Ein unmöglicher Liebesdeal

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Single, umwerfend, erfolgreich! Einem Mann wie Ingenieur Alex McKnight die kalte Schulter zeigen? Schafft Ellie trotzdem leicht. Denn Job und Liebe werden strikt von ihr getrennt! Erst als ein Unglück sie zwingt, mit Alex unter einem Dach zu leben, gerät ihr Vorsatz ins Schleudern …


  • Erscheinungstag 26.10.2020
  • Bandnummer 1
  • ISBN / Artikelnummer 9783733719531
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Alex McKnight brauchte eine Frau.

Eigentlich brauchte er seinen Architekten, aber dabei handelte es sich zufälligerweise um eine sehr attraktive Frau. Allein die Tatsache, dass ihm das aufgefallen war, stellte jedoch schon ein Problem dar, denn mit Kolleginnen ging er grundsätzlich nicht aus. Auch nicht mit anderen Frauen aus Blackwater Lake, Montana. Schließlich musste er in dieser Stadt eine Firma führen. Er konnte es sich einfach nicht leisten, die Gerüchteküche zu schüren und potenzielle Kunden vielleicht mit seinem Privatleben vor den Kopf zu stoßen.

Ein noch größeres Problem war es jedoch, dass diese sehr attraktive Architektin sich bereits ganze zwei Stunden verspätet hatte, und das verhieß nichts Gutes, was den Erweiterungsbau für das Ärztezentrum „Mercy Medical Clinic“ und seine pünktliche Fertigstellung anging.

Alex schaute noch einmal auf seine Uhr und fluchte dann leise. Es war schon fast zwölf Uhr und er hatte immer noch nichts von Miss Suellen Hart gehört. Morgen wurde bereits das Fundament gegossen, und bei ihrem Telefonat am Freitag hatte sie versprochen, so früh von Dallas loszufliegen, dass sie am Montag mehr als rechtzeitig hier sein würde.

„So viel zum Thema Versprechungen“, murmelte er missmutig.

Vielleicht war er aber auch ein bisschen streng. Aber andererseits hatte er dafür seiner Meinung nach ja auch einen ausgezeichneten Grund. Seine Exfrau hatte ihm auch immer Versprechungen gemacht … ihn zu lieben und zu ehren und den ganzen anderen Blödsinn. Aber das hatte sie auch nicht daran gehindert, sich dem Vater ihres Babys erneut an den Hals zu werfen – und Alex bis dahin glauben zu lassen, dass es sein eigenes Kind wäre. Wenn das mal kein Grund war, verbittert zu sein, dann wusste er auch nicht.

Alex ging um die Holz-Form für das Fundament herum. Er inspizierte noch einmal alle Stützen für die tragenden Wände. Es wäre schön, wenn die Architektin ebenfalls hier wäre, um seine Beurteilung zu bestätigen, aber letzten Endes war das auch nur eine Formsache.

Genau in diesem Augenblick hörte er, wie ein Auto mit quietschenden Reifen auf den Parkplatz bog. Er drehte sich um und sah, wie ein Mietauto vom Flughafen vor dem Bauwagen anhielt. Die Fahrertür ging auf und als Nächstes bekam er die schönsten Beine zu sehen, die er jemals im Leben zu Gesicht bekommen hatte. Die Frau war einfach umwerfend, und zwar von Kopf bis Fuß. Heute trug sie einen roten Rock und eine dazu passende, enge Jacke. Die farblich darauf abgestimmten Stöckelschuhe wirkten beinahe wie eine Aufforderung zum Flirten.

Langsam schlenderte er zu ihr hinüber.

Miss Suellen Hart lächelte. „Wie schön, Sie wiederzusehen, Mr. McKnight.“

Er hatte sie bereits kennengelernt, als sie für ein paar Meetings in der Stadt gewesen war.

„Ich dachte, wir hätten vereinbart, dass du Alex zu mir sagst.“

„Das habe ich ganz vergessen.“ Ihre Augen waren so blau wie Wiesenlupinen. Entschuldigend sah sie ihn an. „Keine Überraschung, nach der Verspätung. Das tut mir so leid, Alex. Normalerweise bin ich immer überpünktlich. Eigentlich wollte ich schon gestern herfliegen, aber Mutter Natur hatte offensichtlich andere Pläne. Mein Flug wurde wegen eines Gewitters abgesagt, und dann saß ich am Flughafen fest. Dort hatte ich kein Netz, also konnte ich dich nicht mal anrufen. Ich bin dann aber so schnell es ging, von diesem süßen kleinen Flughafen hergerast. Ist ja praktisch fast um die Ecke.“

Der „süße kleine Flughafen“ war fast hundert Meilen von Blackwater Lake entfernt, und die Berge sorgten dafür, dass Handyverbindungen ständig abbrachen. „So was kommt vor.“

„Du musst jetzt ja denken, dass ich total unzuverlässig bin.“

Das war eigentlich nicht sein erster Gedanke gewesen. Vor allem, wenn sie in diesem Tonfall mit ihm sprach; atemlos, mit Südstaateneinschlag und ein bisschen rau … ein bisschen süß und überaus feminin. „Das wäre doch nicht fair.“

„Ich verspreche dir auch, dass keiner so hart arbeitet wie ich. Ich werde bestimmt niemanden enttäuschen.“ Sie holte tief Luft. „Ich muss mich entschuldigen. Rede ich zu viel?“

„Nein.“ Verdammt, ihre Stimme war so berauschend wie Whiskey. Er könnte ihr den ganzen Tag lang zuhören.

„Ich habe bestimmt einen ganzen Eimer Kaffee getrunken. Keine Sorge, das legt sich bald wieder.“

Als er sie jetzt richtig musterte, konnte er sehen, dass ihr Rock so zerknittert war, als ob sie tatsächlich darin geschlafen hatte, und vor Erschöpfung hatte sie sogar dunkle Ringen unter den großen, wunderschönen Augen. Der Anblick weckte sofort Fürsorglichkeit in ihm. Dabei hatte er gedacht, dass er sich diesen Instinkt endlich abgewöhnt hatte.

„Jetzt bist du ja da.“ Beinahe hätte er „besser spät als nie“ hinzugefügt. Doch das tat er nicht, denn sie war schön genug, um ihn in Versuchung zu führen. Daher wäre „nie“ tatsächlich momentan die bessere Alternative. „Dann zeig ich dir mal das Büro.“

„Okay. Ich bin schon ganz wild darauf, endlich loszulegen.“ Sie strahlte ihn an. „Ich schwöre, Bürgermeister Goodson und der Stadtrat werden es nicht bereuen, mich für dieses Projekt ausgewählt zu haben.“

„Dein Angebot war bei Weitem das billigste“, sagte er. „Ohne dir zu nahtreten zu wollen.“

„Kein Problem. Ich habe eben Arbeit gebraucht. Aber ich muss schon sagen, ich bin überrascht, dass du keiner der Bauunternehmer bist, die glauben, dass die Arbeit eines Architekten mit der Fertigstellung der Blaupausen getan ist.“

„Womit du natürlich eigentlich sagen willst, wie sehr du dich freust, dass ich deine Anwesenheit nicht nervig oder überflüssig finde.“

„So was würde mir doch niemals über die Lippen kommen.“

Das sind wirklich wunderschöne Lippen, dachte er. Aber dann ermahnte er sich zur Konzentration auf die Arbeit. „Ich glaube, Architekten spielen beim Bau eine sehr wichtige Rolle. Außerdem ist die Erweiterung der Mercy Medical Clinic nicht nur irgendein Haus.“

Sie nickte. „Wenn es nur um einfache Untersuchungsräume ginge, dann wäre das ja auch keine Herausforderung. Aber für eine ambulante Klinik ist da natürlich wesentlich mehr gefragt im Hinblick auf Strom- und Wasserleitungen.“

„Du musst den Auftrag ja wirklich gewollt haben.“ Er bemerkte, wie ihr Lächeln kurz verblasste.

„Das ist schließlich eine Investition in die Zukunft, und jeder muss mal irgendwo anfangen.“

„Ja.“

Nur war sich Alex ziemlich sicher, dass dieses Projekt nicht der Anfang ihrer Karriere war. Er hatte nämlich ihren Lebenslauf gelesen. Zwischen ihrem Studium und ihrem Job bei Hart Industries, der Firma ihrer Familie in Dallas, klaffte eine einjährige Lücke. Er fragte sich, was wohl in diesem Jahr passiert war. Bestimmt nichts Gutes. Aber sie hätte die Daten auch manipulieren können und das hatte sie nicht getan.

Außerdem war das momentan gar nicht sein Problem. Schließlich hatte er die Entscheidung, sie zu beauftragen, gar nicht getroffen. Er musste aus dieser Entscheidung einfach nur das Beste machen. „Komm doch rein.“

„Ich muss nur schnell noch ein paar Sachen aus dem Auto holen …“

„Kann ich dir vielleicht etwas abnehmen?“

„Nein, daran bin ich schon gewöhnt.“ Sie machte den Kofferraum auf, und schnappte sich eine Aktentasche und ein paar Röhren, die wahrscheinlich Pläne enthielten.

„Ist das alles?“ Als sie nickte, machte er den Kofferraumdeckel wieder zu. „Na, dann komm.“

Normalerweise war Alex ein „Ladys first“-Typ. Aber wenn er jetzt vorging, musste er wenigstens nicht sehen, wie der enge Minirock ihren erstklassigen Po umspielte. Urplötzlich hatte er ein Bild vor seinem geistigen Auge, das aus ausgestreckten Beinen und zerwühlten Bettlaken und ihrem langen braunen Haar auf einem weißen Kopfkissen bestand.

Himmel. Alex konnte nicht glauben, dass er gerade daran gedacht hatte, mit dieser Frau Sex zu haben. Andererseits, rechtfertigte er sich, war es schon lange her für ihn. Die Reaktion hatte nichts mit ihr persönlich zu tun. Es war einfach nur die normale Reaktion eines Mannes auf eine schöne Frau.

Er öffnete die Tür des Bauwagens und ließ sie jetzt doch vorgehen. „Nach dir.“

„Wenn es dir nichts ausmacht, dann stürze ich mich sofort in die Arbeit.“ Sie sah sich um. „Ist es okay, wenn ich diesen Schreibtisch dort benutze?“

„Nur zu“, antwortete er.

Sie durchquerte den Raum und stellte ihre teure Aktentasche und ihre überdimensionale Handtasche darauf ab. Die Röhren ließ sie einfach auf den Tisch fallen. Sie nahm ihren Laptop aus der Tasche und klappte ihn auf. Nach ihrer texanischen Gesprächigkeit kam ihm die Stille nun seltsam falsch vor.

„Bist du in der Blackwater Lake Lodge untergebracht?“

„Ehrlich gesagt, nein. Für so lange Zeit hatten sie dort nichts.“

Er lehnte sich mit der Hüfte gegen den Schreibtisch, dann schenkte er ihr ein freundliches Lächeln. „Hast du denn überhaupt schon eine Unterkunft?“

„Oh, da hat mir Dr. Stone aus der Patsche geholfen.“

Anscheinend war Adam jetzt ein Verfechter von Nachbarschaftshilfe und Nächstenliebe geworden. Der Allgemeinarzt war letzten Sommer hergezogen und hatte die Wohnung über der von Jill Beck gemietet. „Wie hat Adam das denn angestellt?“

„Er hat vorgeschlagen, dass ich einfach seine alte Wohnung miete. Er und Jill sind doch jetzt verlobt und wohnen gemeinsam unten bei ihr.“

„Und?“

„Jill hat daraufhin einem befristeten Mietverhältnis zugestimmt. Normalerweise tut sie das nicht, aber ich schätze mal, für mich hat sie eine Ausnahme gemacht.“

„Dann müsst ihr zwei euch ja wirklich gut verstehen.“

„Das tun wir. Sie hat mich sogar zur Hochzeit eingeladen.“ Ein strahlendes Lächeln erhellte daraufhin Ellies Gesicht. „Jedenfalls“, fuhr sie fort, „war ich erleichtert, dass ich jetzt ein Dach über dem Kopf habe.“

„Außerdem hast du sogar eine großartige Aussicht auf den See und die Berge.“ Im Augenblick konnte Alex sich über seine Aussicht allerdings auch nicht beschweren. Der Anblick von Ellie Hart wertete den schäbigen Baucontainer unheimlich auf.

„Aber jetzt …“ Bedauern lag in ihrer Stimme. „… muss ich wirklich wiedergutmachen, dass ich an meinem ersten Tag direkt zu spät gekommen bin. So etwas macht einfach keinen guten Eindruck.“

Eindruck gemacht hatte sie auf ihn auf jeden Fall. Ob gut oder schlecht, würde die Zeit zeigen, und so sauer, wie er wegen ihrer Verspätung gewesen war, konnte er kaum glauben, dass er als Nächstes sagte: „Also, wenn du Zeit brauchst, um auszupacken, dann nimm sie dir ruhig.“

„Das ist echt süß von dir, aber …“ Sie schüttelte den Kopf. „Es gibt viel zu tun und morgen wird bereits das Fundament gegossen. Deshalb muss ich jetzt erst einmal die Stützen für die tragenden Wände überprüfen und die nächste Projektphase noch einmal genau unter die Lupe nehmen.“

„Das habe ich schon gemacht. Also, wenn du keine Änderungen mehr vornehmen willst, dann sind die Pläne gut so“, sagte er. „Sehr gut sogar.“

„Danke.“ Sie gestattete sich ein leichtes Lächeln. „Aber ich will trotzdem nichts dem Zufall überlassen.“

„Dafür hast du meinen Respekt.“ Er wartete auf eine Antwort von ihr, aber sie konzentrierte sich bereits auf ihren Computer.

Schließlich schaute sie auf. „War noch etwas?“

„Nur eins noch.“ Er verschränkte die Arme vor dem Oberkörper. Jetzt ließ er sich auch noch von ihrem Charme einwickeln. „Wie wäre es, wenn wir heute Abend nach der Arbeit …“

Sie hob die Hand. „Da muss ich sofort Stopp sagen.“

„Das ist aber so Brauch bei McKnight Construction. Am ersten Tag wird der Architekt immer auf einen Drink eingeladen. Das bringt Glück. Du kannst von mir aus ruhig sagen, dass ich abergläubisch bin.“

Sie verzog die Mundwinkel zu einem Lächeln. Aber dieses Mal ließ das Lächeln ihre Augen nicht aufleuchten. „Ich wage es jetzt mal, mich meilenweit aus dem Fenster zu lehnen, und behaupte, dass du noch nicht oft mit Architektinnen zu tun hattest.“

„Das stimmt. Wie kommst du nur darauf?“

„Noch eine wagemutige Behauptung … aber ich wette, dass du normalerweise auch nicht mit dem Architekten flirtest.“

„Was das Flirten angeht, da irrst du dich. Ich will einfach nur nett sein.“ Hörte sich das tatsächlich so schmalzig an, wie es ihm vorkam? So hatte er das doch gar nicht gemeint. „So stellt man eben ein gutes Arbeitsklima her.“

„Ja, solange, bis es das nicht mehr ist. Ich will nicht unhöflich sein, nur ehrlich.“ Sie holte tief Luft. „Mach dir bitte nichts vor, nur weil ich einen kurzen Rock anhabe. Ich bin kein zartes Gewächs. Ich kann diese Arbeit genauso gut oder sogar noch besser als jeder Mann machen, und genau das habe ich auch vor. Eine schlechte Erfahrung kann einen Karriererückschlag bedeuten, und das wird mir bestimmt nicht passieren.“

Wieder. Wieder passieren. Sie sagte es zwar nicht, aber dieses Wort stand mitten im Raum. Wenn er raten müsste, würde er vermuten, dass ihr jemand am Arbeitsplatz mal Avancen gemacht hatte. Das war nicht gut angekommen und ihr guter Ruf hatte darunter gelitten. Danach von der Firma eine Empfehlung zu bekommen, war bestimmt unmöglich gewesen. Das würde auch die zwölfmonatige Lücke in ihrem Lebenslauf erklären.

„Alles klar.“

„Okay. Gut.“ Sie wandte ihre Aufmerksamkeit nun wieder dem Computer zu und ignorierte ihn danach einfach.

Es gab viele gutaussehende Junggesellen in Blackwater Lake und Alex McKnight führte diese Liste bei Weitem an. Das war jedenfalls Ellies Meinung. In den letzten zwei Wochen war ihre freundliche, aber professionelle Fassade wirklich hart auf die Probe gestellt worden. Jetzt freute sie sich darauf, zur Abwechslung mal Spaß zu haben. Die Hochzeit von ihrer Vermieterin Jill Beck und Adam Stone schien dafür wie geschaffen zu sein.

Gleich würde die Zeremonie beginnen. Die Feier fand auf dem Rasen vor dem Haus statt, gleich unterhalb von Ellies Fenstern. Sie saß neben Liz Carpenter, der Rezeptionistin der Mercy Medical Clinic. Abgesehen von Braut und Bräutigam war diese praktisch die Einzige, die Ellie hier kannte.

„Ist hier noch frei?“

Ellie musste gar nicht erst hinsehen, um zu wissen, dass die Stimme hinter ihr Alex McKnight gehörte. In den letzten zwei Wochen hatte seine Stimme sie täglich auf dumme Gedanken gebracht. Sie schaute zu ihm auf und ihr stockte der Atem.

In dem dunklen Anzug mit dem grauen Hemd und der silbern und schwarz gestreiften Krawatte konnte sein Anblick praktisch die Erde daran hindern, sich weiterzudrehen.

Sein kurzes dunkles Haar war ordentlich gekämmt, und durchdringende braune Augen mit dunklen Wimpern brachten sie dazu, an leidenschaftliche Küsse unter einem Sternenhimmel zu denken. Sie wusste auch, wie er nach einem langen Arbeitstag aussah, wenn sich sein Bartschatten längst gezeigt hatte. Doch jetzt waren seine schmalen Wangen und der kräftige Kiefer frisch rasiert. Sie verspürte das absurde Verlangen, sein Gesicht zu berühren, nur, um zu sehen, ob seine Haut wirklich so glatt war, wie sie aussah.

„Ellie?“

„Hi, Alex.“ Sie zwang sich, ihn anzulächeln. „Klar, ist der Platz noch frei.“

„Jetzt nicht mehr.“ Er setzte sich und sie rechnete jeden Augenblick damit, dass zwischen ihnen die Funken sprühen würden. Er beugte sich vor und sagte: „Weit hast du es für diese Feier ja nicht.“

„Ja, nur die Treppe hinunter.“ Sein Atem kitzelte Ellies Ohr und der würzige Duft seines Eau de Toilette ließ ihre Willenskraft rasch schwinden. Seit dem ersten Tag hatte er sie nie anders behandelt als den Rest der Crew. Außerdem gehörte zu den Tischlern auch noch eine Frau. Inzwischen kam ihr ihre anfängliche Predigt, die sie ihm gehalten hatte, mehr als albern vor. „Ich schätze mal, die haben mich nur eingeladen, damit ich mich nicht bei der Polizei beschwere, wenn die Party zu laut wird.“

Er lachte und ließ den Blick von ihrem Kopf bis zu ihren rosa lackierten Zehennägeln gleiten, die aus ihren silbernen hochhackigen Sandalen hervorlugten. „Du bist wunderschön heute Abend.“

„Danke. Du siehst auch nicht übel aus.“ Das war eine reine Untertreibung. Einerseits wollte sie ihn für sein Kompliment am liebsten kritisieren aber andererseits waren sie ja nicht auf der Arbeit. „Bist du mit der Braut oder dem Bräutigam befreundet?“

„Mit beiden. Adam und ich haben uns angefreundet, als wir beide dem Komitee für die Erweiterung des Ärztezentrums angehört haben, und Jill kenne ich, weil ich mein Boot in ihrem Hafen liegen habe.“

„Ich vermute mal, dass es kein Ruderboot ist.“

„Da hast du recht. Auf ein Autodach passt es bestimmt nicht.“ Er lächelte. „Wenn ich mal so richtig Abstand und Ruhe brauche, fahre ich am Wochenende damit ans andere Ufer des Sees.“

„Zeltest du dann dort?“, fragte sie.

„Nein. Das Boot hat eine Kabine.“

Mit einem Bett? wollte sie schon fragen. Zum Glück behielt sie diese Frage aber für sich und er konnte auch ihr heftiges Herzklopfen nach diesen anzüglichen Gedanken nicht hören.

In diesem Augenblick fingen die Musiker an, den Hochzeitsmarsch zu spielen. Alle drehten sich daraufhin zum Mittelgang um. Einen Augenblick später kamen das blonde Blumenmädchen und der dunkelhaarige Ringträger den Gang entlang, gefolgt von der Brautjungfer. Zuletzt kam Jill, in einem schulterfreien cremefarbenen Kleid aus Satin und Spitze an ihnen vorbei. Sie hielt die Hand ihres siebenjährigen Sohnes, der sie zum Altar führte. In seinem Smoking sah er unglaublich süß aus.

Ellie warf dem Bräutigam, der mit seinem Bruder und dem Pfarrer unter einer mit Rosen geschmückten Laube wartete, einen kurzen Blick zu. Adam wirkte gleichzeitig benommen und verliebt.

Die Gefühle schnürten auch Ellie schnell die Kehle zu und Tränen traten ihr in die Augen. Warum machten sie Hochzeiten bloß immer so sentimental? Sie spürte, wie ihr eine Träne über die Wange lief. Sie wischte sie hastig weg und hoffte, dass niemand etwas bemerkt hatte. Doch eine Sekunde später hielt Alex ihr ein Taschentuch hin. „Habe ich bei Hochzeiten immer dabei.“

Sie lächelte, als er es ihr in die Hand drückte. Nur ein paar Augenblicke später war sie froh, es zu haben, denn das romantische Eheversprechen und der spektakuläre Kuss ließen ihre Tränen nur so fließen. Nach der Zeremonie verschwand das Brautpaar sofort mit dem Fotografen. Die Gäste erhoben sich und schlenderten nun über den Rasen zum Festzelt hinüber.

„Danke. Ich gebe es dir zurück, wenn ich es gewaschen habe.“ Ellie hielt das Taschentuch in die Höhe. „Ehrlich gesagt, bin ich äußerst froh, dass du so gut ausgerüstet warst.“

„Ich weine halt immer bei Hochzeiten.“

„Klar.“ Sie lachte. „Das ist mir wirklich unendlich peinlich. Du musst ja denken, dass ich eine richtige Heulsuse bin. Aber das war nun mal so eine schöne Hochzeit.“

„Du musst dich doch nicht entschuldigen. Es war wunderschön und es tut gut, zu wissen, dass manche Menschen irgendwann auch ihr glückliches Ende bekommen.“ Sein Ton war entweder sehnsüchtig oder verbittert. Was es genau war, war schwer zu sagen.

Dieses Mal schaffte sie es nicht, sich auf die Zunge zu beißen. „Wer hat dir denn das Herz gebrochen?“

„Wie kommst du denn darauf?“

Er hatte nun eine Hand an ihren Ellbogen gelegt, um sie über den unebenen Rasen zu führen, und die Berührung seiner warmen Finger drohte bereits, ihre Denkfähigkeit zu beeinträchtigen. „Was du gerade über ihr glückliches Ende gesagt hast … als ob du keines bekommen hättest.“

„Das habe ich auch nicht. Bei mir ist das alles ziemlich spektakulär schiefgegangen.“

Sie sah ihn erwartungsvoll an, aber er erzählte nichts mehr. „Würdest du gerne darüber reden?“

„Eigentlich nicht.“ Doch ein Funkeln ließ jetzt seine rauchgrauen Augen aufleuchten. „Aber ich ließe mich vielleicht dazu überreden, wenn du mit mir etwas trinken gehst.“

Das wollte sie unglaublich gerne. Rein technisch gesehen würde sie dabei nicht mal ihre Prinzipien über den Haufen werfen, sich nie am Arbeitsplatz mit einem Mann einzulassen, denn sie waren ja gerade nicht bei der Arbeit. „Okay.“

Sie gingen jetzt ins Zelt. Direkt neben dem Eingang war eine Bar aufgebaut. Alex bestellte einen Weißwein für sie und ein Bier für sich. Dann führte er sie zu einem freien Tisch in einer abgelegenen Ecke. Kleine weiße Lichter und Blumenarrangements aus Rosen, Orchideen und Lilien schufen eine fast magische Atmosphäre.

Alex zog einen Stuhl für sie zurück und als sie sich gesetzt hatten, berührten sich ihre Knie leicht.

„Also, dann erzähl mir mal von deinem spektakulären Fehlschlag“, sagte sie.

„Ich war bereits ein Mal verheiratet.“

Sie wusste seine Offenheit durchaus zu schätzen. Denn genau das war die Art von Information, die der Fiesling bei ihrem ersten Job ihr bewusst vorenthalten hatte. Nur, um sicherzugehen, fragte sie nach: „War?“

„Ja, ich bin jetzt geschieden.“

„Wie hast du sie denn kennengelernt?“

„Bei der Arbeit.“

War das nicht irgendwie immer so? Darum war sie ja jetzt so übervorsichtig. Das einzige Problem mit dem daraus entstandenen Misstrauen war die unglaubliche Einsamkeit. Alex brachte sie irgendwie dazu, zu vermissen, von einem Mann umarmt zu werden … geküsst zu werden … geliebt zu werden.

„War das im College?“

„Nein. Ich war der Chef und brauchte eine Assistentin. Sie war qualifiziert, und schön noch dazu. Dann wurde irgendwann mehr daraus.“ Sogar die schwache Beleuchtung konnte nicht verbergen, wie er dabei die Lippen zusammenpresste. „Kurz darauf hat sie mir gesagt, dass sie schwanger ist.“

„Also hast du sie geheiratet?“

„Und sie außerdem überredet, nach Blackwater Lake zu ziehen, weil das ein großartiger Ort ist, um Kinder großzuziehen.“

„Hat es ihr hier nicht gefallen?“

„Zum Teil. Vor allem habe ich ihr nicht besonders gefallen.“

„Dann warst du also nicht derjenige, der Schluss gemacht hat?“, fragte sie.

„Nein. Denn wie sich herausgestellt hat, hätte ich sie nicht fragen sollen, ob sie mich heiratet, als sie gesagt hat, dass sie schwanger ist. Ich hätte stattdessen viel lieber fragen sollen, wer der Vater ist.“

Sie brauchte einen Augenblick, bis ihr die Bedeutung seiner Worte klar wurde. „Oh, nein … sie hat dich glauben lassen …“

„Ja, ich habe es wirklich genossen, einen Sohn zu haben, solange ich einen hatte.“ Verbitterung lag nun in seiner Stimme.

„Das tut mir so leid, Alex …“

„Das muss es nicht.“

„Ich hätte dich nicht dazu bringen sollen, darüber zu reden. Vor allem nicht bei so einem fröhlichen Anlass.“

„Das macht mir ehrlich nichts aus.“ Er stieß mit seiner Flasche gegen ihr Glas. „So habe ich dich wenigstens dazu gebracht, etwas mit mir zu trinken.“

„Das ist wahr.“ Und sie gleichzeitig auch etwas milder ihm gegenüber gestimmt. Vielleicht sogar mehr als nur etwas, und das war wiederum nicht notwendigerweise gut. Sie trank ihren Wein aus und stand auf. Applaus brandete auf, als die Braut und der Bräutigam nun Hand in Hand hereinkamen, gefolgt von den Angehörigen und Freunden. „Ich muss mir jetzt einen Platz suchen.“

„Bleib doch hier.“ Alex streckte die Hand aus und hielt sie sanft am Handgelenk fest. „Jetzt habe ich dir doch schon mein ganzes Herz ausgeschüttet. Reicht das nicht vielleicht noch für ein gemeinsames Abendessen aus?“

Erneut fühlte sich seine Berührung so unfassbar gut an. Die Wärme drang durch mehrere ihrer Schutzschichten, unter denen sie ihre Einsamkeit vor dem Rest der Welt versteckte. Es war schon so lange her, seit ein Mann sie berührt hatte. Sie konnte sich deshalb einfach nicht überwinden, sich ihm zu entziehen.

Also setzte sie sich wieder hin und sagte: „Das wäre schön.“

Wenn sie nicht hätte bleiben wollen, wäre es ganz leicht gewesen, einfach wegzugehen. Aber sie konnte es nicht. Also hoffte sie einfach, dass alles gut gehen würde.

2. KAPITEL

Die Feier war so schön wie die Hochzeitszeremonie. Adam und Jill tanzten zum ersten Mal als Mann und Frau miteinander. Adams Bruder, der Trauzeuge, brachte einen Toast auf das glückliche Paar aus, und die Brautjungfer wünschte ihnen ein langes und glückliches Leben.

Das Essen war einfach köstlich und die Hochzeitstorte wurde von den Neuvermählten ohne Zwischenfall angeschnitten. Das war eine ausgezeichnete Gelegenheit, um sich aus dem Staub zu machen. Ellie musste nämlich gehen, weil sie so gerne bleiben wollte, und daran war nur Alex schuld.

Autor

Teresa Southwick
Teresa Southwick hat mehr als 40 Liebesromane geschrieben. Wie beliebt ihre Bücher sind, lässt sich an der Liste ihrer Auszeichnungen ablesen. So war sie z.B. zwei Mal für den Romantic Times Reviewer’s Choice Award nominiert, bevor sie ihn 2006 mit ihrem Titel „In Good Company“ gewann. 2003 war die Autorin...
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