Flammende Leidenschaft in deinen Armen

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Cam McNeal ist schockiert! Er hat eine Tochter - mit der zauberhaften Vivi, die er seit ihrem One-Night-Stand nicht wiedergesehen hat. Vergessen hat er die temperamentvolle Schöne mit der atemberaubenden Figur und den wilden Locken jedoch nie. Als sie jetzt vor ihm steht, kann er der Versuchung, sie in seine Arme zu ziehen und ihren Körper mit heißen Küssen zu bedecken, kaum widerstehen. Aber Cam weiß, dass er kein Mann für eine dauerhafte Beziehung ist. Zu schwer lastet seine dunkle Vergangenheit auf ihm …


  • Erscheinungstag 07.07.2020
  • Bandnummer 2140
  • ISBN / Artikelnummer 9783733726256
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Vivianne Donner umklammerte das Lenkrad und beugte sich vor, bis sie fast mit der Nase an der Windschutzscheibe klebte, um so im dichten Nebel besser sehen zu können. Es war ein weiterer schrecklicher Tag in einer Reihe schrecklicher Tage, und genau wie die anderen Einwohner von Houston, Texas, fühlte auch sie sich angeschlagen und erschöpft. Nach dem Sturm, der zu einer verheerenden Überschwemmung geführt hatte, wäre ein wenig Sonnenschein schön gewesen. Doch ein klarer Tag würde die Bewohner von Houston auch dazu zwingen, sich den Auswirkungen des Sturms zu stellen und den Schaden an etlichen Häusern und Gebäuden zu begutachten.

Vivi riskierte einen kurzen Blick zur Seite, und der Nebel lichtete sich gerade genug, um ihr die Berge von Trümmern, abgebrochenen Ästen und zerstörten Möbeln am Straßenrand zu offenbaren.

Gott sei Dank war ihr Haus – und auch das von Clems Tagesmutter Charlie – verschont geblieben. Dasselbe konnte man nicht über das Rollin’ Smoke sagen, das berühmte Barbecue-Restaurant, in dem sie als Chefköchin arbeitete. Laut Joe, dem Besitzer und ihrem Mentor, war ihre wunderschöne, frisch sanierte Küche vollkommen ruiniert. Die Renovierung des Restaurants war erst sechs Wochen zuvor abgeschlossen worden, und die neuen Sitznischen, Tische und Stühle waren jetzt alle zerstört. Abfälle und Trümmerteile bedeckten den Boden, und es wurden wirklich alle bei den Aufräumarbeiten gebraucht.

Als Küchenchefin hatte sie nur Joe als Vorgesetzten und könnte theoretisch abwarten, bis ihre Mitarbeiter das Gröbste erledigt hatten. Doch sie war keine Diva. Wie hätte sie das sein können? Sie hatte sich im Restaurant hochgearbeitet, von der Tellerwäscherin zur Chefköchin, aber sie wusste immer noch, wie man sich die Hände schmutzig machte. Auf der Besitzurkunde des Lokals mochte Joes Name stehen, doch das Rollin’ Smoke gehörte zu ihr, verdammt, und Vivi wollte dabei helfen, es wieder auf Vordermann zu bringen.

Als sie sah, dass die Straße vor ihr gesperrt war, bog Vivi auf eine Seitenstraße ab. Hier war der Nebel noch dichter, und die Sicht wurde immer schlechter. Sie überlegte, anzuhalten und abzuwarten, bis der Nebel verflog. Wo war die verdammte Sonne? Sie nahm eine Hand vom Lenkrad und wischte sich die verschwitzte Handfläche an der Jeans ab. Gott, dieses Wetter konnte einem wirklich Angst machen.

Ihr Handy klingelte, und sie zuckte heftig zusammen. Panisch tastete sie nach dem Telefon und ging ran. „Himmel, Joe, du hast mich zu Tode erschreckt!“

„Bist du etwa mit dem Auto unterwegs? Bitte sag Nein!“ Joe klang bestürzt.

„Na ja, unterwegs würde ich das nicht nennen. Ich komme kaum vom Fleck.“

„Dreh um. Fahr wieder nach Hause.“

Vivi kämpfte gegen den Drang an, genau das zu tun. Sie wollte Clem abholen, sich mit ihr unter einer Decke verkriechen und sich vor der Welt verstecken. Doch genau das hatte sie schon das erste Vierteljahrhundert ihres Lebens getan, und sie weigerte sich, wieder so zu leben. Das Leben war zum Leben da, und es gehörten nun mal sowohl gute als auch schlechte Tage dazu.

„Ich habe einen Job zu erledigen und ein Restaurant zu putzen, damit wir so schnell wie möglich wieder öffnen können. Ein wenig Chaos wird den Fleischliebhabern von Houston wohl kaum den Appetit verderben“, sagte Vivi und ignorierte das Gefühl, am Rande einer Klippe zu stehen. Sie hatte die seltsame Ahnung, ihr Leben würde nie wieder dasselbe sein. Sie zitterte, und ihr lief ein Schauer über den Rücken.

Ihre Mom hätte nun gesagt, dass ihr der Teufel im Nacken saß, doch Vivi schüttelte den Gedanken ab. Glaube und Aberglaube ihrer Mutter – eine sonderbare Mischung aus Religion und Wahnsinn – waren kein Teil ihres Lebens mehr.

Der Nebel, die fehlenden Straßenlaternen, der pfeifende Wind und die Trümmerhaufen, die sie von Zeit zu Zeit im Scheinwerferlicht entdeckte, jagten ihr einfach Angst ein. Alles zusammen erzeugte eine gespenstische Atmosphäre.

„Sei bitte vorsichtig“, sagte Joe eindringlich, ehe er den Anruf beendete.

Ein weiterer Schauer überlief Vivi, und die Haare auf ihren Armen standen ihr buchstäblich zu Berge. Sie fluchte, ließ den Blick kurz zum Temperaturregler schweifen und schaltete die Heizung ein. Draußen war es zwar heiß und feucht, doch gerade war ihr trotzdem kalt.

Dankbar für die warme Luft schaute Vivi in den Rückspiegel. Hinter ihr fuhr ein Polizeiwagen mit eingeschaltetem Blaulicht. Hastig sah sie sich auf der Straße um und fluchte erneut; es gab hier weder einen Seitenstreifen noch ähnliches, um Platz zu machen. Der Wagen war direkt hinter ihr, und sie sah, wie der Fahrer frustriert die Hände in die Luft warf. Er wurde anderswo gebraucht, und sie war ihm im Weg. Ihr blieb nur eine Möglichkeit: beschleunigen und darauf hoffen, möglichst bald an die Seite fahren zu können.

Vivi spreizte die Finger und atmete tief durch. Kaum hatte sie beschleunigt, entdeckte sie vor sich auf der Straße den vagen Umriss eines umgestürzten Baumes. Sie trat auf die Bremse und merkte, wie ihr Wagen erst rutschte und dann ins Schleudern geriet. Schnell riss sie das Lenkrad herum und tippte leicht aufs Gaspedal, um das Auto wieder unter Kontrolle zu bringen.

Der Motor heulte auf, und ihr stockte der Atem, als die Reifen auf der glatten Straße durchdrehten. Sie hörte, wie Schotter vom Lack abprallte, hoffte, dass das Auto einfach stehen bleiben würde.

Doch diese Hoffnung war von kurzer Dauer, denn der Wagen rollte über eine Unebenheit, ehe die Schnauze absackte. Ihr Auto rutschte eine Böschung hinunter, genau auf einen Kanal zu, und tauchte in das reißende schwarze Wasser.

Ihr gefror das Blut in den Adern, und die Panik nahm ihr den Atem. Die Zeit schien stillzustehen, gleichzeitig verschluckte das kalte, stinkende Wasser ihren Wagen rasend schnell. Gott, sie musste doch irgendetwas tun können, um sich zu retten! Aber ihr Verstand verweigerte die Arbeit.

Sie sah Clems wunderschönes Gesicht vor sich, ihre strahlend blauen Augen und das schelmische Grinsen, während das Auto immer tiefer ins Wasser rutschte. Wasser bedeckte ihre Füße und durchnässte ihre Jeans. Während es ihr an den Oberschenkeln hinaufstieg, meinte sie Clems Arme um ihren Hals zu fühlen, ihren sanften Atem auf ihrer Wange.

Öffne verdammt noch mal das Fenster!

Die Stimme in ihrem Kopf stammte aus der Vergangenheit, doch der Tonfall war streng und fordernd. Vivi schlug abrupt auf den Fensterheber, und die Scheibe wurde heruntergefahren. Eine harte Welle traf sie von der Seite, doch sie hatte den Eindruck, eine kräftige Hand auf ihrer Schulter zu spüren und eine beruhigende Präsenz.

Du schaffst das. Bleib einfach ruhig.

Warum hörte sie Camden McNeals Stimme in ihrem Kopf? Sie sah zum Beifahrersitz, erwartete fast, den attraktiven Bohrinselarbeiter dort sitzen zu sehen, groß und muskulös und so verdammt sexy.

Atme tief ein … Und noch mal …

Das Wasser erreichte ihr Kinn, und Schlamm besprenkelte ihre Lippen. Vivi atmete erneut tief ein, ehe das Wasser über sie hinwegschwappte.

Halt dich am Lenkrad fest, und schnall dich ab …

Sie drückte den Knopf, und der Gurt war lose. Nun, da sie nicht mehr am Sitz festgeschnallt war, prasselte das Wasser förmlich auf sie ein. Ihr Magen zog sich zusammen, und ihr Verstand setzte aus. Ein Zweig kratzte ihr übers Gesicht, und Vivi schloss die Augen. Welchen Zweck hatte es noch, sie offen zu lassen? Sie konnte sowieso nichts sehen.

In ihr erwachte der Überlebensinstinkt, während sie gegen den Drang ankämpfte, einzuatmen. Sie musste überleben. Sie hatte ein kleines Mädchen großzuziehen. Fest entschlossen packte sie den Fensterrahmen und kämpfte gegen das Wasser an, die Füße auf die Mittelkonsole gestützt. Sie versuchte, sich durch das Fenster zu schieben – doch es war, als würde sie gegen eine Wand drücken.

Warte fünf Sekunden, und versuch es dann noch einmal.

Ich habe keine fünf Sekunden, verdammt, schrie Vivi gedanklich.

Doch, natürlich hast du die.

Vivi verfluchte ihn, während sie sich immer noch am Rahmen des Wagens festklammerte. Eins, zwei – Gott, sie brauchte Luft. Sie konnte nicht länger warten.

Vollkommen überzeugt, dass sie sterben würde, stieß Vivi sich mit den Füßen von der Konsole ab, schob sich gleichzeitig durchs Fenster – und schoss aus dem Auto. Es war dunkel und kalt und furchterregend hier unten, aber über ihr war ein Licht zu sehen. Dort würde sie hinschwimmen. Licht war gut, Licht bedeutete Sicherheit.

Sie war so nah dran, ihre Finger waren nur wenige Zentimeter von der Wasseroberfläche entfernt, doch ihre Lungen standen kurz vor dem Platzen. Noch ein Beinschlag, noch ein Schwimmzug …

Vivi durchbrach mit dem Kopf die Oberfläche und atmete tief ein, ehe die Dunkelheit sie überwältigte.

Camden McNeal legte eine Hand an die Fensterscheibe und sah hinaus in den sich auflösenden Nebel. Heute arbeitete er zu Hause, und er rollte die Schultern in dem Versuch, die Spannung aus seinem Rücken zu vertreiben. Vor einer halben Stunde hatte er ein paar Schmerztabletten genommen, doch es fühlte sich immer noch so an, als würde sein Kopf in einem Schraubstock stecken. Er konnte sich auf nichts konzentrieren.

Er nahm einen großen Schluck Kaffee, in der Hoffnung, dass die teure importierte Röstung ihn trösten und wärmen würde. Doch stattdessen brannte ihm das heiße Getränk im Magen. Was stimmte nur nicht mit ihm?

Ja, die letzten paar Tage waren kein Zuckerschlecken gewesen. Houston war von einem verheerenden Sturm verwüstet worden, und viele der Bewohner waren in Not, doch er selbst gehörte nicht dazu. Nicht dieses Mal.

Da kannst du von Glück reden, McNeal …

Er gab eine Nummer ins Handy ein und wartete ungeduldig darauf, dass Ryder Currin abhob.

„Cam, alles in Ordnung bei dir?“ Sein alter Boss und Mentor hatte immer eine beruhigende Wirkung auf ihn. Ryder war grundsolide, sowohl als Kollege als auch als Freund, und es war immer gut, jemanden wie ihn auf seiner Seite zu haben.

„Mein Büro ist immer noch voll mit Schlamm und Wasser. Meine Computer wurden alle zerstört.“

„Na toll. Ich hoffe, du hattest die Daten abgesichert.“

„Ja, hab alles in eine Cloud hochgeladen, es ist also nichts verschwunden. Aber zwei meiner Leute haben ihre Häuser samt all ihrer Besitztümer verloren.“ Cam hatte bereits Pläne gemacht, ihnen wieder auf die Beine zu helfen. „Ich habe das Büro erst mal geschlossen und meinen Leuten gesagt, sie sollen sich um ihre Häuser und Familien kümmern.“

„Ja, so machen es gerade die meisten. Geld und Geschäft können warten. Im Moment gibt es wirklich Wichtigeres zu tun“, sagte Ryder. „Ich habe gestern in einem Obdachlosenheim mit angepackt. Warst du auch unterwegs?“

„Ja, ich war in einer der am schwersten betroffenen Gegenden der Stadt. Wir haben alle zusammen nach ein paar vermissten Kindern gesucht. Zwei von ihnen wurden gefunden, aber ein Junge im Teenageralter wird immer noch vermisst.“

Fühlte er sich vielleicht deswegen so angespannt? Er wusste, wie es war, verlassen und verängstigt zu sein. Na gut, er war nie von einer Sturmflut mitgerissen worden, aber er konnte durchaus nachvollziehen, wie es war, arm zu sein und in einer Welt zu leben, in der die Leute am unteren Ende der Nahrungskette nicht zählten. Er wusste, wie es war, die Armut als ständigen Begleiter zu haben und der eigenen Hoffnung nicht mehr zu trauen.

Cams Gedanken wurden abrupt unterbrochen, als Ryder weitersprach. „Hast du schon davon gehört, dass auf der Baustelle ein Leichnam gefunden wurde?“

Cam straffte sich, von Ryders Frage vollkommen überrascht. „Meinst du die TCC-Baustelle? Sterling Perrys Grundstück?“

„Ja.“

Der Kampf um die Führung des neuen Texas Cattleman’s Club in Houston war Ryder und Sterling Perrys neueste Schlacht in ihrer jahrzehntelangen Rivalität. Sowohl Sterling als auch Ryder glaubten von sich, der perfekte erste Präsident des neuen Clubs in Houston zu sein. Sie litten beide nicht gerade unter fehlendem Selbstbewusstsein. „Was hat den Unfall verursacht?“

„Ein paar Kugeln und ein zertrümmerter Schädel.“

Kein Unfall also.

Nachdem sie den Mord und einige andere TCC-Angelegenheiten besprochen hatten, legte Cam auf. Er kehrte dem Ausblick auf seinen nebligen Garten den Rücken zu und ließ sich in seinen mit butterweichem Leder bezogenen Bürosessel sinken. Den Kopf zurückgelehnt schloss er die Augen; sofort sah er wieder das Bild des vermissten Jungen auf dem Fernsehbildschirm vor sich. Dunkles Haar, dunkle Augen, ein missmutiges Lächeln. Ja, er kannte die Resignation in Rick Gaines’ Augen, den Glauben, dass das Leben stets gegen ihn war.

Es war gut möglich, dass Rick in ein oder zwei Jahren – falls niemand eingreifen oder ihm helfen sollte – Autos aufbrach, mit Drogen dealte oder gar einer Gang beitrat. Er wäre ein weiterer verlorener Junge, der Gefängnis und Abhängigkeit riskierte. Cam kannte das Muster. Schließlich war es bei ihm genauso gewesen.

Verloren, einsam, verwirrt. Und Cam konnte nicht umhin, sich zu fragen, ob Rick tatsächlich vermisst wurde. Niemand hatte ihn ins Wasser fallen sehen; er war bloß nicht aufzufinden. Es bestand durchaus die Möglichkeit, dass er die Überschwemmung dazu genutzt hatte, seinem schrecklichen Leben zu entfliehen. Cam konnte das verstehen. Wenn man ständig nur ums Überleben kämpfte, nutzte man jede Chance, die sich einem bot …

Deine Kindheit liegt hinter dir. Das ist nicht mehr dein Leben. Du bist jetzt schon eine ganze Weile lang Herr über dein eigenes Schicksal.

Cam trank den Rest seines Kaffees, über seine eigenen Gedanken verärgert. Er hatte keine Zeit, über seine furchtbare Vergangenheit nachzugrübeln. Er hatte immer noch eine riesige Firma zu leiten. Energisch zog er die Tastatur näher zu sich, öffnete sein Mailprogramm und zog angesichts der Flut an Nachrichten eine Grimasse. Es war genau wie erwartet: Die Finanzwelt hatte nicht einfach aufgehört, sich zu drehen. Einige Klienten seiner Risikokapitalgesellschaft drückten ihr Mitgefühl über die Situation in Houston aus, doch die meisten sparten sich die Mühe. Es betraf sie nicht, also warum Zeit darauf verschwenden?

Cam hatte die Antwort an einen Klienten aus Singapur gerade zur Hälfte formuliert, als sein klingelndes Telefon seine Konzentration störte. Er sah auf das Display, konnte die Nummer nicht einordnen und dachte kurz daran, den Anruf einfach zu ignorieren. Doch dann fiel ihm ein, dass er den Leiter des Suchtrupps darum gebeten hatte, ihm Bescheid zu sagen, falls sie Rick finden sollten.

Ungeduldig aktivierte er die Lautsprecherfunktion und ging ran. „McNeal.“

„Camden McNeal?“

„Ja, am Apparat.“

„Ausgezeichnet. Sie wurden als Notfallkontakt einer Vivianne Donner aufgeführt. Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Ms. Donner heute Morgen nach einem Autounfall in die Notaufnahme eingeliefert wurde. Wann können wir mit Ihnen rechnen?“

Verwirrt fuhr sich Cam mit der Hand durchs Haar. „Ich glaube, Sie haben den Falschen erwischt. Ich kenne niemanden mit diesem Namen.“

„Ich habe Ihre Handynummer, Sir. Sie sind Camden McNeal, der Besitzer von McNeal Inc., und Sie leben in River Oaks, korrekt?“

„Ja, das stimmt …“

„Sie mögen sie nicht kennen, aber Ms. Donner kennt eindeutig Sie. Es bleibt also bei meiner Frage: Wann können wir mit Ihnen rechnen?“

Cam betrat die Lobby des Krankenhauses und ging schnurstracks auf die Rezeption zu. Auf dem Weg wich er einer Krankenschwester aus, die eine Schwangere in einem Rollstuhl vor sich her schob, der zukünftige Vater neben ihr offenbar vollkommen in Panik. Besser er als ich, dachte Cam. Er war das Produkt der zwei gestörtesten Menschen der Welt, und er wusste so wenig darüber, wie man sich als Elternteil verhalten sollte, dass man dieses Wissen auf einem Stecknadelkopf hätte festhalten können.

Sein Vater hatte ihn gelehrt zu stehlen, zu betrügen und sich irgendwie durchs Leben zu mogeln, doch vor allem hatten seine Eltern ihm beigebracht, dass er sich nur auf sich selbst verlassen konnte. Dass er sich um sich selbst kümmern musste. Er bezweifelte, dass er in der Lage wäre, die Bedürfnisse und Wünsche eines anderen Menschen über die eigenen zu stellen. Man hatte ihm einfach nie gezeigt, wie.

Nein, sein Vater hatte stets nur entmutigende Worte für ihn übrig gehabt: „Du bist ein McNeal, du wirst es nie zu etwas bringen. Keiner von uns hat es je zu was gebracht, und du wirst wohl kaum der Erste sein.“

Sein Konto und die lange Liste seiner Vermögensgegenstände bewiesen eindeutig das Gegenteil. Aber Cam war Realist: Er mochte ein guter Geschäftsmann sein, doch er wäre ein miserabler Vater und Ehemann. Verdammt, wenn man bedachte, wie schnell dieses namenlose Mädchen in Tarrin vor drei Jahren sein Bett verlassen hatte, war er noch nicht mal ein guter One-Night-Stand. Er war gut im Bett, aber ihm fehlte einfach das Talent für die Gefühlsduselei, auf die Frauen so viel Wert legten.

Cam trat vor den Schalter und sprach die erschöpfte Krankenschwester dahinter an. „Man hat mich wegen einer Frau angerufen, die mich als Notfallkontakt angegeben hat. Mein Name ist Camden McNeal.“

„Name der Patientin?“

Cam versuchte, sich an das Telefonat zu erinnern. „Dunbar? Don… irgendwas?“

„Donner? Vivianne Donner?“

Cam zuckte die Achseln. Der Name sagte ihm immer noch nichts.

Die Schwester tippte auf die Tastatur und nickte. „Zimmer 302. Sie hat eine schwere Gehirnerschütterung und muss nach Hause gefahren werden. Außerdem sollte sich jemand die nächsten paar Tage um sie kümmern. Den Flur hinunter, dann rechts um die Ecke.“

Seufzend schaute Cam den langen Flur hinunter. Sah so aus, als würde er nun Ms. Donner kennenlernen und endlich herausfinden, warum er ihr Notfallkontakt war. Vor Zimmer 302 angekommen, klopfte er leise und öffnete vorsichtig die Tür, als er keine Antwort erhielt. Er blickte aufs Bett und wartete darauf, dass seine Augen sich an das schummerige Licht gewöhnten.

Im Dämmerlicht erkannte er einen schlanken Körper und eine Wolke karamellfarbener Locken. Er schaltete die Deckenbeleuchtung an, und es dauerte eine Minute, vielleicht auch zwei, bis er erkannte, dass seine Augen ihn nicht täuschten und seine Fantasie nicht verrücktspielte. Er befahl seinem rasenden Herzen, sich gefälligst zu beruhigen, seinen Lungen, weiterzuarbeiten. Er schloss die Augen, atmete tief durch, und zwang sich dann, sie wieder zu öffnen.

Sie war noch da.

Cam stützte sich auf dem Bett ab, lehnte sich vor und starrte auf dieses atemberaubende Gesicht hinunter, während sein Herz immer noch wie wild klopfte. Es waren ungefähr drei Jahre vergangen, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte, und verdammt, sie sah wirklich unglaublich aus. Nun gut, drei Stiche hielten eine Wunde in ihrer fein geschwungenen Augenbraue zusammen, und sie hatte einen Bluterguss auf der Wange, einen Kratzer am Kinn und eine tiefe Schnittwunde in der Unterlippe, doch ihre Verletzungen machten sie nicht weniger schön.

Cam sah sich um und entdeckte neben dem Bett einen Stuhl. Er zog ihn mit dem Fuß näher, ehe er sich darauf sinken ließ, die Unterarme auf den Oberschenkeln abstützte und gegen den Drang ankämpfte, sie wachzurütteln. Was zur Hölle führte sie im Schilde?

Er war nicht sicher, ob sie schon damals ein Spiel mit ihm gespielt hatte, doch nun tat sie das garantiert. Cam starrte sie an, während ihn die Erinnerung an diese Kellerbar überkam. Es war eine richtige Spelunke gewesen, kaum mehr als ein kleiner Verschlag, in dem den Rancharbeitern und Raffinerie-Angestellten aus der Gegend verwässerte Drinks serviert wurden.

Er hatte sie – Vivianne – bemerkt, kaum dass sie die Bar betreten hatte. Sie hatte so wahnsinnig jung gewirkt und so verletzlich, den Blick auf das Schnapsglas in ihrer Hand gerichtet. Er hatte erwartet, dass sie das Glas von sich schieben, sich umdrehen und fliehen würde, doch stattdessen hatte sie die Schultern zurückgenommen und den Drink hinuntergestürzt – und heftig geblinzelt, während sie schluckte. Sie hatte das Glas auf den Tresen geknallt und einen weiteren Schnaps bestellt, ehe sie den Blick aus braunschwarzen Augen langsam in seine Richtung wandern ließ.

„Ein Experiment abgeschlossen, bleiben noch zwei.“

Er hatte ihr mit der Bierflasche zugeprostet und ihre langen Beine in den engen Jeans bewundert. Sie war älter, als er zuerst gedacht hatte, in ihren Zwanzigern, doch obwohl sie beinahe gleichaltrig waren, hielt er sich für den erfahreneren Menschen – er hatte tausend mehr Leben gelebt als sie, alle härter und anstrengender als ihre.

Er hätte sie ignorieren, sein Bier austrinken und gehen sollen, doch stattdessen hatte er sich ihr zugewandt und den Kopf schief gelegt. „Bist du etwa Wissenschaftlerin, Süße?“

Zunächst ignorierte sie ihn und stürzte den zweiten Kurzen hinunter. Dann zog sie die Nase kraus. „Nein. Heute werde ich endlich herausfinden, wie es ist, normal zu sein.“

„Dazu gibt es sicher bessere Orte“, sagte Cam, in der Hoffnung, dass sie einfach gehen und ihn mit seinem Bier und seiner Einsamkeit alleinlassen würde. Mit Alkohol und Einsamkeit konnte er umgehen, doch sie hatte in ihm das Bedürfnis geweckt, weniger zu trinken und mehr zu reden.

Sie ließ sich auf den Hocker neben ihm plumpsen, und ihr Knie streifte seinen Oberschenkel. Sofort erwachte in ihm das Verlangen.

„Aber ich habe keine Möglichkeit, dorthin zu kommen“, sagte sie. „Und du siehst aus, als könnte man mit dir Spaß haben.“

Das brachte Cam beinahe zum Grinsen. Er und Spaß? Sie hätte sich nicht schwerer in ihm täuschen können. Er erwog kurz, sie in der Bar zurückzulassen und sich mit einem Sechserpack Bier in seinem Motelzimmer zu verkriechen, aber er konnte sie nicht einfach alleinlassen. Also spendierte er ihr ein Bier, und sie aßen zusammen in einem Diner und beendeten den Abend mit fantastischem Sex in einem Motel. Keine Namen, keine Erwartungen – und ja, er hatte tatsächlich Spaß gehabt. Sie hatte ihm gefallen.

Und nun, drei Jahre später, war sie wieder zurück in seinem Leben und lag in ein Krankenhausnachthemd gehüllt in einem Krankenhausbett, mitgenommen und mit blauen Flecken übersät. Und er war ihr Notfallkontakt. Genau wie damals wurde ihm auch jetzt der Mund trocken. Sein Herz raste, und seine Hose saß plötzlich allzu eng. Super. Was zur Hölle ging hier vor?

Ihr Bein zuckte plötzlich, und sein Blick schoss zu ihrem Gesicht. Ihre Augenlider flatterten, und er wartete darauf, dass dieses dunkle Braun aufblitzte, auf das Verlangen, das er dann zweifellos verspüren würde. Sie stöhnte, hob kurz eine Hand und ließ sie wieder sinken, als würde die Bewegung ihr zu viel Kraft rauben. Als sie die Augen öffnete, brauchte sie offenbar einen Augenblick, um den Blick auf ihn zu fokussieren.

Ihre Mundwinkel zuckten, und ihre Miene wurde weich. „Camden?“

Sie kannte ihn also, erkannte ihn wieder. Cam runzelte die Stirn, als sie die Augen schloss. Oh nein. Er würde hier sicher nicht an ihrer Seite sitzen wie ein liebestoller Verehrer und darauf warten, dass sie aufwachte. Mit einem Finger tippte er ihr leicht auf die Hand, und sie öffnete erneut die Augen.

Sie fuhr sich mit der Zunge über die Oberlippe, und Cam ignorierte die Lust, die ihn durchfuhr, als er sich daran erinnerte, was sie mit dieser Zunge schon angestellt hatte. Wie sie ihn verwöhnt hatte … Sie war ungeübt gewesen, aber sehr enthusiastisch.

Er rieb sich übers Gesicht, und als er die Hand wieder sinken ließ, war die Verwirrung in ihren Augen der Panik gewichen.

„Wo bin ich? Wo ist Clem? Geht es ihr gut?“

Stöhnend setzte sie sich auf. Als Cam klar wurde, dass sie aufstehen wollte, sprang er auf die Füße, legte ihr eine Hand auf die Schulter und drückte sie zurück in die Kissen. Sie schlug seine Hand beiseite und griff nach dem Zugang in ihrem Arm, als wolle sie die Nadel herausziehen.

„Ich muss zu Clem. Lass mich gehen, verdammt!“ Ihr Atem ging stoßweise, und in ihrer Verwirrung stolperte ein Wort über das nächste. „Wie spät ist es? Wo ist mein Handy?“

Cam sah auf die Armbanduhr. „Es ist kurz nach elf.“

„Ist immer noch Freitagvormittag?“

Als er nickte, entspannte sie sich. Sie ließ sich in die Kissen zurücksinken und schloss die Augen. „Gott sei Dank.“ Sie umklammerte die Decke und verdrehte den Stoff zwischen den Händen. Als sie wieder sprach, war ihre Stimme schwach vor Schmerz. „Ich muss jemanden anrufen. Kann ich mir dein Handy ausleihen?“

„Erst, wenn ich ein paar Antworten bekommen habe.“ Cam trat einen Schritt zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.

Vivianne atmete frustriert aus. Er bemerkte die Entschlossenheit in ihren Augen, nur übertroffen von Erschöpfung.

„Das kann ich verstehen. Aber ich sage kein weiteres Wort, ehe ich diesen Anruf gemacht habe.“

Es hatte keinen Zweck, zu diskutieren. Cam zog das Handy aus der Hintertasche seiner Jeans, gab die PIN ein und reichte es ihr.

Sie schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, ich sehe immer noch ein wenig verschwommen. Kannst du für mich wählen?“

Cam gab die Nummer ein, die sie ihm nannte, und als es zu klingeln begann, reichte er ihr das Handy.

Autor

Joss Wood
<p>Schon mit acht Jahren schrieb Joss Wood ihr erstes Buch und hat danach eigentlich nie mehr damit aufgehört. Der Leidenschaft, die sie verspürt, wenn sie ihre Geschichten schwarz auf weiß entstehen lässt, kommt nur ihre Liebe zum Lesen gleich. Und ihre Freude an Reisen, auf denen sie, mit dem Rucksack...
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