alles getan, was mir einfällt.“

„Verbringen Sie viel Zeit mit ihr?“

Will spürte leichte Schuldgefühle und zog die Brauen zusammen. „Ich versuche es. Aber ich gebe zu, dass ich mich nicht so intensiv um sie kümmere, wie mein Bruder es getan hat. Das ist das erste Mal, dass ich ein Problem habe, das ich nicht lösen kann.“

„Es ist wichtig, dass Sie es versuchen.“

„Carolines Arzt hat gesagt, wenn sie sich jemandem zuwendet, sollen wir die Beziehung unterstützen. Leider ist diese Person bisher nicht aufgetaucht. Früher war sie immer so fröhlich, jetzt ist sie nur still, in sich gekehrt und ernst. Die Kinderfrau und die Angestellten verwöhnen sie alle, aber ohne Erfolg.“

Will griff nach der Speisekarte. „Lassen Sie uns erst mal was essen. Worauf haben Sie Lust?“

Sie lachte leise. „Auf alles. Das hier gehört zu meinen Lieblingsrestaurants.“

„Zu meinen auch“, erwiderte er überrascht. „Immer, wenn ich in Austin bin, esse ich hier, aber Sie habe ich noch nie hier gesehen.“

Ava schüttelte den Kopf. „Wie auch? Wir haben einander bis heute doch gar nicht gekannt. Außerdem komme ich nur sehr unregelmäßig her.“ Sie klappte die Speisekarte zu. „Aber oft genug, um auch so zu wissen, was ich will.“

„Es ist immer gut zu wissen, was man will“, erwiderte Will. Er betrachtete Ava, als der Ober kam und sie einen Cäsar-Salat und Früchtetee bestellte.

Will nahm einen Hamburger. „Auf dem Flug hierher habe ich mir die Liste von Tutoren angesehen, die Sie empfohlen haben.“

„Sie sind alle bestens geeignet und haben gute Erfolge dabei erzielt, Kindern das Lesen beizubringen.“

„Ich weiß das zu schätzen. Aber es ist schwerer als ich dachte, den richtigen Tutor zu finden. Im Kindergarten muss Caroline der Betreuerin zeigen, was sie kann. Sie bekommt Privatunterricht, aber wenn sie nicht reagiert, geben die Leute irgendwann auf.“

„Hoffentlich erreicht dann der Tutor etwas.“

„Caroline ist momentan der wichtigste Mensch in meinem Leben. Ehe ich entscheide, würde ich gerne mit Ihnen nach Dallas fliegen, damit Sie sie kennenlernen. Wenn Sie Caroline besser kennen, wissen Sie auch, welcher Tutor am ehesten zu ihr passt. Die Zeit drängt, ich würde Sie gut bezahlen. Zweitausend Dollar am Tag plus Spesen, und ich fliege Sie nach Dallas und dann zurück nach Austin.“

„Aber das ist viel Geld“, rief Ava überrascht.

„Ich kann es mir leisten, und das hier hat für mich Priorität“, erklärte Will, fest entschlossen, seinen Willen durchzusetzen.

„Sie wissen, dass es ausgezeichnete Schulen für solche Fälle gibt, wo man den ganzen Tag mit ihr arbeiten würde und sie abends Kurse machen könnte?“

Will wusste, dass das ein Test war, den er bestehen würde. „Ich will sie aber nicht wegschicken.“

Ihre grünen Augen blitzten auf. „Löblich.“

„Kommen Sie mit nach Dallas?“

Wills Puls beschleunigte sich, während er auf Avas Antwort wartete. Er wünschte sich, dass sie auf sein Angebot einginge, nicht nur Carolines wegen. Heute Morgen hatte er noch vorgehabt, nach Austin zu fliegen, die Liste zu besprechen und nach vollendeter Wahl wieder nach Hause zu fliegen. Aber als er Ava gesehen hatte, hatte er alle Pläne über den Haufen geworfen und beschlossen, Caroline zu helfen und Ava dabei näher kennenzulernen.

„Wann wollen Sie los?“, fragte Ava.

„Wann Sie wollen. Sie können jetzt mit mir zurückfliegen, aber auch morgen oder nächste Woche kommen. Je eher, desto besser.“

Ava dachte nach, und Will nutzte die Gelegenheit, um sie zu betrachten. Ihre seidigen Haare waren wie für Männerhände gemacht. Lange, dunkle Wimpern säumten diese verführerischen Augen, und ihr Mund ließ sein Herz schneller schlagen. Er wollte mit ihr flirten, sie zum Essen einladen und dann küssen, bis sie beide vor Verlangen brannten. Weder er noch sie wollten sich emotional binden, somit würde es keine Komplikationen geben.

Der Ober brachte ihr Essen, und Ava beugte sich vor. „Wann fliegen Sie zurück?“

„Ich bin um drei Uhr noch mit einem Kunden verabredet, danach wollte ich zurückfliegen. Aber ich kann meine Pläne auch ändern.“

„In ein paar Stunden könnte ich mitkommen, wenn es Ihnen recht ist. Das Wochenende kommt, und danach habe ich ein paar Tage ohne Termine.“

„Wunderbar, dann kommen Sie mit und lernen Caroline kennen. Vielleicht können Sie eine Woche bleiben?“

Sie lächelte. „So lange wird es nicht dauern, Caroline kennenzulernen. Ich komme heute mit und fliege in zwei Tagen zurück. Ich habe gerade Examen gemacht und möchte demnächst eine eigene Privatschule eröffnen.“

„Donnerwetter“, sagte Will. Das Blut rauschte in seinen Ohren bei dem Gedanken, sie die nächsten drei Tage in seinem Haus zu haben.

„Ich nehme an, dass Sie Caroline vorlesen“, fuhr Ava fort. „Können Sie mir eine Liste ihrer Lieblingsbücher geben? Dann hole ich noch ein, zwei dazu.“

„Klar. Noch besser, ich gehe nach dem Essen mit Ihnen in einen Buchladen, wo Sie gleich holen können, was Sie wollen.“

„Sie sind fest entschlossen, was?“

„Ich würde alles tun, um Caroline zu helfen. Ich weiß ja, wie sie war, ehe sie ihren Vater verloren hat.“

„Ich glaube, ich habe Sie falsch beurteilt“, gab Ava zu. „Ich hatte Vorurteile aufgrund der Dinge, die ich über Sie gelesen habe.“

„Wie schön, dass Ihre Meinung über mich sich bessert. Wir werden uns sicher noch besser kennenlernen.“

Sie lächelte. „Ich fliege nach Dallas, um Caroline kennenzulernen.“

„Ich muss offenbar an meinem Image arbeiten. Ich bin es nicht gewöhnt, dass eine Frau mir sagt, dass sie kein Interesse an mir hat.“

„Es ist nicht nötig, dass wir Freunde werden.“

„Aber es könnte Spaß machen. Sie wären überrascht, was Sie entdecken würden.“ Seine Stimme wurde eine Oktave tiefer. „Ich jedenfalls würde Sie gerne näher kennenlernen.“

„Ich könnte Ihnen sagen, dass Sie aufhören sollen zu flirten“, erwiderte Ava kopfschüttelnd, „aber das wäre sinnlos. Wahrscheinlich ist das für Sie so selbstverständlich wie atmen.“

„Wenn eine schöne Frau im Spiel ist, ist es geradezu notwendig. Außerdem sind Sie in zwei Tagen ohnehin wieder weg, was spielt es also für eine Rolle?“

„Vielleicht stimmt das, was ich gelesen habe, doch.“

„Vergessen Sie die Zeitungen. Ich weiß von Ihnen nur, dass sie sehr gut mit Kindern umgehen können. Sie können unterrichten und haben Ihr Examen.“

„Stimmt.“

„Was haben Sie damit vor?“

„Ich schreibe Fachbücher über Leseschulung. Und ich will eine Privatschule eröffnen – erst mal für die Klassen eins und zwei – um meine eigene Methode zum Lesenlernen anzuwenden. Für den nächsten Schritt brauche ich dann finanzielle Unterstützung.“

„Ganz schön ehrgeizig, eine eigene Schule zu eröffnen“, sagte Will anerkennend. „Eine Frau mit Zielen.“ Sie brauchte also Sponsoren – das eröffnete ihm für später eine gute Verhandlungsbasis.

Schön, ehrgeizig und intelligent – eine aufregende Mischung, die seinen Jagdinstinkt weckte. „Ich habe viel Gutes über Ihre Arbeit mit Kindern gehört“, sagte er.

„Ich mag Kinder und bin gerne mit ihnen zusammen. Ich versuche, alles für Kinder interessant zu machen. Leicht ist Lernen nicht, aber es kann Spaß machen. Ich will Kindern mein Leben widmen.“

„Haben Sie Geschwister?“

„Ich habe zwei jüngere Schwestern, Trinity und Summer. Trinity ist Pressesprecherin für ein Unternehmen in Austin. Summer studiert noch und will Lehrerin werden.“

„Und Ihre Eltern? Wo kommen Sie her?“

„Mein Vater hat ein Lebensmittelgeschäft in Lubbock, und meine Mutter ist Zahnhygienikerin. Und Sie?“

„Außer meinem verstorbenen Bruder Adam habe ich noch zwei Brüder. Zach ist ständig beruflich unterwegs, und der jüngere, Ryan, arbeitet in Houston. Meine Eltern sind seit Jahren geschieden, meine Mutter hat noch zweimal geheiratet und lebt jetzt in Atlanta. Mein Vater ist kürzlich gestorben.“

„Der Bruder, der selten zu Hause ist – ist er auch ein Vormund von Caroline?“

„Nein, nur ich. Adam stand mir immer sehr nahe, er war drei Jahre älter als ich. Zach ist zweiunddreißig, vier Jahre jünger als ich. Er arbeitet für ein Abrissunternehmen auf der ganzen Welt. Er ist gut in seinem Beruf, aber selten zu Hause. Ryan ist neunundzwanzig und leitet eine unserer Bohrfirmen. Keiner von uns ist die ideale Vaterfigur.“

„Wie ist Caroline so? Was macht sie gerne?“

„Schwimmen. Wenn Sie gerne schwimmen, dann packen Sie einen Badeanzug ein. So können Sie etwas mit ihr zusammen unternehmen. Bücher mag sie auch, sie liest gerne.“

„Sie ist fünf und kann schon lesen – das ist früh. Gut.“

„Aber im Kindergarten macht sie nicht mit, daher weiß es dort keiner. Ich habe der Betreuerin erzählt, dass sie lesen kann, aber weil sie es nie erlebt, ist sie skeptisch.“

„Glauben Sie, dass Caroline wirklich liest?“

„Ich weiß es. Sie hat schon mit einfachen Büchern angefangen, ehe ihr Vater starb.“

„Da war sie noch sehr jung.“

„Ihr Vater hat mit ihr geübt. Sie ist ein kluges Mädchen, deshalb tut mir ihr Rückzug so leid. Wenn ihr ein Buch gefallen hat, hat sie früher immer viel davon erzählt. Ich schenke ihr häufig Bücher, weil die das einzige sind, worüber sie sich freut.“

„Das ist ein gutes Zeichen. Wenn sie gerne liest, hat ein Tutor etwas, um an sie ranzukommen.“

Will betrachtete ihre Teller. „Wir sind fertig. Möchten Sie noch einen Nachtisch? Der ist hier sehr gut.“

„Nein, danke, ich möchte noch in den Buchladen.“

Kurze Zeit später hielt Will ihr die Tür zur Buchhandlung auf. Sein Blick blieb an ihren sanft schwingenden Hüften hängen, und einen Moment lang vergaß er, warum er hier war. Er wollte einen Abend mit ihr verbringen, und einmal nicht an die Arbeit denken.

Ava ging in die Kinderbuchecke und wählte einen Titel aus. „Was halten Sie davon?“

„Das hat sie schon und mag es sehr“, antwortete Will. „Was sie noch so hat, weiß ich nicht genau, aber ich rufe Rosalyn an, dann können Sie das mit ihr klären.“

„Sonst kann ich es umtauschen.“ Ava ging an den Regalen entlang, und Will beobachtete sie.

„Ich bin überrascht, dass es keinen Mann in Ihrem Leben gibt“, sagte er leise. „Sechs Jahre sind eine lange Zeit.“

„Ich habe kein Interesse. Ich habe zu viel zu tun.“

„So viel kann man gar nicht zu tun haben.“

Sie blieb stehen und lächelte ihn an. „Wollen Sie mir anbieten, die Lücke zu füllen? Lassen wir es dabei bewenden, einen Tutor für Ihre Nichte zu finden, und danach trennen sich unsere Wege wieder. Leider kenne ich nur wenige alleinstehende, hübsche Tutorinnen.“

„Unter anderen Umständen würde ich zustimmen, dass unsere Wege sich wieder trennen, aber ich kann nicht“, erwiderte Will und kam näher. Sie sahen einander an.

„Sie spüren diese Anziehungskraft doch auch.“ Seine Stimme klang rau. „Leugnen Sie es nicht.“ In zwei Tagen würde diese Frau wieder aus seinem Leben verschwinden – das war vielleicht gut so, sie ging ihm jetzt schon unter die Haut. Sie war ehrgeizig und entschlossen und eigentlich nicht sein Typ, aber die nächsten beiden Tage würden interessant werden.

Ava holte tief Luft und wandte den Blick ab. „Wie auch immer“, erklärte sie. „Wir bleiben bei Büchern und Geschäft.“ Sie errötete. „Ich will keine kurze Affäre. Wenn ich mich je wieder mit einem Mann einlasse, soll es eine ernsthafte, tiefgehende Beziehung sein. Ich bezweifele sehr, dass Sie so etwas suchen.“

„Ganz bestimmt nicht. Feste Beziehungen oder Ehe sind nichts für mich. Das ist noch keinem Mann in unserer Familie gelungen.“

„Dann bleibt unsere Verbindung strikt beruflich.“ Ava griff nach einem Buch. „Hat sie das schon?“

Will legte seine Hand auf ihre. Als Ava scharf Luft holte, schlug sein Herz schneller – sie reagierte auf jede Berührung von ihm.

„Nicht das ich wüsste“, meinte er nach einem Blick auf das Titelbild.

„Das ist eine nette Geschichte, dann nehme ich das.“

„Sie kennen sich aus.“

„Ich habe meine Examensarbeit über frühkindliches Lesen geschrieben.“

„Suchen Sie ruhig mehr aus, ich halte das hier solange.“ Will dachte plötzlich, dass Ava die perfekte Tutorin für Caroline wäre. Sie hatte über Kinderbücher gearbeitet und liebte Kinder – sie war die ideale Besetzung.

Ava musterte die Regale, und Will musterte sie. Zwei Tage würde sie bei ihm wohnen, er musste dafür sorgen, seinen Terminkalender frei zu halten. Er würde ihre Barrieren schon überwinden. Wenn sie seit sechs Jahren keine Verabredung mehr gehabt hatte, war sie längst überfällig. Die Spannung zwischen ihnen waren vom ersten Augenblick an da gewesen, das hatte er sich nicht eingebildet. Sie spürte sie genauso wie er.

„Was ist damit?“ Sie hielt ein Buch mit Hunden hoch.

Will griff danach. „Zeigen Sie mal die Bilder.“ Er trat näher und atmete den Duft ihres Parfums ein, während sie blätterte. Caroline hatte das Buch noch nicht, aber er wollte die Nähe zu Ava genießen. „Das hat sie, glaube ich, noch nicht.“

„Ich liebe diese Geschichte, dann nehmen wir das auch.“ Ava suchte schließlich vier Bücher aus, und Will bestand darauf, zu bezahlen.

„Wann soll ich Sie abholen?“, fragte er, als sie zu ihrer Wohnung fuhren.

„Am frühen Abend, dann bin ich fertig.“

Sie trat ins Haus, und Will fuhr los. Sie würde mit ihm nach Dallas fliegen, und er hatte zwei Tage Zeit, um sie davon zu überzeugen, dass sie da bleiben und Carolines Tutorin werden sollte. Seine Entscheidung war schon gefallen, Ava hatte die besten Qualifikationen. Will gab sich schon lange nur noch mit dem Besten zufrieden. Außerdem wollte er Ava besser kennenlernen. Eine schöne Frau, die intelligent und selbstbewusst war, stellte eine Herausforderung dar, der er nicht widerstehen konnte.

Ava stand am Fenster und sah dem Wagen nach. Sie war noch nicht bereit für einen neuen Mann in ihrem Leben, und William Delaney würde alles kompliziert machen. Vom ersten Moment an war zwischen ihnen eine Verbindung gewesen – das hatte sie seit Ethan nicht mehr erlebt.

Sie wollte auch nicht, dass es wieder passierte, aber sie konnte den Moment, als Will die Lobby betreten hatte, nicht vergessen. Sie hatte Fotos von ihm in der Zeitung gesehen, aber die wurden ihm nicht gerecht. Er war gut eins achtzig groß und hatte faszinierende braune Augen mit langen, dunklen Wimpern, die ihr den Atem verschlagen hatten. Dunkle Haare und ein Gesicht, dem keine Frau widerstehen konnte, machten ihn zu einer wandelnden Versuchung.

Er war höchst selbstbewusst, und das nicht ohne Grund. Will war in ein Leben im Wohlstand hineingeboren worden, und sein Wunsch war Befehl – meistens jedenfalls. Wahrscheinlich hatten die Probleme mit seiner Nichte ihn ganz schön aus der Bahn geworfen. Caroline war ein liebenswertes Problem, an das er nicht gewöhnt war.

Ava zog die Tutorenliste hervor. Ganz oben stand Becky Hofflinger, die im Umgang mit traumatisierten Kindern besonders erfahren war. Sie war gut und konnte das Geld gebrauchen, Will war sicher großzügig.

Ava dachte an die zweitausend Dollar, die sie pro Tag in Dallas bekommen sollte. Sie hätte eine Woche bleiben können, und er hätte gezahlt, ohne mit der Wimper zu zucken. Sie schüttelte den Kopf. Der Mann schwamm im Geld.

Autor

Sara Orwig
<p>Sara’s lebenslange Leidenschaft des Lesens zeigt schon ihre Garage, die nicht mit Autos sondern mit Büchern gefüllt ist. Diese Leidenschaft ging über in die Liebe zum Schreiben und mit 75 veröffentlichten Büchern die in 23 Sprachen übersetzt wurden, einem Master in Englisch, einer Tätigkeit als Lehrerin, Mutter von drei Kindern...
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