Heiß begehrt, heiß ersehnt

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Als Lily einen Labradorwelpen vor ihrer Tür findet, gerät ihr wohlbehütetes Herz in Gefahr: Ständig kommt der gut aussehende Tierarzt Christopher Whitman vorbei! Angeblich nur, um den Hund zu trainieren. Trotzdem kann sie seiner magischen Anziehungskraft nicht lange widerstehen …


  • Erscheinungstag 05.06.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783751521963
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

PROLOG

„Sie erinnern sich nicht an mich, oder?“

Maizie Connors, jugendliche Großmutter, erfolgreiche Maklerin und Partnervermittlerin in höchster Vollendung, musterte den großen, attraktiven Mann, der in der Tür zu ihrem Immobilienbüro stand. Ihr huschten die unzähligen Gesichter durch den Kopf, die ihr in den letzten Jahren sowohl beruflich als auch privat untergekommen waren. Sosehr sie sich auch bemühte, sich an den jungen Mann zu erinnern, es war vergebens. Sein Lächeln war ihr vertraut, aber sonst nichts.

Von Natur aus aufrichtig, schüttelte sie den Kopf und gab zu: „Ich fürchte, nein.“

„Ich war damals viel jünger und habe wohl eher wie eine Bohnenstange ausgesehen.“

„Ihre Stimme kommt mir bekannt vor, und ich weiß, dass ich dieses Lächeln irgendwo schon mal gesehen habe, aber …“ Maizie verstummte, während sie ihn noch eingehender betrachtete. „Ich weiß, dass ich Ihnen kein Haus verkauft habe.“

Sie erinnerte sich an sämtliche Immobilienkunden und auch an alle Paare, die sie in Teamwork mit Theresa und Cecilia zusammengebracht hatte.

Maizie und ihre seit jeher besten Freundinnen hatten ihre wahre Berufung vor einigen Jahren gefunden. Aus Verzweiflung über das Singledasein ihrer Kinder hatten sie damals die Beziehungen aus ihren drei verschiedenen Geschäftszweigen genutzt, um ihren Nachwuchs unter die Haube zu bringen.

Wegen des riesigen Erfolgs auf diesem Gebiet wollte das Trio seine Tätigkeit nicht aufgeben, nur weil ihm die eigenen Kinder als Verkupplungsopfer längst nicht mehr zur Verfügung standen. Also machte es umtriebig bei Freunden und Kunden weiter.

Das Trio agierte strikt im Verborgenen, damit die Betroffenen nicht merkten, dass sie manipuliert wurden. Was dabei für die Mitglieder dieses Geheimbundes heraussprang, war nicht finanzieller Natur, sondern eine tiefe Genugtuung darüber, Seelenverwandte miteinander zu vereinen.

Aber der junge Mann in Maizies Büro zählte weder zu ihrer offiziellen noch ihrer geheimen Klientel. Resigniert zuckte sie die Schultern. „Ich fürchte, Sie müssen Erbarmen mit mir haben und mir verraten, warum mir Ihr Lächeln und Ihre Stimme vertraut sind, sonst aber nichts.“ Noch während sie sprach, fiel ihr ein Teil der Antwort ein. „Sie sind der Sohn einer Person, die ich kenne, oder?“

Aber welcher? Sie war weder in der Immobilienbranche noch in der Partnerschaftsvermittlung lange genug im Geschäft, als dass dieser Jungspund das Resultat ihrer Bemühungen sein konnte.

„Einer Frau, die Sie kannten.“

In diesem Moment ging ihr ein Licht auf. „Sie sind Frances Whitmans Sohn, stimmt’s?“

Er grinste. „Mom hat immer gesagt, dass Sie außerordentlich scharfsinnig sind. Ja, ich bin Frances’ Sohn“, bestätigte er stolz.

Der Name beschwor ein Bild vor Maizies geistigem Auge herauf. Von einer Frau mit funkelnden blauen Augen und lächelnden Lippen – in jeder Lebenslage. Das gleiche Lächeln sah sie nun wahrhaftig vor sich. „Christopher Whitman!“, rief sie erfreut und drückte ihn in einer herzlichen Umarmung an sich, wobei sie ihm lediglich bis an die Brust reichte. „Wie geht es Ihnen?“

„Gut, danke. Wir werden übrigens Nachbarn.“

„Nachbarn?“ Verwundert runzelte sie die Stirn. Er musste sich irren, denn sie wusste von jedem Wohnobjekt, das nicht nur in ihrem Viertel, sondern in der ganzen Stadt zum Verkauf oder zur Vermietung stand.

„Ja. Ich habe gerade Räume in diesem Einkaufszentrum angemietet. Nur zwei Türen weiter.“

„Ach, wirklich?“

„Ja. Ich denke, dies ist der geeignete Standort für meine Praxis.“

Ein wenig überrascht und bewundernd zugleich zog sie die Augenbrauen hoch. „Sie sind Arzt?“ Das kam ihr als Erstes in den Sinn, weil ihre Tochter Kinderärztin war.

Er nickte. „Für Tiere aller Art, ob groß oder klein.“

„Sie sind also Veterinär.“ Sie trat einen Schritt zurück, um ihn in voller Statur mustern zu können. Er war zweifellos kräftiger geworden, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. „Christopher Whitman … Sie sehen Ihrer Mutter sehr ähnlich.“

„Das fasse ich als Kompliment auf.“ Er lächelte sie herzlich an. „Ich bin sehr dankbar, dass Sie und die anderen Ladys für Mom da waren, während sie ihre Behandlungen bekam. Sie hat mir erst kurz vor ihrem Tod gesagt, wie krank sie wirklich war. Sie wissen ja, wie stolz sie war.“

„Vor allem auf Sie“, betonte Maizie. „Sie wollte nicht, dass Sie früher davon erfahren, um Ihre Ausbildung nicht zu gefährden. Sie hat befürchtet, dass Sie sonst das Studium sausen lassen.“

„Stimmt. Das hätte ich getan“, bestätigte er in unüberhörbar betrübtem Ton.

Frances hätte nicht gewollt, dass ihr Sohn sich Vorwürfe wegen einer Entscheidung macht, die sie für ihn getroffen hat. Diese Überzeugung veranlasste Maizie, schnell das Thema zu wechseln. „Tierarzt also, das ist ja schön. Und was ist sonst noch alles passiert, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben?“

Er zuckte die breiten Schultern. „Nicht viel.“

„Gibt es eine Frau Doktor?“

Christopher lachte leise und schüttelte den Kopf. „Ich hatte keine Zeit, um die richtige Frau zu finden.“ Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, aber ihm war momentan nicht danach zumute, sich über dieses schmerzliche Thema auszulassen. „Mom hätte diese Ausrede gehasst, aber es ist nun mal so. Wie auch immer, ich habe Ihren Namen an der Tür gesehen und wollte einfach kurz reinschauen und Hallo sagen. Kommen Sie doch bei Gelegenheit in meiner Praxis vorbei. Dann können wir weiter über Mom reden.“

„Aber ja!“ Und über andere Dinge, fügte sie im Stillen an, während sie Christopher gedankenversunken nachblickte. Vorfreude stieg in ihr auf. Ich kann es kaum erwarten, Theresa und Cecilia davon zu erzählen

1. KAPITEL

Wieso ist es denn schon wieder so spät?

Die entnervte, wenn auch rhetorische Frage spukte Lily Langtry im Kopf herum, während sie durch das Haus eilte und sich vergewisserte, dass alle Fenster und Türen geschlossen waren. Sie hatte zwar nichts von irgendwelchen Einbrüchen in ihrer Nachbarschaft gehört, aber sie lebte allein und konnte daher nicht vorsichtig genug sein.

Die Minuten flogen nur so dahin.

Früher einmal war sie zu sämtlichen offiziellen wie privaten Terminen nicht nur pünktlich, sondern vorzeitig erschienen. Damals war ihr Leben wesentlich strukturierter gewesen, obwohl sie ihre kranke Mutter gepflegt und dazu zwei Jobs gehabt hatte, um für die Arztrechnungen aufkommen zu können.

Seit Lily nach dem Tod ihrer Mutter ganz auf sich allein gestellt und somit nur noch für sich selbst verantwortlich war, hatte sie seltsamerweise ihren Tagesablauf längst nicht mehr so gut im Griff.

Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es bereits zehn nach acht war, als sie in ihre High Heels schlüpfte.

„Endlich“, murmelte sie und lief zur Haustür hinaus. Da sie gleichzeitig in ihrer übergroßen Tasche nach ihrem Schlüsselbund wühlte, guckte sie nicht, wohin sie trat.

Im Nachhinein führte sie zu ihrer Verteidigung an, dass sie nichts vor ihrer Türschwelle erwartet hatte, schon gar nicht ein schwarzes Fellknäuel, das herzzerreißend jaulte, als sie ihm auf eine Pfote trat.

Lily sprang zurück, legte sich vor Schreck eine Hand auf ihr wild pochendes Herz und ließ dabei die Tasche fallen, die mit einem lauten Knall auf dem Boden landete und das bereits verängstigte Fellknäuel noch mehr in Angst und Schrecken versetzte. Anstatt jedoch wegzulaufen, leckte es ihre Schuhe ab, und weil sie Sandaletten trug, kitzelte die flinke rosa Zunge sie an den Zehen.

Überrascht, verblüfft, auf Anhieb verzückt hockte Lily sich auf Augenhöhe mit dem Tier, bei dem es sich augenscheinlich um einen Labradorwelpen handelte. Ihr voller Terminplan war vorläufig vergessen. „Hast du dich verlaufen?“

Der Kleine ließ von ihrem Schuh ab und leckte ihr stattdessen das Gesicht.

Sie kapitulierte und ließ den entzückenden unerwarteten Besucher gewähren.

Schließlich richtete sie sich wieder auf und spähte die Straße hinauf und hinunter, um in Erfahrung zu bringen, ob jemand nach einem entlaufenen Haustier suchte. Offensichtlich war das nicht der Fall, denn sie sah nur Mr. Baker von gegenüber, der gerade in sein Midlife-Crisis-Auto – eine himmelblaue Corvette – stieg.

Von dem cremefarbenen Sedan, der ein Stück entfernt auf der anderen Straßenseite parkte, nahm sie keinerlei Notiz – ebenso wenig von der älteren Frau, die geduckt auf dem Fahrersitz hockte.

Das Hündchen, das wieder ihre Schuhe abschleckte, schien ganz allein zu sein.

Um seiner kitzelnden Zunge zu entkommen, setzte Lily einen Fuß nach dem anderen zurück – mit dem Resultat, dass es ihr folgte. „Deine Leute haben offensichtlich noch nicht gemerkt, dass du weg bist.“

Es neigte den Kopf zur Seite, suchte unverkennbar Blickkontakt und vermittelte ihr damit den Eindruck, jedes Wort zu verstehen.

„Ich muss zur Arbeit“, teilte sie ihm mit.

Der Welpe beobachtete sie unverwandt, als wäre sie für ihn die einzige Person auf der großen weiten Welt.

Sie wusste, wann sie sich geschlagen geben musste, und kapitulierte vor den großen braunen Augen, die sie so eindringlich und flehend anguckten. Seufzend wich sie weiter zurück und ließ den ungebetenen Gast in ihr Haus. „Okay, du kannst bleiben, bis ich wiederkomme.“

Ihr fiel ein, dass sie ihm etwas zu trinken und zu fressen hinstellen musste. Sie lief in die Küche, mit dem Welpen auf den Fersen, füllte eine Suppenschale mit Wasser, legte ein paar Scheiben Roastbeef vom Vortag auf eine Serviette und platzierte beides auf den Fußboden. „Das müsste reichen, bis ich wieder da bin.“

Anstatt ihr wie erwartet zum Futter zu folgen, beschäftigte er sich anderweitig. Er nagte eifrig an einem Stuhlbein.

„Hey! Hör auf damit!“

Unbeirrt knabberte er weiter.

„Oh weh! Wenn ich dich hier allein lasse, wird es aussehen, als wäre ein Schwarm Heuschrecken durchgezogen, wenn ich nach Hause komme.“ Lily seufzte. Es stimmt wirklich, was die Leute sagen. Keine gute Tat bleibt ungestraft. Sie sah sich in der Küche und dem angrenzenden kleinen Wohnzimmer um. Abgesehen vom Fernseher waren fast alle Gegenstände älter als sie selbst. „Du kannst nicht hierbleiben. Ich habe kein Geld für neue Möbel.“

Der Welpe guckte zu ihr hoch und winselte. Herzzerreißend.

Von Natur aus feinfühlig, hatte sie der Mitleidstour des kleinen Kerlchens nichts entgegenzusetzen. „Also gut, du kannst mitkommen. Vielleicht hat bei der Arbeit jemand eine Idee, was ich mit dir anfangen soll.“ Unschlüssig musterte sie ihn. „Beißt du mich, wenn ich dich hochhebe?“

Ihre Erfahrung mit Hunden beschränkte sich auf Tiersendungen im Fernsehen. Dennoch war sie sich ziemlich sicher, dass der Labrador bisher keinerlei Erziehung genossen hatte.

Trotzdem hoffte sie, dass er ihr folgte, und ging rückwärts zur Haustür.

Er beobachtete sie aufmerksam, rührte sich aber nicht vom Fleck.

„Komm schon, Junge, komm zu mir!“, rief Lily ihm zu und klopfte sich dabei auf den Oberschenkel.

Zu ihrer Erleichterung wie Überraschung gehorchte er tatsächlich.

Sie öffnete die Haustür und klopfte sich erneut auf das Bein.

Er lief zu ihr und blickte sie erwartungsvoll an, als wollte er sagen: Okay, hier bin ich. Und was jetzt?

Darauf wusste Lily jetzt auch keine Antwort.

„Ich kann mich nicht erinnern, einen Tag der offenen Tür für Schoßhunde ausgerufen zu haben“, verkündete Alfredo Delgado, der Chefkoch von Theresa Manettis Catering-Service, sobald Lily an ihrem Arbeitsplatz erschien.

In einer Hand hielt sie ein Seil, das als behelfsmäßige Leine diente; am anderen Ende befand sich der schwarze Labrador.

Theresa kam aus ihrem kleinen Büro und musterte das Tier mit unergründlicher Miene.

„Tut mir leid, dass ich zu spät komme“, entschuldigte Lily sich bei ihrer Arbeitgeberin. „Mir ist da ein kleines Hindernis in die Quere gekommen.“

„Für mich sieht es eher so aus, als ob dir das ‚Hindernis‘ nachläuft.“ Erwartungsvoll blickte Theresa die junge Frau an, die sie vor einem guten Jahr unter ihre Fittiche genommen und als Chefpatissière eingestellt hatte.

Lily hatte die Stellung nicht nur bekommen, weil sie überragende Köstlichkeiten zu zaubern verstand. Ein weiterer Grund bestand darin, dass sie seit dem kürzlichen Tod ihrer Mutter ganz allein auf der Welt war, und Theresa – genau wie ihre Freundinnen Maizie und Cecilia – ein großes weiches Herz mit viel Platz für Empathie hatte.

„Tut mir leid. Ich habe ihn heute Morgen auf meiner Schwelle vorgefunden, als ich die Tür aufgemacht habe. Ich konnte ihn nicht einfach draußen herumstreunen lassen. Ich hatte Angst, heute Abend nach Hause zu kommen und festzustellen, dass er überfahren wurde. Das hätte ich mir nie verzeihen können.“

Alfredo bückte sich, kraulte den Welpen zwischen den Ohren und fragte verständnislos: „Warum hast du ihn nicht einfach drinnen im Haus gelassen?“

„Das hatte ich am Anfang vor. Aber dann hat sich herausgestellt, dass er anscheinend die ganze Welt als einen riesigen Beißring betrachtet.“

„Also hast du ihn mitgebracht.“ Unwillkürlich spielte ein kleines verschmitztes Lächeln um Theresas Lippen. Um es zu kaschieren, fügte sie an: „Eigentlich sind hier keine Tiere erlaubt.“

„Aber hier ist alles aus Edelstahl. Seine kleinen Zähne können keinen Schaden anrichten.“ Beschwörend bat Lily: „Darf er bleiben? Nur heute?“

Theresa gab vor, die Sache zu überdenken – als hätte sie bei dem wundersamen Erscheinen des Welpen vor der Tür ihrer Chefkonditorin nicht ihre Hand im Spiel gehabt.

Tatsächlich hatte sie sogar gründlich mitgemischt. Beim letzten Treffen des Trios hatte Maizie vom Sohn ihrer verstorbenen Freundin Frances berichtet, der gerade eine Tierarztpraxis in der Nähe ihres Immobilienbüros eröffnete, und ihn als potenziellen Kandidaten für ihre Partnerschaftsvermittlung vorgeschlagen. Spontan war Theresa auf die glorreiche Idee gekommen, ihn mit Lily zu verkuppeln, die ihrer Meinung nach dringend eine positive Erfahrung in ihrem Leben brauchte.

Die Suche nach einer Möglichkeit, die beiden auf „natürlichem“ Weg zusammenzubringen, hatte durch einen glücklichen Zufall unverhofft schnell zum Erfolg geführt. Denn Cecilia hatte ganz nebenbei erwähnt, dass sie jemanden suchte, der einen Welpen adoptieren wollte. „Meine Hündin Princess hat vor sechs Wochen acht Hundebabys zur Welt gebracht. Ich muss dringend ein paar von ihnen in gute Hände abgeben, bevor sie mir die Haare vom Kopf fressen“, hatte sie erklärt.

Alles Weitere hatte sich fast wie von selbst ergeben.

Von Theresa genauestens unterrichtet, an welchen Tagen und zu welcher Uhrzeit Lily das Haus morgens zu verlassen pflegte, war Cecilia mit einem der Welpen – und zwar ganz bewusst mit dem Kümmerling des Wurfs – hingefahren und hatte ihn direkt vor der Tür ausgesetzt.

Das ungestüme Tier war mehrmals ausgebüxt, bis Cecilia schließlich auf die glorreiche Idee gekommen war, als Bestechung Leckerbissen in die Löcher der grobmaschigen Fußmatte zu stopfen.

Kaum war sie wieder bei ihrem Auto angekommen, hatte Lily auch schon ihre Haustür geöffnet und war über den Welpen gestolpert.

Nun entschied Theresa großmütig: „Also gut. Hauptsache, du sorgst dafür, dass er sich der Küche fernhält.“

Momentan erkundete er sehr gründlich den Laden, indem er die Nase in jede Ecke und unter jedes Möbelstück steckte und schnüffelte.

Lily beobachtete ihn mit Argusaugen, aus Angst, dass er etwas anstellen könnte, was Theresas Unmut erweckte. Sie scheuchte ihn aus einer Ecke, in der Kartons aufgestapelt waren. „Wie alt sind eigentlich deine Enkelkinder?“

„Warum?“

„Hätten sie nicht gern einen Hund? Du könntest sie mit Jonathan überraschen.“

Fragend zog Theresa eine Augenbraue hoch. „Jonathan?“

„Der Welpe.“

„Du hast ihm einen Namen gegeben?“, wunderte sich Alfredo mit einem breiten Grinsen. „Das heißt, dass du schon an ihm hängst.“

Ein Anflug von Panik zeigte sich auf Lilys Gesicht. Sie wollte an nichts und niemandem hängen. Sie war noch immer damit beschäftigt, ihr Leben nach dem Verlust ihrer Mutter wieder in den Griff zu bekommen. Sich auf etwas Neues einzulassen kam überhaupt nicht infrage. „Nein, das bedeutet es nicht“, protestierte sie entschieden. „Ich konnte ihn nur nicht ständig ‚Hund‘ nennen.“

„Du hättest schon können, aber du wolltest nicht. Was bedeutet, dass du bereits eine Beziehung zu dem Knirps aufgebaut hast“, beharrte Alfredo.

„Auf keinen Fall!“, widersprach Lily entschieden. „Ich weiß nicht mal, wie man überhaupt eine Beziehung zu einem Tier eingeht. Das einzige Haustier, das ich je hatte, war ein Goldfisch namens Seymour, und der hat gerade mal zwei Tage überlebt.“

„Dann wird es höchste Zeit, einen neuen Versuch zu starten. Du kannst dich doch nicht so einfach geschlagen geben.“

Lily wandte sich Hilfe suchend an ihre Chefin.

Theresa legte ihr eine Hand auf die Schulter. „In diesem Punkt bin ich einer Meinung mit Alfredo. Außerdem kannst du den Hund vorerst nicht weggeben.“

„Warum denn nicht?“

„Weil der Besitzer genau in diesem Moment nach ihm suchen könnte.“

Lily stöhnte. Das hatte sie gar nicht bedacht. „Da ist was dran. Ich mache Flyer und hänge sie auf.“

„Ich schlage vor, dass du dich zunächst einmal vergewisserst, dass der kleine Kerl gesund ist.“

„Wie soll ich das denn anstellen?“ Lily war total unbedarft, wenn es um die Pflege nichtmenschlicher Kreaturen ging. Sie hatte nicht einmal die Spur eines grünen Daumens. Wie prächtig eine Pflanze auch gediehen sein mochte, in ihrer Obhut ging sie unweigerlich ein. Deswegen hatte sie auch keinen Garten mehr. Die Vorstellung, gar für ein Tier verantwortlich zu sein, jagte ihr einen Schauer über den Rücken.

Theresa erwiderte: „Nun, an deiner Stelle würde ich ihn als Erstes zu einem Tierarzt bringen.“

„Er sieht doch gar nicht krank aus.“ Lily musterte den Welpen, der gerade von Alfredo gekrault wurde und sich anscheinend wie im siebten Himmel fühlte. „Ist das wirklich nötig?“

„Unbedingt“, bestätigte Theresa ohne Zögern. „Stell dir bloß mal vor, wie du dastehst, wenn du ihn krank an seinen Besitzer zurückgibst! Wenn er wollte, könnte er dich wegen Vernachlässigung anzeigen.“

Sich um ein Lebewesen kümmern zu müssen war für Lily das Letzte, was sie gebrauchen konnte. „Hätte ich meine Haustür heute Morgen mal besser nicht aufgemacht.“

„Ach, wie kannst du nur so etwas sagen?“ Theresa umfasste die Schnauze des Welpen und drehte seinen Kopf zu Lily um. „Sieh dir doch bloß mal dieses entzückende kleine Gesichtchen an!“

„Das versuche ich ja gerade zu vermeiden“, gestand Lily ein. Andererseits wollte sie natürlich nicht, dass es dem Hund schlecht erging, solange er sich vorübergehend in ihrer Obhut befand. Wobei „vorübergehend“ das Schlüsselwort ist. „Okay. Wie finde ich einen Tierarzt, der gut, aber nicht teuer ist?“

Theresa lächelte geradezu entzückt. „Du hast Glück. Zufällig weiß ich von einem, der gerade eine neue Praxis eröffnet hat. Eine meiner besten Freundinnen hat mir erzählt, dass sie bei ihm war, und er wahre Wunder an ihrem Hund Lazarus vollbracht hat.“

Dass Maizie gar keinen Hund besaß – geschweige denn einen namens Lazarus –, machte im Gesamtbild nur ein winziges, unwichtiges Detail aus. In aller Regel schwindelte Theresa nicht, aber gelegentlich musste eine Regel notgedrungen gebeugt oder gar gebrochen werden. „Ich könnte sie anrufen und mir die Telefonnummer für dich geben lassen.“

„Warum nicht?“, erwiderte Lily mit einem vagen Achselzucken. „Was habe ich schon zu verlieren? Bloß ein bisschen Geld.“

Theresa betrachtete ihr folgendes Angebot als Investition in Lilys zukünftiges Glück. „Ich sage dir was. Wir hatten einen umsatzstarken Monat. Ich komme für Jonathans Arztbesuch auf. Sieh es als kleines Geschenk von mir an.“

„Und was ist mit mir?“ Alfredo gab sich gekränkt. „Kriege ich kein Geschenk, Chefin?“

„Ich komme auch für Ihren Tierarztbesuch auf, falls sich herausstellt, dass Sie einen brauchen“, witzelte Theresa, und damit zog sie sich in ihr Büro zurück.

Sorgsam schloss sie die Tür hinter sich, bevor sie sich an den Schreibtisch setzte. Eifrig hob sie den Telefonhörer ab und wählte eine Nummer. Sie hielt nichts von Handys. Ihrer Erfahrung nach war die Verbindung niemals so klar wie beim Festnetz.

Maizie meldete sich beim zweiten Klingeln. „Connors Immobilien.“

„Houston, wir sind erfolgreich gestartet“, flüsterte Theresa in verschwörerischem Ton.

„Theresa? Bist du das?“

„Natürlich bin ich das! Wer sonst würde dich anrufen und so etwas sagen?“

„Keine Ahnung. Nichts für ungut, aber du guckst zu viele Spielfilme. Also, was versuchst du, mir zu sagen?“

Ungehalten erklärte Theresa: „Dass Lily den Welpen zu Frances’ Sohn bringt.“

„Warum hast du das nicht gleich gesagt?“

„Weil es so gewöhnlich klingt.“

„Manchmal ist das Gewöhnliche gerade richtig. Bringt sie ihn gleich heute hin?“

„Dazu habe ich sie überredet.“

Autor

Marie Ferrarella
<p>Marie Ferrarella zählt zu produktivsten US-amerikanischen Schriftstellerinnen, ihren ersten Roman veröffentlichte sie im Jahr 1981. Bisher hat sie bereits 300 Liebesromane verfasst, viele davon wurden in sieben Sprachen übersetzt. Auch unter den Pseudonymen Marie Nicole, Marie Charles sowie Marie Michael erschienen Werke von Marie Ferrarella. Zu den zahlreichen Preisen, die...
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