Heiße Nacht in Monte Carlo

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Zum Teufel mit Elliot! Lucy Ann kann nicht fassen, dass der sexy Rennfahrer auf einmal vor ihr steht. Seit sie vor elf Monaten in Monte Carlo eine heiße Nacht miteinander verbracht haben, hat er sich nicht bei ihr gemeldet. Warum taucht er jetzt plötzlich bei ihr auf?


  • Erscheinungstag 15.09.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733769543
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Elliot Starc hatte sein ganzes Leben lang der Gefahr ins Auge geblickt. Es fing mit seinem Vater an, der nicht selten die Fäuste gegen ihn erhoben hatte, und setzte sich später in seinem Beruf als Formel-1-Rennfahrer fort, bei dem er seine Reisen um die Welt außerdem dazu nutzte, Interpol mit Informationen zu versorgen.

Doch ihm war nie der Gedanke gekommen, dass er einmal entführt werden könnte. Schon gar nicht im Verlauf der Junggesellenparty seines besten Freundes.

Als Elliot langsam zu sich kam, erkannte er wütend, dass seine Hände in Handschellen steckten. Sie fühlten sich schon ganz taub an. Er versuchte, die Fesseln abzuschütteln und sich zu orientieren, doch er war immer noch etwas benommen. Er erinnerte sich nur daran, dass er in Atlanta bei einem Junggesellenabschied gewesen war. Nun trug er Handschellen und eine verdammte Augenbinde und hatte keine Ahnung, was zum Teufel das alles sollte. Er wusste, dass er sich in einem Fahrzeug befand, das nach Leder und Luxus roch. Die Hintergrundgeräusche verrieten ihm auch nicht viel, da er nur das leise Schnurren eines gut eingestellten Motors hörte.

„Er ist wach“, flüsterte plötzlich eine Stimme.

„Verdammt!“, zischte eine zweite Person.

„Hey“, schrie Elliot, obwohl der Schrei eher wie ein heiseres Krächzen herauskam. Er räusperte sich und versuchte es noch einmal. „Ich weiß ja nicht, was das werden soll, aber Lösegeld ist kein Problem.“

Da ertönte ein lang gezogenes Summen, unverkennbar das Hochgleiten einer Trennwand. Dann herrschte Stille. Elliot war allein, und es brachte gar nichts, herumzuschreien. Er überlegte.

Befand er sich etwa in einer Limousine? Doch wer benutzte für eine Entführung so einen Wagen?

Sobald sie anhielten, wollte er bereit sein. Ohne die Augenbinde würde er die Hände gar nicht brauchen. Er beherrschte sieben Arten der Selbstverteidigung und konnte seine Füße, die Schultern und sein gesamtes Körpergewicht einsetzen. Der Teufel sollte ihn holen, wenn er sich in einem Kampf nicht zu behaupten wüsste.

Vor ungefähr zwanzig Minuten waren sie von der Autobahn abgefahren, und Elliot vermutete, dass sie nun durch ländliches Gebiet steuerten. Er hatte keine Ahnung, ob sie sich im Norden, Süden oder Westen befanden. Er konnte überall zwischen Florida, Mississippi und South Carolina gelandet sein. Feinde hatte er sich bei seiner Arbeit bei Interpol und durch seine Siege in der Rennszene in fast allen Winkeln der Erde zu Genüge gemacht.

Außerdem gab es in seinem Leben eine Menge wütender Exfreundinnen … Unwillkürlich dachte er an den einzigen Namen, mit dem er positive Erinnerungen verband: Lucy Ann Joyner. Doch auch das hatte er gründlich vermasselt.

Mist!

Er zwang sich, in die Gegenwart zurückzukehren. Langsam drang Sonnenlicht durch seine Augenbinde, das hinter seinen geschlossenen Lidern zu glitzern begann wie Glassplitter.

Elliot konnte sich immer noch nicht erklären, wie sie ihn so hatten überrumpeln können. Er war gegen Ende von Rowans Junggesellenabschied losgezogen, um eine Flasche alten Whisky zu holen, und jemand hatte ihn im Hinterzimmer bewusstlos geschlagen.

Wenn er doch nur den Grund für die Entführung wüsste! Hatte es jemand auf sein Geld abgesehen? Oder hatte jemand seine geheimen Einsätze für Interpol aufgedeckt und wollte sich diese Verbindung zunutze machen?

Elliot hatte sein Leben in vollen Zügen ausgekostet, angetrieben durch den Wunsch, die mehr als bescheidenen Lebensumstände seiner Kindheit hinter sich zu lassen. Er bereute nur eines: dass er seine langjährige Freundschaft mit Lucy Ann heftiger vor die Wand gefahren hatte als seinen Wagen beim letzten Grand Prix von Australien.

Abrupt blieb die Limousine stehen. Elliot stemmte die Füße gegen die Wand, damit er nicht auf den Boden rollte. Er zwang sich, eine entspannte Haltung einzunehmen, um seine Entführer glauben zu machen, er wäre noch bewusstlos.

Er machte sich innerlich kampfbereit und konnte es kaum erwarten, seine Widersacher endlich anzugreifen und es ihnen heimzuzahlen. Dank seiner Einsätze bei Interpol war er gut in Form und besaß obendrein durch seine Arbeit als Rennfahrer extrem geschärfte Reflexe. Er würde sich nicht kampflos ergeben.

Seit Elliot sein ärmliches Elternhaus verlassen hatte, war das Glück stets auf seiner Seite gewesen. Er war knapp dem Jugendgefängnis entkommen und in einem Militärinternat gelandet, wo er Freunde fürs Leben gefunden hatte. Es waren Außenseiter der Gesellschaft wie er, die Regeln verachteten, aber dennoch nach einem strengen Gerechtigkeitskodex lebten. Sie alle hatten nach der Schule unterschiedliche Wege eingeschlagen, waren jedoch durch ihre Freundschaft und die sporadischen Einsätze für Interpol in Verbindung geblieben. Nicht, dass sie ihm eine große Hilfe gewesen wären, als man ihn von der Junggesellenparty entführte, während sie nur ein paar Schritte von ihm entfernt feuchtfröhlich feierten.

Die Autotür öffnete sich, und jemand beugte sich über ihn. Ein Gefühl sagte Elliot, dass er die Person kannte, und er versuchte angestrengt, das Geheimnis zu lüften, bevor es zu spät war.

Jemand nahm ihm die Augenbinde ab. Elliot sah, dass er sich tatsächlich in einer Limousine befand. Mit der Identität seiner Entführer hatte er jedoch überhaupt nicht gerechnet.

„Hallo, Elliot“, sagte sein Freund Malcolm Douglas, der ihn bei der Party gebeten hatte, die Flasche Whisky zu holen. „Na, kommst du langsam zu dir?“

Conrad Hughes – noch einer seiner verdammten Verräterfreunde – tätschelte ihm die Wange. „Ich finde, du siehst schon ganz wach aus.“

Elliot unterdrückte einen Fluch. Er war tatsächlich von den eigenen Freunden entführt worden. „Würde mir vielleicht mal jemand erklären, was das hier soll?“

Er musterte Conrad und Malcolm, mit denen er bis weit nach Mitternacht in Atlanta gehörig auf den Putz gehauen hatte und die nun im Licht des Morgengrauens vor ihm standen. In Hintergrund war ein Eichenwald zu sehen, die Brise trug den Duft von Jasmin zu ihm herüber. Warum hatten sie ihn auf diesen merkwürdigen Trip mitgenommen?

„Und?“, bohrte er noch einmal nach, als keiner von beiden antwortete. „Was zur Hölle habt ihr vor?“, fragte er mit kaum verhohlenem Ärger. Er hätte ihnen am liebsten in den Hintern getreten. „Ich hoffe, ihr habt einen guten Grund dafür, mich hierher ins Nirgendwo zu verschleppen.“

Conrad schlug ihm kameradschaftlich auf den Rücken. „Das wirst du noch früh genug sehen.“

Elliot kletterte aus dem Wagen, was mit gefesselten Händen gar nicht so leicht war. „Ihr sagt mir jetzt sofort, was los ist, oder ich haue euch beide windelweich.“

Malcolm lehnte sich entspannt gegen die Karosserie der Limousine. „Na, da bin aber gespannt, wie du das mit den Handschellen anstellen willst. Wenn du so weiterredest, behalten wir den Schlüssel dafür noch ein bisschen länger.“

„Wirklich witzig“, erwiderte Elliot zähneknirschend. „Wird nicht normalerweise dem Bräutigam so ein Streich gespielt?“

Conrad grinste. „Mach dir um den keine Sorgen. Rowan hat wahrscheinlich gerade seine neue Tätowierung entdeckt.“

Elliot hob die gefesselten Handgelenke in die Höhe. „Und was soll das hier? Ich werde schließlich nicht heiraten.“

Niemals.

Malcolm wies mit dem Kopf auf den Pfad, der in den dichten Pinienwald hineinführte. „Wir zeigen es dir einfach. Lass uns ein Stück gehen.“

Ihm blieb ja wohl nichts anderes übrig. Seine Freunde hatten sich offensichtlich eine Art Spiel für ihn ausgedacht, und das wollten sie nun unbedingt durchziehen. Zugegeben, er hatte seit seiner Trennung von Gianna wirklich ziemlich miese Laune gehabt. Verdammt, eigentlich schon, seit Lucy Ann ihren Job als seine Assistentin hingeschmissen hatte und für immer aus seinem Leben verschwunden war.

Gott, es wurde höchste Zeit, dass er mal wieder hinters Steuer kam und Vollgas geben konnte, um seinen Frust abzubauen. Ganz egal auf welcher Strecke.

Nach ein paar Schritten wusste er plötzlich, wo er war. Die Vegetation war dichter als früher, doch er kannte die Gegend gut genug. Es war sein Zuhause. Zumindest war es das früher einmal gewesen, als er noch bei seinem ständig betrunkenen Vater gelebt hatte. Diese kleine Farmergemeinde in der Nähe von Columbus, South Carolina wurde auch „Gottes eigenes Land“ genannt.

In Elliots Augen war es eher der letzte Winkel der Hölle.

An diesem Tag schien in der Hölle jedoch die Sonne.

Sie kamen auf eine Lichtung und traten von dort auf eine Auffahrt, die zu einem Holzhaus führte. Davor stand eine dicke, mindestens hundert Jahre alte Eiche. Elliot hatte als Kind unter diesem Baum gespielt und sich dabei oft gewünscht, nie wieder fortzumüssen, da ihm dieser Ort wie ein sicherer Hafen erschienen war.

Er hatte sich hier immer zusammen mit Lucy Ann Joyner versteckt. Es war das Haus ihrer Tante, und sie beide liebten diesen Zufluchtsort, auch wenn sie meist nur ein paar Stunden bleiben konnten. Warum führten ihn seine Kumpel nun in die Vergangenheit?

Über das Rauschen der Blätter hinweg hörte Elliot ein Knarren, und er sah zu dem Ursprung des Geräuschs hinüber. An einem dicken Ast hing eine Schaukel, auf der eine Frau saß, die ihnen den Rücken zugewandt hatte. Er blieb wie angewurzelt stehen. Plötzlich war ihm völlig klar, warum er hier war. Seine Freunde zwangen ihn zu der Konfrontation, die seit elf Monaten fällig war. Genauer gesagt, seit er und Lucy Ann sich beide stur weigerten, den ersten Schritt zu tun.

Wusste sie, dass er kam? Elliot schluckte schwer bei der Vorstellung, dass sie ihn doch sehen wollte. Dass sie es sich anders überlegt hatte und ihn nun nicht mehr aus ihrem Leben ausklammern wollte. Aber wären sie dann nicht bis zum Haus gefahren?

Er war sich nicht sicher, ob sie das vergangene Jahr einfach vergessen konnten. Bei dem bloßen Gedanken, mit Lucy Ann zu sprechen, wurde ihm bereits flau.

Er verschlang die Frau mit seinen Blicken und starrte wie gebannt auf ihren schlanken Rücken und das hellbraune Haar, das ihr auf die Schultern fiel. Verdammt, es waren sehr lange elf Monate ohne sie gewesen. Seine Freundin aus Kindertagen war nach einer ebenso unbesonnenen wie unglaublichen Nacht, die ihre Freundschaft für immer zerstört hatte, einfach verschwunden.

Elliot hatte Lucy Ann Zeit gelassen, aber trotzdem nie wieder etwas von ihr gehört. Innerhalb nur eines Tages hatte ihn der Mensch, dem er am meisten vertraute, aus seinem Leben verbannt. Niemand anderes war ihm je so nahgekommen – nicht einmal seine Freunde aus dem Militärinternat. Er und Lucy Ann hatten eine gemeinsame Vergangenheit – eine Verbindung, die über eine normale Freundschaft hinausging.

Das hatte er zumindest geglaubt.

Wie magnetisch angezogen, ging Elliot, die Hände immer noch vor dem Körper gefesselt, auf die Frau zu, ohne sie aus den Augen zu lassen. Der Schwung ihres Halses weckte in ihm die Erinnerung an ihren Jasminduft. Als er sah, wie ihr das Kleid von der Schulter rutschte, musste er daran zurückdenken, dass sie früher die aussortierten Kleider der Nachbarinnen getragen hatte.

Das Seil schabte über den Ast, während sie sich mit dem Fuß vom Boden abstieß und vor- und zurückschaukelte. Plötzlich drehte ein Windstoß die Schaukel in seine Richtung.

Überrascht blieb Elliot stehen.

Es war tatsächlich Lucy Ann, aber sie war nicht allein. Schockiert starrte sie ihn an. Offensichtlich kam diese Begegnung für sie ebenso unvorhergesehen wie für ihn. Doch seine Enttäuschung darüber, dass sie nicht an seiner Entführung beteiligt war, wurde von einer noch viel größeren Überraschung verdrängt.

Lucy Ann hielt ein Baby in den Armen, das an ihrer Brust saugte.

Lucy Ann presste ihren kleinen Sohn an sich und starrte Elliot Starc, ihren Jugendfreund und ehemaligen Chef, schockiert an. Den Mann, mit dem sie eine Nacht verbracht hatte.

Den Vater ihres Kindes.

Sie hatte sich in Gedanken schon unzählige Male den Moment ausgemalt, in dem sie ihm von ihrem Sohn erzählen würde. Doch sie hatte sich nie vorgestellt, dass er plötzlich wie aus heiterem Himmel vor ihr stehen würde. Und das auch noch in Handschellen! Offensichtlich war er nicht aus freien Stücken hier.

Ein Teil von ihr wollte zu Elliot laufen und auf die Freundschaft vertrauen, die hier draußen im Umland von Columbia entstanden war. Doch der andere Teil verriet Lucy Ann alles, was sie wissen musste. Elliot hatte nicht plötzlich ein Einsehen gehabt und war zu ihr geeilt, um sich für sein mieses Verhalten zu entschuldigen. Seine Freunde hatten ihm Handschellen angelegt und ihn hergeschleift.

Zum Teufel mit ihm! Sie hatte auch ihren Stolz.

Nur das Kind auf ihrem Arm hielt sie davon ab, sich in das Haus ihrer Tante zu flüchten. Lucy Ann löste Eli von ihrer Brust und rückte ihr Kleid zurecht. Dann legte sie sich den Säugling über die Schulter und klopfte ihm auf den Rücken. Dabei ließ sie Elliot nicht aus den Augen und versuchte, seine Stimmung zu ergründen.

Sein finsterer Gesichtsausdruck sagte ihr laut und deutlich, dass sie ihre Erklärung nicht länger aufschieben konnte. Sie hätte ihm früher von Eli erzählen müssen. Ganz zu Anfang ihrer Schwangerschaft hatte sie einen Versuch unternommen und dann doch einen Rückzieher gemacht. Nach seiner überstürzten Verlobung mit Gianna war sie so wütend gewesen, dass es ihr leichtfiel, noch ein bisschen länger auf Distanz zu gehen. Schließlich wollte sie nicht der Grund für das Scheitern seiner Verlobung sein. Sie hatte es ihm sagen wollen, sobald er verheiratet war und sich nicht verpflichtet fühlte, ihr irgendein Angebot zu machen. Obwohl ihr bei dem bloßen Gedanken, dass er diese Sexbombe und Erbin heiraten könnte, regelrecht schlecht geworden war.

Nun stand Elliot groß und muskulös vor ihr. Er hatte das sandbraune Haar kurz geschnitten, trug tief sitzende Jeans und ein schwarzes Freizeithemd, das seine breiten Schultern betonte. Seine unrasierten Wangen und die zusammengekniffenen grünen Augen verliehen ihm das Aussehen des Draufgängers, der er sein Leben lang hatte sein wollen.

Sie kannte ihn in- und auswendig, sogar die Narbe an seinem Ellbogen, die angeblich von einem Sturz mit dem Fahrrad stammte, die ihm aber in Wirklichkeit sein Vater mit der Gürtelschnalle beigebracht hatte.

Lucy Ann sah zu seinen Internatsfreunden hinüber, die hinter ihm standen. Beide waren inzwischen glücklich verheiratet und schienen davon überzeugt zu sein, dass jeder es einmal probieren sollte. Ohne Zweifel hatten sie Elliot aus genau diesem Grund zu ihr gebracht.

Aber sie dachte ja gar nicht daran!

Lucy Ann hatte absolut kein Interesse, sich auf dieses Terrain zu begeben. Schon gar nicht mit Elliot, dem größten Frauenheld in der westlichen Welt.

„Gentlemen, würdet ihr Elliot die Handschellen abnehmen und dann verschwinden, damit er und ich uns wie zivilisierte Menschen unterhalten können?“

Conrad fischte einen Schlüssel aus der Tasche und hielt ihn in die Höhe. „Kein Problem.“ Er sah Elliot an. „Ich verlasse mich darauf, dass du jetzt nichts Dummes machst und wegen dieses kleinen Streichs noch eine Prügelei mit uns anfängst.“

Ein Streich? dachte Lucy Ann. Das hier war ihr Leben – und sie machten sich einen Spaß daraus? Wut stieg in ihr hoch.

Elliot verzog den Mund zu einem schmalen Lächeln. „Natürlich nicht. Schließlich seid ihr zu zweit. Also, befreit mich endlich von diesen Handschellen. Meine Arme sind viel zu taub, um einen von euch anzugreifen.“

Malcolm nahm Conrad den Schlüssel ab und öffnete die Handschellen. Elliot massierte sich schweigend die Handgelenke und hob dann die Arme über den Kopf.

Wurde er eigentlich jedes Jahr sexyer? Lucy Ann fand das besonders unfair, da sie wegen der unregelmäßigen Schlafgewohnheiten ihres Sohnes nicht mehr dazu gekommen war, zu duschen.

Mit der Zungenspitze befeuchtete sie sich die trockenen Lippen. Dabei überlegte sie krampfhaft, wie sie das unangenehme Schweigen überspielen konnte. „Malcolm, Conrad, ich weiß, ihr habt es nur gut gemeint, aber vielleicht solltet ihr jetzt gehen. Elliot und ich haben eine Menge zu besprechen.“

Eli machte ein Bäuerchen, und Lucy Ann wog ihn verlegen in den Armen. Dabei spürte sie Elliots eindringlichen Blick.

Malcolm schlug ihm auf den Rücken. „Du kannst uns später danken.“

Conrad warf Lucy Ann einen ernsten Blick zu. „Ruf an, wenn du etwas brauchst, in Ordnung?“

Ohne ein weiteres Wort verschwanden die beiden Männer im Wald. Zum ersten Mal seit elf Monaten war Lucy Ann mit Elliot allein.

Nun, nicht ganz. Sie presste Eli an sich, bis dieser zu strampeln anfing.

Elliot vergrub die Hände in den Hosentaschen. „Wie lange wohnst du schon bei deiner Tante?“

„Seit ich Monte Carlo verlassen habe.“ Sie war die ganze Zeit in Columbia gewesen, und er hätte sie ganz einfach finden können. Wo hätte sie sonst hingehen sollen? Sie hatte zwar Geld gespart, aber bei ihrer Tante zu wohnen war schon allein aus finanzieller Sicht am vernünftigsten.

„Wovon lebst du?“

„Das geht dich nichts an“, erwiderte sie mit hochgerecktem Kinn. Er hätte über seine Quellen bei Interpol alles über sie herausfinden können, wenn er nur gewollt hätte.

Aber offensichtlich hatte er es nicht einmal versucht. Das schmerzte Lucy Ann am meisten. All die Monate hatte sie geglaubt, er würde sie überprüfen lassen. Dann hätte er herausgefunden, dass sie schwanger war, und sich seine Gedanken gemacht.

Er wäre zu ihr gekommen.

„Ach ja? Ich glaube, wir beide wissen ganz genau, warum mich das eine Menge angeht.“

„Ich habe in der Zeit, in der ich für dich gearbeitet habe, einiges sparen können.“ Elliot hatte darauf bestanden, ihr als seiner Assistentin ein großzügiges Gehalt zu zahlen. „Außerdem arbeite ich online, um mein Einkommen aufzustocken. Ich entwerfe und pflege Webseiten. Dadurch habe ich ein gutes Auskommen.“ Der Small Talk, mit dem sie um das Baby herumredeten, das jetzt friedlich in ihren Armen schlief, strapazierte ihre Geduld. „Du hattest viele Monate Zeit, mir diese Fragen zu stellen, und hast stattdessen lieber geschwiegen. Wenn jemand wütend sein darf, dann ich.“

„Du hast aber auch nicht angerufen. Dabei hattest du einen viel wichtigeren Grund, mit mir Kontakt aufzunehmen.“ Er wies mit dem Kopf auf Eli. „Es ist mein Kind.“

„Du scheinst dir sehr sicher zu sein.“

„Ich kenne dich. Und ich sehe die Wahrheit in deinen Augen“, erwiderte er schlicht.

Dem konnte Lucy Ann nicht widersprechen. Sie schluckte mehrmals, um den Kloß in ihrem Hals loszuwerden und sich zu sammeln. „Sein Name ist Eli. Er ist zwei Monate alt, und ja, er ist dein Sohn.“

Elliot zog die Hände aus den Taschen. „Ich will ihn halten.“

Plötzlich schlug ihr das Herz bis zum Hals. Sie hatte sich diesen Moment so oft ausgemalt, aber nie gedacht, wie sehr ihre Emotionen sie aus dem Gleichgewicht bringen könnten. Sie reichte Eli an seinen Vater weiter und beobachtete dessen Gesicht. Zum ersten Mal konnte sie Elliots Ausdruck nicht deuten. Sie waren sich immer so vertraut gewesen, doch jetzt kam er ihr vor wie ein Fremder.

Mit ausdruckslosem Gesicht hielt Elliot seinen Sohn und betrachtete die pausbäckigen Züge des Kleinen. Eli trug einen blauen Strampelanzug. Seine blonden Härchen glänzten im Licht der Sonnenstrahlen, die durch die Bäume fielen. Der Augenblick erinnerte Lucy Ann an ein Märchen. Es brach ihr fast das Herz, als sie daran dachte, wie ergreifend dieser Moment hätte sein können.

Schließlich sah Elliot sie an. Sein arroganter Gesichtsausdruck war verschwunden, und seine Augen verrieten, wie verletzt er innerlich sein musste. Er schluckte schwer. „Warum hast du mir das – Eli – vorenthalten?“

Lucy Ann wurde von Schuldgefühlen überwältigt. Sie hatte versucht, ihn zu kontaktieren, war jedoch, das musste sie gestehen, nicht beharrlich genug gewesen. Ihr Stolz … Ach, verdammt! Diese Ausreden klangen selbst in ihren eigenen Ohren schwach und wenig überzeugend.

„Du warst mit einer anderen verlobt. Ich wollte mich nicht zwischen euch drängen.“

„Hattest du etwa nie vor, es mir zu sagen?“, fragte Elliot mit heiserer Stimme. Er richtete den Blick wieder auf seinen Sohn, der so zufrieden an seine Brust geschmiegt schlief, als würde er dort hingehören.

„Natürlich hatte ich vor, es dir zu sagen – nach deiner Hochzeit.“ Sie rieb sich die feuchten Handflächen am Kleid ab. „Ich wollte nicht schuld daran sein, dass deine große Liebe in die Brüche geht.“

Zugegeben, sie hatte sich den Zynismus in dieser letzten Bemerkung nicht verkneifen können. Doch das hatte er sich für seine übereilte Trostbeziehung irgendwie verdient.

„Meine Verlobung mit Gianna ist schon seit Monaten vorbei. Warum hast du mich nicht kontaktiert?“

Das war eine berechtigte Frage. Lucy Ann wäre am liebsten weggelaufen, doch Elliot hielt ihren Sohn auf dem Arm. Und so ungern sie es auch zugeben wollte, sie hatte ihn vermisst. Sie waren so lange ein Teil voneinander gewesen, dass ihr die Trennung von ihm wie ein Entzug vorgekommen war.

„Ich konnte dich nicht ausfindig machen, und dein Assistent wusste auch nicht, wo du steckst.“ Darüber war Lucy Ann zuerst ziemlich wütend gewesen, doch dann hatte die Sorge um ihn überwogen. Schließlich wusste sie von Elliots gelegentlichen Einsätzen für Interpol und kannte sein waghalsiges Naturell.

„Sehr hartnäckig kannst du es nicht versucht haben. Du hättest doch nur einen meiner Freunde anrufen müssen.“ Seine Augen wurden schmal. „Oder hast du sie etwa kontaktiert? Haben sie mich deshalb heute hierher gebracht?“

Lucy Ann hatte mehr als einmal mit diesem Gedanken gespielt, war dann aber doch jedes Mal davor zurückgeschreckt.

„Nein. Einer von beiden hat scheinbar nach mir gesucht, auch wenn du dir nicht die Mühe gemacht hast.“

Das tat weh. Wo war dieser bittere Seitenhieb hergekommen?

Elliot zog eine Augenbraue in die Höhe. „Es geht hier um Eli. Nicht um uns.“

„Es gibt kein uns mehr.“ Sie strich sanft über den Kopf ihres Sohnes und konnte es kaum abwarten, ihn wieder auf den Arm zu nehmen. „Das hast du kaputt gemacht, als du nach unserer gemeinsamen Nacht Angst bekommen hast und weggelaufen bist.“

„Ich laufe nie weg.“

„Entschuldige, wenn ich dein Ego beleidigt habe.“ Lucy Ann verschränkte die Arme vor der Brust. Es war fast so wie in der fünften Klasse, als sie sich darum gestritten hatten, ob der Ball nun im Aus gewesen war oder nicht.

Elliot seufzte und sah sich auf der leeren Lichtung um. In der Ferne heulte der Motor der Limousine auf und wurde dann leiser, als der Wagen ohne ihn wegfuhr. „Das bringt so nichts“, sagte er zu ihr gewandt. „Wir müssen vernünftig über die Zukunft des Kindes reden.“

„Da hast du recht.“ Natürlich mussten sie reden. Aber in diesem Moment war sie einfach zu aufgeregt und konnte kaum klar denken. Sie nahm Elliot das Kind aus den Armen. „Wir reden morgen, wenn wir beide wieder ruhiger sind.“

„Woher weiß ich, dass du nicht einfach mit meinem Sohn verschwinden wirst?“, fragte Elliot.

Sein Sohn.

In seiner Stimme klang bereits ein gewisser Besitzanspruch mit.

Lucy Ann presste Eli enger an sich und atmete den vertrauten frischen Duft nach Babypuder ein. Sie würde mit ihren Gefühlen für Elliot schon noch fertig werden. Und sie würde niemandem erlauben, sich in die Zukunft ihres Kindes einzumischen.

„Ich war die ganze Zeit hier, mein Lieber. Du hast dich nicht um uns gekümmert.“ Das war eine bittere Pille. „Nicht einmal jetzt war es deine Entscheidung. Deine Freunde haben dich hier abgeladen.“

Autor

Catherine Mann
<p>Bestsellerautorin Catherine Mann schreibt zeitgenössische Liebesromane, die im militärischen Milieu spielen. Ihr Mann, der bei der US Air Force arbeitet, versorgt sie mit allen nötigen Informationen, sodass sie keine Recherche betreiben muss. In der Zeit vor ihren Romanveröffentlichungen machte sie ihren Bachelor in Bildender Kunst auf dem College von Charleston...
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