Der Playboy und die Eisprinzessin

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Wetten, dass … Scott die als „Eisprinzessin“ bekannte Rena ins Bett bekommt? Der Einsatz: 50.000 Dollar. Dabei geht‘s ihm gar nicht ums Geld – davon hat Scott genug – sondern nur um die hübsche Frau. Die hat ihn jedoch belauscht und will dem Playboy eine Lektion erteilen …


  • Erscheinungstag 13.05.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751506892
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Hi, sexy Lady, wo willst du mich heute haben?“

Rena Montgomery biss sich auf die Zunge, um nicht aus einem Impuls heraus etwas auf Scott Rivers’ Begrüßung zu erwidern, das sie später bedauern könnte. Jeden Morgen die gleiche Anmache. Sie hätte zu gern geglaubt, das Kompliment sei ernst gemeint, doch sie hatte genügend Erfahrung mit Spielern, um zu wissen, dass sie niemals die Wahrheit sagten.

„Na?“

Scott legte vertraulich einen Arm um ihre Taille, doch Rena wich ihm aus.

„Auf deinem Platz am Tisch.“

„Honey, wann hörst du endlich auf, so kühl zu mir zu sein?“

„Wenn du aufhörst, mit jeder Frau zu flirten, die gerade vorbeikommt.“

„Macht dich das eifersüchtig?“

„Nein.“

Die anderen Spieler betraten den Raum, und Scott schlenderte lachend an den Spieltisch.

Rena seufzte. Sie hatte sich nur aus einem ganz bestimmten Grund für das Filmgeschäft entschieden: Sie träumte davon, eines Tages den Oscar für die beste Regie verliehen zu bekommen. Sogar ihre Dankesrede konnte sie längst auswendig, schon seit der High School. Damals war ihr das Filmbusiness als der einzige Ausweg aus ihrem tristen Leben in New Jersey erschienen.

Aber das Träumen hatte nichts genützt, jedenfalls nicht, was den Oscar betraf. Nicht einmal ein MTV-Award war auch nur annähernd in Reichweite. Und auch für dieses Projekt, eine Poker-Show mit Prominenten, würde sie wohl kaum einen Preis bekommen.

Eine Staffel lief über vier Wochen. Vier prominente Amateure und vier Profis aus ganz Amerika traten gegeneinander an und spielten um den Sieg. Jede Woche fanden zwei Spiele statt, in denen jeweils ein Spieler ausschied. Die beiden letzten spielten mit hohem Einsatz um den Meistertitel.

Es gab sogar eine Website im Internet zur Show. Dort hatten die Zuschauer die Chance, Preise zu gewinnen, indem sie errieten, ob einer der Prominenten nur bluffte oder tatsächlich die Karten auf der Hand hatte, die er brauchte, um zu gewinnen.

Die Show verdankte ihre Existenz dem allgemeinen Boom, den das Reality-TV zurzeit erlebte. Sie entsprach dem Bedürfnis der Zuschauer, zu sehen, wie ihre Stars ihre Freizeit verbrachten und ihr Geld ausgaben. Alle vier Wochen gab es eine neue Staffel mit neuen Spielern, und für das Ende der Saison war ein großes Finale geplant.

Wegen der Preise, die diejenigen Zuschauer gewinnen konnten, die auf den richtigen Sieger gesetzt hatten, und um der Show nicht zu schaden, musste jeder, der daran mitarbeitete, sich zu absolutem Stillschweigen verpflichten. Die Zuschauerpreise wurden von Sponsoren gestiftet. Die Spieler, sowohl die Profis als auch die prominenten Amateure, spendeten ihre Gewinne für wohltätige Zwecke.

Rena hatte bisher sorgfältig darauf geachtet, den Spielern gegenüber Distanz zu wahren. Joel Tanner, der Produzent und damit ihr Chef, sah es nicht gern, wenn sie oder andere Mitglieder des Filmteams engeren Kontakt zu den Spielern aufnahmen. Es gab sogar eine spezielle Klausel dazu in den Verträgen, die jeder Einzelne, auch die Spieler, unterschreiben musste. Joel wollte sicher sein, dass es nicht zu juristischen Problemen kam, weil ein Spieler womöglich öfter oder vorteilhafter gefilmt wurde als die anderen.

Auch die Art, wie Rena die einzelnen Teilnehmer jeweils in Szene setzte, konnte durchaus einen Einfluss darauf haben, welchen Spieler die Zuschauer bei ihren Tipps favorisierten. In der vergangenen Saison hatte man einen Kameramann feuern müssen, weil er eine Affäre mit einer Teilnehmerin hatte und ihr mehr Kamerazeit gegeben hatte als den übrigen Spielern.

Die jetzige Staffel wurde im Kasino des exklusiven Hotels Chimera in Las Vegas aufgezeichnet. Trotz der angenehmen Atmosphäre war es harte Arbeit. Rena massierte sich den Nacken und machte sich auf in die Regiekabine. Da alle an der Show beteiligten Personen mit kleinen Kopfhörern und Mikrofonen ausgerüstet waren, konnten sie zwar ihre Stimme hören, doch niemand konnte sie in der Kabine sehen. Deshalb wurde sie schon mal scherzhaft „die Allmächtige“ genannt. Aber ihr war nur allzu deutlich bewusst, wie weit sie davon entfernt war, allmächtig zu sein.

Ganz besonders in diesem Moment, denn ihr gingen völlig unprofessionell ausgesprochen unkeusche Gedanken durch den Kopf, in deren Mittelpunkt der Schauspieler Scott Rivers stand.

Rena betrat die Kabine und setzte wie gewohnt ihre Kopfhörer auf. Sofort hörte sie Scotts tiefe, sexy Stimme und lauschte. Er war der erste Mann, der sie in Versuchung brachte, gegen ihren Vertrag zu verstoßen. Jeden Tag musste sie gegen diese Versuchung ankämpfen.

Wenn er doch verlieren und ausscheiden würde, dann wäre alles einfacher, dachte sie wie schon so oft, doch dann rief sie sich zur Ordnung. Nein, das wollte sie nicht wirklich.

Außerdem wusste sie Bescheid über die Männer. Sie musste nur standhaft bleiben. Früher oder später würde er aufhören, sie zu fragen, ob sie mit ihm ausgehen wollte. Und bis dahin wollte sie das Flirten mit ihm einfach genießen.

„Na, wieder abgeblitzt, Alter?“

Scott blickte hinüber zu Stevie Taylor, dem berühmt-berüchtigten Leadsänger einer Heavy-Metal-Band, die vor einigen Jahren die Musikszene beherrscht hatte. Stevie war allerdings noch immer ein Star, denn er verfügte über das Talent und die Energie, um im Geschäft zu bleiben. Er passte seinen Stil einfach immer dem jeweiligen Geschmack der jungen Generation an.

Das war etwas, was Scott anerkannte, dennoch ging Stevie ihm manchmal ordentlich auf die Nerven. Er nahm an, Stevie verübelte es ihm, dass er ihn im vergangenen Monat bei einem hochdotierten Golfturnier auf Hawaii geschlagen hatte. Vielleicht hingen seine Sticheleien aber auch damit zusammen, dass Stevies dritte Frau während des Turniers Gefallen an ihm, Scott, gefunden hatte, obwohl er es ganz und gar nicht darauf angelegt hatte.

„Bei manchen Frauen braucht man eben etwas länger“, sagte Scott. Besonders bei Frauen wie Rena Montgomery. Sie passte einfach in keine Schublade. „Und nicht jede lässt sich von langen Haaren und schnellen Autos beeindrucken.“

„Ich schätze, das heißt, dass du dich einfach mehr anstrengen musst.“

Scott ignorierte Stevies sarkastischen Ton, denn er war praktisch vor der Kamera aufgewachsen und hatte früh gelernt, sich so zu verhalten, dass er bei anderen gut ankam. Stevie gegenüber machte er immer auf Frauenheld und verhielt sich so, als sei er ständig auf der Suche nach „Frischfleisch“, denn das verstand der legendäre Rocker am besten. Rena gegenüber gab er sich … tja, Rena gegenüber drohten seine Schauspielkünste zu versagen. Sie ließ ihn vergessen, dass er eine Rolle zu spielen hatte.

„Klar. Ohne Fleiß kein Preis“, entgegnete er trocken. Rena wäre jede Anstrengung wert. Sogar, dass er für sie seinen Job in dieser Show aufs Spiel setzte. Nicht, dass er sich ernsthaft Sorgen deswegen machte. Der Produzent und er waren alte Freunde. Aber wie ernst mochte Rena die Klausel nehmen, die sie beide unterschrieben hatten und die ihnen jeden engeren Kontakt untersagte?

Scott gestand sich durchaus ein, dass der Spieler in ihm nur zu gern das Risiko eingehen würde. Da dieses Risiko aber auch für Rena bestand, konnte er sicher sein, dass sie nur dann mit ihm ausgehen würde, wenn ihr etwas daran lag, mit ihm zusammen zu sein. Er konnte es nicht genau erklären, aber dieser Gedanke hatte etwas sehr Verlockendes für ihn.

„Du reißt dir ihretwegen ein Bein aus, und sie bemerkt dich kaum, Rivers. Was sollen deine Fans eigentlich von dir denken?“

Scott ließ sich nicht provozieren. Er hatte keine Fans im üblichen Sinne mehr, und Stevie wusste das. Auf seine Karriere als Kinderstar waren mehrere Kultfilme gefolgt und schließlich zwei echte Blockbuster. Als Schauspieler arbeitete er jetzt aber nur noch, wenn er Lust dazu hatte. Viel lieber war er für die Wohltätigkeitsstiftung aktiv, die er mit seinem Vermögen ins Leben gerufen hatte. „Ich mache mir keine Sorgen, Stevie.“

„Tja, nicht jeder ist dafür geschaffen, in der obersten Liga zu spielen.“

„Wie du meinst. Ich glaube, sie kann nicht so recht zeigen, dass sie sich zu mir hingezogen fühlt.“

„Weil es nicht der Fall ist, vielleicht?“, sagte Stevie schmunzelnd.

„Weil wir zusammen arbeiten.“ Ein Mann wie Stevie würde das niemals verstehen, das wusste Scott. Renas Job und ihr Ruf bedeuteten ihr sehr viel. Und er verstand das.

„Davon würde ich mich nicht abhalten lassen.“

Das fehlte gerade, dass er sich jetzt auch noch wie ein Teenager verteidigte, der zum ersten Mal verliebt war. Scott war achtunddreißig, und er konnte kaum glauben, dass er sich in so ein albernes Gespräch hatte verwickeln lassen.

Er war extra früh ins Studio gekommen, in der Hoffung, ein bisschen mit Rena allein sein zu können. Mit Stevie hatte er nicht gerechnet.

„Was ist los? Wo bleibt deine Schlagfertigkeit?“

„Du bist ein Idiot, weißt du das?“

Stevie lachte. „Du bist nicht der Erste, der mir das sagt. Aber das ändert nichts daran, dass Miss Montgomery nicht gerade in dich verliebt zu sein scheint.“

Stevie würde nicht lockerlassen, das war Scott klar. Ganz gleich, was er sagen oder tun mochte, Stevie würde immer wieder die Sprache auf Rena bringen. Und das wollte er nicht. „Was würde dich dazu bringen, den Mund zu halten?“

„Beweis mir, dass ich mich irre. Zeig mir, dass du Rena genauso schnell aufreißen kannst wie jede andere Frau.“

„Wie soll das gehen?“, hakte Scott nach.

„Wie wär’s mit einer kleinen Wette?“

„Um eine Frau? Wo hast du die letzten zwanzig Jahre verbracht, Mann?“

„Keiner außer uns beiden muss etwas davon erfahren.“

Scott sah sich um. Offenbar waren sie immer noch allein, ein seltener Luxus an einem Drehort. „Wie stellst du dir das vor?“

„Du kriegst sie herum, und zwar noch vor Abschluss der Dreharbeiten.“

Scott verspürte dieses Prickeln im Nacken, das sich immer einstellte, wenn er ein Risiko einging. Wie beim Skysurfen oder beim Kajakfahren durch gefährliche Stromschnellen. Wie immer, wenn er etwas tat, wovor ihn sein Selbsterhaltungstrieb warnte. Er begehrte Rena, und er hatte das Gefühl, sie begehrte ihn auch.

Wenn Stevie ihn dann endlich in Ruhe ließe, warum nicht?

„Um wie viel wetten wir?“

„Um fünfzigtausend.“

„Alles klar.“

Rena konnte nicht glauben, was sie da gerade gehört hatte. Scott hatte tatsächlich mit Stevie Taylor um sie gewettet!

Warum nur hatte sie die Mikrofone eingeschaltet, kaum dass sie ihre Kabine betreten hatte? Wie dumm von ihr, andere zu belauschen. Das hatte sie nun davon.

Renas Hände zitterten. Am liebsten hätte sie Scott geohrfeigt. Was zum Teufel dachte er sich dabei, eine Wette darüber abzuschließen, dass er sie ins Bett bekam? Das war absolut niveaulos und umso verletzender, als sie geglaubt hatte, er sei anders.

Rena beugte sich vor und blickte durch die getönte Scheibe zu den beiden Männern hinunter. Sie standen etwas abseits von allen anderen.

Sie beobachtete die beiden, als sie ihre Plätze am Spieltisch einnahmen. Dann starrte sie wieder auf ihren Monitor, jedoch ohne etwas wahrzunehmen. Sie war schon einmal das Objekt einer Spielerwette gewesen. Noch einmal würde sie das nicht zulassen.

Doch wie sollte sie Scott gegenüber standhaft bleiben? Als Kinderstar war er praktisch in der Öffentlichkeit aufgewachsen und hatte fünfzehn Jahre lang Woche für Woche ganz Amerika mit seiner Serie begeistert. In den wenigen Tagen, die sie jetzt hier in Las Vegas waren, hatte sie niemanden erlebt, der diesem Mann etwas verweigert hätte – sie war bislang die Einzige.

Er sah gut aus – das hieß, wenn man auf Männer stand, die ihr Haar bis auf die Schultern wachsen ließen und einen kleinen Kinnbart hatten. Und natürlich stand sie darauf. Außerdem hatte sie sich überlegt, dass es vielleicht mal wieder an der Zeit wäre, es mit einem Mann zu versuchen. Das war allerdings vor dieser Wette gewesen.

Rena hätte sich am liebsten auf den Boden gehockt und schützend die Arme um ihren Oberkörper geschlungen. Stattdessen schaltete sie ihr Mikrofon ein, damit alle sie hören konnten.

„Bitte alle auf ihre Plätze.“

Schlimm, dass sie sich zu einem Mann hingezogen fühlte, für den es offenbar zur zweiten Natur geworden war, sich durchs Leben zu bluffen, zumal sie gewarnt sein müsste, da sie von einem Hochstapler par excellence aufgezogen worden war. Ein Hochstapler, der seinesgleichen suchte, und der sich stets perfekt auf jede Situation einstellen konnte, ganz so, wie es bei Scott der Fall zu sein schien. Jedenfalls schaffte es niemand, vorauszusagen, ob Scott bei den Spielen bluffte oder tatsächlich ein Gewinnerblatt auf der Hand hatte.

„Action!“, sagte Rena, und die Karten wurden ausgeteilt.

Sie beobachtete Scott beim Spielen. Der geniale Hochstapler war in seinem Element. Wieder ging ihr durch den Kopf, was er zu Stevie gesagt hatte. Fünfzigtausend Dollar war sie ihm also wert. Sie wünschte, sie könnte ihm das irgendwie heimzahlen und irgendetwas tun, womit er nicht rechnete. Vielleicht, ihn ein bisschen an der Nase herumführen? Schließlich war sie eine Montgomery.

Eigentlich hatte sie sich geschworen, niemals wieder zu lügen oder jemandes Vertrauen zu missbrauchen, aber in diesem Fall erschien es ihr das einzig Richtige zu sein. Dieser Kerl! Sie hatte gehofft, er wäre anders.

„Kamera zwei, das Bild ist unscharf. Kamera eins, nimm den ganzen Tisch auf, wie besprochen.“

Rena hörte auf, über Scott nachzudenken, und konzentrierte sich auf ihre Arbeit. Wenn sie sich wirklich auf irgendwelche Spielchen mit Scott einließe, riskierte sie ihren Job. Joel würde ihr einen solchen Verstoß gegen die Regeln nicht verzeihen.

„Und Schnitt“, befahl sie, nachdem die Karten ausgeteilt waren. „Keiner rührt sich von der Stelle. Latesha, Stevies Stirn glänzt. Kamera zwei, auf die linke Seite des Tisches.“

Laurie Andrews, eine Profispielerin, hob die Hand. „Ich brauche einen Schluck Wasser.“

Einer der Produktionsassistenten brachte ihr eine Flasche Mineralwasser und verschwand wieder. Rena gab das Kommando, mit dem Spiel zu beginnen, und sie drehten bis zum Ende der ersten Runde.

Bis jetzt hatte Scott immer alle geblufft. Im Gegensatz zu den anderen Spielern ließ er sich niemals das Geringste anmerken.

Rena verließ ihre Kabine, um mit Andy, ihrem Regieassistenten, zu sprechen.

Scott ertappte sie dabei, wie sie ihn anstarrte, als er kurz aufblickte. Er hob eine Braue und wirkte dabei dermaßen überheblich, dass sie ihm am liebsten gegen das Schienbein getreten hätte. Aber das entspräche nicht ihrer Natur. Deshalb blieb sie ruhig stehen, sogar als Scott aufstand und auf sie zuging.

„Hi, Honey.“

„Lass es gut sein. Du bist nicht annähernd so unwiderstehlich, wie du glaubst.“

„Ich weiß.“

Sein breites Lächeln war umwerfend, und es wirkte so glaubwürdig. Sie versuchte sich in seine Lage hineinzuversetzen. Wenn sich ihr die Männer so zu Füßen werfen würden wie ihm die Frauen, würde sie sich dann genauso wie er verhalten?

Nein, dachte sie und wollte sich umdrehen, doch Scott hielt sie am Handgelenk fest. Seine starke Hand fühlte sich rau an, was nicht recht zu dem Image des verwöhnten Playboys passte.

„Warte, ich glaube wir haben irgendwie falsch angefangen. Das möchte ich ändern.“

Rena drehte sich um und sah ihn über ihre Schulter an. Da war etwas in seinem Blick, das sie davon abhielt, wegzugehen; etwas, das sie alles andere außer Scott vergessen ließ.

In diesem Moment wurde ihr klar, dass sie ihre Verachtung für die Reichen dieser Welt als Schutzschild gegen ihre Gefühle für ihn benutzt hatte. Und sie fragte sich, warum sie diesen Schultzschild ausgerechnet jetzt fallen lassen musste.

Sie musste daran denken, was ihr Vater immer gesagt hatte: Einen wirklich ehrlichen Menschen kann man nicht beschwindeln. Wenn Scott nicht versuchte, sie zu manipulieren, dann würde er sich auch nicht von ihr manipulieren lassen.

Sie mussten nur noch dreieinhalb Wochen gemeinsam drehen. So lange sollte sie durchhalten.

„Da wir gerade Pause machen, lass uns hinausgehen und reden“, sagte er.

„Reden?“

Er hob eine Braue. „Es sei denn, du hast etwas anderes im Sinn.“

„Nein.“ Vielleicht wäre das der Fall gewesen, bevor sie seine Wette mit Stevie mitbekommen hatte, aber jetzt nicht mehr. Wirklich nicht. Niemals. Denk dir etwas aus, befahl sie sich. Trickse ihn aus. Aber ihr fiel nichts ein. Sie war noch nie gut im Schwindeln gewesen. Sie war immer viel zu ehrlich. Ihr Vater sagte immer, mit ihren Augen traue ihr keiner eine Lüge zu. „Nein“, sagte sie. „Ich …“

„Hör zu, ich weiß, irgendetwas an mir geht dir gegen den Strich.“

„Das ist es nicht.“ Das Schicksal war so unfair. Warum durchschaute er sie so leicht, während sie keine Ahnung hatte, wie sie ihn einschätzen sollte? Aber irgendwie war es logisch. Nur ein Mann, der genau wusste, was in seinen Mitmenschen vorging, konnte sich mühelos jederzeit so verhalten, wie sie es von ihm erwarteten.

„Was dann? Jeden anderen Spieler lächelst du an, nur mich nicht.“

„Das war mir nicht bewusst“, erwiderte sie.

„Natürlich war es das. Aber es war dir egal. Warum, Rena?“ Seine Stimme klang nun eine Oktave tiefer.

Die Art, wie er ihren Namen aussprach, ließ sie erschauern. Sie versuchte daran zu denken, dass Scott ein Schauspieler war, ein Profi, und dass das alles nur Schall und Rauch war. Aber der Finger, der ihr Handgelenk streichelte, fühlte sich nach so viel mehr an. Doch dann erinnerte sie sich daran, was sie sich auf der High School noch vorgenommen hatte, abgesehen davon, den Oscar zu bekommen – keine Spieler. Niemals.

Scott war die meiste Zeit seines Lebens der öffentlichen Meinung ausgesetzt gewesen, und er hatte hart daran gearbeitet, sich ein Image aufzubauen, das den Eindruck erweckte, es mache ihm überhaupt nichts aus. In Wirklichkeit war es ihm zuwider. Dass er sich oft monatelang zurückzog, lag zum großen Teil daran, dass er es manchmal einfach nicht mehr aushielt, ständig unter Beobachtung zu stehen. Es gab Momente, da ertrug er niemanden in seiner Nähe.

Warum stand er dann hier mit Rena Montgomery, die ihm doch unmissverständlich klargemacht hatte, dass sie nichts mit ihm zu tun haben wollte? Ganz sicher nicht wegen der Wette mit Stevie. Er begehrte Rena, seit er sie zum ersten Mal in Joels Büro gesehen hatte.

Und sie nahm ihn kaum wahr. Sollte er vielleicht doch masochistische Züge an sich haben? Scott presste die Lippen zusammen. Die Erklärung für sein Verhalten dürfte wesentlich einfacher sein. Vermutlich überließ er das Denken nur wieder einmal einem Körperteil, der dafür nicht besonders gut geeignet war.

Er wollte Rena. Dass Las Vegas und das Hotel Chimera für ihn die Orte waren, die er als sein zweites Zuhause betrachtete, machte es allerdings keineswegs leichter, ihr nahezukommen.

Diese Wette war nichts weiter als ein Extrabonus. Schließlich ging es dabei um etwas, das er auf jeden Fall wollte. Und nichts liebte er mehr als die Herausforderung. Besonders wenn sie sich in so verlockender Verpackung präsentierte wie Rena. Sie war zierlich gebaut, aber sehr resolut. Elektriker, Beleuchter, Assistenten, alle taten, was sie sagte.

Sie nannten sie im Scherz „die Stimme Gottes“, wenn sie von ihrer Kabine aus Anweisungen gab. Sie war höflich, aber bestimmt und hatte nicht viel Nachsicht, wenn jemand einen Fehler machte. Andererseits war sie sehr großzügig mit Lob, und es war offensichtlich, dass jedermann sie respektierte.

Scott umfasste ihren Ellbogen und zog sie durch eine offene Tür, die zum eigentlichen Kasino führte. Für die Dreharbeiten benutzten sie einen separaten Raum.

„Wohin bringst du mich?“

„In meine Höhle“, sagte Scott.

Rena lachte. „Aber du bist nicht der große, böse Wolf.“

„Wer sagt das?“

„Hör auf, mich einzuschüchtern. Es funktioniert nicht.“

„Ich versuche nicht, dir Angst zu machen. Ich versuche eine gemeinsame Basis zu finden.“

Sie blieb stehen. „Ich bin nicht sicher, ob es die gibt.“

„Ich weiß, dass es die gibt.“

Sie standen in einer etwas abseits gelegenen Nische, und Scotts breite Schultern schützten Rena vor den Blicken der Passanten.

Erst jetzt bemerkte er, dass ihre Augen blau waren. Ein wunderschönes Blau. Er hatte sie noch nie aus der Nähe gesehen. Eigentlich hatte er mit braunen Augen gerechnet, wegen ihres dunklen Haars.

„Warum ist dir das so wichtig?“, fragte sie. „Tut mir leid, dass ich dir noch kein Lächeln geschenkt habe, aber ich will versuchen, das von jetzt ab zu tun.“

„Ich will aber mehr als ein Lächeln.“

„Ich lasse mich nicht ein mit …“

Rena senkte den Kopf und starrte auf ihre Füße, und Scott stellte überrascht fest, dass sie plötzlich ganz anders als die Regisseurin war, die er bisher kannte.

„Mit Schauspielern? Spielern? Reichen Männern?“, fragte er, aber er wusste, sie meinte ihn persönlich. Wahrscheinlich glaubte sie wie die meisten Frauen, dass er ihre Zurückweisung nicht persönlich nehmen würde, wenn sie sich nur geschickt genug ausdrückte. Aber er sah an ihrem Blick, dass es Scott Rivers war, der sie nervös machte. Es lag weder an seinem Beruf noch an seinem Geld.

„Sowohl als auch“, antwortete sie.

Er sah ihr in die Augen. Auch wenn er es nie offen zugeben würde, es lag etwas in ihrem Blick, das ihn in seinem tiefsten Innern ansprach, und er hätte gerne herausgefunden, was genau das war. „Ich arbeite nicht mehr als Schauspieler.“

„Stimmt. Es ist … wie lange her?“

„Viele Jahre.“ Er erinnerte sich gern an diese Zeit. Seine Schauspielerkarriere hatte begonnen, als er erst neun Monate alt war. Man konnte also kaum behaupten, er hätte sich freiwillig für diesen Beruf entschieden. Das Schauspielern hatte er so gelernt, wie man laufen oder sprechen lernt. Manchmal war er sich nicht sicher, ob er überhaupt wusste, wie normale Menschen lebten.

„Und was ist mit Pokern? Im Moment wirst du sogar dafür bezahlt.“

„Ja, aber das zählt nicht. Ich spiele für wohltätige Zwecke und versuche nur, besser zu bluffen als die anderen.“

„Und es gelingt dir immer.“

„Ich gewinne gern.“

„Warum?“

„Weil Verlieren keinen Spaß macht. Bestimmt ist dir das auch schon aufgefallen.“

„Stimmt. Trotzdem halte ich mich immer an die Spielregeln.“

„Was für Spielregeln?“

„Meine persönlichen Regeln für ein sicheres Leben. Nicht, dass ich dich nicht attraktiv finde, wer täte das nicht? Aber du bist das Risiko nicht wert.“

„Risiko? Honey, bei mir bist du absolut sicher.“

„Nenne mich nicht Honey. So nennst du alle.“

„Okay, aber behandle mich nicht, als ob ich nicht mehr wäre als mein Beruf oder mein Geld. Ich möchte eine Chance, die wirkliche Rena kennen zu lernen.“

Rena schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Zeit. Außerdem haben wir beide unterschrieben, dass wir uns während der Dreharbeiten voneinander fernhalten.“

„Ach komm schon, Rena. Genieß dein Leben doch ein bisschen. Ergreif die Chance. Wir haben jetzt beide etwas freie Zeit.“

Rena biss sich auf die Unterlippe, und Scott spürte, dass sie sich von ihm unter Druck gesetzt fühlte. Aber wenn er sich jetzt zurückzog, dann würde sie es in Zukunft immer vermeiden, allein mit ihm zu sein. „Ich fordere dich heraus“, erklärte er unvermittelt.

„Wie bitte?“

„Ich fordere dich heraus. Geh mit mir aus. Finde heraus, ob es stimmt, was die Klatschblätter über mich schreiben.“

2. KAPITEL

Zum Teufel mit dir! Das war alles, was Rena denken konnte.

Scott forderte sie heraus.

Und am liebsten würde sie darauf eingehen. Nicht nur, um es ihm mit gleicher Münze heimzuzahlen – denn es wäre eine Gelegenheit, ihren noch nicht ganz ausgereiften Plan in die Tat umzusetzen und echte Gefühle für sie bei ihm zu erzeugen –, sondern auch, weil sie ihn mochte. Sie fühlte sich ehrlich zu ihm hingezogen.

Doch sie war sich nicht sicher, was Scott wirklich für Beweggründe hatte. Ging es ihm nur um die Wette und das Geld, oder wollte er mehr? Und war sie wirklich bereit, ihren Job aufs Spiel zu setzen, nur um Scott eine Lektion zu erteilen? Wollte sie wirklich das Risiko eingehen, wieder einmal von einem Mann verletzt zu werden?

Es war nicht einfach, alte Gewohnheiten abzulegen. Sie war nun mal ein Mensch, der das Risiko liebte. Es reizte sie ungeheuer, die Herausforderung anzunehmen und Scott zu beweisen, dass er keineswegs so unwiderstehlich war, wie er glaubte.

Er forderte sie also heraus.

Ihr Leben lang schon kämpfte sie gegen ihr hitziges Temperament an. So hatte ihre Großmutter es jedenfalls immer ausgedrückt, wenn Rena in der Schule wieder einmal in Schwierigkeiten geraten war.

Sie hatte es noch nie geschafft, einer Herausforderung zu widerstehen. Es reizte sich zu sehr, sie anzunehmen.

Woher wusste der Kerl das? Wieso hatte sie das Gefühl, dass seine dunkelbraunen Augen ihr bis in die Seele blickten?

Und wie lange würden sie hier wohl noch allein und unbeobachtet bleiben?

Autor

Katherine Garbera
<p>USA-Today-Bestsellerautorin Katherine Garbera hat schon mehr als neunzig Romane geschrieben. Von Büchern bekommt sie einfach nicht genug: ihre zweitliebste Tätigkeit nach dem Schreiben ist das Lesen. Katherine lebt mit ihrem Mann, ihren Kindern und ihrem verwöhnten Dackel in England.</p>
Mehr erfahren

Entdecken Sie weitere Bände der Serie

Was in Las Vegas passiert