Die Rückkehr des Verführers

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Sein Handkuss lässt Macy erbeben, seine tiefen Blicke verraten ihr: Chris begehrt sie noch immer! Warum hat sie sich nur auf ein Dinner im exklusiven Texas Cattleman Club einlassen? Jetzt ist es für ein Nein zu spät - Chris, der einstige Rebell von Royal, ist in Macys Leben zurückgekehrt. Und der sexy Selfmade-Millionär weiß leider genau, was er machen muss, damit sie seinen Verführungskünsten erliegt. Doch genau davor hat Macy Angst! Denn wie wird er reagieren, wenn er im Rausch der Leidenschaft die Narben an ihrem Körper sieht, die sie bei einem Unfall davongetragen hat?


  • Erscheinungstag 17.06.2012
  • Bandnummer 1724
  • ISBN / Artikelnummer 9783864946271
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Riskieren Sie ruhig einen Blick, Macy. Sie sind sogar noch schöner als zuvor“, sagte Dr. Justin Webb.

Unschlüssig hielt Macy Reynolds den Spiegel in der Hand, bevor sie ihn langsam anhob. Doch im letzten Moment, bevor sie einen Blick auf ihr Gesicht werfen konnte, schloss sie die Augen. Vor drei Jahren war sie eine Schönheit gewesen und mit achtzehn sogar zur Rosenkönigin von Texas gekrönt worden. Doch seit dem tragischen Unfall hatte sich alles verändert. Sie hatte nicht nur ihr Aussehen und ihren Verlobten, sondern auch ihr Selbstbewusstsein verloren.

Gerade hatte sie die vermutlich letzte Operation hinter sich gebracht, doch ihr Gesicht, dessen Attraktivität sie einst für selbstverständlich gehalten hatte, war mittlerweile zu einer Art Fluch geworden. Niemals wieder würde sie die schöne junge Frau von damals sein.

Dr. Webb legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Vertrauen Sie mir, Macy.“

Allerdings wusste sie nicht, ob sie je wieder einem Mann vertrauen konnte – mit Ausnahme von ihrem Daddy, der ihr in der schwierigen Zeit stets zur Seite gestanden hatte.

Da ihr klar war, dass sie nicht den Rest ihres Lebens mit geschlossenen Augen im Büro von Dr. Webb sitzen konnte, dachte Macy an die tapferen Kinder, die sie regelmäßig auf der Intensivstation für Verbrennungen besuchte. Diese Kinder fürchteten sich auch nicht vor dem Blick in den Spiegel.

Also öffnete sie erst ein Auge und dann, nachdem sie erstaunt ihr Spiegelbild wahrgenommen hatte, das andere. Ihre Haut war weiß und makellos, so wie sie sein sollte. Keine Narbe verunstaltete ihr Gesicht. Ihre zierliche Nase hatte wieder die ursprüngliche Form. Überrascht berührte Macy sie. Ihre Augen, die zum Glück bei dem Unfall nicht in Mitleidenschaft gezogen worden waren, strahlten im vertrauten Grün.

Lediglich ihre Lippen sahen ein wenig verändert aus. Da die Unterlippe von einem Stück Glas zerschnitten worden war, hatte sie jetzt dort eine kleine Einkerbung, die vorher nicht da gewesen war.

„Vielen Dank, Dr. Webb“, sagte sie. Zwar war sie immer noch nicht perfekt, aber zumindest hatte sie die letzte der zahlreichen Operationen endlich hinter sich gebracht.

„Sehen Sie, ich hatte recht. Sie sind noch schöner als zuvor“, entgegnete er.

Sie verkniff sich eine Bemerkung und nickte lächelnd, bevor sie den Spiegel auf das Bett legte. „Verstehen Sie mich nicht falsch, Doktor, aber ich bin wirklich froh, wenn ich Sie nicht wiedersehen muss.“

Dr. Webb lachte. „Ich auch, Macy. Ich schicke Ihnen die Schwester mit ein paar Unterlagen, die Sie noch ausfüllen müssen, und dann können Sie gehen.“

Als er sich zur Tür wandte, rief Macy ihn zurück. „Vielen Dank noch mal, Dr. Webb. Was Sie erreicht haben, bedeutet mir wirklich sehr viel.“

„Gern geschehen“, erwiderte er und ging.

In diesem Moment vibrierte ihr Mobiltelefon, und Macy schaute auf das Display. Wie ist es gelaufen beim Arzt? lautete die Nachricht von ihrem Vater.

Da Macy wusste, dass Dr. Webb wirklich alles darangesetzt hatte, um sie fast so aussehen zu lassen wie vor ihrem Unfall, wollte sie nicht undankbar erscheinen – auch wenn sie nie wieder ganz dieselbe sein würde. Sehr gut, Daddy, war ihre Antwort.

Sie und ihr Vater standen sich näher als früher. Nachdem Macy von ihrem Verlobten Benjamin verlassen worden war, während sie im Krankenhaus gelegen hatte, hatte lediglich der Vater ihr beigestanden. Der Unfall hatte ihr alles genommen, doch jetzt war sie wieder ganz die Alte. Jetzt würde sie die behütete Welt verlassen, die ihr Vater für sie geschaffen hatte, und sich den Herausforderungen ihres eigenen Lebens stellen.

Nachdem der Papierkram erledigt war, verließ sie das Sprechzimmer und verspürte zum ersten Mal seit Langem nicht den Drang, sofort die große Sonnenbrille aufzusetzen, um sich vor neugierigen Blicken zu schützen.

Als sie die Tür der Lobby öffnete, stieß sie mit einem Mann zusammen, der sie gerade noch rechtzeitig bei den Schultern packte und so vor einem Sturz bewahrte.

„Danke“, sagte sie und sah hoch – in blaue Augen, die sie nur zu gut kannte. Christopher Richardson, ihre alte Highschool-Liebe – und der Mann, mit dem sie auf Drängen ihres Vaters hin Schluss gemacht hatte. Obwohl ihre letzte Begegnung beinahe vierzehn Jahre her war, kam es ihr so vor, als wäre überhaupt keine Zeit vergangen. Chris sah immer noch so attraktiv und verführerisch aus wie damals in der Highschool.

„Macy. Manche Dinge ändern sich eben nie, und du wirst von Mal zu Mal hübscher, wenn ich dich treffe“, sagte er ironisch.

Bei dem Gedanken, wie sie ihm damals einen Korb verpasst hatte, wurde sie rot. „Aber du hast mich doch seit der Highschool nicht mehr gesehen.“

„Das ist allerdings wahr. Ich habe schon immer begriffen, wenn ich einen Laufpass bekomme und es Zeit ist, nach vorn zu schauen“, erklärte er. „Aber das ist Schnee von gestern. Was machst du hier?“

Sie ahnte, dass sie ihm wegen ihres Verhaltens von damals mehr schuldete als eine oberflächliche Entschuldigung. „Ähm, vor ein paar Jahren hatte ich einen Unfall“, erzählte sie wahrheitsgemäß, bevor sie sich eine Ausrede einfallen lassen konnte.

„Ich habe davon gehört. Geht es dir wieder gut?“

Sie nickte. „Mit jedem Tag ein bisschen besser. Jetzt sag schon, was führt dich aus der Großstadt denn hierher?“

„Meine Mutter. Sie liegt hier im Krankenhaus. Außerdem bin ich nach Royal gekommen, um als Berater ein Angebot für den Umbau des Texas Cattleman’s Clubs abzugeben.“

„Oh, stimmt. Ich habe gehört, dass du jetzt im Baugewerbe tätig bist – so wie mein Vater.“

„Um ehrlich zu sein, Macy, Richardson Development ist das größte Bauunternehmen in Texas.“

„Wow“, entgegnete sie in Ermangelung einer passenderen Bemerkung. Dachte er etwa, dass sie das beeindruckte und sie Menschen immer noch nach der Größe ihres Bankkontos beurteilte? Sicherheitshalber wechselte sie das Thema. „Ich hoffe, deiner Mom geht es gut?“ Sie hatte Margaret Richardson als sehr freundliche Frau in Erinnerung, für die ihr Sohn stets das Wichtigste gewesen war.

„Ihr geht es schon wieder besser. Sie hat ab und zu Probleme mit dem Herzen, aber die Ärzte kümmern sich hervorragend um sie“, erwiderte Chris, bevor sich verlegenes Schweigen zwischen ihnen einstellte.

Er sah so umwerfend sexy aus, dass sie sich plötzlich etwas farblos und unsicher vorkam.

„Wo wohnst du denn jetzt?“, wollte Chris schließlich wissen.

„Bei meinem Dad auf der Ranch.“ In der schweren Zeit nach dem Unfall war die Rückkehr auf die Ranch ihre einzige Option gewesen.

„Oh, wirklich?“, sagte Chris. „Und ich habe immer gedacht, dass du dir mal einen reichen Typen angelst und heiratest.“

Er strich sich durch das strubbelige blonde Haar und setzte dieses charmante Lächeln auf, das Macy schon immer unwiderstehlich gefunden hatte.

„Das hätte ich auch beinahe. Aber er ist davongelaufen, als ich nicht mehr so vorzeigbar aussah.“ Sie hoffte inständig, nicht verbittert zu klingen.

„Was für ein Loser“, meinte Chris verächtlich.

Sie lachte. „Er ist ein ehrenwerter Mann aus einer angesehenen Familie.“

„Wenn er es nicht fertiggebracht hat, dich glücklich zu machen, dann ist er ein Loser.“

„Hey, ich danke dir, Chris. Jetzt geht es mir schon viel besser. Du bist genau das, was mein Arzt mir verordnet hat.“

„Ich könnte während meines Aufenthalts den Rat von jemandem gebrauchen, der sich hier auskennt. Vielleicht kannst du mir ein bisschen darüber erzählen, was im Cattleman’s Club so vor sich geht. Würdest du mir heute Abend beim Dinner Gesellschaft leisten?“

Sie ließ sich einen Moment Zeit mit der Antwort, obwohl sie wusste, dass sie gern wollte. „Sehr gerne. Wenn du Glück hast, kann ich dich mit Abigail Langley bekannt machen. Sie wird die nächste Präsidentin des Cattleman’s Clubs.“

„Mir ist schon zu Ohren gekommen, dass alle weiblichen Mitglieder für diese Frau die Werbetrommel rühren. Genau an solchen Informationen bin ich interessiert, bevor ich meine Vorschläge dem Vorstand präsentiere“, erklärte Chris.

„Es ist an der Zeit, dass auch Frauen im Club endlich zum Zug kommen. Mein Vater und seine Kumpels sind ziemlich ratlos. Sie haben Abby nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes die Ehrenmitgliedschaft angeboten. Und das auch nur, weil es zum ersten Mal seit Gründung des Clubs vor hundert Jahren durch Tex Langley keinen Langley mehr im Club gegeben hat. Alle waren sehr betroffen.“

„Ach, wirklich? Also, ich bin nur ein Bauunternehmer, dem sie möglicherweise den Auftrag geben wollen. Was hältst du von halb sieben im Club?“

„Klingt toll. Also dann bis später.“

Als Macy ging, konnte sie beinahe spüren, wie Chris ihr hinterhersah. Endlich kehrte das Selbstbewusstsein wieder zurück, das sie eingebüßt hatte, als Benjamin sie hatte sitzen lassen. Gern hätte sie sich eingeredet, dass die Hochstimmung nur daran lag, dass sie die letzte Operation hinter sich hatte. Doch sie wusste, dass Chris dafür verantwortlich war.

Damals hatte er im Highschool-Footballteam gespielt. In einer kleinen texanischen Stadt wie Royal war er damit schon beinahe so etwas wie eine Ikone gewesen. Und es hatte nicht lange gedauert, bis Macy sich in ihn verguckt hatte. Wiederum nur wenig später waren sie ein Paar geworden. Sie hatten sich den ganzen Sommer über getroffen, bis Macys Vater Einspruch erhoben hatte.

Harrison Reynolds hatte etwas dagegen gehabt, dass seine Tochter einen Kerl traf, dessen Vater für eine Ölgesellschaft arbeitete, anstatt sie zu besitzen – und der darüber hinaus kein Mitglied des Texas Cattleman’s Clubs war.

Im Nachhinein wünschte Macy, sich anders verhalten und zu Chris gestanden zu haben. Doch das hatte sie nicht, und manches Mal fragte sie sich, ob der Unfall letztendlich nicht dazu beigetragen hatte, sie wachzurütteln. Denn eins wusste sie mit Sicherheit: Sie war niemals wirklich über Chris hinweggekommen und freute sich aufrichtig, dass er wieder zurück in Royal war.

Chris schaute Macy hinterher und bewunderte ihren Hüftschwung und die schlanken Beine. Das wiederum ließ ihn daran denken, warum er es in der Highschool auf sie abgesehen hatte. Macys Vater hatte sich allerdings wenig beeindruckt gezeigt, dass Chris einer der besten Spieler des hiesigen Footballteams gewesen war.

Doch nach all den Jahren war er wieder in Royal, um seine Mutter zu besuchen und außerdem an dem Projekt für den Texas Cattleman’s Club zu arbeiten – der einer der exklusivsten Country Clubs in ganz Texas war. Lediglich Männer mit dem richtigen Stammbaum und Vermögen konnten Mitglied darin werden. Da Chris’ Vater jedoch nur einfacher Ölarbeiter gewesen war, hatte er weder sich noch seinem Sohn eine Mitgliedschaft ermöglichen können. Heutzutage hingegen besaß Chris genügend Geld, um sich in Royals exklusivem Club einzukaufen.

Er fuhr mit dem Fahrstuhl in den sechsten Stock und fragte am Empfang nach der Zimmernummer seiner Mutter. Kurz darauf öffnete er die Tür zu ihrem Zimmer. Seine Mutter saß im Bett und schaute Fernsehen.

„Hi, Mom.“

„Chris! Mit dir habe ich ja gar nicht gerechnet!“, rief sie und suchte nach der Fernbedienung.

Mit wenigen Schritten war Chris bei ihr, nahm sie in den Arm und küsste sie, bevor er ihr das kleine Gerät reichte, mit dem sie schließlich den Ton ausstellte.

„Das ist echt ein starkes Stück, Mom, selbst für dich. Einfach so umzufallen, damit ich dich besuchen komme. Du hast doch gewusst, dass ich dieses Wochenende sowieso geschäftlich im Texas Cattleman’s Club zu tun habe.“

Lächelnd sah sie ihn an. „Ich schätze, es ist Schicksal, dass ich dich vorher schon zu sehen bekomme. Ich habe schon früher mit dir gerechnet. Bist du aufgehalten worden?“

„Ich habe Macy Reynolds getroffen.“

Seine Mutter erstarrte. Sie hatte es Macy nie verziehen, dass sie Chris ausgerechnet vor dem Abschlussball hatte sitzen lassen. „Und was hast du zu ihr gesagt?“

„Wir haben nur ein bisschen geplaudert. Heute Abend gehe ich mit ihr essen.“ Chris versuchte, ganz beiläufig zu klingen, aber seine Mutter kannte ihn besser als jeder andere auf der Welt.

„Ist das denn schlau?“, hakte Maggie nach.

Er zuckte mit den Schultern. „Ich habe echt keine Ahnung. Aber es macht bestimmt Spaß. Sie hat sich verändert.“

„Ich habe von dem Unfall gehört“, sagte Maggie.

„Was ist denn passiert?“, fragte Chris und zog einen Stuhl an das Bett seiner Mutter heran.

„Es ist überall in den Nachrichten gewesen. Jemand ist im dichten Verkehr auf ihr kleines BMW-Cabrio gefahren und hat sie unter einen Lastwagen geschoben. Ihr Wagen ist sofort in Flammen aufgegangen, und sie kann von Glück sagen, dass sie noch lebt. Doch sie hat wohl schreckliche Narben davongetragen. Zumindest habe ich das im Royal Diner gehört.“

„Dort hört man zwar immer den neuesten Klatsch, das heißt aber nicht, dass auch alles stimmt.“ Das Diner war in ganz Texas für seine frittierten Spezialitäten berühmt, aber der Wahrheitsgehalt der dort erzählten Geschichten war meist nur mit Vorsicht zu genießen.

Das hat schon gestimmt. Sie musste danach wieder zu Harrison ziehen und hat in den vergangenen Jahren mehrere Operationen über sich ergehen lassen müssen. Es hat einem das Herz gebrochen, dieses hübsche Mädchen mit all diesen Verbänden zu sehen. Die ersten sechs Monate konnte sie noch nicht einmal mehr laufen.“

Chris wurde ganz flau im Magen, als er daran dachte, wie viel Schmerzen Macy hatte ertragen müssen. „Aber jetzt scheint es ihr wieder ganz gut zu gehen.“

„Ja, ihr schon“, erwiderte Maggie. „Aber was ist mit dir? Erzähl mir von deiner Arbeit mit dem Club.“

„Da gibt es noch nicht viel zu erzählen, Mom. Ich treffe mich mit Brad Price und fange dann an, mein Angebot für das Projekt auszuarbeiten. Ich habe lediglich eine ungefähre Vorstellung davon, was sie wollen, aber das ist auch schon alles.“

„Gehst du heute dorthin?“

„Ja, solange ich an dem Projekt arbeite, bin ich Mitglied auf Zeit.“

„Und wo wohnst du?“

„Bei dir. Ich finde, du kannst ein wenig Hilfe gebrauchen, wenn du wieder aus dem Krankenhaus heraus bist.“

„Wie schön! Obwohl du hoffentlich weißt, dass ich das nicht erwarte. Aber ich freue mich über deine Gesellschaft. Du fehlst mir, Chris.“

Er stand auf und lächelte seine Mom an, bevor er ihr einen Kuss auf die Stirn hauchte und die Decke fester um ihre Schultern zog. „Du hast mir auch gefehlt, Mom.“

Nachdem er noch ein paar Minuten mit ihr geplaudert hatte, stand er auf, weil er mit Brad verabredet war. Brad war wie Abby Langley wild entschlossen, der nächste Präsident des Texas Cattleman’s Clubs zu werden. Aufgrund seines makellosen Stammbaumes – er war der Sohn einer der angesehensten Bankerfamilien in Royal – hielten ihn die meisten schon für den sicheren Gewinner. Chris wollte einen Blick auf die bereits existierenden Gebäude werfen, um sich einen ersten Eindruck für sein Bauprojekt zu verschaffen.

„Ich schaue heute Abend noch mal bei dir vorbei, bevor ich zu meiner Verabredung gehe“, versprach er seiner Mutter.

„Da freue ich mich. Und viel Glück bei deinem Vorhaben.“

Als Chris ging, beschlich ihn der Verdacht, dass seine Mutter keine Ahnung von dem Ausmaß seines geschäftlichen Erfolgs zu haben schien. Doch das war nicht weiter schlimm – ihm kam es nur darauf an, dass Macy und Harrison Wind davon bekamen. Dafür würde er noch vor seiner Rückkehr nach Dallas sorgen.

Sobald er aus dem Krankenhausgebäude getreten war, brachte ihm in die unbarmherzige Sonne in Erinnerung, dass der August in Westtexas so heiß wie die Hölle war. Nachdem er die Krawatte gelockert hatte, setzte er eine Sonnenbrille auf und startete den Motor seines Geländewagens. Den würde er allerdings nur so lange fahren, bis sein Porsche nach Royal überführt worden war.

Die Leute von Royal sollten wissen, dass Chris Richardson wieder zurück war – und mit ihm eine große Menge Geld. Zwar war er kein vollwertiges Mitglied des Texas Cattleman’s Clubs, aber es erfüllte ihn mit Stolz zu wissen, dass sich auf seinem Bankkonto genügend Geld befand, um eins zu werden, wenn er es darauf anlegte.

Er fragte sich, was für einen Wagen Macy wohl fuhr. Vielleicht hätte er ihr ein paar Fragen über den Unfall stellen sollen? Ihm fiel es immer noch schwer, sich vorzustellen, dass dieses behütete Mädchen so einen schmerzhaften Weg hatte gehen müssen, um wieder zu genesen. Aber im Leben kam es ja selten so, wie man es erwartete – das hatte Chris bewiesen, indem er im selben Geschäftsbereich wie Harrison Reynolds überaus erfolgreich geworden war. Und heute Abend würde er im Speisesaal des Texas Cattleman’s Club mit Macy zu Abend essen. Ach, wie kann das Leben schön sein, dachte er zufrieden.

Macy konnte nicht aufhören, sich im Spiegel zu betrachten. Nur mühsam wandte sie den Blick ab, um an den Computer zurückzukehren. Sie hatte noch eine Menge Arbeit zu erledigen, bevor sie sich mit Chris zum Dinner traf.

Chris Richardson. Verflixt, sie hätte nie erwartet, ihn jemals wiederzusehen. Sie wünschte, die Jahre wären nicht so freundlich zu ihm gewesen. Hätte er einen Bierbauch und eine Halbglatze, würde sie jetzt bestimmt nicht so sehnsüchtig darauf warten, dass es endlich halb sieben wurde.

Als es an der Haustür läutete, hörte Macy, wie die Haushälterin ihres Vaters mit jemandem sprach. Macy stand auf und ging in den Flur, um Abigail Langley mit einem freundlichen Lächeln zu begrüßen. Nach ihrem Unfall war Abby für Macy ein Fels in der Brandung gewesen. Ihre Freundschaft hatte sich noch vertieft, als im vergangenen Jahr Abbys Mann Richard völlig unerwartet an einem Aneurysma gestorben war und Macy nun ihrerseits Abby hatte zur Seite stehen können.

Abby hatte langes lockiges rotes Haar und hellblaue Augen. Sie war hübsch und schlank und bewegte sich mit einer natürlichen Eleganz. Macy beneidete sie um ihr Selbstvertrauen. „Hi, Abby“, begrüßte sie die Freundin.

„Hallo Süße! Du siehst umwerfend aus. Damit erübrigt sich gewiss die Frage, wie der Besuch beim Arzt verlaufen ist.“

„Ich bin aber nicht mehr so hübsch wie früher“, gab Macy verlegen zu.

Abby umarmte sie. „Doch, das bist du. Das hier ist dein neues Ich.“

„Wahrscheinlich hast du recht. Rate mal, wen ich im Krankenhaus getroffen habe?“, fragte Macy und führte Abby ins luxuriös eingerichtete Arbeitszimmer. An der Wand hing ein Porträt von ihr, das ihr Vater in Auftrag gegeben hatte, als sie achtzehn gewesen war. Macy achtete darauf, sich mit dem Rücken zu dem Bild zu setzen, denn sie mochte es nicht, an ihr altes Ich erinnert zu werden.

„Christopher Richardson“, erwiderte Abby augenzwinkernd.

„Woher weißt du das?“

„Ich habe so meine Quellen. Und was hat er gesagt?“

„Nicht viel. Wir essen heute gemeinsam zu Abend, damit ich ihn mit den Klatschgeschichten auf dem Laufenden halten kann, die im Club kursieren. Er ist in der Stadt wegen der Planung des neuen Clubhauses.“

„Also, das habe ich nicht gewusst. Ich werde wohl eine kleine Unterhaltung mit Mr Bradford Price führen.“

„Ich war nicht sicher, ob du es schon gewusst hast“, gestand Macy ihrer Freundin, die als erstes weibliches Mitglied im Cattleman’s Club für Aufsehen sorgte.

Als Abby nicht weiter darauf einging, beschlich Macy der Verdacht, dass die andere Frau die verbissene Kampagne für die Präsidentschaftswahl im Club als Ablenkung verwendete, um nicht daran denken zu müssen, dass sie ihren Mann Richard für immer verloren hatte.

„Wo sollen denn die Flamingos als Nächstes hin?“, unterbrach Macy das Schweigen.

„Eigentlich zu Ms Doubletree, aber vorher stellen wir sie noch auf den Rasen vorm Club.“

„Toll! Weißt du schon, wann?“

„Heute Abend, aber wenn dir deine Verabredung zum Dinner dazwischenkommt, kann ich das verstehen. Du kannst ja das nächste Mal wieder helfen.“

Macy hasste es, Abby nicht zur Hand gehen zu können, denn seit ihrem Unfall machte sie sich gern nützlich bei dieser gemeinnützigen Aktion. Dabei stellten sie heimlich Flamingofiguren in den Gärten wohlhabender Gemeindemitglieder auf. Diese mussten dann pro Vogel zehn Dollar zahlen, damit die Vögel auf ein anderes Grundstück befördert wurden. Das Geld kam dem Frauenzentrum Helping Hands zugute, das von Summer Franklin in der Nähe von Somerset geführt wurde.

Obwohl Macy sich seit ihrem einundzwanzigsten Lebensjahr für wohltätige Zwecke engagierte, hatte ihre Arbeit bisher lediglich darin bestanden, Schecks auszuschreiben und Galas zu organisieren. Es war eine völlig neue Erfahrung für sie, für eine gute Sache wirklich Hand anzulegen.

„Ich würde gerne mithelfen. Es ist schließlich die einzige Sache, bei der ich mich mal nützlich machen kann“, antwortete Macy.

„Du hast schon eine ganze Menge getan“, widersprach Abby. „Schließlich hilfst du mir ja bei meiner Kampagne für das Präsidentschaftsamt.“

„Ich finde, es ist an der Zeit, dass Frauen dem Texas Cattleman’s Club beitreten dürfen.“

„Ich bin ganz deiner Meinung. Und falls ich Präsidentin werde, verspreche ich, dass das nicht die einzige Veränderung sein wird. Der Club soll in Zukunft auch für die Jüngeren unter uns attraktiv sein.“

„Das freut mich“, erwiderte Macy und unterhielt sich noch eine Weile mit ihrer Freundin, bevor Abby wieder fortmusste.

Danach ging Macy nach oben und nahm ein ausgiebiges Bad. Eigentlich wollte sie sich wegen des heutigen Abends nicht verrückt machen, aber es handelte sich um ihre erste Verabredung, seitdem sie von ihrem Verlobten verlassen worden war. Das ließ dieses Treffen zu etwas Bedeutendem werden.

Sie dachte an ihren vernarbten Körper und daran, wie furchtbar sie sich nach der ersten Operation gefühlt hatte. Eigentlich wollte sie ihr Spiegelbild nicht betrachten, aber ihr Psychologe hatte betont, wie wichtig es war, dass sie ihr jetziges Aussehen zu akzeptieren lernte, wenn sie jemals mit ihrem Leben weitermachen wollte.

Also ließ sie das Handtuch sinken, als sie vor dem Spiegel stand, und betrachtete ihren Körper, die Narbe auf ihrer rechten Seite, den fehlenden Muskel an der Innenseite ihres Schenkels.

Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie biss sich auf die Lippe. Ihr Körper würde nie wieder so wie früher aussehen. Sie warf einen flüchtigen Blick auf ihr Gesicht und bedauerte beinahe, dass es wieder fast völlig normal aussah, während man das von ihrem restlichen Körper nicht behaupten konnte. Auch innerlich war sie nicht mehr die Frau, die sie einst gewesen war.

Sie dachte an Christopher Richardson. Er war ihre erste Liebe gewesen, und sie war nicht sicher, ob sie jemals über ihn hinweggekommen war. Jung und ungestüm war sie gewesen, als sie ihn getroffen hatte, und sie hatte von der verbotenen Frucht naschen wollen – sie hatte ihn begehrt, weil ihr Vater gegen diese Verbindung gewesen war. Daher war sie sich bewusst, dass sie Chris benutzt hatte und sich eigentlich bei ihm entschuldigen musste. Das Mädchen, das sie vor dem Unfall gewesen war, hätte das sofort getan, aber Macy war jetzt eine andere Frau – und plötzlich war ihr ein wenig mulmig zumute wegen des bevorstehenden Abends.

2. KAPITEL

Macy fuhr mit ihrem Wagen zum Cattleman’s Club. Sie wollte nicht darauf angewiesen sein, dass Chris sie wieder nach Hause brachte.

Möbel aus dunklem Holz bestimmten die Einrichtung des Speisesaals, und an den Wänden hingen Porträts der Gründungsmitglieder. Macy ging zum Barbereich und bestellte ein Glas Chardonnay, während sie auf Chris wartete. Sie hasste es, allein an einem öffentlichen Ort zu sein. Dabei spielte es keine Rolle, dass sie in diesem Club so gut wie aufgewachsen war. Aber seit ihrem Unfall kam sie sich hilflos ausgeliefert vor. Jeder schien sie zu beobachten und hinter ihrem Rücken über sie zu tuscheln. Natürlich wusste sie, dass sie sich das nur einbildete. Aber Royal war eine kleine Stadt, in der viel getratscht wurde, und sie hasste den Gedanken, dass man über sie redete. Als sie jünger gewesen war – vor ihrem Unfall –, hatte sie sogar häufig aufsehenerregende Dinge getan, damit man sie beachtete. Doch mittlerweile wünschte sie sich beinahe, unsichtbar zu sein.

„Macy?“

Als sie zum Ende der Bar schaute, entdeckte sie ihren Vater mit einem seiner Geschäftspartner. Ihr Dad gehörte zur alten Garde des Clubs und war darum bemüht, weiterhin loyal zu bleiben, nachdem der Skandal um Sebastian Hunter in die Schlagzeilen gekommen war. Die Unterschlagung seines Freundes hatte Harrison zutiefst erschüttert, weil Sebastian dadurch dem Ruf des Clubs Schaden zugefügt hatte.

„Hallo, Dad“, sagte sie und gab ihm einen Kuss, nachdem er zu ihr gekommen war.

Er betrachtete sie aufmerksam, und sie wusste, dass er nach der Narbe Ausschau hielt, die sich über ihre gesamte linke Gesichtshälfte erstreckt hatte. Nach ihrem Unfall war ihr Vater der Erste gewesen, der sie besucht hatte, denn Benjamin, ihr Verlobter, hatte behauptet, nicht damit klarzukommen, sie in diesem Zustand zu sehen. Daher hatte ihr Vater an ihrem Bett gesessen, ihre Hand gehalten und unermüdlich beteuert, dass sie nach wie vor seine Prinzessin sei.

„Wunderschön“, befand er schließlich und küsste sie auf die Stirn.

Blinzelnd schluckte sie die Tränen hinunter. „Danke, Dad.“

Er reichte ihr ein Taschentuch, bevor er sie in seine Arme zog, damit sie ihr Gesicht an seiner Schulter verbergen konnte – so, wie sie es als kleines Mädchen getan hatte, wenn sie sich vor etwas hatte verstecken wollen.

„Was machst du hier, Macy? Habe ich etwa eine Essensverabredung für heute Abend vergessen?“, erkundigte sich Harrison.

„Eigentlich nicht. Ich treffe hier jemanden“, erwiderte sie vorsichtig, denn sie hatte keine Ahnung, wie er auf die Nachricht reagieren würde, dass sie sich mit Chris verabredet hatte. Heute Abend wollte sie sich durch nichts die Stimmung verderben lassen und sich attraktiv und begehrenswert fühlen – wie eine Frau, die ein Date mit einem gut aussehenden Mann hatte.

„Das ist gut. Eigentlich hatte ich ja mit dir deine letzte OP feiern wollen, aber du weißt ja, wie das bei mir ist. Ich habe eben keine geregelten Arbeitszeiten.“ Sie und ihr Dad lebten allein, seitdem ihre Mutter gestorben war, als Macy noch ein Kleinkind gewesen war.

„Das kenne ich doch gar nicht anders von dir“, gab sie lächelnd zurück. Sie wusste sehr wohl, wie hart ihr Vater arbeitete. Ihm gehörte eine der größten Baufirmen in Texas.

Autor

Katherine Garbera
<p>USA-Today-Bestsellerautorin Katherine Garbera hat schon mehr als neunzig Romane geschrieben. Von Büchern bekommt sie einfach nicht genug: ihre zweitliebste Tätigkeit nach dem Schreiben ist das Lesen. Katherine lebt mit ihrem Mann, ihren Kindern und ihrem verwöhnten Dackel in England.</p>
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