Ein gar köstlicher Skandal

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Wie schade, dass sie keine reiche Witwe ist, die sich ihre Liebhaber aussuchen kann! Prudence ist es leid, sich übertrieben züchtig geben zu müssen, nur weil ihre Mutter ständig Skandale auslöst. Was Prudence‘ Chancen auf einen ehrbaren Ehemann eindeutig schmälert. Denn wie die Mutter, so die Tochter – das scheinen zumindest die Damen der feinen Gesellschaft zu denken. Dabei will Prudence eigentlich nur einen Mann, der sie liebt! Und der in ihr dieses heiße Kribbeln auslöst, das sie in Gegenwart des attraktiven Lieutenant Johnny Trethwell empfindet. Doch sich mit dem berüchtigten Abenteurer einzulassen, das wäre nun wirklich der größte Skandal, oder?


  • Erscheinungstag 22.06.2021
  • Bandnummer 613
  • ISBN / Artikelnummer 9783751502603
  • Seitenanzahl 256
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

PROLOG

London, Ende März 1833

Sie hat es schon wieder getan“, verkündete Gregory Lattimar, der älteste Sohn und Erbe des Lord Vraux im Stadtpalais der Familie in der Brook Street. Er schob seine Schwestern, die Zwillinge Temperance und Prudence, in den kleinen Salon, wo Lady Stoneway, ihre Tante, sie schon erwartete.

Die dunkle Vorahnung, die Pru überkam, als ihr Bruder sie aus der amüsanten Lektüre von Godfrey’s Lady’s Magazine geschreckt hatte, wuchs sich aus zu echter Beunruhigung. „Was ist passiert, Gregory? Was immer es sein mag, wir werden doch sicher unser Debüt nicht wieder verschieben müssen?“

Diese Frage ließ ihre Tante aufstöhnen, dann ging sie auf Prudence zu und umarmte sie. „Es tut mir so leid, mein Liebes! Ich war fest davon überzeugt, dass ihr Mädchen in diesem Frühjahr in die Gesellschaft eingeführt werden könnt!“

„Es gibt also keine Saison für uns, nicht wahr?“, fragte Temperance, verschränkte die Arme und sah ihren Bruder finster an. „Was ist jetzt wieder passiert, das unserem Ruf schaden könnte?“

„Euer Bruder hat beim Frühstück im Club davon gehört und mich sofort für ein Strategiegespräch einbestellt.“

„Ein Strategiegespräch über was?“, wollte Temperance wissen.

„Bleib ganz ruhig“, sagte Gregory und legte ihr seine Hand auf den Arm. „Ich werde es dir gleich sagen.“

Zwar unterdrückte sie wie immer ihre Gefühle, die aus ihrer lebhafteren Zwillingsschwester nur so heraussprudelten, aber auch Pru konnte es sich nicht verkneifen, noch einmal die Stimme zu erheben. „Was ist passiert, Gregory?“

„Farnham. Da ihr noch nicht offiziell in die Gesellschaft eingeführt wurdet, seid ihr ihm noch nicht begegnet, aber er ist kürzlich aus Oxford zurückgekehrt und hat sich – wie könnte es anders sein? – in unsere Mutter verliebt. Er und ein anderer junger Bewunderer, Lord Hallsworthy, sind um sie herumgeschlichen wie zwei Hunde um einen Knochen. Letzte Nacht, als beide ziemlich betrunken waren, hat Farnham offenbar behauptet, Hallsworthy hätte Mamas Tugend beleidigt, und er hat ihn zu einem Duell gefordert. Hallsworthy hat die Forderung angenommen, und beide haben das Protokoll missachtet und sich sofort nach Hounslow Heath aufgemacht.“

„Mitten in der Nacht?“, fragte Temperance ungläubig. „Außerdem dachte ich, Duelle wären illegal und völlig aus der Mode gekommen.“

„Es war Vollmond, und ja, das stimmt“, bestätigte Gregory. „Ich weiß nicht, was in die beiden gefahren ist. Ehe irgendjemand begriffen hatte, was da passierte, hatte Farnham jedenfalls auf Hallsworthy geschossen. Die Freunde, die den beiden gefolgt waren, haben Hallsworthy zu einem Arzt gebracht, aber es geht ihm nicht gut. Farnham ist auf den Kontinent geflüchtet, und inzwischen hat sich die Nachricht über das Duell – und um wen es dabei ging – in ganz London herumgesprochen.“

„Nun, dann sage ich: Bravo, Mama! Wenn es ihr in ihrem Alter noch immer gelingt, jungen Männern den Kopf zu verdrehen“, meinte Temperance herausfordernd.

„Wenn sie dabei nur bedenken würde, welchen Einfluss ihr Verhalten auf uns hat!“, rief Pru, die unter einer Mischung aus Bewunderung und Ablehnung gegenüber ihrer bezaubernden Mutter litt.

„Um fair zu bleiben – das ist nicht ihre Schuld, Pru“, sagte Tante Gussie. „Londons bisher am längsten regierender Schönheit den Hof zu machen, ist seit dem Debüt eurer Mutter ein Ritual, das alle jungen Männer durchmachen, die von der Universität kommen. Ihr wisst, dass sie nichts unternimmt, um diese Gentlemen zu ermutigen. Ganz im Gegenteil.“

„Was die Rivalitäten der Herren untereinander nur noch bestärkt“, seufzte Gregory.

„Mama hat versucht, uns zu beschützen, Pru“, fügte Temperance hinzu. „Obwohl sie zweifellos Angebote hatte, hat sie sich in den letzten fünf Jahren keinen Liebhaber mehr genommen.“ Als ihre Tante hörbar Luft holte, fuhr Temperance sie an: „Ach bitte, Tante Gussie, hier sind keine ahnungslosen kleinen Mädchen anwesend! Nicht nach allem, was wir in diesem Haus beobachtet haben.“

Temperance errötete nicht, aber Pru fühlte, wie ihr das Rot in die Wangen stieg bei der Erinnerung daran. Sie waren kaum dem Kleinkindalter entwachsen, da fiel ihnen sogar vom Kinderzimmer aus die Parade gut aussehender junger Männer auf, die ihre Mutter besuchten. Und sie waren gerade Teenager geworden, als sie aus dem Geflüster des Personals die richtigen Schlüsse ziehen konnten und begriffen, warum das so war.

In der Gesellschaft wurden die Kinder die „Vraux-Mischpoke“ genannt. Es war allgemein bekannt, dass nur Gregory tatsächlich der leibliche Sohn seines Vaters war, während Christopher sowie Temperance und Prudence allgemein als Nachkommen anderer Männer galten.

Sosehr sie der letzte Skandal auch schmerzte, der bedeutete, dass ihre Chancen, die Liebe zu finden, nach der sie sich so sehr sehnte, und eine eigene Familie zu gründen, einmal mehr aufgeschoben werden würden, so musste Pru doch um der Gerechtigkeit willen ihrer Schwester zustimmen. „Ich weiß, Mama hat versucht, einen weniger extravaganten Lebensstil zu pflegen, genau wie sie es uns versprochen hat. Auch wenn das nicht viel genützt hat.“

„Es ist nicht ihre Schuld, dass die Gesellschaft einem Mann die Fehler seiner Vergangenheit vergibt – aber niemals einer Frau“, gab Temperance zurück.

„Ich war mit ihren Neigungen zur Rastlosigkeit nicht immer einverstanden“, gab Tante Gussie zu. „Aber da sie mit meinem Bruder verheiratet war, konnte ich mit ihr fühlen. Noch vor meinem Debüt hat er begonnen, sich nur noch für schöne Dinge zu interessieren, die er dann ja auch sammelte. Ich weiß noch, wie ich eines morgens im Frühstückszimmer über eine seiner neuesten Anschaffungen gestolpert bin, irgendein Zeremonienschwert. Als ich weinte, kam er sofort angelaufen – ich hatte mich an dem Ding böse geschnitten. Doch mich hat er überhaupt nicht beachtet, seine Sorge galt nur dem Umstand, ob das Schwert irgendeinen Schaden genommen hat!“

„Hätte er nur nicht Mama ausgesucht, um sie seiner Sammlung hinzuzufügen“, murmelte Temperance.

„Nun, Jammern nützt nun nichts“, erklärte Gregory schroff. „Wir müssen entscheiden, was wir jetzt tun wollen, deshalb habe ich Tante Gussie zu uns gebeten. Glaubst du, der Aufruhr wird sich so rechtzeitig legen, dass die Mädchen in diesem Jahr ihr Debüt haben können?“

Tante Gussie schüttelte den Kopf. „Ich war heute Morgen noch nicht einmal aufgestanden, da waren bereits zwei Nachrichten von Bekannten eingetroffen, die wissen wollten, was stimmte und was nur ein Gerücht war. Die Saison beginnt schon in zwei Wochen, Hallsworthy ist so schwer verwundet, dass er noch eine Weile um sein Leben ringen wird, und Farnham hat England verlassen. Das wird vermutlich noch für Monate Gesprächsthema sein.“

„Wir könnten es einfach trotzdem tun“, schlug Temperance vor. „Wirklich, Tante Gussie, glaubst du, dass wir jemals die Chance haben werden, nicht unter Mamas Ruf zu leiden? Da wir genauso blond und blauäugig sind wie sie, glauben alle, dass wir natürlich auch dieselbe rücksichtslose und leidenschaftliche Natur haben müssen. Soweit es die Gesellschaft betrifft, sind wir die Skandal-Schwestern, und das werden wir auch immer bleiben.“

„Ich weiß, dass das nicht in Ordnung ist, Kind“, sagte Tante Augusta und tätschelte Temperances Arm. „Ich verstehe deine Verbitterung, aber noch wäre es verfrüht, die Hoffnung aufzugeben, euch beide gut versorgt zu sehen. Irgendwann wird es gelingen. Das wünscht sich eure Mama genauso sehr wie ich. Nur leider nicht in dieser Saison. Aber bald.“

„Das sagst du jetzt schon seit vier Jahren“, erwiderte Pru und versuchte, nicht zu zeigen, wie enttäuscht sie über diesen erneuten Aufschub war. „Zuerst musstest du deine Tochter während des Wochenbetts unterstützen, dann im nächsten Jahr wurdest du selbst krank, dann ist Tante Sophia gestorben, und im letzten Jahr hat Christopher Ellie geheiratet. Sie ist absolut reizend, und ich liebe sie von Herzen, aber den schlechten Ruf der Mutter wettzumachen, kurz nachdem der Bruder eine berüchtigte frühere Kurtisane geheiratet hat, ist offensichtlich unmöglich. Wenn wir noch lange warten, werden wir zu alt sein, als dass irgendein Mann uns heiraten würde.“

„Du solltest lieber die Mädchen bedauern, die debütieren und heiraten“, meinte Temperance. „Die zu Hause sitzen und alles tun, um einem Ehemann zu gefallen, und das mit einem Baby, das unterwegs ist.“

„Vielleicht würdest du das nicht tun“, gab Prudence zurück, die so enttäuscht war, dass sie ihre übliche Zurückhaltung verlor. „Aber alles, was ich mir jemals gewünscht habe, sind ein Ehemann, der für mich sorgt, und ein normaler Haushalt voller Kinder.“

Temperance wirkte zerknirscht, als sie die Schwester umarmte. „Keine Frau auf der Welt ist reizender, liebenswerter und verdient eine glückliche Familie mehr als du. Es tut mir leid, dass ich so respektlos von deinen Hoffnungen gesprochen habe. Verzeihst du mir?“

Prudence fühlte sich schuldig, denn sie wusste, wenn sie sich nicht so gut unter Kontrolle hätte, würde sie genauso heftig reagieren wie ihre Schwester, und sagte schroff: „Ich bin kein Engel. Ich weiß, dass du mich nur geneckt hast. Du musst mir verzeihen, weil ich so empfindlich bin.“

„Wenn es unmöglich ist, die Gerüchte zu ersticken, was sollen wir dann tun, Tante Gussie?“, fragte Gregory.

„Ich denke, es wäre das Beste, wenn ich die Mädchen für eine Weile aus London fortbringe.“

„Nicht nach Entremer!“, rief Temperance. „Dort gibt es meilenweit nichts als Moore und Kohleminen, ich würde innerhalb eines Monats an Langeweile sterben!“

„Ich weiß, ich bin schließlich dort aufgewachsen“, sagte Tante Gussie und erschauerte. „Nein, ich schlage vor, ich bringe euch an einen viel angenehmeren Ort. Natürlich wird es dort weniger Gesellschaft geben, als es mir lieb ist, wenn die Saison beginnt, aber meine liebe Freundin Helena lobt die Einkaufsmöglichkeiten und die Leihbüchereien dort. Es wird Tanz und Musik geben und auch Veranstaltungen um die Trinkhalle herum …“

„Du meinst Bath?“, wurde sie von Temperance unterbrochen, die entsetzt wirkte. „Aktivitäten, oh ja – zum Beispiel den Siebzigjährigen dabei zu helfen, das abscheuliche Wasser zu trinken. Das ist fast so schlimm wie Northumberland“

„Die Stadt mag nicht mehr so elegant sein, wie sie es einst war, aber alles ist besser, als aufs Land geschickt zu werden“, meinte Gregory.

„Bath bietet sicher keine so große Bühne wie London. Aber für eine junge Dame, die mehr an einem liebevollen Partner interessiert ist als daran, Reichtum und einen Titel zu angeln, wäre es ausreichend. Zumindest könntet ihr Mädchen euch in der Gesellschaft bewegen und vielleicht einen netten Gentleman kennenlernen, ohne dass das Gerede über diese Affäre euch überallhin verfolgt. Ihr werdet etwas Farbe bekommen, und wenn ihr niemanden kennenlernt, der euch gefällt, bleibt euch immer noch das nächste Jahr in London.“

„Das klingt nach einer ausgezeichneten Idee“, meinte Gregory. „Und nach einer, bei der ich vermutlich eher die Verantwortung für meine altjüngferlichen Schwestern abgeben kann, als wenn wir in dieser Saison die Verurteilungen des ton auf uns ziehen, wie unsere temperamentvolle Temperance es vorschlägt.“

„Aber die meisten Gastgeberinnen des ton wissen, dass wir in diesem Jahr unser Debüt haben sollen“, widersprach Temperance. „Ich will nicht, dass sie mich für einen Feigling halten – oder glauben, ich würde mich für Mama schämen! Es ist nicht ihr schlechtes Benehmen, das diese Situation verursacht hat.“

„Willst du es für deine Mutter noch schlimmer machen?“, fragte Tante Gussie in scharfem Ton. „Dann stell dich meinetwegen gegen die Gesellschaft und sorge dafür, dass ein Skandal, an dem sie keine Schuld trägt, noch schlimmer wird, sodass du nie eine respektable Ehe eingehen kannst!“

Als Temperance sich abwandte und errötete, statt eine trotzige Antwort zu geben, fuhr die Tante in sanfterem Ton fort: „Deine Mama wäre die Erste, die dich zur Zurückhaltung ermahnen würde.“

„Liebe Tante Gussie, immer hast du einen guten Rat für mich, der mich davon abhält, irgendetwas Unüberlegtes zu tun“, sagte Temperance und lachte. Ihr Zorn verschwand so schnell, wie er gekommen war. „Also gut, in dieser Saison werde ich nicht versuchen, die feindlichen Mauern des ton zu durchbrechen. Aber ich habe auch nicht vor, mich in Bath zu langweilen. Ich werde in London bleiben und Mama diskret unterstützen. Da ich nicht die Absicht habe, jemals zu heiraten, macht das für mich keinen Unterschied. Wenn ich verspreche, ihm alle Schätze zu schicken, die ich so finde, könnte ich vielleicht in der Zwischenzeit Papa überreden, etwas von dem Geld freizugeben, das er für die Mitgift, die ich nicht brauchen werde, zurückgelegt hat. Dann kann ich in Europa nach Abenteuern suchen. Aber du, meine liebe Schwester“, fügte sie hinzu und wandte sich wieder an Prudence, „solltest nach Bath gehen. Und ich hoffe von ganzem Herzen, dass du dort das findest, wonach du suchst.“

„Du bist entschlossen, in London zu bleiben?“, fragte Tante Gussie ihre Nichte.

„Sosehr ich Pru vermissen werde, ja, das bin ich.“

„Mir wäre es lieber, du könntest mir auch Temperance vom Hals schaffen, bis sich dieser ganze Sturm gelegt hat“, sagte Gregory zu Tante Gussie und ignorierte die Grimasse, die Temperance ihm schnitt. „Aber ich weiß es schon zu schätzen, wenn du wenigstens Prudence aus der Gefahrenzone bringst. Ihr beide werdet also so schnell wie möglich packen und nach Bath aufbrechen?“

„Das werden wir. Und ich hoffe, einen passenden Gentleman für sie zu finden“, kündigte Lady Stoneway an und warf Pru einen liebevollen Blick zu.

Diese Aussicht allein half ihr, wieder Hoffnung zu schöpfen, und Prudence sagte: „Das wäre wundervoll!“

„Sei vorsichtig mit dem, was du dir wünschst, liebe Schwester“, meinte Temperance warnend.

Als die Familienkonferenz beendet war und ihre Tante in ihr eigenes Haus zurückkehrte, gingen Prudence und Temperance Arm in Arm wieder hinauf in ihr Zimmer. „Bist du sicher, dass ich dich nicht zum Mitkommen überreden kann? Wir waren noch nie getrennt! Ohne dich werde ich mir so verloren vorkommen“, überlegte Pru laut, als ihr deutlich bewusst wurde, dass sie bald ohne ihre Zwillingsschwester sein würde.

Sie tröstete sich mit dem Gedanken, dass – so schmerzlich diese Trennung auch sein mochte – am Ende ihres Aufenthalts in Bath vielleicht eine neue Liebe und neue Gesellschaft stehen würden: die eines Ehemanns. Und anders als ihre Zwillingsschwester, die trotz ihres Protests eines Tages heiraten und sie verlassen würde, würde er sie für immer lieben und unterstützen.

„Ich werde deine mahnende Stimme vermissen, die mich daran hindert, etwas Impulsives und meist Unüberlegtes zu tun“, sagte Temperance lächelnd. „Aber ich halte es trotzdem für eine gute Idee von Tante Gussie, dich von hier fortzubringen. Es ist besser, London zu verlassen, wo man im Moment nach dem letzten Skandal überall mit dem Finger auf uns zeigen und uns anstarren würde.“

Prudence stöhnte, diese Bemerkung erinnerte sie an das unbehagliche Gefühl, das sie immer überkam, wenn sie sich in die Öffentlichkeit begab. „Danke für den Hinweis. Ich werde der Modistin aus dem Weg gehen und alle notwendigen Kleider in Bath kaufen. Letzte Woche war alles schon schlimm genug.“

Temperance lachte spöttisch. „Oh ja, letzte Woche bei Madame Emilie. Als diese blasse kleine Erbin uns die ganze Zeit über anstarrte.“

„Sehr unauffällig hat sie das getan, nicht wahr?“, sagte Pru sarkastisch. „Sie konnte es kaum erwarten, dass wir hinter den Vorhängen zur Anprobe verschwanden, damit sie in einem Flüsterton, den jeder in dem Laden hören konnte, sagen konnte: ‚Das also sind die Skandal-Schwestern!‘“

„Hätte ich da nicht nur mein Chemisier getragen, dann wäre ich herausgekommen, hätte mich verneigt wie eine Tänzerin der Oper bei der Zugabe und gerufen: Voilà, c’est nous!

„Während ich lieber zur Hintertür hinausgeschlichen wäre.“

„Um das Mädchen später nachts in seinem Schlafzimmer zu erwürgen?“, schlug Temper grinsend vor.

Pru lachte. „Der Gedanke ist durchaus reizvoll. Oh, Temper, ich wünschte, ich könnte das Ganze mit Humor betrachten, so wie du. Aber mich quält das so, und ich will alles nur hinter mir lassen. Den Skandal, den schlechten Ruf, das Geflüster hinter vorgehaltener Hand, wann immer wir einen Raum betreten. Ach, einfach Mrs. Irgendwer sein, die Frau eines angesehenen Mannes, und auf einem kleinen Anwesen leben, weit weg von London! Wo ich durch das Dorf schlendern kann, dessen Bewohner noch nie etwas gehört haben von den Skandal-Schwestern, wo ich mich hoch erhobenen Hauptes bewegen kann und man nur über – über meine reizenden Kinder und meinen Garten spricht!“

„Mit einem Ehemann, der dich anbetet, der nie aufhört, dich zu küssen und in den Arm zu nehmen und auf den Schoß zu ziehen, anstelle eines Vaters, der kaum einen Handschlag erträgt.“

Beide Mädchen seufzten und erinnerten sich schweigend der Jahre, in denen sie vergeblich versucht hatten, die Zuneigung eines Mannes zu gewinnen, der es vorzog, sie – und, wie man ihm fairerweise zugestehen musste, auch jeden anderen Menschen, seine Ehefrau eingeschlossen – auf Distanz zu halten. Temperance versuchte es weiterhin, Pru dagegen hatte aufgegeben.

„Ich erwarte nicht, die große Liebe zu finden, die Christopher mit seiner Ellie hat“, sagte Pru leise. „Alles, was ich mir wünsche, ist ein ruhiger Gentleman, der Zuneigung für mich empfindet, als Frau und als seine Ehefrau, nicht als – als Objekt von Schande und Skandal. Einen Mann, der sich eine Familie wünscht und jedes Mitglied dieser Familie liebevoll behandelt.“

„Eine Familie, wie wir sie nie hatten“, merkte Temper bissig an.

Da sie keine Antwort erwartete, fuhr Pru fort: „Einem solchen Mann könnte ich all meine Liebe und Zuneigung schenken.“

„Dann wäre er der glücklichste Mann in ganz England.“ Temper öffnete die Zimmertür und winkte Pru herein. „Ich werde dafür beten, dass du in Bath den ehrenwerten Landedelmann triffst, nach dem du dich sehnst. Dass er dich bitten wird, ihn zu heiraten, mit dir auf einem abgelegenen Landsitz lebt und dir eine Schar schöner Kinder schenkt, die ich verwöhnen kann. Und jetzt sehen wir besser deine Garderobe durch, damit wir wissen, wie viele Kleider du in Bath anfertigen lassen musst, um diesem Ausbund an Tugend den Kopf zu verdrehen.“

1. KAPITEL

Drei Wochen danach hinkte Lieutenant Lord John Trethwell, der jüngste Sohn des verstorbenen Marquess of Barkley und erst kürzlich vom Zweiten Infanterieregiment „Queen’s Royal“ aus Indien zurückgekehrt, neben seiner Großtante Lady Woodlings einen Pfad in Baths Sidney Gardens entlang. „Ah“, sagte er, nachdem er tief Luft geholt hatte. „Bath im Frühling!“

„Es ist reizend“, erwiderte seine Tante, nachdem er ihr geholfen hatte, auf einer bequemen Bank Platz zu nehmen. „Auch wenn es vielleicht nicht die leiblichen Genüsse bietet, die ein Abenteurer wie du vermutlich bevorzugen würde“, fügte sie hinzu und unterstrich ihre Worte mit einem Schlag ihres Stocks gegen sein Knie.

Der Schlag traf ihn unerwartet, und er rieb sich die Stelle. „Wie unfair, einen verwundeten Mann zu schlagen!“

Einen Moment lang wirkte Lady Woodlings besorgt. „Ich wollte nicht …“

„Das war nur ein Scherz, Tante Pen“, beruhigte er sie. „Es ist nichts passiert. Aber du tust mir unrecht, wenn du annimmst, ich würde mich über die Schönheit von Bath im April lustig machen. Nach glühender Tropenhitze, Dschungelfieber und feindlichen Eingeborenen, die uns verfolgt haben, ist es überaus angenehm, nach England mit seiner kühlen und stillen Schönheit zurückzukehren.“

Seine Tante betrachtete sein Gesicht und suchte nach den Zeichen des Schmerzes, den er zu verbergen suchte. „Erholst du dich wirklich, Johnnie? Du hinkst noch immer.“

„Mit der Zeit wird das verschwinden“, verkündete er und hoffte, dass das wirklich der Fall sein würde.

„So wie die Armee aus deinem Leben verschwinden wird? Du weißt, ich hoffe, dich dazu überreden zu können, in England zu bleiben.“

Johnnie zuckte die Achseln und antwortete nicht auf ihre letzte Bemerkung. „Mit der Armee bin ich definitiv fertig. Nach sieben Jahren habe ich genug von strengen Regeln, die mir nicht gefallen, und davon, vor irgendeinem Aufsteiger den Kotau zu machen, dessen Vater genug dafür bezahlt hat, um ihn zum Anführer der Kompanie zu erheben.“

„Aufsteiger, ja?“ Seine Tante kicherte. „Das Blut allein zählt, und deines ist so blau wie es nur geht. Sosehr du auch versucht hast, dich von deiner Familie zu distanzieren. Nicht, dass ich dir deswegen einen Vorwurf machen würde. Es sind Dummköpfe, jedenfalls die meisten von ihnen.“

„Ich hatte nie vor, mich von ihnen zu distanzieren“, korrigierte er sie grinsend. „Aber mit all seinen Bauprojekten, mit denen er aus Barkley’s Hundred ein Abbild Blenheims machen wollte, hat Papa das Anwesen schon ruiniert, ehe Robert es geerbt hatte. Mit der Mitgift für die Mädchen …“

„… und den liederlichen Gewohnheiten deiner anderen drei Brüder …“

„Da blieb nicht viel übrig für den jüngsten Sohn. Ich wollte nicht noch eine weitere Last für Roberts begrenzte Möglichkeiten sein – weder damals noch heute. Nachdem ich die Armee verlassen habe, muss ich einen anderen Weg finden, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen.“

„Die beste Möglichkeit dafür kennst du.“

„Du müsstest mir eine reiche Frau zum Heiraten suchen.“

„Seit Jahrhunderten ist es für jüngere Söhne aus guter Familie, aber mit wenig finanziellen Mitteln eine Alternative, eine reiche Frau zu heiraten – und ein weitaus sicherer Weg, als in fremden Ländern nach Schätzen zu suchen, wie du es vorgeschlagen hast! Du besitzt vielleicht keinen Titel, aber deine Herkunft ist über jeden Zweifel erhaben.“

„Die Herkunft, die du gerade eben schlechtgemacht hast?“, erkundigte er sich.

„Mit dem Blut ist alles in Ordnung“, gab sie zurück. „Nur mit einigen derjenigen nicht, in deren Adern es fließt.“

Er verzichtete auf einen Kommentar und sagte stattdessen: „Ich glaube eher, dass eine Handelsfirma aufzubauen der bessere Weg zu Reichtum ist, statt mich auf dem Altar irgendeines indischen Nabobs zu opfern, der hofft, seine Tochter könnte in die Aristokratie einheiraten. Oder die durch Bath wabernden Gerüchte zu bestätigen, ich wäre ein Mitgiftjäger und würde eine geeignete reiche Dame verführen wollen. Eine Heirat wird auch als Tanz auf dem Vulkan bezeichnet. Wohingegen ich den Umstand, an nur eine Frau gebunden zu sein, eher als Bemühen, mich für die Garotte bereit zu machen, beschreiben würde“, scherzte er.

„Eine Garotte, also wirklich!“, schalt sie und gab ihm einen Klaps auf den Arm. „Diejenigen, die etwas dagegen haben, Geld zu heiraten, scheinen andererseits keine Bedenken zu haben, es von jemandem aus ihrer Familie anzunehmen. Da du behauptest, auf keinen Fall eine Erbin heiraten zu wollen, nehme ich an, du gehst davon aus, ich würde dir mein Vermögen hinterlassen, damit du es in dein Handelsimperium investierst, wenn du nur lange genug nach meiner Pfeife tanzt?“

Johnnie lachte nur. „Wenn ich dumm genug wäre, mich dieser Hoffnung hinzugeben, dann werde ich wohl eine Ewigkeit warten müssen. Ich gehe davon aus, dass du uns alle überlebst. Außerdem glaube ich, dass deine Söhne noch vor mir an die Reihe kämen.“

„Sie haben genügend Reichtümer von Woodlings geerbt und brauchen mein Geld nicht.“

„Dann deine Enkel.“

„Meine beiden Söhne waren klug genug, Mädchen mit großer Mitgift zu heiraten. Ihre Kinder werden mein Geld auch nicht brauchen.“

„Auf jeden Fall besuche ich dich – wie du sehr genau weißt –, weil du die interessanteste Verwandte bist, die ich habe. Von mir aus kannst du dein Geld deinem Hund hinterlassen.“

„Hm“, machte die Tante und schien erfreut über seine Antwort. „Es würde dir recht geschehen, wenn ich es einer Schule hinterlasse für die Ausbildung notleidender Mädchen.“

Während sie sprach, bemerkte er aus dem Augenwinkel eine Bewegung. Als er in die Richtung blickte, erkannte er, dass es sich um etwas Helles handelte, das er vor dem Grün am Wegesrand gesehen hatte.

Zwei Frauen schlenderten über den Hauptweg auf sie zu. Gerade wollte er sich wieder seiner Tante zuwenden, als er den Blick etwas höher wandern ließ und den Damen ins Gesicht sah. Er erstarrte.

Die reine körperliche Anziehung traf ihn wie ein Blitz, beschleunigte seinen Herzschlag, ließ seinen Atem stocken. Er hatte schwarzäugige maharanis betört, Frauen bezaubert, die als funkelnde Edelsteine ihrer Gegend galten, aber er konnte sich nicht erinnern, je eine Frau gesehen zu haben, die schöner gewesen war als jene, die jetzt auf sie zukam.

Ihm wurde klar, dass die Spaziergängerinnen, wenn sie sich weiterhin geradeaus bewegten und nicht ihren Weg kreuzten, bald zu nahe sein würden, als dass er diskrete Informationen einholen könnte, also neigte er den Kopf und flüsterte seiner Tante ins Ohr: „Gütiger Himmel! Wer ist dieses göttliche Geschöpf?“

Lady Woodlings sah den Pfad hinunter und richtete sich dann mit einem schnaubenden Laut auf. „Genau die Sorte Frau, die du meiden solltest.“

Überrascht von ihrem entschiedenen Tonfall, sah er noch einmal zu der jungen Frau hin. „Meiden – warum? Ich weiß, die Mode hat sich verändert, während ich fort war, aber sie sieht für mich nicht wie eine Aufsteigerin aus.“

„Sie ist so etwas Ähnliches“, gab Lady Woodlings verächtlich zurück.

„Tante Pen, ich bin nur ein einfacher Mann“, sagte Johnnie in leicht übertriebenem Tonfall. „Eine etwas unmissverständlichere Erklärung, bitte.“

Bedauerlicherweise für jemanden, der sich danach sehnte, diese verführerische Schönheit etwas näher zu betrachten, aber von Vorteil für seinen Wunsch, mehr über sie herauszufinden, wandten sich die junge Frau und ihre ältere Begleiterin tatsächlich dem anderen Weg zu und entfernten sich. Immerhin aber konnte er ihrer verführerisch gerundeten Gestalt nachsehen, während sie von dannen schritt. Ihre goldenen Locken unter der kunstvoll gearbeiteten Haube leuchteten in der Nachmittagssonne.

„Also gut, Tante Pen“, sagte er, als die beiden außer Hörweite waren. „Wer ist sie, und warum muss ich ihr aus dem Weg gehen?“

„Sie ist eine der Skandal-Schwestern. Die Zwillingstöchter der berüchtigten Lady Vraux.“

Da diese Information ihm auch nicht weiterhalf, erkundigte er sich genauer: „Das heißt, sie war in London in irgendeinen Skandal verwickelt? Vergiss nicht, Tante, ich bin von der Universität direkt zur Armee gegangen und habe mich seit Jahren nicht einmal in der Nähe der Stadt befunden.“

Mit Genuss stürzte sich seine Tante in die Geschichte von der schönen, aber unmoralischen Lady Vraux aus bester Familie, die, nachdem sie ihrem geplagten Ehemann einen Sohn und Erben geboren hatte, dem ton einen Skandal nach dem anderen präsentierte, indem sie ganz offen ihre vielen Liebhaber zur Schau stellte, von denen einer ihren zweiten Sohn gezeugt hatte und ein anderer ihre Zwillingstöchter. „Warum zum Teufel Lord Vraux ihr erlaubt hat, die Mädchen ausgerechnet Prudence und Temperance zu nennen – Besonnenheit und Mäßigung –, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Als wäre es nicht schlimm genug, moralische Grenzen zu überschreiten, muss sie sich auch noch darüber lustig machen.“

„Und die Tochter hat sich als ebenso lasterhaft erwiesen wie die Mutter?“, forschte Johnnie weiter.

„Noch nicht. Sie hatte noch nicht einmal ihr offizielles Debüt, obwohl sie allmählich in ein Alter kommen müsste, in dem andere Mädchen die Hoffnung schon aufgegeben haben. Einem Gerücht zufolge sollten die Mädchen in dieser Saison in London ihr Debüt haben, aber dann haben zwei Dummköpfe, die gerade aus Oxford gekommen waren, ein Duell um ihre Mutter ausgefochten. Natürlich war angesichts dessen ein Debüt ausgeschlossen. Es überrascht mich, dass ihre Tante – die Frau, die dort bei ihr war, war Lady Stoneway, die Schwester ihres Vaters – es wagt, dieses Geschöpf in der Öffentlichkeit zu zeigen, selbst wenn das in Bath geschieht. Aber die arme Frau kann einem leidtun, für die Zwillinge Ehemänner finden zu müssen. Das wird nicht einfach sein, nicht einmal in Anbetracht ihrer reichlichen Mitgift.“

„Aber du weißt nichts über die charakterlichen Schwächen der Tochter zu sagen?“

„Wie könnte ich, wenn sie doch noch gar nicht debütierte?“

„Das ist genau das, was ich meine, Tante“, bemerkte Johnnie nüchtern.

„Du kannst davon ausgehen, dass sie schon bald in irgendeinen Skandal verwickelt sein wird. Wie ich schon sagte, das Blut verrät sich immer. Und du könntest diesen Blick ablegen, Johnnie Trethwell!“

„Welchen Blick, Tante?“

„Den Blick eines Jagdhundes, der gerade einen Fuchs gewittert hat! Woran liegt es, dass man einen jungen Taugenichts nur entschieden davor warnen muss, sich in Gefahr zu begeben, um sicherstellen zu können, dass er anfängt, genau das Gegenteil zu tun?“

„Vermutlich, weil er ein junger Taugenichts ist“, erwiderte Johnnie grinsend. „Komm schon, Tante Pen. Stell mich vor.“

Seine Tante wich vor ihm zurück. Ihre Miene drückte reines Entsetzen aus. „Das werde ich auf keinen Fall tun! Ich weiß, ich habe dich bedrängt, eine Erbin zu heiraten, aber der arme Kerl, der dieses Mädchen zur Frau nimmt? Er mag vielleicht ihr Geld ausgeben können, aber er wird nie aufhören, sich Sorgen zu machen, wen er vielleicht in ihrem Bett findet.“

„Wie schade. Dann werde ich mir einen anderen Weg überlegen müssen, ihre Bekanntschaft zu machen.“

„Denk an meine Worte, John Stewart William Trethwell“, sagte seine Tante empört. „Lass dich mit diesem Geschöpf ein, und du wirst nie auch nur einen Penny von meinem Geld sehen!“

Johnnie beugte sich vor und gab seiner Tante einen Handkuss. „Dann gibt es keinen anderen Ausweg“, sagte er, als er sich aufrichtete. „Du wirst dein Geld dem Hund hinterlassen müssen.“

Mit der Andeutung eines Hinkens ging er den Weg hinunter, entschlossen, es irgendwie zu erreichen, der göttlichen Miss Lattimar vorgestellt zu werden.

In diskretem Abstand folgte er der jungen Dame und ihrer Tante, als sie die Gärten verließen und auf die Trinkhalle zusteuerten. Dort nahm er Platz am anderen Ende des Raumes, von dem aus er sie im Blick hatte, ohne dass dies zu offensichtlich wurde.

Auch aus der Nähe betrachtet verblasste ihre Schönheit keineswegs. In einem ovalen Gesicht strahlten himmelblaue Augen, ihre Haut war ebenmäßig wie Porzellan, die vollen Lippen von der Farbe reifer Aprikosen, dazu die herrlichen goldenen Locken und eine Figur, so üppig … Noch nie hatte er eine so atemberaubende Frau gesehen. Und da er eine ganze Reihe von Damen gesehen – und näher gekannt – hatte und beobachtete, wie diese Miss Lattimar sich verhielt, wuchs seine Skepsis gegenüber dem, was seine Tante über ihren Charakter gesagt hatte.

Es lag nicht nur an der ätherischen Schönheit ihres Gesichts, das ihn an Engel aus himmlischen Chören erinnerte. In ihrem Verhalten gegenüber ihrer Tante lag eine sanfte Süße, es war so rücksichtsvoll, und wann immer sich jemand näherte, verhielt sie sich aufmerksam und zurückhaltend. Die Art, wie sie errötete und ein wenig erstarrte, sobald ein Gentleman stehen blieb, um sie zu begrüßen – selbst bei den alten Soldaten im Ruhestand, die dort wegen des gesunden Wassers waren –, stand völlig im Gegensatz zu dem verführerischen Benehmen, das ihrer Mutter vorgeworfen wurde. Er konnte nicht glauben, dass sie aus demselben Stoff gemacht sein sollte.

Falls sie nicht die beste Schauspielerin war, die man je auf einer englischen Bühne gesehen hatte, war sie seiner Meinung nach genau das, was sie zu sein schien: eine schöne, wohlerzogene, brave Jungfrau.

Um ehrlich zu sein, war sie ganz und gar nicht der Typ Frau, mit der er bis dahin nähere Bekanntschaft zu schließen wünschte. Aber es war nicht gerecht, dass diese Frau, die seiner Meinung nach genau die Dame war, die sie zu sein vorgab, als liederlich bezeichnet wurde, ohne etwas getan zu haben. Dass selbst jemand, der so frei von Vorurteilen war wie seine Großtante, sie verurteilte, weckte seinen Kampfgeist. Und als eine Freundin seiner Tante, eine der alten Damen, die in Bath über die Gesellschaft herrschten, sie einfach übersah, als ihre Anstandsdame versuchte, sie zu sich zu winken, war er aufgesprungen, ohne darüber nachzudenken.

Er hinkte heran und ergriff die Hand der Dame, ehe sie fortgehen konnte. „Lady Arbuthnot, welch ein Vergnügen, Sie zu treffen. Wie gut Sie aussehen!“, schmeichelte er und verneigte sich. „Das ist eine reizende Haube.“

Lady Arbuthnot errötete vor Freude und erwiderte: „Ich hörte, dass Sie bei Lady Woodlings zu Besuch sind, Lieutenant Trethwell! Willkommen zurück in England. Welche Erleichterung muss es für Sie sein, wieder zu Hause zu sein. Ich hoffe, Sie erholen sich gut von Ihrer Verwundung.“

„Wie könnte ich nicht, nun, da ich wieder zurück bin in dem gesunden Klima und der freundlichen Gesellschaft meiner Heimat? Da wir gerade darüber sprechen …“ Er legte eine Hand auf ihren Arm und drehte sie ganz leicht herum. „Würden Sie mir die Ehre erweisen und mich diesen reizenden Damen vorstellen?“

Zu spät begriff die Angesprochene, dass Johnnie sie dazu gebracht hatte, die Frauen anzusehen, die sie eigentlich ignorieren wollte. Das charmante Lächeln, mit dem er sie bedachte, stand im Widerspruch zu der Anspannung, die er empfand, während er abwartete, ob es ihr zu peinlich wäre, eine Szene zu machen, indem sie seine Bitte ignorierte, oder ob es sie zu sehr empörte, ein Mädchen anzuerkennen, das sie missbilligte.

Dann entschied er, seine letzte Waffe in den Ring zu werfen, und sagte leise: „Wenn Sie das bitte schnell tun könnten, Madam? Dieses Stehen ist nicht gut für mein verletztes Bein.“

Offenbar genügte das, um sie zu einer Entscheidung zu bringen. „Vermutlich kann ich die Bitte eines der tapfersten Soldaten seiner Majestät nicht abschlagen“, meinte sie in leicht gequältem Tonfall. „Lady Stoneway, es ist mir eine Freude, Sie in Bath zu treffen. Darf ich Ihnen Lieutenant Lord John Trethwell vorstellen, den Großneffen meiner guten Freundin Lady Woodlings und Bruder des frischgebackenen Marquess of Barkley.“

Die Schönheit ist aus der Nähe noch schöner, dachte Johnnie, und alles, was Mann war in ihm, wurde hellwach. Obwohl sie still und gefasst dastand, während die Vorstellung erfolgte, zeigten die geröteten Wangen Lady Stoneways und ihr zitterndes Lächeln zumindest, dass ihrer Tante bewusst war, wie bedeutsam seine Einmischung war. „Ich bin entzückt, die Bekanntschaft eines unserer tapferen Soldaten zu machen, Lady Arbuthnot“, erwiderte Lady Stoneway. „Genau wie meine Nichte, Miss Lattimar. Nicht wahr, meine Liebe?“

Er hatte sie für schüchtern gehalten, aber die Schönheit, die jetzt anmutig vor ihm knickste, schien eher in sich selbst zu ruhen, als dass sie nervös oder unsicher wirkte. „Fast hoffnungslos“, hatte seine Tante sie beschrieben. Auch wenn eine Frau, die über solch jugendliche Schönheit verfügte, niemals als alte Jungfer angesehen werden konnte, so war sie doch auch keine errötende Debütantin, obwohl sie nicht förmlich bei Hof präsentiert worden war. Und genau genommen war es kein Wunder, dass sie so selbstsicher wirkte, schließlich hatte sie, seit sie erwachsen war, ständig mit dem Aufruhr gekämpft, den ihre berüchtigte Mutter verursachte.

„Es ist mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, Lieutenant.“

Ihre Stimme war genauso wunderbar wie ihr Gesicht. Er hatte nur vorgehabt, Lady Arbuthnot zu nötigen, sie zu begrüßen, und hatte sich danach entfernen wollen, denn trotz des Drängens seiner Tante fühlte er sich keineswegs genötigt, eine reiche junge Frau dazu zu überreden, ihn zu heiraten. Aber er stellte fest, dass er einfach nicht weggehen konnte.

Stattdessen streckte er die Hand aus. „Wenn Sie erlauben, Lady Stoneway, darf ich Ihre Nichte ein wenig in der Halle umherführen?“ Und ehe die Anstandsdame eine Chance hatte, darauf zu antworten, legte er eine Hand auf Miss Lattimars Arm und schritt mit ihr davon.

2. KAPITEL

Prudence war nicht sicher, ob sie belustigt oder empört sein sollte, und musterte ihren Begleiter aus dem Augenwinkel, während sie neben ihm herging. „War das eine Vorstellung oder eine Entführung?“

„Sie konnten es unmöglich ablehnen, mit mir spazieren zu gehen. Nicht nach dem … Gefallen, den ich Ihnen soeben erwiesen habe.“

Da hatte er recht. Aber sie war sich nicht sicher, was sie von ihm halten sollte.

Als sie ihn zum ersten Mal in Sidney Gardens gesehen hatte, hatte sie sich an einen Piraten erinnert gefühlt. Wie er seine große, knochige Gestalt gebeugt hatte, um seiner Tante etwas ins Ohr zu flüstern, während das dunkelblonde Haar sich um seinen Uniformkragen kringelte. Und der Blick, mit dem er sie angesehen hatte! Der Blick aus seinen graugrünen Augen sprach von Bewunderung und Interesse und war so durchdringend, als wollte er geradewegs in ihre Seele blicken.

Bei der Erinnerung daran fühlte sie etwas – etwas Ungewöhnliches, ganz tief in ihrem Innern.

Aus der Nähe gesehen wirkte sein schmales, sonnengebräuntes Gesicht noch ansprechender, mit den hohen Wangenknochen, den schmalen Lippen, dem energischen Kinn und den faszinierenden Augen. Die Uniform saß eher locker, er war so schmal, als wäre er krank gewesen. Ein Umstand, den sowohl sein leichtes Hinken als auch Tante Gussie bestätigt hatten, als sie Pru zu deren Bedauern auf einen Seitenweg in Sidney Gardens gedrängt und sie ermahnt hatte, diesen jüngsten Sohn einer liederlichen Familie zu meiden.

Liederlich oder nicht, er hatte diese missbilligende Matrone, Lady Arbuthnot, überredet, sie zu begrüßen. Ein Schachzug, der, wäre er gescheitert, für ihn ebenso peinlich gewesen wäre wie für sie. War er mitfühlend, klug oder nur tollkühn? War es ihm egal, ob das Spiel gelingen würde oder nicht? Spielte es keine Rolle für ihn, dass er sie in Verlegenheit gebracht und unerwünschte Aufmerksamkeit auf sie gelenkt hätte, wäre er gescheitert?

Aber es war gelungen, und es würde ihre Chancen vergrößern, akzeptiert zu werden.

„Um ehrlich zu sein, ich schulde Ihnen Dankbarkeit“, räumte sie schließlich ein. „Lady Stoneways Anerkennung und die ihrer Freundin, Mrs. Marsden, dürften dem größten Teil von Baths guter Gesellschaft genügen, um mich zu empfangen, aber es hat einige Widersacher darunter gegeben, unter der Führung von Lady Arbuthnot.“ Sie lachte. „Jetzt, da Sie so gerissen waren, sie dazu zu bringen, mich zu begrüßen, kann ich erleichtert aufatmen. Aber auch wenn das sehr undankbar erscheinen mag, so fürchte ich, es mir nicht leisten zu können, mit Ihnen in Verbindung gebracht zu werden, sobald dieser Spaziergang vorbei ist.“

„Was, hat man Sie etwa vor mir gewarnt?“, fragte er lächelnd. „Ich glaube, dafür halte ich mich noch nicht lange genug in Bath auf.“

„Ich habe Sie früher am Tag in Sidney Gardens gesehen, zusammen mit Ihrer Tante. Ich möchte nicht unhöflich sein, aber Tante Gussie sagte, Sie hätten den Ruf, ein – nun ja, ein leichtsinniger Abenteurer zu sein. Und unter der Voraussetzung, dass Sie beabsichtigen, die Armee zu verlassen, erzählt man sich auch …“ Sie zögerte. Durch ihre eigenen Erfahrungen mit Gerüchten und übler Nachrede fiel es ihr schwer, zu wiederholen, was man ihm Schlechtes nachsagte, ohne die Wahrheit zu kennen.

„Ein Mitgiftjäger?“, schlug er vor und schien ganz und gar nicht beleidigt zu sein. „Oder haben Sie vielleicht auch die andere Version gehört, nach der ich in Bath bin, um meine Tante zu umgarnen, damit sie mir Geld überschreibt? Sie müssen sich deswegen nicht genieren, wenn Sie diese Gerüchte wiederholen, Miss Lattimar. Schließlich bin auch ich vor Ihnen gewarnt worden.“

Sie erstarrte und fühlte sich beinahe verraten. Sie war also nicht umsonst misstrauisch gewesen. Er hatte ihr nicht aus Freundlichkeit geholfen, es war nur eine Laune gewesen, und er war zu leichtsinnig, um sich über die möglichen Konsequenzen Gedanken zu machen. „Dann wundert es mich, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, mich zu retten“, entgegnete sie und konnte ihre Verärgerung nicht verbergen.

Er blieb stehen und zwang sie somit, ihn anzusehen. „Ich dachte, gerade Sie müssten das verstehen. Ich mag es nicht, wenn jemand gebrandmarkt wird nur aufgrund von Gerüchten – egal, ob es um mich geht oder um jemand anderen. Ein Gefühl, von dem ich annehme, dass Sie es kennen. Ich werde Sie für das beurteilen, was Sie sind, nicht für Ihre Mutter. Jeder in Bath sollte es so handhaben.“

Also hatte er doch aus Mitgefühl gehandelt. Ihr Zorn verflog, und stattdessen bekümmerte es sie, dass so etwas überhaupt notwendig war. Und dass sie ihn anfangs strenger beurteilt hatte als er sie. Und dann empfand sie noch etwas, das sie noch unerwarteter traf – ein tiefes Gefühl von Nähe aufgrund seiner Empathie. Als würden sie einander verstehen.

Es gab für sie keine Veranlassung, Nähe zu einem mittellosen Soldaten von zweifelhaftem Ruf zu empfinden. Jahrelange Übung ermöglichte es ihr, die Emotionen zu unterdrücken, ehe sie sich auf ihrem Gesicht zeigen konnten.

Sie würde gut daran tun, sich der Gesellschaft eines Mannes zu entziehen, der innerhalb weniger Augenblicke so heftige Gefühle in ihr geweckt hatte, dass sie die Fassade zu zerstören drohten, die sie der Welt präsentieren musste. Und dessen Begleitung sie nicht ihrem Ziel näherbringen würde, einen respektablen Mann zum Heiraten zu finden.

Als sie sicher sein konnte, dass ihre Stimme nicht zittern würde, sagte sie: „Sosehr ich Sie für diese Gefühle schätze, so müssen Sie doch verstehen, dass ich es mir bei meinem Ruf nicht leisten kann, mit einem Mann gesehen zu werden, der als leichtsinniger Abenteurer gilt.“ Sie sah ihn missbilligend an, lächelte aber dabei. „Das mit dem Mitgiftjäger ist weniger ein Problem, denn es herrscht der verbreitete Glaube, dass nur meine großzügige Mitgift einen Mann dazu bringen könnte, mich zu heiraten.“

„Ein solcher Mann wäre ein sehr großer Dummkopf.“

Überrascht sah sie auf – und begegnete dem Blick aus diesen betörenden Augen. Etwas verband sie beide, eine wortlose Übereinstimmung, begleitet von einer ebenso unerwarteten wie heftigen Anziehung. Es kitzelte in ihrem Bauch, sie atmete schneller, und beinahe hatte sie das Gefühl, ihre Finger an seinem Arm zu verbrennen, durch ihre Handschuhe und seinen Ärmel hindurch. Ein plötzliches Verlangen drängte sie dazu, näher zu treten, seine Arme an ihrem Körper zu fühlen, seine Lippen …

Erschrocken wandte sie sich ab. Gütiger Himmel, was war nur über sie gekommen? Dieser Mann ist noch viel gefährlicher, als ich geglaubt habe.

Ruckartig entzog sie ihm ihre Hand und sagte: „Ich kehre wohl besser zu meiner Tante zurück.“

Mit einem Schritt hatte er sie eingeholt. „Lassen Sie mich wenigstens mitkommen. Andernfalls wird es heißen, sie hätten meine Konversation so unpassend gefunden, dass Sie mich mitten in der Trinkhalle stehen gelassen haben. Was meinem Ruf nicht guttun wird.“

„Also schön“, sagte sie, ohne ihn anzusehen – und sorgfältig darauf achtend, nicht seinen Arm zu nehmen. „Aber wie ich Ihnen schon sagte, ich werde nicht mehr mit Ihnen spazieren gehen können.“

„Machen Sie immer das, was der Anstand gebietet?“, fragte er.

Da sah sie ihn an. „Mir bleibt keine andere Wahl“, erklärte sie tonlos.

„Wir haben immer eine Wahl, Miss Lattimar. Ich sage ‚Auf Wiedersehen‘, nicht ‚Leben Sie wohl‘“, murmelte er, als sie wieder bei ihrer Tante waren. „Lady Stoneway, Miss Lattimar, es war mir ein Vergnügen“, sagte er dann etwas lauter und verneigte sich vor der älteren der beiden Damen.

Und dann ging er davon. Sie konnte nicht anders, sie musste ihm nachsehen, wie er trotz seiner Verwundung in der Haltung eines Soldaten durch den Raum humpelte.

Ihre Tante schlug ihr leicht mit dem Fächer gegen den Arm und forderte ihre Aufmerksamkeit ein. „Das war gut gemacht“, sagte sie und deutete mit einer Kopfbewegung auf den Soldaten, der sich entfernte. „Ich hoffe, du hast dich bei ihm bedankt, als ihr gemeinsam gegangen seid, denn das darfst du nicht wieder tun. Es würde deine Chancen nicht verbessern, wenn ihr nähere Bekanntschaft schließt.“ Tante Gussie seufzte. „Eine Schande, denn er ist ein sehr gut aussehender Bursche, findest du nicht?“

„Ist er ein Frauenheld? Oder ist sein Ruf nur ein Gerücht?“ So wie meiner.

„Er steht eher in dem Ruf, ein Abenteurer zu sein. Gleich nach der Universität ist er nach Indien zur Armee gegangen. Nicht, dass er eine andere Wahl gehabt hätte, seine Familie war bereits bankrott, und hier in England gab es für ihn keine Möglichkeit, ein Einkommen zu erzielen. Bei einem Zusammenstoß mit den Eingeborenen wurde er verwundet. Während seiner Abwesenheit hat sein Bruder geerbt, und zwar einen Schuldenberg. Mit drei weiteren Brüdern, die an keiner Frau vorbeikommen, ohne zu versuchen, sie zu verführen, die auf jedes Pferd wetten müssen und gegen jeden professionellen Spieler antreten – und verlieren –, ist es kein Wunder, dass er wegblieb. Oder überlegt, ein Vermögen zu heiraten, wenn er beschlossen hat, dass seine Vagabundenzeit beendet ist. Sein Stammbaum ist edel genug, dass ihm das auch ohne finanzielle Mittel gelingen könnte, auch wenn er bisher keine Anzeichen dafür gezeigt hat, dass er das vorhat.“

„Hat er bisher versucht, jede Frau zu verführen, der er begegnet ist, auf jedes Pferd zu wetten und jeden Spieler zu besiegen?“

„Ob er so verschwenderisch ist wie seine Brüder, das weiß niemand. Wie ich schon sagte, er hat praktisch seit er ein junger Mann war nicht mehr in England gelebt. Ein anderes Gerücht besagt, dass er überhaupt nicht heiraten will, sondern sich stattdessen an Lady Woodlings hängt in der Hoffnung, sie einmal zu beerben. Das klingt wahrscheinlicher in Anbetracht der Tatsache, dass man über ihn sagt, er hätte eine Schwäche für die Damen in Indien gehabt. Man erzählt sich auch, er hätte eine eurasische Geliebte – eine maharani, wenn ich mich recht erinnere.“

In Anbetracht ihrer Herkunft war Pru darüber nicht schockiert. Stattdessen stellte sie fest, dass sie ein wenig neidisch war, weil ein Mann überall auf der Welt hingehen und tun und lassen konnte, was er wollte. Während sie auf jedes Wort, das sie sagte, und alles, was sie tat, genau achten musste.

Sein Ruf als Abenteurer machte ihn in ihren Augen zu einem ungeeigneten Ehemann. Aber ganz gewiss steigerte das seine Faszination.

„Menschen reden gern über das Andersartige und Fremde.“

Tante Gussie lachte leise. „Wenn sie nicht gerade über das Vertraute und Naheliegende reden. Erst recht nicht nicht ein Mann – und ich glaube nicht, dass er wie ein Heiliger gelebt hat –, der abenteuerlustig genug ist, um so jung das Elternhaus zu verlassen, mit kaum einem Penny in der Tasche, um auf einen Kontinent auf der anderen Seite der Welt zu reisen.“

Wie mag es wohl sein, solche Abenteuer zu erleben? fragte sich Pru. Einfach dorthin zu gehen, wohin der Wind dich weht und sich allen Hindernissen entgegenzustellen, die einem begegnen?

Etwas, das ich nie herausfinden werde, dachte sie sehnsüchtig. Sie konnte sich glücklich schätzen, wenn sie einen respektablen Ehemann fände und sich in einem stillen, ruhigen Dorf niederließe.

Sie unterdrückte den Neid genau so wie jedes andere beunruhigende Gefühl und sagte: „Bei seiner Herkunft und diesem Aussehen wird es ihm meiner Meinung nach nicht schwerfallen, eine Dame mit Vermögen dazu zu bringen, ihn zu heiraten. Ob es ihm gelingt, seine Tante um den Finger zu wickeln – da bin ich nicht so sicher.“

„Ich bin mir bei beidem nicht sicher, trotz seines schönen Gesichts. Er täte besser daran, sich eine reiche Witwe zu suchen. Auch wenn er bei seiner Herkunft für die meisten Familien der feinen Gesellschaft als guter Fang gelten könnte, werden die besonders Empfindlichen es nicht schätzen, wenn ein Mann mit dem Ruf eines Abenteurers ihre Tochter heiratet.“ Die Tante sah sie an. „Eine junge Dame mit einem … fragilen Ruf sollte einen Abenteurer niemals auch nur in ihre Nähe lassen.“

„Du musst mir keine Predigt halten, Tante Gussie. Ich kenne meine Grenzen sehr gut.“ Auch wenn sie das Gefühl von Enttäuschung unterdrücken musste bei dem Gedanken, den interessanten Lieutenant Trethwell nie wieder sprechen zu dürfen. Ihn nie dazu überreden zu können, ihr von seinen Abenteuern in Ländern zu erzählen, von denen sie und Temper nur in Reisebüchern und Memoiren gelesen hatten – wie ein hinduistisches Dorf tatsächlich aussah, wie es war, einen Tiger zu jagen, welche Art von Schmuck eine maharani trug.

Selbst wenn ihr Vermögen ihn interessierte, sie durfte ihrem Ruf nicht schaden, indem sie einen Mann heiratete, der beinahe so berüchtigt war wie sie. Mehr als diese heißen Blicke, die unerwartete Anziehung, würde sie nie von ihm bekommen.

Was sie beide sich für die Zukunft wünschten, war vollkommen unterschiedlich.

Autor

Julia Justiss
Julia Justiss wuchs in der Nähe der in der Kolonialzeit gegründeten Stadt Annapolis im US-Bundesstaat Maryland auf. Das geschichtliche Flair und die Nähe des Meeres waren verantwortlich für zwei ihrer lebenslangen Leidenschaften: Seeleute und Geschichte! Bereits im Alter von zwölf Jahren zeigte sie interessierten Touristen das historische Annapolis, das für...
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