Die verbotene Liebe der Prinzessin

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Jahrelang hat Prinzessin Catalina sich klaglos den Pflichten und Regeln zum Wohl ihres Landes gebeugt, all ihre unerlaubten Sehnsüchte unterdrückt. Doch jetzt droht sie daran zu zerbrechen. Bevor sie die von ihrem Vater arrangierte Ehe mit einem kaltherzigen Aristokraten eingeht, möchte sie nur ein einziges Mal wahre Leidenschaft spüren! Heimlich flirtet sie mit dem unwiderstehlich attraktiven Selfmade-Milliardär Nathaniel Giroud und lässt sich zu einer verbotenen Nacht der Lust in seinen Armen hinreißen - mit dramatischen Folgen …


  • Erscheinungstag 07.11.2017
  • Bandnummer 2308
  • ISBN / Artikelnummer 9783733708733
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Du hast gut daran getan, deine Verlobung zu lösen“, murmelte Nathaniel Giroud und nickte in Richtung Tanzfläche, wo Prinz Helios und seine Braut lächelnd zu einem Walzer über den polierten Parkettboden schwebten. „Helios hätte dich nur unglücklich gemacht.“

Prinzessin Catalina Fernandez nahm einen langen Zug aus ihrem Champagnerglas und merkte, wie ihre Hände zitterten. „Wie kannst du dir da sicher sein?“

„Die Chemie zwischen euch stimmte einfach nicht“, erwiderte er knapp. „Kein Vergleich zu der Anziehungskraft, die zwischen uns beiden knistert.“

Entschlossen schob sie ihren Stuhl zurück, um den Tisch zu verlassen, an dem sie allein mit Nathaniel saß. „Diese Unterhaltung ist beendet“, verkündete sie steif. „Was du vorschlägst, ist ein Ding der Unmöglichkeit.“

Ehe sie aufstehen konnte, legte er seine Hand auf ihre und hielt Catalina zurück. „Wieso ist das denn unmöglich?“

„Du weißt genau, wieso!“ Mit einem Ruck zog sie ihre Hand zurück. „Ich muss mich für meinen Ehemann aufsparen. Meine Unschuld ist ein Geschenk für ihn.“

„Ein Geschenk?“ Diese altmodische Vorstellung war derart lächerlich, dass er beinahe laut gelacht hätte. Nur war dieses Thema leider nicht zum Lachen.

Er dachte an Catalinas Bruder, den Thronerben von Monte Cleure, der sich seit Jahren hemmungslos quer durch halb Europa schlief. Mit der Erlaubnis seines Vaters genoss er all die hedonistischen Freuden, die seiner eigenen Schwester versagt waren, einzig und allein, weil sie als Frau auf die Welt gekommen war.

Jetzt hatte Helios sie sitzen lassen, auch wenn das in der Presse wesentlich respektvoller und beschönigender dargestellt wurde. Und laut Gerüchteküche war sie inzwischen schon einem schwedischen Herzog als Braut versprochen.

Nathaniel hatte trotzdem keinerlei Skrupel, sie zu verführen. Catalina wollte ihn. Er wusste es. Sie wusste es. „Dann bist du also so etwas wie ein persönlicher Besitz?“, fragte er provozierend.

Sie blickte ihn verwirrt an.

„Ist es das, was du mir damit klarmachen willst?“, fuhr er erbarmungslos fort. „Dass du nicht frei über deinen eigenen Körper verfügen kannst? Bist du denn nichts weiter als der noch unberührte Brutkasten der nächsten Generation?“

„Das siehst du völlig falsch“, verteidigte sie sich. „Aber ich bin eine geborene Prinzessin, und das bringt eben gewisse Regeln und Verpflichtungen mit sich.“

„Du bist aber auch immer noch eine Frau.“

Sie schluckte trocken.

Er beugte sich näher zu ihr, und ihre Arme berührten sich.

Prinzessin Catalina war wirklich eine Klasse für sich. Sie strahlte Grazie und Stilsicherheit aus, und obendrein war sie unglaublich hübsch. Ihre ganze Erscheinung glich einem lebendig gewordenen Gemälde: groß, mit rabenschwarzen Haaren … und Augen, so braun wie flüssige Schokolade. Ihre Haut war hell und makellos.

Heute hatte sie sich für ein knielanges pfirsichfarbenes Cocktailkleid entschieden, das ihre schmale Taille betonte. Das Haar trug sie in einer kunstvollen Hochsteckfrisur, was bei all der Eleganz durchaus sexy wirkte.

Rein optisch schien sie keinerlei Makel zu haben, und Nathaniel brannte darauf, herauszufinden, was sich unter der perfekten Oberfläche verbarg.

Das Gerücht, ihr Vater – der König von Monte Cleure – hätte vor, Helios auf dessen eigener Hochzeit zu brüskieren, hatte sich als wahr herausgestellt. Der alte Mann war schwer damit beschäftigt, unangenehm aufzufallen … Und nachdem ihr Bruder inzwischen längst mit seiner schönheitsoperierten Lebensabschnittsgefährtin von der Feier verschwunden war, würde dies Nathaniels einzige Gelegenheit sein, an Catalina heranzukommen.

„Dein erstes Mal sollte etwas ganz Besonderes sein“, fuhr er eindringlich fort. „Es sollte mit einem Mann passieren, der dich verehrt und sich dir voll und ganz widmet, nicht mit einem kaltherzigen Aristokraten, der nur seine Pflicht erfüllt.“

„Ich bin ebenfalls eine Aristokratin“, wandte sie ein.

„Schon, aber du bist anders. Unter deiner eisigen Oberfläche brodelt ein Vulkan!“

Als Nathaniel bemerkte, wie sich der schwedische Herzog seinen Weg durch die Tische bahnte, stand er auf.

Seine plötzliche Hektik verwirrte Catalina, und sie sah ihn erstaunt an.

„Dein Schwede ist auf dem Weg zu dir. Wahrscheinlich will er dich zum Tanzen auffordern.“

Aus dem Augenwinkel entdeckte sie den älteren Mann und seufzte. „Er ist nicht ‚mein‘ Schwede, noch sind wir nicht verlobt.“

„Dann hält dich ja auch nichts davon ab, mit mir zu tanzen“, erwiderte er und reichte ihr seine Hand.

Sie schluckte. „Mein Bruder hat mir geraten, mich von dir fernzuhalten.“

„Tust du immer, was dein Bruder dir sagt?“

„Allerdings.“

Er zog eine Augenbraue hoch. „Aber willst du auch immer tun, was man dir sagt?“

Kaum merklich schüttelte sie den Kopf.

Der Herzog war nur noch wenige Schritte von ihrem Tisch entfernt.

Plötzlich ergriff die Prinzessin Nathaniels ausgestreckte Hand und stand mit einer eleganten Bewegung auf.

„Ein einziger Tanz“, zischte sie ihm zu.

Galant verbeugte er sich. „Wenn du darauf bestehst?“

„Schließlich muss ich an meinen guten Ruf denken“, erwiderte sie lächelnd. „Hier lauern überall Spione.“

Ein Tanz würde ihm schon reichen. Er würde ihr einfach keine Gelegenheit mehr geben, ihre Meinung zu ändern. Triumphierend führte er das Objekt seiner Begierde zur Tanzfläche, während der schwedische Herzog ihnen hinterherblickte und sich ratlos den kahlen Schädel rieb.

Als Nathaniel den Arm um Catalinas schmale Taille schlang, berührte er im tiefen Rückenausschnitt ihres Kleides ihre nackte Haut. Ihre seidenweiche nackte Haut.

Mit ihren hochhackigen Schuhen war sie groß genug, um ihren Kopf an seinen Hals zu schmiegen. Er nahm den Duft ihres Shampoos wahr … und den ihres sinnlichen Parfums, das ihm regelrecht unter die Haut ging.

Er drückte sie noch ein wenig fester an sich und konnte dabei ihren kräftigen Herzschlag spüren.

„Entspann dich!“, flüsterte er ihr zu und strich ihr über den Rücken. „Ich beiße nicht.“

Obwohl er sie wirklich zum Anbeißen fand, wenn er ehrlich war!

Während der kurzen Verbindung und noch kürzeren Verlobungszeit zwischen Catalina und Helios hatte sie oft mit ihrem Zukünftigen getanzt, aber nie hatte es sich angefühlt wie an diesem Abend mit Nathaniel. Ihr Herz schlug so heftig, dass sie es an ihren Rippen spüren konnte. Beängstigend!

Mit fünfzehn Jahren hatte sie zum ersten Mal eine Vorstellung von dem bekommen, was man gemeinhin als körperliche Liebe bezeichnete. Und die wunderbare, aufregende Anziehungskraft dieser Liebe hatte sie fast vergessen lassen, durch wen sie ihren Einblick in die pure Leidenschaft erhalten hatte …

Oh, wie sehr hatte sie darauf gehofft, etwas Ähnliches mit Helios erleben zu dürfen! Aber da war keinerlei Sinnlichkeit zwischen ihnen gewesen, und zwischen ihr und dem schwedischen Herzog spielte sich sogar noch weniger ab.

Ihr lief eine Gänsehaut über den Rücken, während Nathaniel mit ihr über die Tanzfläche schwebte. Und mit jeder weiteren Minute fühlte sie, wie eine Sehnsucht nach dieser Leidenschaft in ihr wuchs, die schon seit vielen Jahren ihre geheimsten erotischen Wünsche beflügelte.

Viel zu schnell war der Tanz vorüber.

Bebend atmete Catalina durch und wollte einen Schritt zurücktreten, aber Nathaniel hielt sie fest umschlungen.

„Ich übernachte heute im Palast – und zwar im gleichen Flügel wie du“, raunte er ihr ins Ohr.

„Aber …“ Ihr blieb die Luft weg. „Woher weißt du, in welchem Flügel ich wohne?“

„Weil ich es unbedingt wissen wollte.“

Er atmete tief ein, und sie wusste, dass es ihr Duft war, den er gierig inhalierte.

Diese Erkenntnis ließ ihre Knie weich werden, genauso wie sein funkelnder Blick. Im Grunde war er der einzige Mann, der jemals erotische Fantasien in ihr ausgelöst hatte.

„Um ein Uhr werde ich vor deiner Tür stehen.“ Dann küsste er ihre Fingerknöchel. „Mir ist bewusst, dass deine Anstandsdame gleich nebenan schläft, deshalb werde ich nicht klopfen. Ich stehe nur dort und lege unser Schicksal in deine Hände. Falls du nicht öffnen solltest, kehre ich zu meinem eigenen Zimmer zurück. Aber bevor du eine Entscheidung triffst, stelle dir diese eine Frage! Wann hast du zum letzten Mal etwas ganz für dich allein getan, was nichts mit Pflichterfüllung zu tun hatte? Du bist eine Prinzessin, Catalina, aber heute Nacht kann ich dir beibringen, auch eine Frau zu sein.“

Mit diesen Worten ließ er ihre Hand los, verbeugte sich tief vor ihr und verschwand von der Tanzfläche.

Drei Wochen später.

Der Plastikstab mit der pinkfarbenen Linie trieb Prinzessin Catalina Fernandez fast die Tränen in die Augen.

Frohe Weihnachten, dachte sie sarkastisch. Und hier kommt das Überraschungsgeschenk.

Die gesamte makellose Fassade, an der sie fünfundzwanzig Jahre lang gearbeitet hatte, war dahin. Stattdessen hatte sie mit der nackten Panik zu kämpfen, die in ihr aufstieg.

Zwei herrliche sinnliche Minuten, in denen Nathaniel zum ersten Mal in sie eingedrungen war, ohne sich vorher zu schützen und ehe er sich wieder zurückzog … Danach hatten sie ein Kondom benutzt. Nur zwei verrückte, unvernünftige Minuten – das hatte schon gereicht.

Was sollte sie jetzt tun?

Eine Welle der Übelkeit spülte ihre verzweifelten Gedanken beiseite, und Catalina lief hastig ins Bad, nun schon zum dritten Mal an diesem Morgen. Dabei wusste sie nicht, ob nur die Hormone oder auch die Aufregung verantwortlich für ihren miserablen Zustand waren.

Wenige Minuten später putzte sie sich die Zähne, betrachtete ihr bleiches Gesicht im Spiegel und zwang sich zu einem Lächeln. In sechs Stunden saß sie mit ihrer gesamten Familie beim traditionellen Weihnachtsessen. Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen … alle würden dabei sein.

Was für ein Albtraum!

Das Klopfen an der Tür erschreckte sie. Bestimmt war es Marion, ihre Cousine und offizielle Hofdame, die ihr vorhin schon ein Tablett mit Frühstück gebracht hatte. Nur leider war es Catalina nicht möglich gewesen, einen einzigen Bissen zu sich zu nehmen.

Und sie konnte sich Marion auch nicht anvertrauen. Ihre Cousine hatte eine hinterlistige Seite an sich, und Catalina war nie warm mit Marion geworden. Sie war deutlich älter als Catalina und sozusagen die Personalchefin für die Bediensteten der Prinzessin. Es war Usus, die persönlichsten Posten im Palast mit Familienmitgliedern zu besetzen.

Tapfer straffte Catalina die Schultern und rief: „Herein!“

Doch es war nicht Marion, die den Raum betrat, sondern Catalinas Bruder Dominic.

Sein Gesichtsausdruck wirkte nicht besonders freundlich.

„Es ist also wahr“, sagte er trocken und kam ins Zimmer. „Du bist tatsächlich schwanger.“

Innerhalb der Palastmauern war es nahezu unmöglich, ein Geheimnis zu wahren. Da sie Marion nicht vertraute, hatte Catalina ein jüngeres Mitglied ihres Hofstaats zur Apotheke geschickt, um einen Schwangerschaftstest zu kaufen: Aliana. Und sie hatte eigentlich hoch und heilig versprochen, den Mund zu halten.

Aber nicht viele Menschen besaßen die mentale Stärke, sich gegen die geübten Spione des Königs und seines Kronprinzen durchzusetzen.

Verächtlich betrachtete Dominic sie von oben herab, dann schnellte seine Hand plötzlich vor, und er verpasste seiner Schwester eine schallende Ohrfeige. „Fröhliche Weihnachten!“

Catalina zwang sich dazu, keinerlei Reaktion auf diesen Angriff zu zeigen. Sie berührte nicht einmal die brennende Stelle in ihrem Gesicht. Sie weigerte sich, Dominics Verhalten zu belohnen, indem sie ihm Beachtung schenkte – ganz gleich in welcher Form.

Denn er liebte nichts mehr, als sie zum Weinen zu bringen. So war es praktisch schon immer gewesen. Seit der Beerdigung ihrer Mutter vor sieben Jahren hatte sie in seiner Anwesenheit keine einzige Träne mehr vergossen.

Plötzlich wünschte sie sich, ihre Mutter wäre jetzt bei ihr. Und dass sie Catalina im Arm halten und ihr tröstende Worte zuflüstern würde. Wie sehr sie diese sanfte, beruhigende Stimme vermisste!

Wenn wenigstens Isabella im Palast wäre, aber ihre jüngere Schwester verbrachte die Feiertage mit der Familie ihres Ehemannes.

„Wer ist der Vater?“

Catalina presste die Lippen fest aufeinander.

„Ach, eine unbefleckte Empfängnis? Wie passend!“ Sein Lächeln war grausam und hasserfüllt. „Nathaniel Giroud?“

Trotz ihrer Bemühungen schaffte sie es nicht, ein verräterisches Zittern zu verbergen.

„Verstehe, er ist es also.“

Sie bereitete sich auf eine weitere Ohrfeige vor, doch Dominic beugte sich nur zu ihr, sodass sie seinen säuerlichen Atem riechen konnte. „Du widerliche, kleine Schlampe!“

Auch auf diese Beleidigung reagierte sie nicht. Das hätte alles nur noch mehr aus dem Ruder laufen lassen. Sie zuckte nicht einmal, als ihr Speichelbläschen ihres Bruders ins Gesicht flogen.

„Schlimm genug, dass Helios dich abserviert hat. Dass er eine königliche Vollblutprinzessin gegen eine Bürgerliche eingetauscht hat – und das vor aller Welt! Aber dann machst du auch noch die Beine breit für diesen Abschaum?“ Seine Gesichtszüge waren vor Verachtung verzerrt. „Dir ist klar, dass Johann bei Vater um deine Hand anhalten wollte? Diesen Plan hast du vollständig ruiniert! Johann nimmt doch keine Ware aus zweiter Hand!“

Selbst wenn sie gewollt hätte, wäre ihr keine passende Antwort darauf über die Lippen gekommen. Sie schaffte es kaum, zu atmen.

„Giroud wird dich ebenso wenig wollen“, fuhr Dominic gereizt fort. „Er hat dich flachgelegt, um mir eins auszuwischen. Es war ein Spiel für ihn, nichts weiter. Ich hatte dir geraten, dich von ihm fernzuhalten, aber du wolltest ja nicht hören. Jetzt musst du den Preis dafür zahlen.“

Er richtete sich wieder auf. „Vater will dich sprechen. Er wird entscheiden, was jetzt zu tun ist und welche Konsequenzen dein Verhalten hat.“

Ehe er ging, gab er ihr noch einen weniger harten Schlag auf die andere Wange. „Das ist dafür, dass du dich mir widersetzt hast, als ich sagte, du sollst dich von Nathaniel Giroud fernhalten.“ Dann richtete er sich den Krawattenknoten und verschwand aus dem Raum.

Endlich war Catalina wieder allein. Sie schloss die Augen und atmete ein paar Mal tief durch, dabei hätte sie am liebsten laut geschrien und irgendetwas gegen die Wand gepfeffert!

Schützend legte sie sich eine Hand an den Unterleib und musterte ihr Spiegelbild. Auf beiden Wangen waren deutlich die rötlichen Abdrücke von Dominics Fingern zu erkennen. Schnell versuchte sie, die Flecken mit etwas Abdeckstift und Puder überzuschminken, ehe Marion zurückkam.

Schön ruhig bleiben, Catalina! sagte sie sich dabei immer wieder.

Seit Nathaniel damals am frühen Morgen ihr Schlafzimmer verließ, hatte sie nichts mehr von ihm gehört. Sie hatten beide gewusst, dass ihr Abenteuer nur diese eine Nacht dauern würde. Trotzdem hatte sie ihn schon seit Jahren im Auge gehabt …

Er war mit den Kalliakis-Prinzen befreundet, und man war sich häufiger bei offiziellen Anlässen über den Weg gelaufen. Besonders sein imposantes und etwas düsteres Erscheinungsbild hatte es ihr angetan.

Wann immer er sie anblickte, verspürte sie ein Flattern in der Magengrube, das sich noch verstärkte, wenn sie sich direkt begrüßten und auf die Wangen küssten. Allerdings hatte sie sich nie viel dabei gedacht. Sie fand ihn eben aufregend und attraktiv, sie bewegten sich im selben gesellschaftlichen Kreis, aber sie waren keine richtigen Freunde.

Für die Prinzessinnen des Hauses Fernandez gehörte es sich nämlich nicht, männliche platonische Freunde zu haben.

Bis zu Helios Hochzeitstag, an dem er sich zu ihrem Beschützer aufgeschwungen hatte, war Nathaniel ihr gegenüber relativ zurückhaltend geblieben. Sie hatten nicht viel mehr als Höflichkeiten ausgetauscht.

Sie wusste wenig über ihn. Seine Eltern waren tödlich verunglückt, als er noch klein gewesen war. Anschließend wuchs er bei einem Onkel auf und besuchte dasselbe Internat wie die Kalliakis-Brüder. Heute besaß er eine Hotelkette und ein paar hochkarätige Projekte wie den Club Giroud. Dieser Privatclub für die Schönen und Reichen hatte ihn noch vor seinem dreißigsten Lebensjahr zu einem der vermögendsten Männer Europas gemacht. Er galt als Frauenheld und Bonvivant – als jemand, der das Leben in vollen Zügen zu genießen wusste.

Aber an jenem Tag war er anders gewesen. Nathaniel hatte erkannt, wie verletzlich sie war. Und er hatte es zu seiner persönlichen Mission erklärt, sie durch diesen demütigenden Hochzeitstag von Helios zu begleiten. Dabei spielte es keine Rolle, ob er selbst mit ihr schlafen wollte. Schließlich war es ihr ebenso ergangen …

Ein einziges Mal in ihrem Leben hatte sie alle Vorsicht über Bord geworfen und der Seite ihres Ichs nachgegeben, die sie bisher eisern unterdrückt hatte.

Selbst wenn sie keine Prinzessin gewesen wäre – und er ein gewöhnlicher Bürgerlicher – hätte sie von ihm nicht mehr als diese eine Nacht erwartet. Schließlich war ihm eine emotionale Bindung an einen anderen Menschen offenbar fremd.

Aber es war ihr nicht gelungen, ihn sich aus dem Kopf zu schlagen. Wenn sie ihre Augen schloss, sah sie nur ihn. Sie konnte ihn fühlen, ihn schmecken. Sie konnte noch immer seine Finger auf ihrer Haut spüren, das Gefühl ihrer Finger auf seiner. Nachts in ihrem Bett stellte sie sich unaufhörlich jede Zärtlichkeit vor, die zwischen ihnen stattgefunden hatte – wieder und wieder.

Catalina war davon ausgegangen, dass ihr gemeinsames Abenteuer ihr unausgesprochenes Geheimnis bleiben würde. Nathaniel war souverän genug, um bei der nächsten offiziellen Begegnung ihre Hand zur Begrüßung nur eine Idee länger in seiner zu halten, um sie mit dieser Geste unauffällig an ihre gemeinsame Nacht zu erinnern.

Seit sie zurückdenken konnte, war ihre Jungfräulichkeit praktisch ein Heiligtum, das für ihre Hochzeitsnacht bewahrt werden musste. Fünfundzwanzig Jahre lang hatte sie dies als unumstößliche Tatsache akzeptiert.

Immerhin war sie eine Prinzessin und führte ein Leben voller Reichtum und Privilegien. Sie repräsentierte das Haus Fernandez, und von ihr wurde erwartet, dass sie in eine Familie einheiratete, die ihrer eigenen wirtschaftlich und kulturell von Nutzen war.

Man erwartete von ihr tadelloses Benehmen zu jeder Zeit und an jedem Ort, und diese Erwartungen hatte sie stets erfüllt. Niemals hatte sie sich über ihren Bruder beklagt, dem – ganz im Gegensatz zu ihr – alle erdenklichen Freiheiten gewährt wurden. Und sie hatte sich nicht einmal darüber beschwert, dass man ihrer Schwester Isabella ebenfalls alles durchgehen ließ.

Gegen Isabella hatte Dominic noch nie die Hand erhoben.

Kein einziges Mal hatte Catalina das getan, was sie wollte, sondern hatte nur an das Haus Fernandez gedacht. Und dann … war es doch passiert.

Eine verbotene Nacht lang hatte sie ihre erdrückenden Pflichten zum Teufel gejagt!

Und nun würde sie auf ewig für diesen Moment der seligen Verrücktheit bezahlen.

Nathaniel hasste die Weihnachtszeit. All diese aufgesetzte Gutmütigkeit, der kommerzielle Wahnsinn und die erzwungene Gemeinschaft mit den vermeintlich lieben Angehörigen.

Dieses Fest erinnerte ihn wie kein zweites daran, dass die einzigen drei Personen, die ihm jemals etwas bedeutet hatten, seit achtundzwanzig Jahren tot waren. Und zu Weihnachten, wenn Menschen auf der ganzen Welt mit strahlenden Augen ihre Geschenke öffneten, fühlte sich sein grausamer Verlust genauso frisch an wie damals, als er zum ersten Mal ohne seine Lieben erwachte …

Dieses Jahr hatte er beschlossen, die Festtage in Monte Cleure zu verbringen. Einerseits hatte er hier gerade erst eine Immobilie erworben und seinem umfangreichen Portfolio hinzugefügt. Zum anderen war das winterliche Klima ausgesprochen angenehm – schließlich befand man sich auf einer Höhe mit Südfrankreich –, und es bestand kaum die Gefahr, dass es schneien würde.

Schon seit achtundzwanzig Jahren vermied Nathaniel Schnee, wo er konnte.

Heute, am zweiten Weihnachtsfeiertag, erwachte er in seinem Apartment neben einer leeren Flasche Scotch. Die Klingel seiner Gegensprechanlage schrillte unaufhörlich, und Nathaniel presste sich beim Hinsetzen eine Hand gegen seine schmerzende Schläfe.

Wieso hatte er seinem Personal bloß über die Feiertage freigegeben? Jetzt musste er sich selbst aufraffen und an die Tür gehen.

Auf wackligen Beinen stolperte er zur Gegensprechanlage und drückte einen Knopf. „Ja?“

Eigentlich hatte er den Concierge beschworen, ihn keinesfalls zu stören, bis der Weihnachtswahnsinn endgültig vorüber war. Also nicht vor morgen …

„Monsieur Giroud. Seine Hoheit, Prinz Dominic aus dem Hause Fernandez wünscht, Sie zu sprechen.“

„Was will er denn?“

Die Stimme des Concierge wurde leiser. „Es steht mir nicht zu, mich danach zu erkundigen.“

Zwar gehörte Nathaniel dieses ganze Gebäude, aber Dominic war der Thronfolger des Landes und damit von deutlich höherem sozialen Rang.

„Schicken Sie ihn rauf!“, befahl er seufzend. Und während er auf den ungebetenen Gast wartete, holte er sich ein großes Glas Wasser aus der Küche.

Was immer der Prinz besprechen wollte, es war bestimmt nichts Angenehmes. Das kündigte schon sein energisches Klopfen an der Apartmenttür an.

Nathaniel öffnete und ließ den kräftig gebauten Prinzen und seinen hünenhaften Bodyguard herein.

„Was kann ich für Sie tun, Dominic?“, sagte Nathaniel zur Begrüßung und sparte sich absichtlich die Anrede mit offiziellem Titel. Es musste reichen, dass er seinen ehemaligen Internatskollegen siezte. Dann wandte er seinem Besucher sogar noch den Rücken zu – im Grunde eine unentschuldbare Unhöflichkeit – und ging ins Wohnzimmer. „Sind Sie hier, um mir Festtagsgrüße zu überbringen?“ Doch es kam keine Antwort. „Kann ich Ihnen einen Drink anbieten?“

„So wie Sie aussehen und riechen, haben Sie bereits mehr als genug getrunken“, antwortete Dominic herablassend. Er hatte diese hochnäsige Art von Leuten an sich, die mit einem goldenen Löffel im Mund geboren worden waren. Ständig darum bemüht, die eigene Dominanz zur Schau zu stellen.

Hätte sein Kopf nicht so verdammt wehgetan, hätte Nathaniel vermutlich darüber lachen können.

„Wäre ich von Ihrem Besuch vorher informiert worden, wäre ich noch schnell unter die Dusche gesprungen“, konterte er. „Wollen Sie nun etwas trinken oder nicht?“

„Dies ist kein Freundschaftsbesuch.“

„Habe ich mir fast gedacht. Meiner Meinung nach wird jedoch auch die langweiligste Geschäftsbesprechung zumindest durch eine kräftige Tasse kolumbianischen Kaffees versüßt.“

„Es handelt sich auch nicht um eine geschäftliche Unterredung.“

„Warum verraten Sie mir dann nicht einfach, was so dringend ist, dass Sie mich ohne Vorwarnung in meinen eigenen vier Wänden überfallen?“

Ihren vier Wänden?“

„Gekauft und bezahlt. Mein Anwalt hat sich um die Grundbucheintragung des Ravensberg – Gebäudes gekümmert. Wollen Sie sich bei ihm vergewissern?“

Seit seinem siebzehnten Lebensjahr, nachdem ihn ein skrupelloser Vermieter finanziell übers Ohr gehauen hatte, war Nathaniel in Bezug auf seinen Wohnraum lieber sein eigener Herr. Er hatte extrem hart gearbeitet und im Laufe der Jahre viele Besitztümer und auch Firmen an sich gerissen. Mehr, als er zählen konnte.

Und er schuldete niemandem auch nur einen Cent. Keiner Bank, keiner Organisation und auch sonst keiner Menschenseele. Steinerne Mauern, die konnte man wenigstens anfassen. Das waren für ihn solide Werte in einer zerbrechlichen Welt, in der nur Horror und Enttäuschungen herrschten.

Er sah Dominic seine Wut darüber an, dass der König trotz aller Einwände seines Sohnes dem verhassten Nathaniel den Kauf des Grundstücks samt Gebäude ermöglicht hatte. Nathaniel war dabei, in Monte Cleure einen riesigen Hotel- und Bürogebäudekomplex zu errichten. Ein höchst anspruchsvolles und ehrgeiziges Projekt: Wolkenkratzer voller Macht und Schönheit. Das Architect-Monthly – Magazin prognostizierte, es könnten die „Gebäude der Dekade“ werden.

Bisher hatte Nathaniel etwa einhundert Millionen Euro in dieses Entwicklungsprojekt investiert und war darauf eingestellt, noch einmal dasselbe bis zur Fertigstellung aufzuwenden.

„Wieso hören wir nicht auf, um den heißen Brei herumzureden? Warum sagen Sie mir nicht einfach, was Sie wollen, damit ich endlich ins Bett gehen kann?“

„Es geht um meine Schwester.“

„Um welche von ihnen?“, fragte Nathaniel achselzuckend, obwohl es in seinem Kopf bereits zu rumoren begann.

Das Gesicht von Dominic färbte sich vor Wut dunkelrot. „Catalina.“

Nathaniel bemühte sich um eine möglichst neutrale Miene.

Er selbst hatte kein Sterbenswörtchen über seine Nacht mit der Prinzessin verloren. Niemandem gegenüber. Und er war sicher, dass sie ihren jungfräulichen Ruf ebenso gründlich geschützt hatte.

Es war der perfekte One-Night-Stand gewesen: Die Gefahr, dass die Frau plötzlich zu anhänglich wurde, bestand zum Glück nicht.

Bei Sonnenaufgang hatte er sie verlassen, und sie beide hatten gewusst, dass ihr Abschiedskuss für die Ewigkeit gedacht war …

Sie teilten die Erinnerung an eine einmalige, unglaubliche Nacht, die sich niemals wiederholen würde.

Dominic fischte ganz sicher im Trüben! Wahrscheinlich hatten ihm seine Spione berichtet, dass Nathaniel und Catalina auf Helios’ Hochzeit zusammen getanzt hatten.

Autor

Michelle Smart
Michelle Smart ist ihrer eigenen Aussage zufolge ein kaffeesüchtiger Bücherwurm! Sie hat einen ganz abwechslungsreichen Büchergeschmack, sie liest zum Beispiel Stephen King und Karin Slaughters Werke ebenso gerne wie die von Marian Keyes und Jilly Cooper. Im ländlichen Northamptonshire, mitten in England, leben ihr Mann, ihre beiden Kinder und sie...
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