Die geheime Geliebte des Thronfolgers

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"Es ist vorbei, Helios. Ich werde nicht deine Geliebte!""Warum bist du dann noch hier?"Amy verliebt sich Hals über Kopf in Prinz Helios, als sie für ihn eine Ausstellung im Palast von Agon vorbereitet. Voller Glück genießt sie leidenschaftliche Stunden in seinen Armen. Doch ihr Traum vom Happy End endet jäh, als sie erfährt, dass Helios bald heiraten wird - allerdings nicht sie! Denn die Pflicht als Thronfolger verlangt von ihm, dass er eine standesgemäße Braut wählt, während er Amy nur ein unmoralisches Angebot machen kann. Zutiefst verletzt, packt sie ihre Koffer. Aber Helios hält sie zurück. Siegt am Ende doch die Liebe?


  • Erscheinungstag 28.02.2017
  • Bandnummer 2272
  • ISBN / Artikelnummer 9783733708191
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Musst du dich wirklich rasieren?“, fragte Amy Green schmollend.

Helios begegnete ihrem Blick im Spiegelbild des luxuriösen Badezimmers. „Der Bart wächst doch wieder.“

Sie zog ein Gesicht. Das gelang ihr nicht ganz, da die Feuchtigkeitsmaske, die sie vor wenigen Minuten aufgetragen hatte, inzwischen fest geworden war. Trotzdem dauerte es noch zehn Minuten, ehe sie die getrocknete Pflegepaste abwaschen konnte. „Aber du bist so unheimlich sexy mit Bart.“

„Ohne etwa nicht?“

Sie gab einen spöttischen Laut von sich und tauchte ein bisschen tiefer in ihr dezent duftendes Schaumbad. „Natürlich bist du immer unfassbar sexy!“

Mehr als gut für ihn war. Mit oder ohne Bart. Selbst seine Stimme klang extrem verführerisch: voll und tief und angereichert mit einem rau klingenden Akzent, der ihr Herz höherschlagen ließ.

Dazu war er groß und gut gebaut, unheimlich stark und sah mit seiner dunklen Haut und den rabenschwarzen Haaren aufregend exotisch aus. Wie ein Pirat! Attraktiv und gefährlich zugleich. Dazu passte auch seine markante Nase, die eine verwegene Narbe zierte. Ein Überbleibsel eines Kampfes, den er als Teenager mit seinem Bruder ausgefochten hatte. Und Helios trug diese Narbe mit Stolz, ohne jegliche Eitelkeit.

Er war mit Abstand der aufregendste Mann, den sie kannte.

Schon bald würde sein Luxuskörper in einem schwarzen Maßanzug stecken, und er würde sich in Prinz Helios Kalliakis verwandeln, den offiziellen Thronfolger von Agon. Aber er war immer noch ein echter Mann von Fleisch und Blut.

Amy streckte den Fuß aus und drehte damit das heiße Wasser wieder auf, das fast geräuschlos in die Badewanne lief.

Lächelnd hockte er sich neben sie und kam ihr mit seinem Gesicht ganz nahe. „Wenn du weiterhin versuchst, mich davon abzuhalten, mich fertig zu machen, werte ich das als Verrat an der Krone. Und das zwingt mich leider dazu, dich bestrafen zu müssen.“

Sein heißer Atem streifte ihre Haut.

„Und was für eine Strafe hältst du für angemessen?“, fragte sie herausfordernd und verspürte ein verheißungsvolles Kribbeln in ihrem Bauch.

Diese dunklen Augen und diese vollen Lippen, von denen sie schon buchstäblich überall geküsst worden war … Diese Kombination machte sie rasend.

„Eine Strafe, die du niemals vergessen wirst.“ Zum Spaß fletschte er die Zähne und knurrte, und sein vielsagender Blick versprach ihr Wonnen anstelle von Repressalien. Dann fuhr er damit fort, sich seinen dunklen Bart zu entfernen.

Fasziniert beobachtete sie ihn dabei. Die Rasierklinge war messerscharf und glitt lautlos über seine Haut … Irgendwie aufregend. Helios war ein Mann voller Testosteron, und sie bewunderte ihn glühend.

Mit einem Fingerschnipsen könnte er eine Armee von Sicherheitsleuten auf den Plan rufen, aber das war nicht sein Stil. Er war in der Lage, sich selbst zu verteidigen. Die Kalliakis-Familie stammte einer Ahnenreihe von Kriegern ab. Sein Vorfahr Ares Patakis hatte vor mehr als achthundert Jahren im Kampf gegen die venezianischen Eindringlinge sein Land gerettet. Den Prinzen von Agon war es praktisch in die Wiege gelegt, ihr königliches Blut mit aller Macht zu verteidigen.

„Muss ich etwa davon ausgehen, dass du heute Abend keine Zeit mehr für mich hast?“, wollte sie wissen.

In letzter Zeit hatte sie bei jeder Gelegenheit erwähnt, wie gern sie dem heutigen Ball beigewohnt hätte, dem die gesamte Inselprominenz entgegenfieberte. Obwohl sie bisher keine Einladung erhalten hatte. Schließlich war sie nur eine einfach Angestellte im Palastmuseum, und das auch nur auf absehbare Zeit.

Natürlich würden sie nicht ewig zusammenbleiben, das war Amy schmerzlich bewusst. Ihre Affäre war zwar kein Staatsgeheimnis, aber sie war auch nie öffentlich diskutiert worden. Amy war eben nur seine Bettgefährtin, nicht seine feste Freundin, und das hatte sie von Anfang an gewusst.

„So sehr ich deine Anwesenheit auch zu schätzen weiß, wäre sie heute wohl mehr als unangemessen“, erklärte er und rasierte sich in aller Seelenruhe weiter.

Amy verzog beleidigt das Gesicht. „Ja, ich weiß. Ich bin eine Bürgerliche, und an der Gala nimmt nur die High Society teil.“

„Nichts würde mich glücklicher machen, als dich dort zu sehen. Gekleidet in der feinsten Haute Couture, die man für Geld kaufen kann. Trotzdem wäre es unangemessen, wenn ich meine Geliebte zu dem Termin mitnehme, an dem ich meine zukünftige Braut auserwählen muss.“

Zuerst glaubte sie, sich verhört zu haben, und dann wurde ihr eiskalt. „Deine zukünftige Braut? Wovon redest du da?“

Im Spiegel trafen sich ihre Blicke.

„Der eigentliche Anlass dieser Veranstaltung ist, dass ich mir offiziell eine Frau aussuche.“

„Wie im Märchen?“, fragte sie erstickt.

„Genau“, antwortete er und rieb sich mit dem Handtuch über das frisch rasierte Kinn. „Du kennst das Spiel.“

„Nein, kenne ich nicht“, gab sie eisig zurück. „Ich bin davon ausgegangen, dieser Ball wäre schlicht eine Vorveranstaltung zur eigentlichen Gala.“

Schon in wenigen Wochen wurde auf der Insel Agon nämlich das fünfzigjährige Kronjubiläum von Helios’ todkrankem Großvater Astraeus gefeiert. Zu diesem Anlass ließ man Staatsoberhäupter aus aller Welt einfliegen.

„Das ist er auch. Man könnte es als zwei Fliegen mit einer Klappe erledigen bezeichnen.“

„Wieso suchst du dir keine Frau auf normalem Weg?“ Ihr wurde körperlich übel bei dieser Frage, weil sie sich einfach keine andere Frau an seiner Seite vorstellen wollte.

Matakia mou, ich bin der Thronfolger. Das bedeutet, ich muss jemanden mit blauem Blut heiraten. Das weißt du doch!“

Zugegeben, das wusste sie. Nur hatte sie nicht erwartet, dass sie die Realität derart schnell einholen würde. Immerhin schliefen sie so gut wie jede Nacht zusammen im selben Bett!

„Ich muss die perfekte Frau für mich finden“, fuhr er nüchtern fort und klang dabei, als würde er eine Essensbestellung aufgeben. „Selbstverständlich habe ich schon eine Vorauswahl getroffen: diverse Prinzessinnen und Herzoginnen, die mir im Laufe der Jahre über den Weg gelaufen sind.“

„Selbstverständlich …“, wiederholte sie tonlos und fühlte sich plötzlich innerlich taub. „Gibt es da auch irgendjemand Bestimmten?“

„Die besten Aussichten hat Prinzessin Catalina von Monte Cleure. Ich kenne sie und ihre Familie praktisch eine Ewigkeit. Seit ihrer Kindheit besuchen sie regelmäßig unseren jährlichen Winterball, beim letzten hat sich ihre Schwester schon einen Bräutigam ausgesucht.“

Schlagartig wurde Amy übel, als ihr das Bild einer bildschönen schwarzhaarigen Prinzessin in den Sinn kam.

„Davon hast du nie einen Ton gesagt.“

„Was gab es da schon groß zu sagen?“, gab er zurück.

„Hast du mit ihr geschlafen?“

Regungslos starrte er sie im Spiegel an. „Was ist das denn für eine Frage?“

„Eine ganz normale, die ich dir als deine Geliebte stelle!“

Bis zu diesem Zeitpunkt hätte sie sich niemals als solche bezeichnet, aber nun lagen die Dinge offenbar anders. Helios hatte ihr zwar nie die Treue versprochen, aber andererseits war das zwischen ihnen auch kein Thema gewesen. Seit ihrer ersten gemeinsamen Nacht war ihr Hunger aufeinander unersättlich …

„Die Prinzessin ist Jungfrau und wird es bis zum Hochzeitstag auch bleiben, ganz egal, ob sie mich oder einen anderen Mann heiratet. Beantwortet das deine Frage?“

Im Gegenteil, diese Aussage warf noch viel mehr Fragen auf, soweit es Amy betraf. Allerdings hatte sie leider kein Recht, Helios unter Druck zu setzen.

„Und wann wirst du die Glückliche ehelichen?“, brachte sie mühsam hervor.

Die Ironie in ihrer Stimme überhörte er geflissentlich. „Die Trauung wird ein Staatsakt. Ich denke, die Eheschließung wird innerhalb weniger Monate stattfinden.“

Innerhalb weniger Monate? Er wollte sich eine Braut suchen und sie noch dieses Jahr heiraten? Das konnte doch wohl nicht sein Ernst sein!

Anderseits handelte es sich hier um Helios, den Thronfolger von Agon. Er war ein Mann, der keine halben Sachen machte, das wusste sie. Aber eine baldige Hochzeit?

Ihr Arbeitsvertrag in Agon lief im September aus, und bis dahin waren es noch fünf Monate. Sie stellte sich vor … nein, sie hoffte …

Seufzend dachte Amy an König Astraeus, Helios’ Großvater. Sie war dem alten Mann nie begegnet, aber während ihrer Arbeit im Palastmuseum war sie ihm trotzdem innerlich nähergekommen. Der König lag ganz offensichtlich im Sterben. Darum musste Helios auch heiraten und einen Erben zeugen, der den Familiennamen weitertrug.

All dies wusste sie. Dennoch hatte sie irgendwie gehofft, dass Helios diese Pläne wenigstens aufschob, bis ihre Zeit in Agon abgelaufen war.

Mit zitternden Händen klammerte sie sich an den Badewannenrand und stand auf. Dann stieg sie aus der Wanne und wickelte sich in ein flauschiges Handtuch.

Helios legte den Rasierer auf dem Waschbecken ab. „Ich melde mich bei dir, sobald ich zurück bin.“

Langsam ging sie auf die Tür zu. „Nein, das wirst du nicht tun.“

„Wo willst du hin? Du bist ja immer noch triefend nass.“

Aus dem Augenwinkel beobachtete sie, wie er ihr folgte. In ihrem Kopf fuhren die Gedanken Karussell.

Seit drei Monaten teilte sie schon das Bett mit ihm, und während dieser Zeit waren sie nur wenige Nächte getrennt gewesen, wenn Helios geschäftliche Verpflichtungen außerhalb der Stadt gehabt hatte. Bei einem dieser Anlässe war er nach Dänemark geflogen und hatte dort mit Prinzessin Catalina zu Abend gegessen. Und jetzt? Jetzt gab er einen Ball, um die Frau auszuwählen, mit der er den Rest seines Lebens verbringen wollte.

Natürlich war ihr von Anfang an klar gewesen, dass sie beide keine Zukunft miteinander hatten. Darum hatte sie auch stets versucht, ihre Gefühle fest im Zaum zu halten.

Aber ihn nun derart trocken davon reden zu hören, war mehr als verletzend …

Leise öffnete sie die geheime Tür, die ihre Apartments miteinander verband. Solche Geheimgänge fanden sich in diesem Palast zuhauf – eine echte Festung der Geheimnisse.

„Ich ziehe mich in meine Räume zurück“, murmelte sie. „Genieße deinen Abend!“

„Habe ich gerade irgendetwas verpasst?“

Perplex starrte er sie an.

„Du hältst es für unangemessen, wenn ich heute Abend erscheine. Aber ich will dir sagen, was ich für unangemessen halte! Nämlich der Frau, mit der man seit drei Monaten schläft, zu erzählen, dass man sich eine Ehefrau sucht.“

„Ich verstehe nicht ganz, wo das Problem liegt“, sagte er achselzuckend und hob abwehrend die Hände. „Meine Eheschließung wird nicht das Geringste zwischen uns ändern.“

„Wenn du das glaubst, bist du nicht nur rücksichtslos, sondern schlichtweg dumm! Du sprichst von Frauen, als wären sie Supermarktware!“ Angewidert schüttelte sie den Kopf und beobachtete, wie sich der Ausdruck auf Helios’ Gesicht verfinsterte.

Er war kein Mann, der Kritik vertragen konnte. Auf dieser Insel traute sich kaum jemand, ihm zu widersprechen oder seine Entscheidungen infrage zu stellen. Sein humorvolles Wesen wirkte ansteckend, aber es war allgemein bekannt, dass man ihn lieber nicht zum Feind haben sollte.

Wäre Amy nicht so wütend auf ihn gewesen, hätte sie vermutlich Angst vor seinem unberechenbaren Temperament gehabt.

Helios kam auf sie zu, und dabei war er splitternackt. Dicht vor ihr blieb er stehen und verschränkte die Arme vor seiner breiten, muskulösen Brust. Seine Anspannung war ihm anzumerken. „Sei vorsichtig, wie du mit mir sprichst! Auch wenn ich dein Liebhaber bin, gibt dir das kein Recht, mich zu beleidigen.“

„Wieso? Weil du ein Prinz bist?“ Sie wickelte das Handtuch noch enger um ihren Körper, als könnte sie sich dadurch vor seiner üblen Laune schützen. „Du willst dich fest an eine andere Frau binden? Und dann ein Verhältnis zu dritt führen? Davon will ich einfach kein Teil sein!“

Benedict, Helios’ schwarzer Labrador, witterte die angespannte Atmosphäre und trottete auf Amy zu, um sich an ihre Beine zu schmiegen. Helios bemerkte es und tätschelte seinem Hund den Kopf.

„Mach jetzt kein Drama daraus! Bekommst du deine Periode, und macht dich das so überemotional?“

„Meine Periode? Hast du das gerade wirklich gesagt? Du lebst wohl echt auf einem anderen Planeten. Gott bewahre, mein Liebhaber wählt eine andere zur Frau und erwartet, dass ich weiterhin sein Bett wärme. Aber keine Sorge! Ich krieg ja nur meine Tage! Dann klopf dir mal auf die Schulter und sag dir, dass du ganz bestimmt nichts falsch gemacht hast!“

Mittlerweise war sie dermaßen sauer, dass sie ihm nicht mehr in die Augen sehen konnte. Mit der Hüfte stieß sie die Tür zu ihrem Schlafzimmer auf.

„Machst du Schluss mit mir?“, wollte er wissen.

War das etwa ein Lachen in seiner Stimme? Fand er das Ganze etwa lustig?

Amy ignorierte ihn und verschwand hoch erhobenen Hauptes im Zwischengang. Doch ein kräftiger Ruck an ihrem Arm zwang sie dazu, sich umzudrehen.

„Finger weg!“, fuhr sie ihn an. „Wir beide sind fertig miteinander.“

„Nein, das sind wir nicht.“ Er schob seine Hand in ihren Nacken und zog sie zu sich heran, um ihr folgende Worte ins Ohr zu flüstern: „Während du heute Nacht schmollst, stelle ich mir vor, was ich alles im Bett mit dir veranstalten werde, sobald der Ball vorüber ist.“

Trotz ihrer Vorsätze, ihm eine Lektion zu erteilen, reagierte ihr Körper auf seine Nähe … wie üblich. In Helios’ Armen wurde sie zur Sklavin ihrer eigenen Lust, dagegen konnte sie nichts unternehmen. Sie hatte ihn vom ersten Moment, als sie ihn gesehen hatte, begehrt. All die Monate zusammen hatten rein gar nichts daran geändert.

Doch jetzt war es an der Zeit, diese Schwäche endlich zu überwinden!

Entschlossen stemmte sie sich mit einer Hand gegen seine kräftige Brust und widerstand dem Impuls, ihn zärtlich zu streicheln. Stattdessen sah sie ihm fest in die Augen. „Genieße deinen Abend! Und verschütte bloß keinen Wein auf dem kostbaren Kleid deiner Prinzessin!“

Sein spöttisches Gelächter folgte ihr bis in ihr Schlafzimmer.

Endlich konnte sie diese blöde Gesichtsmaske loswerden!

Helios führte seine Tanzpartnerin – die Erbin einer griechischen Adelsfamilie – quer über die Tanzfläche des Ballsaals. Sie war eine hübsche, junge Frau, aber während er ihrem unablässigen Geplapper lauschte, strich er sie im Geiste gleichzeitig von der Liste möglicher Bewerberinnen auf den Platz an seiner Seite.

Nach dem Walzer verbeugte er sich höflich und entschuldigte sich, um seinem Bruder Theseus am Tisch Gesellschaft zu leisten. Dabei ignorierte er die flehenden Blicke der weiblichen Gäste um sich herum.

Ihm spukte Amys Vorwurf im Kopf herum, er würde Frauen wie Supermarktware behandeln. Und er war Manns genug, um anzuerkennen, dass in dieser Bemerkung ein Fünkchen Wahrheit steckte. Und warum auch nicht? Wenn er sich schon spontan für eine Lebenspartnerin entscheiden musste, die ihm Kinder gebar, dann wollte er sich zumindest eine Frau aussuchen, die seinem Geschmack entsprach.

Wenn Amy die Frauen sehen könnte, die für ihn infrage kamen, würde sie schnell merken, dass sie sich vollkommen freiwillig wie Ware anboten!

Nachdenklich betrachtete er seinen jüngeren Bruder Talos, der mit der hinreißenden Violinistin tanzte, die auf der Jubiläumsgala zu Ehren ihres gemeinsamen Großvaters auftreten würde.

„Irgendwas ist da im Busch“, kommentierte Theseus und stürzte einen großen Schluck Champagner hinunter. „Sieh ihn dir an! Dieser Kerl ist doch bis über beide Ohren verknallt!“

Helios folgte dem Blick seines Bruders und wusste sofort, wovon er redete. Talos und seine Tanzpartnerin hatten nur Augen füreinander, und sie strahlten eine ganz bestimmte, ansteckende Energie aus.

Und nicht zum ersten Mal an diesem Abend wünschte Helios sich, Amy würde bei ihm sein. Sie hätte es geliebt, sich zum Walzertakt auf der Tanzfläche zu wiegen. Es machte immer Spaß, mit ihr zusammen zu sein.

Theseus sah Helios an. „Was ist mit dir? Solltest du dich nicht ebenfalls auf dem Parkett bewegen?“

„Ich mache eine kurze Pause.“

„Und die solltest du mit Prinzessin Catalina verbringen.“

Helios und sein Bruder hatten sich unzählige Male über das Thema Braut auseinandergesetzt. Und sie waren sich einig, dass Catalina perfekt in ihre Familie passen würde.

Eine Generation zuvor waren die Ehen der Agon-Erben noch von dritter Seite geschlossen worden. Auch die Hochzeit von Helios’ Eltern. Seine Zukünftige wusste also ganz genau, worauf sie sich einließ und würde bestimmt keine hohen Erwartungen haben.

Das beruhigte Helios ein bisschen, denn er wollte niemandem falsche Hoffnungen machen.

„Findest du?“, fragte er lahm. Ihm graute davor, einen weiteren Tanz mit einer Frau zu absolvieren, die ihm nichts bedeutete – ganz gleich, wie schön sie war. Gut aussehende Frauen konnte er an jeder Straßenecke aufgabeln, aber leider keine mit wirklicher Substanz.

Amy war definitiv eine Frau mit Substanz!

Er blickte auf seine Uhr. In spätestens zwei Stunden würde dieses Spektakel vorüber sein. Vielleicht sollte er Amy danach einfach anrufen, dann würde sie sicherlich vorbeikommen.

Ein Schauer durchfuhr ihn, als er an den Streit mit ihr dachte. Sie war regelrecht eifersüchtig gewesen. Normalerweise schlug ihn ein solches Verhalten sofort in die Flucht, aber bei ihr …

Bei Amy fand er es irgendwie belebend. Ihre Eifersucht rührte ihn. Schon länger vermutete er, dass sie bestimmte Seiten ihres Charakters vor ihm verbarg. Körperlich gab sie sich ihm zwar hemmungslos hin, aber ihr Geist und ihr Verstand blieben ihm ein Rätsel.

Sie war von Anfang an anders gewesen als die Frauen, die er bisher kennengelernt hatte. Bildhübsch und intelligent, und sie hielt ihn körperlich wie emotional auf Trab wie keine zuvor.

Ihr Ausbruch vorhin hatte ihn neugierig darauf gemacht, was wirklich in ihr vorging. Er wollte mehr über diese brillante, leidenschaftliche Frau erfahren, von der er gar nicht genug bekommen konnte. In ihren Armen konnte er den Rest der Welt vergessen, zumindest für einen Moment.

Die lebensbedrohliche Krankheit seines Großvaters lag ihm wie eine drückende Last auf den Schultern. Aber in Amys Gegenwart wurde er ruhig und fühlte sich bereit, das Schicksal bei den Hörnern zu packen. Sie war seine Geliebte, und so sollte es auch bleiben. Er hatte nicht vor, sie aufzugeben – ob er nun heiraten musste oder nicht.

„Hat irgendjemand anderes deine Aufmerksamkeit erregt?“, erkundigte sich Theseus.

„Nein.“

Helios hatte immer gewusst, dass er einmal eine standesgemäße Braut heiraten würde. Eine Alternative hatte nie zur Debatte gestanden. Die Ehe war eine Institution, geschaffen dafür, einen Thronerben für das eigene Land zu produzieren.

Und er konnte sich glücklich schätzen, dass er sich die betreffende Kandidatin selbst aussuchen durfte, wenn auch mit gewissen Einschränkungen. Seine Eltern hatten dieses Glück nicht gehabt. Deren Ehe war schon im Kleinkindalter arrangiert worden und hatte in einer handfesten Katastrophe geendet.

Er hoffte zutiefst, dass ihn selbst kein ähnliches Schicksal ereilte. Nachdenklich beobachtete er Prinzessin Catalina, die gerade mit einem britischen Prinzen die Tanzfläche eroberte. Sie war in der Tat bildschön. Und kultiviert. Das hatte sie ihrer tadellosen Herkunft zu verdanken.

Ihr Bruder war ein alter Schulfreund von ihm, und ihre Begegnungen in Dänemark hatten ihm gezeigt, wie gebildet, kultiviert und anziehend sie war. Auch wenn sie ihm ein bisschen zu ernst erschien.

Allerdings verfügte sie nicht über Amys stolze Haltung.

Trotzdem würde Catalina eine hervorragende Königin abgeben, und er hatte schließlich schon genug Zeit mit der Suche nach einer passenden Partnerin verschwendet. Er hätte sich schon vor Monaten entscheiden sollen, vor allem angesichts der gesundheitlichen Situation seines Großvaters.

Catalina war – genau wie er – streng nach Protokoll erzogen worden. Sie machte sich keine Illusionen über eine Liebesheirat, sondern wusste, dass die Eheschließung ein Akt der Pflichterfüllung war. Nicht mehr und nicht weniger. Keine emotionalen Verwicklungen, und genauso wollte er es.

Mit ihr eine Familie zu gründen, dürfte nicht schwer werden. Schließlich mochten sie sich, also gab es da eine reelle Basis für ein Zusammenleben. Natürlich herrschte zwischen ihnen keine knisternde Chemie wie zwischen ihm und Amy! Aber darauf kam es auch nicht an. Und so etwas gab es vermutlich sowieso nur einmal im Leben …

Ihm fiel ein, wie Amy barfuß und nur mit einem Handtuch bekleidet aus seinem Zimmer gerauscht war. Ihr dunkelblondes Haar hatte nass an ihren Schultern geklebt, und trotzdem hatte sie den Kopf stolz wie eine Prinzessin getragen.

Er konnte es kaum abwarten, sie für diese Frechheit abzustrafen. Beim nächsten Mal würde er ihren Höhepunkt schmerzhaft lange hinauszögern, bis sie darum bettelte, erlöst zu werden.

Nur in diesem Augenblick durfte er gar nicht daran denken, sonst würde er sofort hart werden. Also verdrängte er seine Erregung und konzentrierte sich stattdessen auf die Frauen direkt vor ihm. Seine Entscheidung war endgültig gefallen – Schluss mit dem ewigen Hin und Her. Aber ehe er den nächsten Tanz wagte, musste er unbedingt noch etwas trinken.

Ungeduldig winkte er einen Kellner herbei.

Sein Bruder Theseus beäugte ihn neugierig. „Was ist denn bloß los mit dir?“

„Nichts.“

„Du siehst aus, als hättest du gerade in eine Zitrone gebissen.“

Helios zwang sich zu einem breiten Grinsen. „Besser?“

„Jetzt siehst du aus wie ein irrer Serienmörder.“

„Dein Zuspruch ist mir stets eine Hilfe“, entgegnete Helios trocken und stand auf. „Und da ich hier nicht der Einzige bin, von dem bald Nachwuchs erwartet wird, schlage ich vor, du widmest dich ebenfalls den anwesenden Damen.“

Sein Bruder und er schnitten sich gegenseitig Grimassen. Denn während Helios sein Schicksal von Beginn an akzeptiert hatte, wehrte sich sein Bruder noch hartnäckig dagegen, die persönliche Freiheit aufzugeben.

Der König wohnte diesem Abend aufgrund seiner angeschlagenen Gesundheit nicht bei, weil er seine Kräfte für die Jubiläumsgala aufsparen wollte. Aber für diesen großartigen Mann, der Helios und seine beiden Brüder aufgezogen hatte, war Helios bereit, jedes Opfer zu bringen. Er würde schlichtweg alles für seinen Großvater tun.

Schon bald würde man Helios krönen – viel früher, als er erwartet hatte – und dafür brauchte er eine passende Königin an seiner Seite. Der alte Monarch sollte in Frieden sterben … in der Gewissheit, dass die Kalliakis-Linie in seinem Sinne weitergeführt wurde.

Falls die Zeit ihnen gnädig war, erlebte der alte Herr sogar noch den entscheidenden Hochzeitsschwur.

2. KAPITEL

Wo, zur Hölle, war sie bloß?

Seit fünfzehn Minuten war Helios nun schon zurück in seinem Apartment, aber Amy blieb verschwunden und reagierte einfach nicht auf seine Anrufe.

Laut dem Sicherheitschef hatte sie den Palast verlassen und zwar genau um Viertel vor acht. Genau zu der Zeit, als seine Brüder und er die Gäste in Empfang genommen hatten.

Ein letztes Mal wählte er erfolglos ihre Nummer, dann ging er zur Hausbar hinüber und schenkte sich einen großzügigen Gin ein, den er in einem Zug leerte. Danach nahm er die Flasche mit in sein Arbeitszimmer.

Dort entdeckte er eine große Schachtel vor seinem Schreibtisch, in der sich alle Geschenke befanden, die er Amy bisher gemacht hatte: Parfumfläschchen, Juwelen, Bücher und noch andere Dinge. Der Anblick löste einen regelrechten Wutanfall in ihm aus!

Mit einem Fußtritt beförderte er die Kiste in die Ecke. Dabei ging irgendetwas darin zu Bruch, aber das kümmerte ihn wenig.

Eine ganze Weile tat er nichts anderes, als nur angestrengt ein- und auszuatmen. Er zitterte vor Wut. Zumindest konnte er sich so weit beherrschen, kein Kleinholz aus den ungeliebten Geschenken zu machen.

Gewalt war eher die Antwort seines Vaters auf jedes Problem gewesen. Helios entdeckte in sich zwar dieselben Anlagen, allerdings gab er – im Gegensatz zu seinem alten Herrn – nicht gleich jedem Impuls nach. Selbstbeherrschung ging ihm über alles.

Und er hatte ziemlich damit zu kämpfen, dass Amy ihn an die Grenze seiner Geduld brachte!

Als ihr bewusst wurde, wie spät sie dran war, verließ Amy ihr Apartment und hetzte die Treppe zum Palastmuseum hinauf. Eilig gab sie ihren Code ein, wartete auf das grüne Licht und stieß anschließend die Tür auf. Und schon stand sie im privaten Bereich des Museums, der keinem Besucher zugänglich war.

Sehnsüchtig warf sie im Vorbeigehen einen Blick in die Personalküche und hoffte, dass nicht alle kleinen Pasteten schon verzehrt waren. Die bougatsas, die täglich vom Palastkoch geliefert wurden, gehörten längst zu ihren Lieblingsspeisen. Ihr lief das Wasser im Mund zusammen beim Gedanken an diese außergewöhnlichen Leckerbissen.

In den vergangenen Tagen hatte sie allerdings viel zu wenig gegessen, und allmählich rebellierte ihr Magen. Hinzu kam der Schlafmangel.

„Tut mir leid, dass ich zu spät bin“, rief sie zur Begrüßung und presste sich die flache Hand aufs Dekolleté. „Ich habe …“ der Rest erstarb auf ihren Lippen, als sie Helios erblickte.

Er saß am Kopf des Konferenztischs.

Autor

Michelle Smart
Michelle Smart ist ihrer eigenen Aussage zufolge ein kaffeesüchtiger Bücherwurm! Sie hat einen ganz abwechslungsreichen Büchergeschmack, sie liest zum Beispiel Stephen King und Karin Slaughters Werke ebenso gerne wie die von Marian Keyes und Jilly Cooper. Im ländlichen Northamptonshire, mitten in England, leben ihr Mann, ihre beiden Kinder und sie...
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