Im Bett mit meinem Erzrivalen

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Ruhige Weihnachten? Nicht für Rowan. Erst verirrt sich seine Erzrivalin Mari aus Versehen in sein Hotelzimmer, dann entdecken sie auch noch ein ausgesetztes Baby! Um das will sich Rowan gern kümmern - aber nur gemeinsam mit Mari, die ihn insgeheim schon lange reizt …


  • Erscheinungstag 15.09.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733769536
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Dr. Mariama Mandara war im Sportunterricht immer die Letzte gewesen, die in eine Mannschaft gewählt wurde. Aus gutem Grund, denn Sport war nicht ihr Ding. Wenn es dagegen um Mathematikwettbewerbe oder Wissenschaftsprojekte ging, hatte sie reihenweise Preise gewonnen.

Leider halfen ihr die akademischen Fähigkeiten jetzt wenig. Schnelligkeit und Kondition wären eher gefragt, um den lästigen Beobachtern zu entkommen, die sie auf Schritt und Tritt durch das Hotelressort auf Santiago, der Hauptinsel der Kapverden vor der Westküste Afrikas, verfolgten.

Ganz egal, wo sie sich versteckte, überall gab es Horden von Fans, die darauf brannten, ein Foto von einer Prinzessin zu schießen. Warum konnten die Leute nicht akzeptieren, dass sie nicht aus gesellschaftlichen Gründen, sondern wegen einer wissenschaftlichen Tagung hier war?

Mari schnappte nach Luft, während sie durch den luxuriösen Hotelflur spurtete. Hartnäckige Verfolger loszuwerden war längst nicht so leicht, wie es in Filmen immer aussah. Der nächstliegende Zugang zum Treppenhaus wurde von zwei Touristen versperrt, die in die Lektüre eines Reiseführers vertieft waren. Ein Putzwagen blockierte einen weiteren Fluchtweg. Sie konnte nur geradeaus laufen.

Das dumpfe Geräusch ihrer Schritte auf dem weichen Teppich erklang im Takt mit einer Instrumentalversion von „Jingle Bells“, die aus den Lautsprechern drang. Mari wünschte sich nichts mehr, als den Medizinerkongress hinter sich zu bringen und in ihr Forschungslabor zurückzukehren, wo sie den Feiertagswahnsinn in Ruhe überstehen konnte.

Für die meisten Menschen war Weihnachten ein Fest der Liebe, der Freude und der Familie, doch auch zwanzig Jahre nach der Scheidung ihrer Eltern verband sie mit „seliger Weihnachtszeit“ hauptsächlich erbitterte Familienstreitigkeiten. Die Festtage wären vielleicht nicht ganz so kompliziert gewesen, wenn ihre Mutter und ihr Vater wenigstens auf demselben Kontinent gelebt hätten. So musste sie in ihrer Kindheit zwischen Afrika und Amerika pendeln. Sie hatte an den Feiertagen mehr Zeit auf Flughäfen verbracht als unter dem Weihnachtsbaum. Einmal hatten sie und ihre Nanny sogar im Hotel feiern müssen, weil ihr Anschlussflug wegen Schneefalls ausgefallen war.

Mittlerweile zog sie es vor, das Weihnachtsfest in aller Ruhe und allein zu verbringen – ein hart erkämpftes Privileg für jemanden, der in ein Königshaus hineingeboren worden war. Ihre Mutter war am Druck des Hofzeremoniells zerbrochen. Sie hatte sich von ihrem Traumprinzen in Westafrika scheiden lassen und war in ihre Heimat nach Atlanta, Georgia, zurückgekehrt.

Bedauerlicherweise konnte man sich von seiner Herkunft jedoch nicht scheiden lassen.

Wenn ihr Vater nur begreifen würde, dass sie ihrem Land mit ihrer Forschungsarbeit besser diente als damit, unentwegt Zeremonien durchzustehen und lächelnd irgendwelche Bänder zu zerschneiden. In ihren Laborkitteln fühlte sie sich ohnehin viel wohler als in den eleganten Kleidern, die sie bei Fototerminen notgedrungen trug.

Endlich entdeckte sie eine unbeobachtete Tür zum Treppenhaus. Vorsichtig schaute sie hinein. Es war leer. Jetzt musste sie es nur noch unbemerkt vom Erdgeschoss bis zu ihrem Zimmer im fünften Stock schaffen, wo sie sich die Nacht über verkriechen konnte. Nach mehrstündiger Präsentation ihrer Forschungsarbeit über antivirale Medikation fühlte sie sich zu erschöpft, um nett in Handykameras zu lächeln oder neugierige Fragen zu beantworten, zumal alles, was sie sagte, innerhalb von Sekunden im Internet verbreitet wurde.

Mari umklammerte das Treppengeländer und rannte Stufe für Stufe nach oben. Ihr Puls hämmerte in ihren Ohren. Auf der vierten Etage hielt sie einen Moment inne, um nach Luft zu schnappen, dann quälte sie sich die letzte Treppe hoch. Als sie durch die Tür ins fünfte Stockwerk trat, wäre sie beinahe mit einer Frau und deren Tochter zusammengestoßen, die gerade aus ihrem Zimmer kamen. Das Mädchen sah sie neugierig an. Mari wandte sich hastig ab und ging weiter. Leider genau in die falsche Richtung. Verflixt.

Einfach umzukehren war unmöglich, solange die Luft nicht rein war, doch sie konnte auch nicht ewig im Flur herumstehen. Wenn sie bloß eine Verkleidung hätte, irgendetwas, das die Meute von ihrer Fährte ablenken würde. Hinter einem riesigen Blumenkübel mit afrikanischem Federgras entdeckte sie einen offensichtlich stehen gelassenen Servierwagen. Über dem Griff hing die Jacke einer Hoteluniform.

Das war die perfekte Lösung. Kein Zimmermädchen weit und breit, nur eine Frau, die sich mit einem Handy am Ohr in anderer Richtung entfernte. Mari überlegte eine halbe Sekunde lang, dann lief sie zu dem Wagen hinüber, der fast bis zum Boden mit weißem Leinenstoff verhüllt war.

Auf einem kleinen Kärtchen stand, dass die Bestellung für Suite 5A bestimmt war. Sie warf einen Blick unter die silberne Servierhaube. Der verlockende Duft von geschmortem Wüstenlamm in Safran ließ ihr das Wasser im Munde zusammenlaufen. Nach einem langen Tag mit endlosen Vorträgen und nicht viel mehr als einer Kaffeepause hätte sie am liebsten vom Tiramisu genascht, das es zum Dessert gab, doch sie schob den Gedanken beiseite. Je schneller sie es in ihr Zimmer schaffte, desto eher konnte sie diesen anstrengenden Tag mit einer heißen Dusche und einem eigenen Tablett voller Köstlichkeiten beenden.

Das Geräusch der Aufzugtür, die sich hinter ihr öffnete, trieb sie zur Eile, und sie zog die große, tannengrüne Jacke über ihr graues Tweedkostüm. Eine rote Weihnachtsmannmütze fiel zu Boden. Eine noch bessere Tarnung. Mari setzte sich die Mütze auf und schob den schwer beladenen Servierwagen in Richtung der Suite am Ende des Flurs.

„Siehst du sie? Du hast gesagt, sie wäre hier hochgelaufen“, hörte sie eine piepsige Teenagerstimme hinter sich.

„Bist du sicher, dass es nicht doch der vierte Stock war?“, fragte ein anderes Mädchen.

„Ganz sicher“, erwiderte eine dritte Stimme. „Haltet eure Handys bereit. Mit den Fotos können wir ein Vermögen machen.“

Das könnte euch so passen.

Mari schob den Servierwagen weiter, das Ding war schwerer, als es aussah. Sie stemmte ihre Absätze in den Teppich und drückte fester. Schritt für Schritt näherte sie sich der Suite 5A.

Das verschwörerische Trio kam näher. „Vielleicht sollten wir das Zimmermädchen da drüben fragen, ob sie gesehen hat, wohin sie gegangen ist.“

Mari schluckte. Sie durfte sich auf keinen Fall erwischen lassen. Ein Foto in dieser Verkleidung wäre nur noch demütigender. Sie musste so schnell wie möglich in die Suite hineinkommen. Ein Messingschild an der Tür verriet ihr, dass sie richtig war. Sie drückte zweimal auf die Türklingel.

„Zimmerservice“, rief sie.

Sekunden vergingen.

Gerade, als sie in Panik ausbrechen wollte, öffnete sich die Tür. Endlich. Sie trat eilig und mit gesenktem Kopf ins Zimmer und nahm als Erstes den männlich herben Duft von Seife wahr. Ihr Lieblingsduft – sauber und frisch, kein aufdringliches Männerparfum.

Welcher Typ Mann, der eine solche Luxussuite bewohnte, würde einen so schlichten Duft wählen? Trotz der unangenehmen Situation war ihre Neugier geweckt. Dennoch wagte sie nicht, einen Blick auf ihn zu riskieren, da sie fürchtete, sonst über ihre eigenen Füße zu stolpern.

Sie war immer schon tollpatschig gewesen. Sehr zur Enttäuschung des Pressereferenten ihrer Familie, der von ihr erwartete, dass sie sich elegant und würdevoll präsentierte.

Obwohl auf dem Servierwagen nur eine Mahlzeit stand, sah Mari sich nach einer weiteren Person um, doch das Zimmer wirkte leer. Das Licht war gedämpft. Ausladende Ledersofas und ein massiver Holztisch beherrschten das Zentrum des Raumes. Die Fensterläden standen offen und gaben den Blick auf den mondbeschienenen Strand draußen vor dem Panoramafenster frei. Palmen säumten das Ufer. Die Positionslichter von Fischerbooten am Horizont funkelten mit den Sternen um die Wette.

Mari räusperte sich und schob den ratternden Servierwagen auf einen Tisch am Fenster zu. „Möchten Sie Ihr Dinner hier einnehmen, Sir?“

„Danke, aber Sie können den Wagen einfach da am Kamin stehen lassen.“

Eine vertraute Stimme, bei deren Klang sie mitten in der Bewegung erstarrte. Mari brauchte weniger als eine Sekunde, um den tiefen Bariton zu erkennen. Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken hinunter. Sie musste sich nicht erst umdrehen, um zu wissen, dass das Schicksal sich einen bösen Scherz mit ihr erlaubte. Sie war vom Regen in die sprichwörtliche Traufe geraten. Von allen Zimmern dieses riesigen Hotels war sie ausgerechnet in der Suite von Dr. Rowan Boothe gelandet.

Ihr Erzfeind.

Sie kannte das Tagungsprogramm und hätte schwören können, dass sein Vortrag erst zum Ende der Woche auf dem Terminplan stand.

Boothe war Arzt, und sie hatte seine Erfindung in aller Öffentlichkeit verspottet. Wenn sie an ihre letzte Begegnung vor fünf Monaten bei einer Konferenz in London dachte, stieg ihr die Schamesröte ins Gesicht.

Die Tür, offenbar die zu einem der Schlafzimmer, fiel klickend hinter ihr ins Schloss, er kam langsam näher. Mari hielt den Kopf gesenkt, den Blick fest auf seine Schuhe und den Saum seiner ausgeblichenen Jeans gerichtet. Verzweifelt klammerte sie sich an die Hoffnung, er werde sie nicht erkennen. „Dann lasse ich Ihr Essen gleich hier stehen“, sagte sie leise. „Einen schönen Abend noch.“

Sie wollte gehen, doch er trat ihr in den Weg. Gütiger Himmel, sie saß in der Falle. Langsam hob sie den Blick bis zu seiner Brust. Eine sehr muskulöse Brust in einem weißen Hemd, das locker über seine Hose hing, die Ärmel hatte er hochgekrempelt. Mari erinnerte sich an jeden einzelnen irritierenden Zentimeter seines Körpers.

Ebenso wie an sein viel zu gut aussehendes, leicht sonnengebräuntes Gesicht. Für einen seriösen Arzt und Wissenschaftler trug er das sandblonde Haar eigentlich zu lang, aber anscheinend störte sich niemand daran. Offensichtlich erwartete man von einem großen Wohltäter nicht, dass er sich mit etwas so Banalem wie einem Friseurbesuch abgab.

Man nannte ihn „Dr. Wundervoll“, doch sie billigte nicht, wie er die Regeln umging.

„Ma’am“, sagte er und senkte den Kopf tiefer, um sie anzusehen. „Gibt es ein Problem?“

Ganz ruhig bleiben. Sie konnte nur beten, dass er sie mit der verdammten Weihnachtsmannmütze nicht erkannte. Eine große Hand mit einem zusammengefalteten Geldschein kam in ihr Blickfeld.

„Fröhliche Weihnachten.“

Wenn sie das Trinkgeld nicht annähme, würde sie sich verdächtig machen. Darum bemüht, ihn nicht zu berühren, nahm sie den Schein entgegen. „Danke, sehr großzügig, Sir.“

„Keine Ursache.“

Seine tiefe Stimme war viel zu anziehend für einen so unausstehlichen Mann. Schnell schob Mari sich an ihm vorbei. Fast hatte sie es geschafft, sie streckte bereits die Hand nach der Messingtürklinke aus.

„Wollen Sie wirklich schon wieder gehen, Dr. Mandara?“, fragte er da mit unverkennbarer Ironie.

Verdammt! Wahrscheinlich grinst der Mistkerl auch noch unverschämt.

Er trat einen Schritt näher, sein warmer Atem streifte sanft ihre Wange.

„Und ich dachte beinah, Sie hätten sich all diese Mühe gemacht, um sich in mein Zimmer einzuschleichen und mich zu verführen.“

Rowan Boothe gab seinen Worten Zeit, zu wirken. Die reizvolle Aussicht auf ein Duell mit der sexy Prinzessin und Wissenschaftlerin jagte einen Schauer der Erregung durch seine Adern. Er wusste nicht, was sie an sich hatte, das ihn dermaßen um den Verstand brachte, und hatte es schon vor langer Zeit aufgegeben, sich Gedanken darüber zu machen. Die Faszination für Mariama Mandara war mittlerweile eine unbestreitbare Tatsache in seinem Leben.

Ebenso unbestreitbar wie ihre Abneigung gegen ihn. Möglicherweise war es genau das, was ihn an ihr reizte.

Es langweilte ihn, dass ihn die ganze Welt als eine Art Heiligen ansah, bloß weil er das lukrative Angebot einer kalifornischen Privatpraxis ausgeschlagen hatte, um stattdessen eine Klinik in Westafrika aufzubauen. Geld war ihm gleichgültig. Er hatte ohnehin genug davon. Das computergestützte medizinische Diagnoseprogramm, das er entwickelt hatte, war ein Riesenerfolg – auch wenn Mari es bei jeder sich bietenden Gelegenheit als unzulänglich abtat. Die Ausstattung der Klinik hatte seine Finanzen kaum geschmälert, daher sah er keinen Anlass für all das Tamtam. Echte Heilige waren bereit, Opfer zu bringen, es lag jedoch nicht in seiner Natur, sich die Dinge zu versagen, die er begehrte.

Und gerade jetzt wollte er Mari.

Allerdings ließ ihr entsetzter Gesichtsausdruck nicht vermuten, dass seine scherzhafte Bemerkung besonders gut angekommen war.

Sie war ausnahmsweise einmal sprachlos. Von ihm aus gern. Ihm genügte es, einfach nur ihren Anblick zu genießen. Er lehnte sich an die Bar und betrachtete ihre hochgewachsene, elegante Silhouette und die zarten Kurven, die man unter ihrem unförmigen Tweedkostüm nur erahnen konnte. Wie sehr er sich danach sehnte, ihr die Kleider vom Leib zu streifen und jeden Zentimeter ihrer kaffeebraunen Haut zu erkunden …

Mari erwachte aus ihrer Schockstarre. „Machen Sie Witze? Sie können doch nicht ernsthaft glauben, dass ich mich an Sie heranmachen würde. Erst recht nicht auf eine so plumpe Art und Weise.“

Sie war süß und sexy in ihrer Empörung, vor allem mit dieser unpassenden Weihnachtsmannmütze auf dem Kopf. Er konnte nicht aufhören zu grinsen.

„Wagen Sie es ja nicht, mich auszulachen.“ Wütend riss sie sich die Mütze herunter und warf die Uniformjacke beiseite. „Wenn ich gewusst hätte, dass Sie hier drin sind, hätte ich ganz bestimmt nicht dieses Zimmer ausgesucht, um mich zu verstecken.“

„Um sich zu verstecken?“ Ihr Anblick erregte ihn. Seit über zwei Jahren kämpfte er nun schon gegen diese völlig unpassende Reaktion in ihrer Gegenwart an, seit sie in einem voll besetzten Hörsaal ans Podium getreten war, um unerbittlich seine Arbeit zu attackieren. Sie fand sein Diagnoseprogramm mangelhaft und beschuldigte ihn, das persönliche Element der Medizin zu vernachlässigen. Rowan biss die Zähne zusammen, sein Lächeln verblasste.

Wenn hier jemand unpersönlich war, dann war sie es. Nur zu gern würde er ihre starre Haltung erschüttern und sehen, wie sich Leidenschaft in ihren bernsteinbraunen Augen spiegelte.

Verdammt.

Er war nur fünf Sekunden von einer offensichtlichen Erektion entfernt. Um sich abzulenken, wandte er sich einem anderen Thema zu – dem Grund für ihr unerwartetes Auftauchen. „Ist das hier so eine Art Spionageversuch?“

„Wovon zur Hölle reden Sie?“ Sie strich sich den zerknitterten Rock glatt.

Wer hätte gedacht, dass Tweed so aufreizend sein könnte? Rowan ertappte sich dabei, wie er sich vorstellte, ihr die Schuhe von den Füßen zu streifen. Er wollte mit seinen Lippen ihre Beine entlangstreichen, bis unter den Rocksaum, wollte die seidige Haut an der Innenseite ihrer Schenkel spüren …

Schnell konzentrierte er sich auf ihr hübsches Gesicht. „Sich dumm zu stellen steht Ihnen nicht.“ Er wusste sehr gut, dass ihr IQ weit oberhalb des Durchschnitts lag. „Hatten Sie gehofft, sich Insiderinformationen über das neueste Update meines Programms beschaffen zu können?“

Sie lächelte spöttisch. „Ich hätte nie vermutet, dass Sie zu Verschwörungstheorien neigen. Sie, als Mann der Wissenschaft … na ja, wenn man so will.“

Rowan ignorierte ihre spitze Bemerkung. „Warum sollten Sie sich sonst in meine Suite einschleichen? Das müssen Sie mir wohl erklären, Mari.“ Er hätte sie vermutlich besser Dr. Mandara nennen sollen. Zu spät.

Sie seufzte. „Na gut. Ich werde es Ihnen erzählen. Aber Sie müssen versprechen, nicht zu lachen.“

„Großes Pfadfinderehrenwort.“ Er hob die rechte Hand.

„Sie waren bei den Pfadfindern? Das war ja klar.“

Das war allerdings, bevor man ihn auf eine Besserungsanstalt unter Leitung der U.S. Army geschickt hatte. Er sprach nicht gern über diese Zeit und die Dinge, die er damals getan hatte. Dinge, die er niemals wiedergutmachen konnte, selbst wenn er auf jedem Kontinent der Erde Kliniken eröffnete.

„Sie wollten mir erzählen, was Sie in meiner Suite zu suchen haben.“

Mari deutete in Richtung Tür. „Eine Horde Teenager hat mich mit ihren Handykameras verfolgt, um Fotos zu machen, die sie an die Presse verkaufen können. Man jagt mich hier auf Schritt und Tritt.“

Sein Beschützerinstinkt regte sich. „Stellt Ihnen Ihr Vater denn keine Bodyguards zur Verfügung?“

„Ich habe entschieden, auf Leibwächter zu verzichten.“

Die Art, wie sie das Kinn hob, machte deutlich, dass sie keine weitere Erklärung abgeben wollte.

„Mein Fluchtversuch lief allerdings nicht besonders gut. Das Zimmermädchen, das Ihnen das Essen servieren sollte, wurde wohl von einem Telefonanruf abgelenkt. Da habe ich die Gelegenheit ergriffen, mich unauffällig aus dem Staub zu machen.“

Der Gedanke, dass sie allein da draußen herumlief, machte ihn zornig. Sie wollte keine Leibwächter? Und wenn schon. Ihr Vater hätte darauf bestehen müssen.

„Ich weiß, ich sollte einfach in die Kameras lächeln und weitergehen“, fuhr Mari fort. „Aber die Bilder, die die Leute machen, sind nicht … professionell, und in meiner Position muss ich darauf achten, wie ich mich öffentlich präsentiere.“ Für einen Moment senkte sie den Blick. „Ich habe mir das nicht ausgesucht.“

Ihre Resignation berührte ihn. Am liebsten hätte er ihr die Hände auf die Schultern gelegt und ihre angespannten Muskeln gelockert. Doch da er fürchtete, sie würde ihm dafür eins mit der silbernen Servierglocke überziehen, entschied er sich für eine sicherere Variante, um sie abzulenken. Er stieß sich von der Bar ab und ging auf sie zu. „Arme, kleine, reiche Prinzessin.“

Langsam richtete sie sich auf. „Sie sind nicht sehr nett.“

„Sie sind anscheinend die Einzige, die so denkt.“

„Oh, bitte entschuldigen Sie, dass ich kein Mitglied Ihres Fanclubs bin“, bemerkte sie trocken.

Er blieb nur Zentimeter entfernt von ihr stehen. „Haben Sie wirklich nicht gewusst, dass das hier meine Suite ist?“

„Nein, habe ich nicht. Auf der Karte auf dem Servierwagen stand nur die Zimmernummer, aber kein Name.“

Er sah, wie der Pulsschlag an ihrem Hals sich beschleunigte.

„Wenn Sie vorher gewusst hätten, dass es mein Zimmer ist …“, er nahm die Uniformjacke und die Mütze in die Hand, „… hätten Sie sich dann lieber der kamerabewaffneten Meute da draußen ergeben, als mich um Hilfe zu bitten?“

Ihre Lippen deuteten zum ersten Mal ein winziges Lächeln an. „Ich schätze, die Antwort darauf werden wir wohl nie erfahren.“ Sie griff nach der Jacke. „Ich wünsche guten Appetit.“

Er hielt die Kellnerjacke fest. „Es gibt reichlich zu essen. Sie könnten sich noch ein Weilchen hier verstecken und mir Gesellschaft leisten.“

„Haben Sie mich gerade zum Abendessen eingeladen, oder wollen Sie mich nur vergiften?“

Ihre Augen blitzten auf, und plötzlich schien die Luft zwischen ihnen zu knistern. Er hätte schwören können, dass sie sich ein wenig in seine Richtung neigte. Wenn er die Hand nach ihr ausstreckte, könnte er sie in seine Arme ziehen.

Stattdessen strich er ihr nur eine Locke ihres schwarzen Haars hinters Ohr, die sich aus dem strengen Knoten gelöst hatte. „Es gibt eine Menge Dinge, die ich gern mit Ihnen tun würde, Mari, doch ich kann Ihnen versichern, vergiften steht nicht auf der Liste.“

Ihr Gesicht verriet ihre Anspannung, aber weder lachte sie ihn aus noch rannte sie davon. Er glaubte sogar, zurückhaltendes Interesse zu erkennen. Genug, dass er sich fragte, was geschehen würde, wenn …

Ein leises Wimmern riss ihn aus seinen Gedanken.

Mari blickte über seine Schulter, und auch er drehte sich in Richtung des Geräuschs, das nun lauter wurde.

Ein herzerweichendes Wehklagen drang … unter dem Servierwagen hervor?

Er sah Mari fragend an. „Was zum Teufel …?“

Sie hob abwehrend die Hände. „Schauen Sie nicht mich so an.“

Rowan durchquerte den Raum, zog den Leinenstoff beiseite, der den Wagen verhüllte, und fand dort ein weinendes Baby.

2. KAPITEL

Die Schreie des Säuglings hallten durch die Suite. Erschrocken starrte Mari auf das weinende Baby in einer Tragschale aus Plastik, die im Servierwagen versteckt war. Kein Wunder, dass er so schwer gewesen war. Wenn sie gleich nachgesehen hätte, hätte sie das Kind sofort gefunden.

Der Gedanke, dass sich das arme kleine Ding die ganze Zeit da unten befunden hatte, war entsetzlich. So winzig. So wehrlos. Der Säugling mochte etwa zwei oder drei Monate alt sein und trug nur eine Windel und ein weißes T-Shirt. Eine Decke war um seine strampelnden Beinchen gewickelt.

Mari war völlig perplex. „Gütiger Himmel. Ist das ein Baby?“

„Es ist ganz sicher kein Hündchen.“

Rowan hockte sich vor den Servierwagen, unter dem der Kindersitz eingeklemmt war, und hob das Kind vorsichtig hoch. Das kaffeebraune Baby strampelte, kam in seinen Armen jedoch zur Ruhe.

„Was in aller Welt macht ein Säugling da drin?“ Mari folgte ihm zum Sofa.

„Ich bin nicht derjenige, der den Wagen hereingefahren hat.“

„Aber ich habe das Baby sicher nicht da hineingelegt.“

War es ein Junge oder ein Mädchen? Sie konnte es nicht sagen. Das quirlige Bündel trug weder Blau noch Rosa, und es gab auch keine Spange in den krausen schwarzen Löckchen.

Rowan setzte sich, legte das Baby auf seinen Schoß und begann, es zu untersuchen.

Mari verschränkte die Arme hinter dem Rücken. „Ist es ein Er oder eine Sie?“

„Eine Sie“, sagte er nach einem Blick in die Windel. „Es ist ein Mädchen. Ich schätze sie auf etwa drei Monate.“

„Wir sollten die Behörden informieren. Was, wenn sich die Person, die sie ausgesetzt hat, immer noch im Gebäude befindet?“ Unwahrscheinlich, wenn man bedachte, wie lange sie schon hier drin war. „Da war eine Frau, die sich vom Wagen entfernt hat. Ich habe angenommen, dass sie nur ein Telefonat auf ihrem Handy führen wollte, aber vielleicht war das die Mutter des Babys.“

„Das muss auf jeden Fall überprüft werden. Hoffentlich haben die Überwachungskameras sie aufgenommen. Ist Ihnen sonst noch etwas aufgefallen?“

„Geben Sie mir die Schuld daran?“

„Natürlich nicht.“

Trotzdem fühlte sie sich schlecht. „Was, wenn es doch meine Schuld ist? Vielleicht ist das Baby gar nicht ausgesetzt worden. Vielleicht hat die Mutter ihr Kind nur heimlich mit zur Arbeit genommen und ist jetzt außer sich vor Sorge.“

„Oder vor Angst, dass sie Ärger bekommt“, entgegnete er nüchtern.

Mari griff nach dem Telefon, das auf der Bar stand. „Ich muss dringend beim Empfang anrufen.“

„Könnten Sie mir vorher bitte den Kindersitz herbringen? Vielleicht findet sich darin ein Hinweis auf ihre Familie.“

„Natürlich. Einen Augenblick.“

Autor

Catherine Mann
<p>Bestsellerautorin Catherine Mann schreibt zeitgenössische Liebesromane, die im militärischen Milieu spielen. Ihr Mann, der bei der US Air Force arbeitet, versorgt sie mit allen nötigen Informationen, sodass sie keine Recherche betreiben muss. In der Zeit vor ihren Romanveröffentlichungen machte sie ihren Bachelor in Bildender Kunst auf dem College von Charleston...
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