Gefährliches Begehren nach dem Wüstenherrscher

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Anaïs’ Schicksal ist besiegelt: Ein uraltes Familienabkommen zwingt sie, Scheich Javid Al-Jukrat das Jawort zu geben. Aber die französische Unschuld denkt gar nicht daran, das Ehebett mit dem arroganten Playboy zu teilen – Herz und Körper will sie in dieser Scheinehe fest unter Verschluss halten! Doch der Wüstenherrscher hat offenbar andere Pläne: Während der Flitterwochen setzt er unter tausend Sternen alles daran, Anaïs sinnlich zu erobern. Kann sie ihm widerstehen, oder sind die Nächte gezählt, bis sie Javids maskulinem Zauber erliegt?


  • Erscheinungstag 13.06.2023
  • Bandnummer 2600
  • ISBN / Artikelnummer 9783751518581
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Javid Al-Jukrat gab nie ein Versprechen, das er nicht halten konnte.

Er wusste, dass er viele Schwächen hatte. Verdammt, er lebte von seinem Ruf als Playboy, denn oft genug war der es, der dazu führte, dass die Ahnungslosen ihn nicht ernst nahmen, bis es zu spät war. Doch an sein Wort fühlte er sich gebunden. Und er hatte die Macht, es durchzusetzen. Genau deshalb erwies er sich als hervorragender Diplomat. Und deshalb ließ sein leidgeprüfter Bruder, der Scheich von Jukrat, Javid widerwillig die Freiheit, sich seiner Lieblingsbeschäftigung hinzugeben.

Javid hob den Kopf vom Seidenkissen, öffnete ein blutunterlaufenes Auge und richtete es auf seinen jungen, akkurat gekleideten Assistenten, der am Fuß des Bettes stand.

„Ich werde Ihren Weihnachtsbonus verdreifachen und Ihnen einen Beraterposten wo auch immer auf der Welt garantieren, wenn Sie jetzt verschwinden und mich noch eine Stunde schlafen lassen. Gerade Sie wissen, dass ich so etwas ermöglichen kann.“ Seine Stimme klang rau, das Ergebnis zu vieler Drinks und zu viel fleischlicher Lust.

Wer könnte es ihm verübeln? Er erfreute sich nun mal an weiblicher Gesellschaft und hatte kein Problem damit zuzugeben, dass er eine willige Frau in seinem Bett zu schätzen wusste. Und die Aktivitäten der letzten Nacht waren besonders … athletisch gewesen.

Apropos …

Mühsam öffnete er das zweite Auge und seufzte erleichtert, weil er allein in seinem riesigen Bett in Kalifornien lag. Auch wenn er es genoss, in Gesellschaft zu sein, kannte er kein Pardon in Bezug auf Gäste, die ohne seine ausdrückliche Erlaubnis über Nacht blieben. Und die erteilte er nur selten.

Javid richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf seinen Assistenten, dessen Anwesenheit nicht erwünscht war. Er sah, dass der Mann eindeutig gereizt wirkte, und verzog den Mund zu einem frustrierten Grinsen.

Irgendwie hatte es der junge Mann geschafft, Javids Angebot als Kränkung aufzufassen.

„Eure Hoheit, ich würde meinen Job nicht richtig machen, würde ich nicht sicherstellen, dass sie umgehend über dringende Angelegenheiten informiert werden …“

Stöhnend zog Javid sich ein Kissen über den Kopf und erstickte den Rest der erzürnten Ansprache. Obwohl er eben noch erleichtert gewesen war, allein im Bett zu sein, wünschte er sich jetzt die kurvige Rothaarige zurück, die ihn bis in die frühen Morgenstunden lustvoll beschäftigt gehalten hatte. Er war sicher, dass Wilfred ihn nicht gestört hätte, würde sie noch in seinem Bett liegen.

Was genau war denn so wichtig, dass er sich von dem biederen Assistenten – er zog einen Arm unter dem Kissen hervor und sah mit einem erneuten Stöhnen auf die Schweizer Luxusuhr Vacheron Constantin – um Viertel nach sieben ausschimpfen lassen musste?

Ein paar Minuten göttlicher Stille folgten, doch Javid konnte nicht darauf hoffen, dass Wilfred sein Schlafzimmer verlassen hatte. Verdammt, er spürte förmlich den verurteilenden Blick des Assistenten, der sich in seinen nackten Rücken bohrte.

Mit einem weiteren frustrierten Knurren warf er das Kissen zur Seite und setzte sich abrupt auf, während er tapfer den scharfen Schmerz ignorierte, der von einem höllischen Kater zeugte.

„Denken Sie genau nach, bevor Sie den nächsten Zug planen, Wilfred. Sollte diese Angelegenheit nicht das Wohlergehen meines Bruders betreffen – meiner Schwägerin, meiner Mutter oder welche Blutsverwandten mir auch immer geblieben sind –, könnten Sie sich noch vor halb acht ohne Job wiederfinden.“

Wilfred kannte diesen Ton von Javid. Er benutzte ihn immer dann, wenn er genug hatte von seiner geliebten Diplomatie. Einige Parlaments- und Ratsmitglieder kannten diesen Tonfall auch, und diejenigen, die vernünftig genug waren, die Warnung zu beachten, erfüllten ihm seine Wünsche. Deshalb würde sein Bruder ihn sogar mit Mord davonkommen lassen. Und deshalb hatte er auch so einige weibliche Staatsoberhäupter und Firmenchefinnen verführen können.

„Und?“, bellte er, mit seiner Geduld fast am Ende.

Wilfred war blass geworden. Er schluckte einmal, dann noch einmal, straffte sich aber, was man ihm zugutehalten musste. Diese eiserne Entschlossenheit war der Grund, warum Javid ihn engagiert hatte. Sein Assistent machte nie einen Rückzieher, egal, wie sehr Javid bellte und biss. Nur sehr wenige konnten mit seinen Launen umgehen, was dazu geführt hatte, dass er in den letzten drei Jahren bereits sechs Assistenten verschlissen hatte. Wilfred hingegen war schon seit achtzehn Monaten bei ihm. Doch wenn er weiter stumm dastehen würde, würde auch er seinen Job nicht länger behalten.

Als habe er die explosive Stimmung gespürt, hob der junge Mann den Kopf.

Kurz bevor er den Mund aufmachte, erfasste Javid ein seltsames Gefühl, wie ein Windhauch, der über seinen Nacken strich. Er glaubte nicht an Vorahnungen, Schicksal oder irgendeinen anderen Unsinn dieser Art. Allerdings wusste er, wie Bedauern aussah. Oder Angst.

Zögern. Vorsicht. Mitleid?

All diese Emotionen huschten über Wilfreds Gesicht.

Javid fuhr sich mit der Hand durch die zerzausten Haare. Sein Kiefer war angespannt, als Wilfred den Mund öffnete. Was auch immer herauskäme, es würde nichts Erfreuliches sein.

„Es geht um Ihre Majestäten, König Adnan und Königin Yasmin von Riyaal“, sagte Wilfred mit einem leichten Zittern in der Stimme.

Erleichtert stieß Javid die Luft aus. Die einzigen Menschen, die ihm auf dieser Welt etwas bedeuteten, waren sein Bruder, seit einiger Zeit seine Schwägerin Lauren und sein neugeborener Neffe. Er könnte es noch auf das Volk von Jukrat ausdehnen, über das sein Bruder herrschte. Aber nur, weil Tahir sein Leben dem Wohlergehen seiner Untertanen gewidmet hatte.

Darüber hinaus … Sein Magen verkrampfte sich, als die Gedanken zu seinem Vater schweiften, der seinen zweitgeborenen Sohn zeitlebens hartnäckig missbilligt und abgelehnt hatte. Nie hatte er ein freundliches Wort für Javid gehabt oder ihn unterstützt.

Er lächelte verbittert.

Javid hatte diese Ungerechtigkeit mit einem Leben voller Exzesse vergolten, weil er wusste, dass dies seinen Vater erzürnen würde. Lange bevor der alte Mann seinen letzten Atemzug getan hatte, waren sie schon entfremdet gewesen.

Und was sein noch verbliebenes Elternteil betraf …

Sein Lächeln verblasste. Er wusste, wo er mit seiner Mutter stand. Sie gab nicht vor, ihn zu lieben, und er tat nicht so, als kümmere es ihn. Er erlaubte ihr, schamlos seinen Namen zu nutzen, um in die gehobene Pariser Gesellschaft aufzurücken, solange er nicht die erniedrigenden Dinner und Zusammenkünfte ertragen musste, die sie von Tahir forderte. In den letzten fünf Jahren hatte er nicht mehr als eine Handvoll Worte mit ihr gewechselt – die meisten davon bei der Hochzeit seines Bruders –, und das war ihm nur recht.

Er ignorierte das ärgerliche Unbehagen in seiner Brust und sah seinen Assistenten aus schmalen Augen an.

„Diese letzten sieben Tage in Kalifornien waren ein Geschenk an mich selbst, nachdem ich mich monatelang mit meinem Cousin und den vielen Problemen, die sein Königreich plagen, herumschlagen musste. Das wissen Sie, weil Sie keine Termine für mich angenommen und sichergestellt haben, dass ich nicht arbeiten muss, richtig? Und ich habe Ihnen ein paar Tage freigegeben, damit Sie sich in einem Fünf-Sterne-Hotel vergnügen können, falls Sie sich erinnern?“

„Natürlich, Eure Hoheit.“

Javid zuckte zusammen. Egal, wie oft er ihn gebeten hatte, ihn mit seinem Vornamen anzusprechen, wenn sie allein waren, weigerte sich Wilfred hartnäckig. Amüsiert schwor sich Javid, diesen Stock aus dem Rücken seines Assistenten zu entfernen, noch bevor ihre Beziehung beendet wäre. Und wenn es das Letzte war, was er tun würde.

„Warum belästigen Sie mich dann wieder mit Adnan und Yasmin, um Gottes willen?“, beklagte er sich.

Er hatte das Versprechen, das er Tahir gegeben hatte, erfüllt. Zur Hölle, er hatte es mehr als erfüllt! Die sechs Monate in Riyaal, denen er anfänglich zugestimmt hatte, um sich um Adnans fatale Politik zu kümmern, hatten sich zu neun ausgeweitet.

Der beklagenswerte Status quo war eine Herausforderung gewesen, die nur wenige angenommen hätten. Javid hatte sich auf einem schmalen Grat zwischen Frustration und Diplomatie bewegt. Aber er hatte seine Pflicht getan und Adnan geholfen, einige internationale Zwischenfälle und lähmende Handelskonflikte mit seinen Nachbarstaaten und der Welt zu vermeiden. Außerdem hatte er einige vertrauenswürdige Personen in hohen Positionen zurückgelassen, um sicherzustellen, dass das Königreich seines leichtsinnigen Cousins nicht zugrunde ging oder, schlimmer noch, vor einem Putsch stand, angezettelt von den wütenden Untertanen. Wieder einmal.

Zufrieden mit sich und seinem Job, hatte er in seinem Privatjet nach Kalifornien gehofft, seinen Erfolg feiern und seine Freiheit standesgemäß genießen zu können. Deshalb war er ratlos, warum Wilfred ihn überhaupt störte.

„Ihr Bruder hat stundenlang versucht, Sie zu erreichen, Hoheit. Da es ihm nicht gelungen ist, hat er seinen Berater gebeten, mich im Hotel zu kontaktieren.“

Mit einem Schlag war Javid angespannt.

„Warum?“, fragte er lauernd.

Wilfred räusperte sich. „König Adnan und Königin Yasmin waren auf dem Rückflug von ihrer Sommerresidenz, als ihr Hubschrauber abgestürzt ist. Das Wrack wurde gestern in den frühen Morgenstunden entdeckt. Eure Hoheit … es tut mir leid, berichten zu müssen, dass es keine Überlebende gibt“, fügte Wilfred in getragenem Ton hinzu.

Erneut verspürte Javid diesen seltsamen Windhauch, diesmal deutlicher. Ihm wurde eiskalt. Sicher, sein Cousin war ein sturer und rücksichtsloser Idiot gewesen, dennoch war er von seinem Blut. Und Yasmin … Sie war schwanger gewesen mit ihrem ersten Kind.

Trauer und Bedauern erfassten ihn, und er schämte sich zutiefst seiner lieblosen Gedanken von eben.

Er stieg aus dem Bett und ging zu dem raumhohen Fenster, das einen herrlichen Blick auf Santa Barbara bot. Jetzt verstand er, warum sein Assistent ihn aus dem Schlaf gerissen hatte. Tahir hatte ihm die Neuigkeit mitteilen wollen, bevor Javid es durch zwielichtige Kanäle erfahren würde.

„Seine Majestät wünscht trotzdem noch mit Ihnen zu sprechen“, rief Wilfred ihm in Erinnerung.

Erneut stieß Javid die Luft aus, denn er hatte den Verdacht, dass sein Urlaub bedauerlicherweise ein schnelles Ende nehmen würde. Tahir würde ihn natürlich bei der Beerdigung dabeihaben wollen. Vielleicht wollte er sogar seinen Rat hören, wer am besten geeignet war, das Amt seines jungen Cousins zu übernehmen, welches auf tragische Weise und viel zu schnell wieder zur Verfügung stand.

Als er sich vom Fenster abwandte und durch die Suite zum Bad ging, überlegte er sich bereits, wer in die engere Wahl kommen könnte. Viele würden die Chance ergreifen, den Thron zu besteigen, doch Javid kannte nur eine Handvoll Menschen, die wirklich für die Aufgabe geeignet waren.

„Informieren Sie meinen Bruder, dass ich in fünfzehn Minuten bereit sein werde, mit ihm zu sprechen. Und sorgen Sie für eine passende Erklärung sowie Kränze, die dem Palast zugestellt werden sollen.“

„Ja, Eure Hoheit.“ Wilfred hatte sich bereits in Bewegung gesetzt.

Fünfzehn Minuten später trug Javid einen maßgeschneiderten dunklen Anzug mit weißem Hemd und dunkler Krawatte. Er hatte sich nach einer Woche endlich wieder rasiert, und seine Haare waren gekämmt. Mit zusammengelegten Fingerspitzen wartete er in seinem Arbeitszimmer darauf, dass die Verbindung zu seinem Bruder hergestellt wurde.

In Rekordzeit war der Playboy-Prinz verschwunden und hatte dem Diplomaten Platz gemacht. Manche verglichen ihn mit einem Chamäleon, doch Javid gefiel es besser, seine Wandlungsfähigkeit als Produkt seiner umsichtigen und entschiedenen Willensstärke zu betrachten. Er wusste, was er wollte, und entschuldigte sich nicht dafür. Auch hatte er keine Bedenken, seine Ziele durchzusetzen.

Tahirs Gesicht erschien auf dem Bildschirm, und Javid hielt die Luft an, als er seinen Bruder genau betrachtete.

Tahir und er hatten nie eine glückliche Kindheit gehabt. Dass sein Bruder es als Thronerbe weit schlimmer getroffen hatte, war ihm bewusst. Tief im Inneren – an einem dunklen Ort, den er nicht näher erkunden wollte – vermutete Javid, dass sein schamloser Abstieg in ein exzessives Leben sein Weg gewesen war, den Bruder aus dem Rampenlicht herauszuhalten.

Als inzwischen verheirateter Mann hatte Tahir alle Anzeichen ehelichen Glücks gezeigt, auch wenn er die Frau geheiratet hatte, die ihm das Leben davor lange Jahre zur Hölle gemacht hatte. Und auch wenn Javid bereit war, seinem Bruder jedes Glück zu wünschen, konnte er nicht ganz glauben, dass Tahir wirklich glücklich war.

Deshalb sah er seinen Bruder so genau an: Er wollte herausfinden, ob sein angebliches Glück echt war oder ob es sich eher um die vertraute Pseudozuneigung handelte, die er von seiner Mutter und den Frauen, die in seinem Leben kamen und gingen, kannte. Javid ließ keine von ihnen emotional an sich heran, denn er wusste, dass sie nur an einem interessiert waren: sich im Rampenlicht seines royalen Status, seines Reichtums, seiner sexuellen Fähigkeiten und seines brillanten Geistes zu sonnen.

Die Augen seines Bruders verengten sich zu schmalen Schlitzen. Es war, als spürte er Javids Gedanken und würde sie missbilligen.

Javid bedauerte den Anflug von Wut, der sich in den Augen seines Bruders zeigte, ehe er eine neutrale Miene aufsetzte. Tahirs Glück infrage zu stellen, würde dieser als grobe Beleidigung betrachten, das wusste Javid.

Für einen Moment senkte er den Blick, und als er ihn wieder hob, hatte er ebenfalls eine neutrale Miene aufgesetzt, ganz konzentriert auf die traurige Nachricht, die dieses Gespräch erforderlich machte.

„Können wir sicher sein, dass sie beide ums Leben gekommen sind?“, fragte er leise.

Tahirs Nasenflügel bebten, als er hörbar einatmete. Dann nickte er abrupt.

„Es ist bestätigt worden. Die offizielle Erklärung wird später an diesem Morgen herausgegeben, aber die verschiedenen Nachrichtenkanäle sammeln bereits Informationen.“ Leicht verzog er das Gesicht, ehe er sich wieder unter Kontrolle hatte.

Javid beugte sich vor, während er noch einmal bedauerte, dass die beiden so jung hatten sterben müssen.

„Ich streiche alle Termine, damit ich an der Beerdigung teilnehmen kann. Und ich erstelle eine Liste von Kandidaten, die als Interimsherrscher agieren können, bis eine offizielle Ratsversammlung einberufen wird, um …“

Seine Worte verloren sich, als erneut ein seltsamer Ausdruck über das Gesicht seines Bruders huschte.

„Der Rat hat bereits getagt.“ Javid dachte an den Zeitunterschied und nickte, als sein Bruder fortfuhr: „Wir haben uns als Erstes gleich heute Morgen zusammengesetzt. Du hättest auch teilgenommen, hätte man dich erreichen können.“

So wie eben bei Wilfred spürte Javid auch jetzt diesen unheimlichen Luftzug, der über seine Haut strich. Und weil der Auslöser diesmal der Herrscher eines beeindruckenden Königreichs und der Mann war, durch dessen Adern das gleiche Kriegerblut floss wie durch Javids, war die Auswirkung umso stärker. Sein Magen verkrampfte sich, und ihm blieb die Luft weg.

„Nun, ich stehe jetzt zur Verfügung“, sagte er kurz angebunden und ärgerte sich über den leichten Rüffel. Er hatte seine Pflicht als Diplomat getan und war froh, dass es erledigt war.

Ja, es wurmte ihn, dass er die Ratsversammlung verpasst hatte. Aber letztlich hieß das doch wohl, dass er eine Aufgabe weniger gehabt hatte, oder nicht?

Er sehnte sich bereits danach, frei zu sein, seit er erkannt hatte, dass das Zusammensein mit seinen Eltern nur Ablehnung und Schuldzuweisungen bedeutete. Sich in seinem Studium der Diplomatie hervorzutun, war für ihn der beste Weg gewesen, seine königlichen Pflichten zu erfüllen und sich der Gegenwart seines Vaters zu entziehen. Er war gerade einundzwanzig geworden, als er Jukrat verlassen hatte, und seitdem war er nur selten dorthin zurückgekehrt.

Stattdessen hatte er sich in Kalifornien, Kairo, dem südlichen Pazifik und einem halben Dutzend weiterer Orte auf der Welt ein Zuhause geschaffen. Mit einem Privatjet und den unbegrenzten finanziellen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen, hatte er sich ein Leben als Einzelgänger geschaffen. Ein Leben, das er nicht ändern und für das er sich auch nicht entschuldigen würde.

Was bedeutete es schon, dass es allmählich seinen Reiz verlor, ständig neben einer anderen Frau aufzuwachen? Das war sicher nur eine vorübergehende Phase. Er hatte einen sehr gesunden Appetit, und diese ungewöhnliche Durststrecke würde er schon überstehen. Er müsste nur wieder seine alten Tummelplätze aufsuchen oder neue entdecken. Oder beides. Verdammt, vielleicht war es an der Zeit, die neue Megajacht zu kaufen, die er sich versprochen hatte, und den festen Boden gegen das offene Meer zu tauschen, mit einer Blondine – oder auch drei Schönheiten – im Schlepptau.

Er biss die Zähne aufeinander, als sein Bruder sich zurücklehnte und ihn mit eindringlichem Blick betrachtete. Und viel zu viel sah.

„Du stehst also zur Verfügung?“, fragte Tahir.

Die Härchen in Javids Nacken stellten sich erneut auf, aber er ignorierte es auch diesmal.

„Wenn du nicht angerufen hast, um mich zu bitten, dir bei der Zusammenstellung eines neues Gremiums zu helfen, warum dann?“

„Weil gewisse Entscheidungen getroffen wurden, von denen du wissen solltest.“

Ein Anflug von Zorn erfasste ihn. „Wenn mein Beitrag nicht notwendig war, warum muss ich dann davon wissen, wenn es schon beschlossene Sache ist?“

Ein verhaltenes Lächeln umspielte Tahirs Mund. „Ich habe nicht gesagt, dass er nicht notwendig war. Ganz im Gegenteil, dein Beitrag ist jetzt entscheidend.“

„Hör auf, um den heißen Brei herumzureden. Falls du mich nicht mehr brauchst – ich habe einige Meetings, an denen ich teilnehmen muss.“

Das Lächeln verschwand, und Javid hielt wieder die Luft an, als sein Bruder sich erneut vorbeugte.

„Ich brauche dich, Javid, vielleicht mehr denn je. Weil du der einzige Kandidat im Rennen warst.“

„Im Rennen um was?“ Er entschuldigte sich nicht dafür, dass seine Stimme messerscharf klang. Obwohl er nicht an Vorahnungen glaubte, nahm diese immer mehr Raum in seinem Kopf ein, und das beunruhigte ihn zutiefst. „Nein, bestätige mir jetzt nicht, was ich vermute“, sagte er warnend.

„Ich kann es dir unmöglich vorenthalten.“

Sechs Worte nur, doch sie waren welterschütternd.

„Du weißt, dass Adnan außer uns keine nahen Blutsverwandten hatte. Und ich bin aus dem Rennen, aus offensichtlichen Gründen. Das heißt …“

„Nein!“ Javid sprang auf und wandte sich von dem Bildschirm ab, als könnte der Abstand zwischen ihm und seinem Bruder den unausweichlichen Schwerlaster aufhalten, der auf ihn zuraste. „Nicht heute. Nicht morgen. Niemals!“

Tahirs Miene verhärtete sich. „Es ist bereits entschieden.“

Javid wirbelte herum und präsentierte ihm ein freudloses Lächeln. „Denk daran, mit wem du sprichst. Nichts ist je definitiv entschieden, besonders wenn eine Partei sich ausdrücklich weigert.“

Tahir nickte knapp. „Ich weiß genau, mit wem ich spreche. Du bist der vollendete Aufrührer mit dem glücklichen Händchen. Auf der einen Seite eckst du an, während du auf der anderen Seite diplomatische Wunder vollbringst … wenn du willst. Möchtest du damit drohen? Dass du alles zerstören willst, was mit deiner Hilfe in Riyaal aufgebaut wurde, nur um etwas zu beweisen?“

„Ich will damit sagen, dass du es eigentlich besser wissen solltest. Warum präsentierst du mir etwas, was deiner Meinung nach beschlossene Sache ist?“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Besonders wenn du weißt, dass ich es nicht will?! Herrschen war von jeher deine Bestimmung, nicht meine.“

Das Gesicht seines Bruders verzog sich, doch seine Miene wirkte nicht so hart oder verbittert wie früher. Einen Moment fragte sich Javid, ob Lauren dafür verantwortlich war, doch dann schüttelte er den Gedanken ab. Das spielte keine Rolle. Sein unmittelbares Ziel bestand jetzt darin, sich aus den Fängen seines Bruders zu befreien.

„Du irrst dich.“

„Entschuldigung?“, entgegnete Javid atemlos und erging sich in der Wut, die erneut in ihm aufgeflammt war. Der Frustration, die ein vertrauter Bettgenosse war. Was ihm jedoch nicht gefiel, war die Vorahnung, die ihn ständig bedrängte. Es fühlte sich an, als sei alles schon entschieden, egal, was er tun oder sagen würde.

„Du betrittst einen Raum und veränderst die Meinung der Leute. Du verlässt einen Raum, und das Leben überall auf der Welt verändert sich zum Besseren. Also sag mir, Bruder, was ist das, wenn nicht Herrschaft?“

Javid spürte, dass ihm der Mund offen stehen blieb, doch dann fasste er sich wieder.

„Mach dich nicht lächerlich.“

Tahir antwortete nicht, sondern begegnete dem wütenden Blick seines Bruders mit Entschlossenheit.

„Ich habe vier sehr gute Kandidaten für die Interimsherrschaft“, schnauzte Javid, ehe er die Namen herunterratterte, die er zusammengestellt hatte, noch bevor er unter die Dusche gegangen war.

Tahir nickte. „Alles brillante Leute in ihrem Bereich, die du als deine Ratgeber engagieren kannst.“

Javid kniff sich in die Nasenwurzel. Der Schmerz in seinen Schläfen dehnte sich nun in den ganzen Körper aus.

„Du hörst mir nicht zu“, knurrte er.

„Ich höre dir sehr wohl zu. Dir und dem Instinkt, der mir sagt, dass keiner so gut geeignet ist wie du. Du hast das Problem mit dem Handelsdeal gelöst und innerhalb von wenigen Monaten in Riyaal eine drohende wirtschaftliche Pleite abgewendet. Du bist besser befähigt als all die Kandidaten, die du aufgestellt hast.“

„Du übersiehst bewusst einen Punkt. Ich. Will. Diesen. Job. Nicht.“

Tahirs Miene verhärtete sich. In diesem Moment erkannte Javid ihren Vater in ihm wieder. Sicher, im Blick seines Bruders lag nicht diese ständige Kritik und Verachtung wie damals in dem seines Vaters. Trotzdem lief ihm ein Schauer über den Rücken.

„Aber du bist vom gleichen Geblüt, Javid. Und Riyaal braucht dich. Nachdem du so gekämpft hast, um Adnans Volk zu helfen, willst du die Menschen jetzt wirklich im Stich lassen?“

Es war ein Tiefschlag, doch in vielerlei Hinsicht respektierte Javid seinen Bruder für dessen Schonungslosigkeit. Es war ein Charakterzug, den sie gemeinsam hatten und den er durchaus nutzte, wenn es ihm passte. Er wäre sehr viel enttäuschter gewesen, hätte Tahir versucht, ihn zu beschwatzen.

Natürlich verstärkte sich seine Wut, als er sah, dass sein Bruder jemandem zunickte, der sich außerhalb des Bildschirms befand. Und als es klopfte und Wilfred eintrat, musste er die Ledermappe, die sein Assistent ihm hinlegte, nicht öffnen, um zu wissen, was sie enthielt.

Als Wilfred einen anderen Bildschirm aktivierte, auf dem ausgerechnet einer der Männer auftauchte, die er für die Interimsherrschaft ausgesucht hatte, spürte er, wie die Klauen des Unvermeidlichen sich immer tiefer in sein Fleisch bohrten.

Wütend starrte er seinen Bruder an. „Was macht er hier?“

„Dein Assistent und dein baldiger Stabschef fungieren als Zeugen, damit du die wichtigen Schritte einleiten kannst.“

„Du hältst das vielleicht für eine ausgemachte Sache, aber ich werde Forderungen stellen. Einige sogar“, knurrte er.

Tahir verzog den Mund. „Lies das Dokument, dann wirst du sehen, dass ich ein paar Dinge schon vorhergesehen habe.“

Javid richtete seine Aufmerksamkeit auf das Dokument, das vor ihm lag. Sein Blick flog über die Zeilen, die sein Schicksal als Herrscher eines Königreichs besiegelten, das er nicht wollte.

Als er halb durch war, suchte sein Blick den seines Bruders.

„Fünfzehn Jahre? Du willst, dass ich mich für fünfzehn Jahre verpflichte, bevor ein anderer Herrscher überhaupt in Erwägung gezogen wird? Das ist ein Scherz, oder?“

„Wie viele schlägst du vor?“

„Fünf“, schnauzte er und fand, dass er damit bereits mehr als großzügig war.

„Zwölf“, entgegnete Tahir.

„Nein, ich gebe dir sieben. Das ist mehr als genug.“

„Zehn. Gerade du weißt, wie lange es dauert, um eine gute, dauerhafte Führung zu etablieren.“

Javid spannte seine Kiefermuskeln an. Zehn Jahre waren normalerweise bei diplomatischen Verhandlungen seine Empfehlung. Jetzt wurde er mit seinen eigenen Waffen geschlagen.

„Gut. Zehn. Nicht eine Sekunde länger.“

Tahir lächelte, und Javid wusste, dass er manipuliert worden war. Er bezwang seine Wut und las weiter – nur um bei der nächsten Seite schockiert nach Luft zu schnappen.

„Eine Braut? Du erwartest von mir, dass ich heirate, und hast bereits eine Frau für mich ausgesucht?“, fauchte er ungläubig.

Tahir lächelte nicht mehr, doch in seinen Augen lag ein Anflug von Mitgefühl, als er antwortete.

„Leider hält die Ratsversammlung diesen Punkt für nicht verhandelbar. Auch wenn ich damit nicht einverstanden bin, ist es beschlossene Sache. Am Tag vor deiner Krönung in drei Wochen wirst du die Cousine der verstorbenen Königin heiraten.“

2. KAPITEL

Anaïs Dupont hatte ein Stadium der Trauer erreicht, in dem Wut durch ihre Adern strömte. Sie hatte Schock und Verleugnung durchlebt, nachts in ihr Kissen geschluchzt, von Depressionen überwältigt. Und als der Leichnam ihrer geliebten Cousine zusammen mit deren Ehemann ins Grab heruntergelassen wurde, hatte sie vergeblich mit dem Schicksal gefeilscht.

Jetzt war sie voller Wut wegen des sinnlosen Todes ihrer Cousine. Wegen des Babys, das sie nie kennenlernen würde. Doch vor allem war sie wütend wegen der Neuigkeit, die die Ratsmitglieder des Palastes ihr am Vortag überbracht hatten, erst drei Tage nach dem Begräbnis. Und wegen der mitleidlosen und gleichgültigen Art und Weise, mit der ihr Plan, nach Frankreich zurückzukehren, vereitelt worden war.

Auf Ersuchen des Oberhaupts des Hohen Rates. Um dessen Identität ein Geheimnis gemacht wurde.

Und dann noch die Neuigkeit, dass man ihr eine neue Rolle zuweisen würde, die man zum richtigen Zeitpunkt bekannt geben würde. Als hätte sich nichts Besseres zu tun, als herumzusitzen und Däumchen zu drehen!

Aber hatte sie nicht genau das den Großteil der drei Jahre, die sie als Hofdame ihrer Cousine hier verbracht hatte, gemacht? Yasmin, möge sie in Frieden ruhen, war als Königin nicht viel mehr als ein Aushängeschild gewesen, eine Verzierung am Arm ihres Mannes, zur Schau gestellt, wenn die Gelegenheit es erforderte. Anschließend war sie wieder auf ihr äußerst luxuriöses Regal zurückgestellt worden, um ihre Zeit damit zu vertrödeln, Teegesellschaften zu organisieren und mit ihren Freundinnen und Höflingen zu tratschen. 

Fairerweise musste gesagt werden, dass ihre Cousine zufrieden damit gewesen war. Und wie sehr hatte sie sich gefreut, als sie schwanger geworden war!

Aber in ihren dunkelsten, beschämenden Momenten, hatte Anaïs sich da nicht gewünscht, in Frankreich geblieben zu sein? Dass sie einen Brief oder eine E-Mail geschrieben hätte, statt nach Riyaal zu reisen, um ihrer Cousine persönlich zu kondolieren, als Yasmins Mutter gestorben war?

Hatte sie ihre Cousine nicht als Ausrede benutzt, um ihrem Leben einen neuen Sinn zu geben und wieder Verbindung mit der Frau aufzunehmen, an die sie sich nur vage, aber mit Zuneigung erinnerte, aus einer Zeit, als sie als Kind in Aix-en-Provence gewesen war?

In den Monaten nach ihrer Ankunft, hatte sie sich da nicht gewünscht, sie hätte ein wenig länger über die Stellung nachgedacht, bevor sie die Chance ergriffen hatte, in einem anderen Land zu leben?

Sicher, kurz bevor Yasmin zu Tode gekommen war, hatte die Sache anders ausgesehen. Ihre Cousine war zur Königin eines Landes geworden, das kurz vor einem Aufruhr gestanden hatte. Plötzlich waren Anaïs’ Tage nicht mehr damit ausgefüllt gewesen, bei Petits Fours und Kaffee zu plaudern. Stattdessen hatte sie versucht, die Nerven ihrer nun schwangeren Cousine zu beruhigen, die zwischen Morgenübelkeit und Sorge um ihren Mann und die drohenden Unruhen in Riyaal hin und her schwankte.

Autor

Maya Blake
<p>Mit dreizehn Jahren lieh sich Maya Blake zum ersten Mal heimlich einen Liebesroman von ihrer Schwester und sofort war sie in den Bann gezogen, verlor sich in den wunderbaren Liebesgeschichten und begab sich auf romantische Reisen in die Welt der Romanhelden. Schon bald träumte sie davon, ihre eigenen Charaktere zum...
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