Im Palast der Hoffnung

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Seit Jahrhunderten herrscht die mächtige Dynastie der Rinaldis über ein malerisches Inselreich im Mittelmeer. Jetzt muss der betagte König abdanken. Doch wer tritt das Erbe der Rinaldis an? Intrigen, Leidenschaft und zehn unumstößliche Regeln werden für jeden Thronanwärter zu einer persönlichen Herausforderung. Die Suche beginnt ...

Heimlich schleicht die hübsche Carrie sich in den Palast der Rinaldis. Sie muss unbedingt mit Prinz Nico sprechen! Ihre kurze Affäre in London ist nicht ohne Folgen geblieben - Carrie bekommt ein Baby. Und kaum sehen sie einander wieder, entbrennt dieselbe Leidenschaft, die sie damals zueinander getrieben hat. Doch eine gemeinsame Zukunft scheint undenkbar! Denn zwischen Nico und einem Liebesglück mit der Prinzessin seines Herzens steht der Anspruch auf den Thron ...

Der fünfte Teil der großen Königssaga!


  • Erscheinungstag 19.10.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733769772
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

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Königliche Gesetze des Hauses Rinaldi

I .

Der Herrscher von San Rinaldi gilt seinem Volk als Vorbild und bürgt für tugendhaftes Verhalten . Wer die Monarchie durch unmoralisches Verhalten in Verruf bringt, ist von der Thronfolge ausgeschlossen .

II.

Kein Mitglied der Königsfamilie darf ohne Zustimmung des Regenten heiraten.

III.

Jede Eheschließung, die den Interessen von San Rinaldi entgegen steht, ist verboten. Jeder Verstoß gegen diese Vorschrift führt zum unmittelbaren Ausschluss aus der Thronfolge sowie zur Aberkennung sämtlicher Ehren und Privilegien.

IV.

Kein Herrscher von San Rinaldi darf eine geschiedene Frau heiraten.

V.

Zwischen blutsverwandten Mitgliedern des Königshauses darf keine Ehe geschlossen werden.

VI.

Der Unterricht aller Familienmitglieder wird durch den König geregelt. Die Eltern haben für die Umsetzung der Anweisungen zu sorgen.

VII.

Kein Mitglied des Königshauses darf sich verschulden.

VIII.

Kein Mitglied der Königsfamilie darf ohne Einwilligung des Königs finanzielle Zuwendungen oder Erbschaften annehmen.

IX.

Der Herrscher von San Rinaldi muss sein Leben seinem Land widmen und darf daher während seiner Regentschaft keinen eigenen Beruf ausüben.

X.

Die Mitglieder des Königshauses müssen ihren Wohnsitz auf San Rinaldi haben. Im Einzelfall kann der König gestatten, dass ein Familienmitglied in ein anderes Land zieht. Der Herrscher selbst muss jedoch im Palast auf San Rinaldi leben.

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Das Königshaus Rinaldi

Eine der reichsten königlichen Familien der Welt – vereint durch Blut und Leidenschaft, zerrissen durch Verrat und Begierde, unterworfen den strengen Regeln der Rinaldis

Aus blauen Fluten, umweht vom Duft der Zitronen- und Orangenbäumen, ragt majestätisch eine Insel empor: San Rinaldi, die Perle des Mittelmeers. Gesegnet mit einzigartig schöner Natur, üppiger Vegetation und reichen Ernten, wird das idyllische Eiland seit vielen Jahren von König Giorgio aus dem Geschlecht der Fierezzas beherrscht. Schon seit dem Mittelalter lenkt seine Familie die Geschicke der Insel, machte sie zu einem florierenden Handelsplatz und gelangte so zu unermesslichem Reichtum – Reichtum, der zu allen Zeiten zu Neid, Intrigen, Verrat und Auseinandersetzungen führte.

Auseinandersetzungen und Probleme stehen auch König Giorgio ins Haus. Besorgt beobachtet man im Palast von San Rinaldi, dass es dem neunzigjährigen Monarchen gesundheitlich immer schlechter geht.

Doch wer soll nach dem tragischen Tod der beiden Kronprinzen das Erbe der Rinaldis antreten?

König Giorgio muss seine Wahl treffen unter den Prinzen und Prinzessinnen der Dynastie. Kein leichtes Unterfangen! Denn wer den Thron von San Rinaldi besteigen und über das blühende Inselreich herrschen will, muss sich entscheiden, ob er sich den strengen Gesetzen des Hauses Rinaldi unterwirft – oder der Stimme seines Herzens folgt und statt der Krone die Liebe wählt ...

PROLOG

Der Botschafter von San Rinaldi hielt den Atem an, als der Fallschirmspringer durch die Wolken stieß. Nicht auszudenken, sollte dem Thronerben etwas zustoßen. Das war bei Nico Fierezzas Leidenschaft für Extremsportarten durchaus möglich. Selbst wenn heute alles glatt ablief, konnte es morgen ganz anders aussehen. Der Botschafter atmete erst ruhiger, als Prinz Nico sicher auf festem Boden landete und sich gekonnt abrollte.

Unmittelbar nach der Landung spürte er noch den Adrenalinschub. Nico hatte soeben einen Rekord gebrochen. Nie zuvor war ein Fallschirmspringer aus dieser Höhe ohne Sauerstoffmaske gesprungen. Doch nun zwang er sich wieder zu Ruhe und Besonnenheit. Er hatte gelernt, dass Euphorie wie überhaupt jedes heftige Gefühl gefährlich war – sie vernebelte den Verstand.

Während ein Helfer den Fallschirm hielt, nahm Nico den Helm ab und musterte den Botschafter genauer. Er hatte den Besucher schon von der Luft aus entdeckt. Erleichtert stellte er fest, dass offenbar kein Unglück den Diplomaten hierherführte. Dafür hatte Nico einen Blick.

Schon lange hielt Prinz Nico sich von den Ränkespielen und Machtkämpfen am Hof seines Großvaters Giorgio, dem König von San Rinaldi, fern. Die Familie Fierezza regierte bereits seit dem Mittelalter auf San Rinaldi. Mit ihrer

Schönheit und vielfältigen Reizen zog die Mittelmeerinsel die Reichen und Mächtigen aus aller Welt unwiderstehlich an.

Diese Leute und die Hofintrigen waren für Nico Grund genug gewesen, seine Heimat zu verlassen und aus eigener Kraft etwas aufzubauen. Ohne auf Privilegien oder persönliche Verbindungen zurückzugreifen, hatte er sich in London einen Namen als Architekt erkämpft. Heute konnte Nico mit Recht behaupten, jeden einzelnen Cent selbst verdient zu haben.

Den Helm unterm Arm, ging er zielstrebig auf den Botschafter zu. Eigentlich wusste Nico gar nicht, was ihn im Leben so unerbittlich antrieb. Schließlich lag eine glückliche Kindheit mit einer liebevollen Mutter hinter ihm. Im Grunde brauchte er niemandem etwas zu beweisen.

Aber vielleicht lag es doch an seiner Herkunft. Denkbar, dass Männer wie er sich von allem befreien mussten, was sanft oder liebevoll war. Nico trieb sich selbst bis an die Grenze des Möglichen, einfach um zu spüren, dass er lebte. Sein Vater hatte es genauso gehalten. Mit seiner Jacht war er bis an die Grenze und darüber hinaus gegangen. Das hatte ihn, seinen Bruder und seine Schwägerin das Leben gekostet. Nico empfand Dankbarkeit, weil seine Mutter noch lebte. Das Unglück bildete für ihn eine Lektion, die er nie vergessen würde.

Abseits der anderen Leute blieb er stehen, um sich ungestört mit dem Diplomaten zu unterhalten. Nico nahm sich vor, möglichst freundlich zu bleiben, ohne sich auf Kompromisse einzulassen.

„Herr Botschafter“, sagte er kurz angebunden, als der untersetzte Mann auf ihn zutrat.

„Sie haben mich also erkannt“, erwiderte der Botschafter und lachte nervös.

„Natürlich“, entgegnete Nico nun höflich. „Wie geht es meiner Mutter?“

„Sehr gut, Hoheit, und Ihrem Großvater auch …“

Er runzelte die Stirn, weil der Mann nicht weitersprach. Jetzt wusste Nico, worum es ging. „Seine Majestät wünscht mich zu sehen“, stellte er fest.

„Das ist richtig, Hoheit.“

Die Jubelrufe der anderen Fallschirmspringer lenkten den Botschafter kurz ab. Nico hatte haushoch gewonnen. Trotzdem ließ er sich nichts anmerken und zeigte wie üblich keine Gefühle. Nicht einmal seine graublauen Augen verrieten etwas.

Prinz Nico ahnte, wie einschüchternd er auf den wesentlich älteren und erfahrenen Diplomaten wirkte. Über einen halben Kopf größer, schlank und gebräunt von den vielen Arbeitsstunden im Freien, stand er ihm gegenüber. Nico liebte es, die Entstehung der von ihm entworfenen Bauwerke mitzuerleben. Er hatte die kräftigen Hände eines Mannes, der selbst mit anpackte. Sein Gesicht wirkte durch einen pechschwarzen Dreitagebart hart und verwegen.

Der Botschafter arbeitete allerdings für einen intelligenten und klugen Monarchen und wurde mit jeder Situation fertig. Daher wappnete er sich und konzentrierte sich voll auf seine Aufgabe. Seinen scharfen grauen Augen entging nichts. Er achtete sorgfältig auf jedes Wort, das Nico Fierezza an ihn richtete.

„Sagen Sie bitte Seiner Majestät, dass ich zu ihm komme, sobald es meine Arbeit mir erlaubt.“

Inzwischen riefen die anderen Männer nach ihm und winkten ihn zu sich aufs Podium. Abwehrend hob Nico die Hand.

Der Botschafter war sicher, dass der Prinz besser war als alle hier auf dem Platz. Nach dem spektakulären Sprung müsste er eigentlich begeistert und aufgeregt sein. Trotzdem machte er weder einen zufriedenen noch gar selbstgefälligen

Eindruck. Im Gegenteil, Nico hatte es offenbar nicht eilig, sich von den anderen feiern zu lassen.

Es hieß, dass dieser Enkel des Königs keine Emotionen kannte. Und das schien zu stimmen – eine ideale Voraussetzung für die bevorstehenden großen Aufgaben. König Giorgio suchte dringend nach einem Thronerben, bevor sich sein Gesundheitszustand noch weiter verschlechterte. Der Diplomat wusste, dass Prinz Nico über die idealen Eigenschaften verfügte: Für ihn kam die Pflicht an erster Stelle, er war absolut verschwiegen, und er hatte einen einwandfreien Lebenswandel aufzuweisen. Bei ihm brauchte der König keinen Skandal zu fürchten.

Der Botschafter ließ sich zwar nichts anmerken, doch insgeheim war er sich bereits des Erfolges sicher.

„Ich lasse mich bei Seiner Majestät entschuldigen“, fuhr Nico fort. „Richten Sie ihm bitte aus, dass ich so bald wie möglich nach San Rinaldi reisen werde.“

Zustimmend neigte der älter Mann den Kopf. Wenn der Sieg zum Greifen nah war, konnte man leicht einen Kompromiss eingehen. „Seine Majestät wird sicher Verständnis zeigen. Ich soll Sie in seinem Namen bitten, den Zeitpunkt Ihres Erscheinens selbst zu wählen.“

Was ist das denn, dachte Nico amüsiert. Seit wann zeigte König Giorgio sich so entgegenkommend? Seinem Großvater lag wohl extrem viel an seinem Besuch, wenn er bereit war zu warten. „Es handelt sich vielleicht um eine oder zwei Wochen, nicht mehr.“

„Ausgezeichnet“, versicherte der Botschafter. „Seine Majestät wird sehr erfreut sein.“ Aus den Augen des Prinzen traf ihn ein warnender Blick. Er sollte nicht übertreiben. „Vielleicht könnten wir ein Datum festlegen“, fügte er hinzu.

„Ich werde Sie informieren“, erwiderte Nico in einem Ton, der keinen Zweifel an seiner Haltung ließ. Heute war der Prinz zu keinen weiteren Zugeständnissen bereit. „Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, Herr Botschafter.“

Nico hatte sich bereits abgewandt und entfernte sich, als sich der Diplomat so tief verbeugte, wie es eigentlich nur vor dem König üblich war.

1. KAPITEL

Auf dem Sarg lag eine einzelne weiße Rose. Regentropfen glitzerten an den zarten Blütenblättern.

Die Blume auf dem Namensschild aus Messing machte Carrie traurig. Sobald Erde den Sarg bedeckte, sah niemand mehr den Namen der Tante, die für ihre Nichte nichts übrig gehabt hatte. Doch so etwas ließ sich nicht steuern. Carrie hatte ihre Tante geliebt, obwohl ihre Gefühle ins Leere stießen. Ja, es war traurig. Trotzdem war Carrie froh, dass Worte nicht alles zerstören konnten. Der Zuneigung zu ihrer Tante konnten sie nichts anhaben.

„Carrie Evans?“

Sie drehte sich um. Hinter ihr stand ein Mann mit einem schwarzen Regenschirm, unter dem seine finstere Miene noch geheimnisvoller wirkte. Außer ihr selbst waren nur vier Leute zum Begräbnis erschienen – der Geistliche und drei Bestatter, die sich jetzt entfernten. Carrie nahm ihren ganzen Mut zusammen. „Ja, ich bin Carrie Evans“, erwiderte sie. „Was kann ich für Sie tun?“

„Tut mir leid, Miss, aber ich war beim Haus und habe niemanden angetroffen.“

Sie kannte den Mann nicht, erriet jedoch den Grund für sein Erscheinen. Bestimmt wollte er ihr die Papiere zustellen, die sie aus dem Haus ihrer Tante vertrieben. So wünschten es die Verwandten, die bei Tante Mabel nie zu Besuch gewesen waren. Gestern hatte bereits ein Anwalt angerufen und die Lage erklärt.

Gestern, als sich ihr Leben unwiderruflich verändert hatte …

Carrie war fünfundzwanzig, obwohl sie jünger aussah. Das lag weniger an der konservativen Kleidung, sondern mehr an der hellen Haut. Außerdem kämmte sie sich das üppige Haar immer straff nach hinten und schlang es zum Knoten. Carrie zeigte ihre Lockenpracht ungern offen. Sie fand, dass das Rotgold eher zu einer Schauspielerin oder einem Model passte. Am liebsten hätte sie das Haar braun färben lassen, doch das war ihr auf die Dauer zu teuer. Ihr Gehalt als Sekretärin deckte gerade die laufenden Kosten.

Betont durch dichte schwarze Wimpern, prägten die großen blauen Augen ihr Gesicht. Alles in allem wirkte sie wie eine tüchtige junge Frau, die für das geltende Schönheitsideal eine Spur zu füllig war. Dafür konnte sie aber ziemlich entschlossen auftreten.

„Ich habe meine Sachen bereits aus dem Haus meiner Tante entfernt“, erklärte sie beherrscht. „Sobald wir hier fertig sind, hole ich meinen Koffer und bringe die Schlüssel zum Anwalt.“

Sie tat ihm leid, weil er gehört hatte, dass sie kein Dach mehr über dem Kopf hatte. Die Erben ihrer Tante beanspruchten das Haus, in dem sie wohnte, ganz für sich. „Offenbar haben Sie alles im Griff“, meinte er, um den Schlag abzumildern, „und daher brauchen Sie wohl kaum einen Rat von mir.“

„Nein, danke“, entgegnete sie.

Obwohl sie einen äußerst höflichen Ton anschlug, hielt sie seine Worte offenbar lediglich für eine lahme Floskel. Als er Miss Evans die Papiere überreichte, stieg sie noch weiter in seiner Achtung. Trotz des Unglücks, das sie getroffen hatte, strahlte diese ungewöhnliche junge Frau eine stille Würde aus, die Respekt forderte.

Carrie hatte zuletzt schon gar nicht mehr gemerkt, wie kalt und unansehnlich ihr Zimmer war. Laut Räumungsbescheid blieben ihr vierundzwanzig Stunden, um die Sachen wegzuschaffen. So viel Zeit brauchte sie gar nicht.

Einerseits vermisste sie ihre Tante. Andererseits war Carrie froh, dieses traurige und einsame Haus endlich zu verlassen. Dabei hätte es ohne Weiteres ein Heim voll von Liebe und Fröhlichkeit sein können. Dafür hätte Tante Mabel nur vergessen müssen, dass Carries Vater nicht sie, sondern ihre Schwester geheiratet hatte.

Seufzend schüttelte sie den Kopf. Die Situation könnte kaum schlimmer sein. Carrie war arbeitslos, obdachlos, alleinstehend und schwanger.

Trotzdem war sie fähig, aufrichtig glücklich zu lächeln, wenn sie an ihr Baby dachte. Die Freude über die Schwangerschaft ließ sie sich durch nichts nehmen. Eines Tages würde sie einen Menschen treffen, den sie lieben konnte und der ihre Gefühle erwiderte. Ihn würde sie umsorgen und gemeinsam mit ihm in die Zukunft blicken. Im Augenblick hatte Carrie aber ein ganz anderes Problem. Sie musste den Vater ihres Kindes informieren. Schließlich hatte er ein Recht darauf, es zu erfahren. Doch allein schon bei der Vorstellung krampfte sich ihr der Magen zusammen.

Bedauerlicherweise war der Vater ihres Kindes der härteste und gefühlsärmste Mann, den sie jemals kennengelernt hatte. Meistens benahm er sich so freundlich und umgänglich wie ein Löwe, der sich einen Dorn in die Pfote eingetreten hatte. Und dennoch liebte sie diesen Mann. Seit dem ersten Moment, und diese Liebe würde nie vergehen. Er hatte sich so gut wie gar nicht um sie gekümmert. Carrie seufzte abermals. Je länger sie es hinausschob, desto schwerer würde es ihr fallen, mit ihm über das Baby zu reden.

Schützend legte sie die Hände auf ihren Bauch. Niemand sollte sich dem Glück ihres Kindes in den Weg stellen. Ihr blieb nichts anderes übrig, als mit dem Vater zu sprechen und ihm die Stirn zu bieten. Dabei wollte sie gar nichts für sich selbst, sondern verlangte nur Anerkennung und Sicherheit für ihr Kind. Er war sehr reich und ließ sich vielleicht dazu überreden, für sein Kind einen Treuhandfonds einzurichten.

Bevor sie ihre Schwangerschaft bemerkt hatte, träumte Carrie noch davon, die Arbeit als Sekretärin aufzugeben. Stattdessen wollte sie gern ihre Leidenschaft fürs Malen zum Beruf machen. Das kam nun allerdings nicht mehr infrage. Jetzt brauchte sie eine billige Unterkunft und einen Job, bevor das Kind zur Welt kam.

Im Lauf der Zeit könnte sie genug für ein Häuschen mit Garten sparen. Aus eigener Erfahrung wusste Carrie, wie wichtig Beständigkeit für ein Kind war. Ihr Kind sollte nicht herumgestoßen werden wie sie selbst nach dem tragischen Unfall ihrer Eltern.

Carrie war fest entschlossen, nicht aufzugeben. Heute mochte sie obdachlos sein, aber sie würde es nicht lange bleiben.

Seit Tagen sprach der König von San Rinaldi nur noch von Nico Fierezza und wollte auch nichts anderes hören. Und soeben hatte er erfahren, dass sein Enkel Nico endlich nach San Rinaldi unterwegs war.

Nico steuerte seinen eigenen Jet. König Giorgio lächelte anerkennend. Nico führte ein beneidenswertes Leben. Wäre ihm nicht die Last der königlichen Pflichten aufgebürdet worden, Giorgio hätte es genauso gemacht. Nun blieb ihm in diesem langen und ereignisreichen Leben nur noch eine einzige Aufgabe: Er musste seinen wilden Enkel zähmen und dazu bringen, die Thronfolge anzutreten.

Nico Fierezza zähmen? Der König seufzte. Das stellte sogar für ihn eine gewaltige Herausforderung dar. Doch dann leuchteten seine Augen auf. Vielleicht schaffte es kein Mann, Nico zu zähmen. Einer Frau würde es gelingen.

Was mache ich bloß auf San Rinaldi?, fragte sich Nico, während er den Jet perfekt landete und ausrollen ließ. Was hatte er auf dieser kleinen Insel zu suchen, von der viele träumten wegen der landschaftlichen Reize, Sehenswürdigkeiten und Attraktionen? Ihm erging es überhaupt nicht so.

Ab und zu übernahm er gern für seine Cousine Isabella die Renovierung eines Gebäudes. Er hatte sogar den neuen Flughafentrakt entworfen. Trotzdem spielte sich sein Leben in London ab.

War er fern von San Rinaldi, vermisste er lediglich seine Mutter Prinzessin Laura und seine Brüder Luca und Max. Max widmete sich ganz den Weingärten. Sein älterer Bruder Luca hatte das Kasino der Insel zum Erfolg geführt und jahrelang selbst geleitet. Erst in jüngster Zeit hatte er nach einer kurzen und stürmischen Romanze geheiratet und war in das Heimatland seiner jungen Frau gezogen. Seither wickelte er seine Geschäfte von Australien aus ab.

Nico verspürte schon wieder jene Unruhe, die ihn von Kindheit an verfolgte. Am liebsten hätte er die Insel sofort verlassen, obwohl der Jet noch nicht einmal stand.

Ungeduldig steuerte er den Haltepunkt an, wo bereits der rote Teppich für ihn ausgerollt war. Wann würden diese Leute lernen, dass man ihn keinesfalls mit Prunk und Pomp nach San Rinaldi zurücklocken konnte? Andererseits war er seit dem Bootsunglück zum ersten Mal wieder hier. Nach dem Tod seiner Angehörigen litt er nicht allein unter dem Verlust. Weshalb sollte er nicht eine Weile bei seiner Familie bleiben? So kostbar war seine Zeit schließlich auch wieder nicht.

Zuerst musste er sich mit seinem greisen Großvater aussprechen. Sobald der König zufrieden war, blieb genug Zeit für die übrige Familie. Allzu lange durfte Nico allerdings nicht bleiben. Sonst weckte er womöglich falsche Hoffnungen. Er ahnte schließlich, worum es letztlich ging. Drei männliche Thronerben waren von der Nachfolge ausgeschlossen worden. Also stand er als Nächster auf der Liste.

Zweifellos wollte sein Großvater ihn deshalb sehen. Nico war jedoch nicht am Thron von San Rinaldi interessiert – was immer König Giorgio auch Vorbringen mochte.

Seine Gründe dafür gingen weit über die innere Ruhelosigkeit hinaus. Auf keinen Fall wollte Nico unter falschen Voraussetzungen ein schweres Amt übernehmen. San Rinaldi konnte keinen König brauchen, der irgendwann so verzweifelt nach einem Erben suchen musste wie jetzt König Giorgio.

Nico war sich voll bewusst, dass er aufgrund einer Kinderkrankheit unfruchtbar war. Daher kamen Ehe und langfristige Beziehungen für ihn nicht infrage. Das belastete ihn nicht weiter, weil er sich gar nicht damit auseinandersetzte. In gewisser Weise war es ihm sogar recht. Immerhin trug er so weniger Verantwortung.

Carrie konnte dem Vater ihres Kindes die Neuigkeit unmöglich am Telefon beibringen. Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich in die Höhle des Löwen zu wagen.

Die U-Bahn fuhr in die Station ein. Carrie griff nach ihrer Tasche und bahnte sich einen Weg durch die Menschenmenge. Sobald sie wieder das Tageslicht erblickte, stellte sie die Tasche ab und schlug den Mantelkragen hoch. Der typische Sommertag in London begrüßte sie mit Dauerregen vom grauen Himmel. Kein Taxi war in Sicht. Das überraschte Carrie nicht. So war es immer, wenn es auch nur leicht regnete. Und im Moment schüttete es geradezu.

Trotz der vollen Reisetasche ging Carrie rasch und energisch in Richtung Zentrum. Dort hatte sie früher als Sekretärin gearbeitet. Obwohl sie erst vor drei Monaten gekündigt hatte, kam es ihr ewig her vor.

Eigentlich war es mehr um ihren Stolz als ums Prinzip gegangen. Tante Mabel hatte die Gelegenheit sofort genutzt, ihre Pflegerin entlassen und stattdessen ihre Nichte eingestellt. Carrie übernahm die Aufgabe gern, auch wenn Tante Mabel ihr kein Gehalt zahlte. Wenigstens fühlte sie sich so nützlich. Und sie verdiente sich dadurch Unterkunft und Verpflegung, auch wenn sie ohnedies für beides aufkam. Carrie war naiv genug gewesen zu hoffen, dass sie ihrer Tante durch diese Arbeit näherkommen würde.

Mittlerweile glaubte Carrie nicht mehr an Wunder. Dafür fühlte sie sich stark genug, um mit allem fertig zu werden. Heute wollte sie dem Vater ihres Kindes nicht nur die Nachricht überbringen, sondern sich auch ein Empfehlungsschreiben holen. Um ein Kind angemessen zu versorgen, brauchte sie mehr als nur einen Gelegenheitsjob. Leider hatte Carrie die alte Arbeitsstelle überstürzt aufgegeben, ohne an das Nächstliegende zu denken. Wo hatte sie bloß ihren Verstand gelassen?

Irgendwo unterhalb von Nico Fierezzas Gürtellinie, gestand sie sich ärgerlich ein. Mit festen Schritten betrat sie das hypermoderne Bürogebäude, in dem Stahl und Glas dominierten. Dass Nico sie überhaupt zur Kenntnis nahm, hatte sie völlig aus dem Gleichgewicht gebracht. Seinetwegen hatte sie eine Zeitlang in einer Fantasiewelt gelebt, ohne an die Folgen zu denken.

Zuallererst stellte Carrie fest, dass ihre ehemalige Assistentin zur Büroleiterin aufgestiegen war. Sie hatte sich innerhalb von zwölf Wochen von einer sanften und bescheidenen Mitarbeiterin in eine hochmütig herablassende Person verwandelt. Nicht schlecht, dachte Carrie anerkennend und hielt dem geringschätzigen Blick eisern stand.

„Nicht dorthin stellen.“ Die Büroleiterin unterbrach für einen Moment das Feilen ihrer Fingernägel. „Dort macht Ihre triefende Tasche den Teppich nass.“

„Ich selbst triefe auch“, bemerkte Carrie und beherrschte sich nur mühsam. „Könnte ich vielleicht meinen Mantel ausziehen und zum Trocknen aufhängen?“

Die ehemalige Kollegin zuckte bloß die Schultern.

„Ist Nico hier?“

„Mr. Fierezza? Tut mir leid. Sie können nicht so einfach bei uns hereinplatzen und erwarten, dass Mr. Fierezza für Sie Zeit hat. Schließlich ist er ein vielbeschäftigter Mann. Sie müssen sich einen Termin geben lassen.“

„Mir ist völlig klar, dass er viel zu tun hat.“ Das war ihr wirklich nicht neu. „Ich kann gern warten. Sagen Sie ihm bitte, dass ich hier bin?“

„Kann ich denn nichts für Sie tun?“, erkundigte sich die Büroleiterin.

Carrie straffte die Schultern. „Rufen Sie ihn jetzt an, oder soll ich direkt hineingehen?“, fragte sie in einem Tonfall, der keinen Zweifel an ihrer Entschlossenheit ließ.

„Damit würden Sie gar nichts erreichen. Er ist nicht hier.“

Missmutig verzog sie die Mundwinkel. Das war wirklich ein harter Schlag.

„Carrie!“

Der Anblick der Frau mittleren Alters, die voll Energie auf sie zueilte, richtete Carrie wieder einigermaßen auf.

„Wie schön, Sie zu sehen, Carrie! Was machen Sie hier?“

Dieses Zusammentreffen war ein wahrer Glücksfall. Carrie mochte Sonia Farraday von allen hier im Büro am liebsten. Sonia war sozusagen die Seele der Firma, wusste über alles Bescheid und hielt die Fäden in der Hand, wann immer Nico unterwegs war.

„Kommen Sie mit“, verlangte Sonia und hakte Carrie unter. „Sie müssen sich unbedingt aufwärmen. Sie sind ja völlig durchnässt. Und Sie, Shelley“, fügte sie scharf hinzu, „holen sich ein Tuch und trocknen Carries Reisetasche.“

Ohne sich an der säuerlichen Miene der Empfangsdame zu stören, zog sie Carrie in ihr ordentlich aufgeräumtes Büro.

„Also wirklich, diese jungen Frauen heutzutage“, meinte sie und lachte herzlich. „Nun, was kann ich für Sie tun? Setzen Sie sich!“

„Ich muss Nico sprechen“, erklärte Carrie und ließ sich in einen Sessel sinken.

„Nicht so einfach.“ Sonia setzte sich seufzend. „Nico ist nicht in London und wird auch eine Weile fortbleiben. Zuerst bringt er sein jüngstes Projekt zu Ende, danach besucht er seine Familie auf San Rinaldi. Man munkelt sogar, er könnte für immer dort bleiben“, fügte sie gedämpft hinzu.

„San Rinaldi?“, fragte Carrie betroffen.

„Er vertraut mir nicht alles an. Sie wissen selbst, dass er sein Privatleben abschirmt. Wenn es so weit ist, wird er mich informieren, aber keinen Moment früher.“ Sonia musterte sie eingehend. „Sie wirken erschöpft. Ich hole Ihnen gleich etwas zu trinken. Und wenn ich wieder hier bin, unterhalten wir uns. Mal sehen, ob ich Ihnen irgendwie weiterhelfen kann.“

Wie benommen nickte Carrie. Sie bekam kaum mit, wie Sonia den Raum verließ. Dass Nico nach San Rinaldi reiste, überraschte sie. Und natürlich war Sonia neugierig. Den vollen Grund ihres Besuchs wollte Carrie jedoch nicht offenbaren. Auch wenn sie Sonia vertraute, sollte doch Nico als Erster von dem Kind erfahren.

Ihr Blick fiel auf den Computerbildschirm. Sofern sich das Passwort nicht geändert hatte, konnte sie Nicos Anschrift in San Rinaldi abrufen.

Wenig später blickte sie verwirrt auf den Monitor. Nico hatte nicht irgendeine Adresse in San Rinaldi. Er bewohnte ein ganzes Apartment im Palast. Carrie wusste zwar, dass Nico der Enkel des Königs war. Aber weil er selten davon sprach, hatte sie angenommen, dass er so gut wie keine Beziehungen zum Hof hatte und weitgehend unbedeutend war. Jetzt wusste sie es besser. Nico gehörte nicht nur zur Herrscherfamilie, sondern wohnte auch im Palast.

Der Vater ihres Kindes wohnte in einem Königspalast!

Das erschwerte es ihr, mit Nico zu sprechen. Allerdings machte der Umstand nichts unmöglich.

Ein Tablett in den Händen, kam Sonia wieder herein. „Hier ist Tee für Sie“, sagte sie freundlich. „Aber Sie machen ja ein Gesicht, als hätten Sie einen Geist gesehen. Ist mit Ihnen auch wirklich alles in Ordnung?“

„Es geht mir gut“, wehrte Carrie ab. „Ich habe nur auf dem Herweg gefroren. Es ist ziemlich kalt draußen.“

„Sie sollten einfach wieder in diesem schönen warmen Büro arbeiten“, versicherte Sonia. „Wir vermissen Sie.“

Damit baute sie ihr eine goldene Brücke, doch Carrie konnte nicht darauf eingehen. Nach allem, was zwischen ihr und Nico geschehen war, konnte sie nie wieder für ihn arbeiten.

Nachdem sie den Tee getrunken hatten, löste Sonia ihr Versprechen ein und erledigte einige Anrufe. Sie vergewisserte sich, dass Nico auch tatsächlich auf San Rinaldi war.

San Rinaldi … Die Insel war mittlerweile zu einer Legende geworden, zu einer kleinen, aber interessanten und glamourösen Welt, die Carrie verschlossen blieb. Nico gehörte dorthin. Und dadurch wurde er für sie noch unerreichbarer.

Sonia stellte keine neugierigen Fragen. Sie merkte anscheinend, dass Carrie sich ihr nicht anvertrauen wollte. „Sie dürfen bei diesem Wetter nicht zur U-Bahn gehen, Carrie“, meinte sie nur beim Abschied. „Ehrlich, Sie holen sich sonst den Tod. Ich rufe Ihnen ein Taxi. Sie haben noch dieselbe Adresse, oder?“

Carrie konnte ihre hilfsbereite ehemalige Kollegin nicht mit ihren Problemen belasten. Es ging jetzt in erster Linie um ihr Kind, das sie beschützen musste. „Rufen Sie mir bitte ein Taxi“, erwiderte sie lächelnd, „aber ich überlege noch, wohin ich von hier aus fahre.“

2. KAPITEL

Während die Maschine zur Landung auf San Rinaldi ansetzte, wanderten Carries Gedanken nach England zurück. Eigentlich hält mich nichts in meiner Heimat, überlegte sie und seufzte. Dadurch konnte sie sich aber umso besser darauf konzentrieren, ein neues Land kennenzulernen. Außerdem freute sie sich trotz allem auf das Wiedersehen mit Nico.

Aufgeregt drückte sie die Zeitschrift an sich, die sie im Flugzeug bekommen hatte. Darin waren Luftaufnahmen des Königspalastes abgebildet. Wie sollte Carrie sich bloß zu diesem Gebäude Zutritt verschaffen?

Irgendwie muss ich es schaffen, dachte sie entschlossen und schob die Zeitschrift wieder ins Haltenetz des Vordersitzes. Ein Blick aus dem Fenster lenkte sie ab. Tief unten erkannte sie Boote auf dem blau schimmernden Mittelmeer. Davor ragte die goldgelbe Küste von San Rinaldi auf.

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